Titel:
Normenkontrollantrag, öffentlich-rechtliche Benutzungsregelung für staatliche Parkanlage (hier: Englischer, Garten, Hofgarten und Finanzgarten in München), Cannabiskonsumverbot, Sperrwirkung durch Bundesrecht (verneint), Vereinbarkeit der Verordnung mit der Ermächtigungsgrundlage, Gefahrenprognose, Gefahrenvorsorge, erhebliche Belästigung, Abstimmung auf die örtlichen Verhältnisse, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 2
GG Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 S. 2
KCanG § 5
LStVG Art. 20 Abs. 1
Verordnung über die staatliche Parkanlage Englischer Garten, Hofgarten und Finanzgarten in München vom 28. Mai 2018 (FMBl. S. 50) i.d.F. vom 6. Mai 2024 (BayMBl. Nr. 216) § 2 Abs. 2 Nr. 12
Leitsätze:
1. Das bundesrechtliche Cannabiskonsumverbot zum Kinder- und Jugendschutz gemäß § 5 KCanG schließt eine landesrechtliche Benutzungsregelung des Cannabiskonsums in einer staatlichen Parkanlage zum Schutz anderer Parkbesucher nicht aus.
2. Auf Grundlage des Art. 20 Abs. 1 LStVG kann grundsätzlich eine Benutzungsregelung zum Cannabiskonsum in einer staatlichen Parkanlage in Betracht kommen, soweit sie insbesondere zum Schutz anderer Parkbesucher vor erheblichen Belästigungen gerechtfertigt ist; etwaige Regelungen sind auf die örtlichen Verhältnisse abzustimmen.
Schlagworte:
Normenkontrollantrag, öffentlich-rechtliche Benutzungsregelung für staatliche Parkanlage (hier: Englischer, Garten, Hofgarten und Finanzgarten in München), Cannabiskonsumverbot, Sperrwirkung durch Bundesrecht (verneint), Vereinbarkeit der Verordnung mit der Ermächtigungsgrundlage, Gefahrenprognose, Gefahrenvorsorge, erhebliche Belästigung, Abstimmung auf die örtlichen Verhältnisse, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2025, 32266
Tenor
I. § 2 Abs. 2 Nr. 12 der Verordnung des Antragsgegners über die staatliche Parkanlage Englischer Garten, Hofgarten und Finanzgarten in München vom 28. Mai 2018 (FMBl S. 50) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 6. Mai 2024 (BayMBl Nr. 216) ist unwirksam.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die im Umland von München wohnhaften Antragsteller wenden sich mit ihren Normenkontrollanträgen gegen das Verbot des Konsums von Cannabisprodukten gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 12 der Verordnung über die staatliche Parkanlage Englischer Garten, Hofgarten und Finanzgarten in München vom 28. Mai 2018 (FMBl. S. 50) i.d.F. vom 6. Mai 2024 (BayMBl. Nr. 216), im Folgenden: Parkanlagen-VO.
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Der Bundesgesetzgeber hat mit dem in wesentlichen Teilen am 1. April 2024 in Kraft getretenen Konsumcannabisgesetz (KCanG) den privaten Eigenanbau, den Besitz sowie den Konsum von Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Der bayerische Gesetzgeber hat daraufhin das am 1. August 2024 in Kraft getretene Gesetz zur Begrenzung der Folgen des Cannabiskonsums (Bayerisches Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz) vom 23. Juli 2024 (GVBl S. 254) beschlossen, mit dem insbesondere Konsumverbote an bestimmten Orten, vor allem auch im öffentlichen Raum, geregelt werden.
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Mit Verordnung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen zur Änderung der Parkanlagen-VO vom 6. Mai 2024 wurde u.a. in deren § 2 Abs. 2 eine neue Nr. 12 eingefügt. Die Regelung des § 2 der Parkanlagen-VO hat in der geänderten Fassung auszugsweise folgenden Wortlaut:
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„§ 2 Allgemeine Verhaltensregeln, Verbote
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(1) Die Benutzer der staatlichen Parkanlage Englischer Garten, des Hofgartens und des Finanzgartens haben sich so zu verhalten, dass weder ein anderer gefährdet, geschädigt oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird noch die Anlagen und ihre Bestandteile/Einrichtungen beschädigt oder verunreinigt werden.
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(2) In der staatlichen Parkanlage Englischer Garten, in dem Hofgarten und in dem Finanzgarten ist insbesondere verboten,
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11. der Alkoholgenuss, soweit andere dadurch mehr als unvermeidbar belästigt werden;
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12. Cannabisprodukte zu rauchen, zu erhitzen oder zu dampfen einschließlich einer Nutzung von zu diesem Zweck verwendeten E-Zigaretten, Vaporisatoren oder vergleichbaren Produkten; “
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Des Weiteren wurde der räumliche Geltungsbereich der Verordnung auf den Nordteil des Englischen Gartens (vgl. Anlage 2 [Nordteil] zu § 1 Abs. 2 Satz 2 ParkanlagenVO) erweitert.
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Gegen das Bayerische Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz und gegen die Änderung der Parkanlagen-VO haben unter anderem die Antragsteller beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eine Popularklage gemäß Art. 98 Satz 4 der Bayerischen Verfassung erhoben (Vf. 8-VII-24), über die noch nicht entschieden ist.
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Am 24. April 2025 stellten die Antragsteller einen Normenkontrollantrag. Sie beantragen,
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§ 2 Abs. 2 Nr. 12 der Verordnung über die staatliche Parkanlage Englischer Garten, Hofgarten und Finanzgarten in München vom 28. Mai 2018, zuletzt geändert durch Verordnung vom 6. Mai 2024 der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, für unwirksam zu erklären.
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Zur Begründung trägt der Antragsteller zu 1 vor, er habe bisher schon im Englischen Garten zu Genusszwecken mit einem Vaporizer Cannabis konsumiert. Der Antragsteller zu 2, bei dem eine Behinderung mit einem Grad von 50 festgestellt ist, macht zusätzlich geltend, wegen Schmerzattacken auf die Einnahme von Medizinalcannabis in Abständen von zwei bis maximal vier Stunden angewiesen zu sein. Das Cannabiskonsumverbot in § 2 Abs. 2 Nr. 12 der Parkanlagen-VO verstoße gegen höherrangiges Recht. Es könne nicht auf Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG gestützt werden, da § 5 Abs. 2 KCanG eine abschließende Aufzählung von Orten enthalte, an denen der Konsum von Cannabis verboten sei, und daher die Anwendung von Landesrecht für weitergehende Verbote sperre. Lediglich Verbote zum Schutz vor Passivkonsum seien bundesrechtlich nicht abschließend normiert. Die streitgegenständliche Regelung sei von der Sperrwirkung erfasst. Sie bezwecke erkennbar nicht den Schutz vor Passivkonsum, da vom Konsum der Cannabisprodukte, vor allem beim Verdampfen im weitläufigen Außenbereich, kaum Beeinträchtigungen für Dritte ausgingen. Zudem hätte andernfalls konsequenterweise auch das Rauchen von Tabakprodukten zum Schutz vor Passivrauchen verboten werden müssen. Des Weiteren liege jedenfalls dann keine (abstrakte) Gefahr im Sinne von Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG vor, wenn Cannabis mit ausreichendem Abstand zu Dritten und mittels eines Vaporizers konsumiert werde. Die vom Antragsgegner zitierten Studien und Stellungnahmen würden sich nicht auf den Passivkonsum im Freien beziehen. Der Verordnungsgeber sei grundsätzlich gerade nicht zur Gefahren- oder Risikovorsorge befugt. Der Antragsgegner vermenge an mehreren Stellen Gesetz- und Verordnungsgeber und spreche irreführend vom Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers. Der Verordnungsgeber verfüge über keinen Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum. Das Cannabiskonsumverbot diene schließlich auch nicht dem Schutz vor erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit. Die Regelung für die gesamte staatliche Parkanlage sei außerdem entgegen Art. 20 Abs. 1 Satz 2 LStVG nicht auf die örtlichen Verhältnisse abgestimmt worden. Der Nordteil des Englischen Gartens werde markant durch den Isarring vom Südteil abgegrenzt. Zu den vorgetragenen Nutzungszahlen der Parkanlagen nenne der Antragsgegner keine Quellen. Es liege zudem ein Verstoß gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vor, soweit auch der Konsum von Cannabis aus medizinischen Gründen verboten werde. Das Verbot verstoße des Weiteren gegen das Diskriminierungsverbot aus Gründen einer Behinderung gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und gegen die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Indem die Vorschrift Konsum von Cannabis verbiete, während der Konsum von Tabak erlaubt sei, werde schließlich gegen den allgemeinen Gleichheitssatzgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Normenkontrollanträge abzulehnen.
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Dem Freistaat Bayern stehe die Gesetzgebungskompetenz für die verfahrensgegenständlichen Regelungen zu. Der Bundesgesetzgeber habe mit den Regelungen des Konsumcannabisgesetzes allgemein den Gesundheitsschutz der Konsumenten sowie den Kinder- und Jugendschutz in den Blick genommen. Den Aspekt des Nichtraucherschutzes habe er nur begrenzt aufgegriffen und keiner abschließenden Regelung unterworfen. Auch seien die Voraussetzungen von Art. 20 Abs. 1 LStVG erfüllt. Eine Gefahr im Sinne dieser Vorschrift sei nicht auszuschließen, da mit dem Konsum von Cannabis Verhaltensauffälligkeiten verbunden sein könnten, die sich als Gefahr für die Parkbesucher darstellen könnten. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Landesgesetzgeber und ihm folgend der Verordnungsgeber Passivrauchen bzw. das passive Einatmen von Dämpfen von Cannabisprodukten generell als Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung angesehen habe. Er habe sich auf zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen stützen dürfen, nach denen das Passivrauchen von Tabakprodukten mit schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken verbunden sei. Cannabisrauch enthalte toxische und krebserregende Substanzen, deren Menge im Vergleich zum Tabakrauch zum Teil bis zu 20 Mal höher sei. Somit könnte passiver Konsum in Form von Rauch oder von Dampf zu gesundheitsschädlichen Effekten, beispielsweise auf die Atemwegsfunktion und Blutgefäße, führen. Es könne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass diese gesundheitsschädlichen Effekte auch außerhalb geschlossener Räume vor allem für vulnerable Gruppen wie Kinder und Heranwachsende bestünden. Dazu gebe es bisher zwar nur wenige Studien. Aber diese Unsicherheiten über die Wirksamkeit einer gewählten Maßnahme würden dem Verordnungsgeber einen Einschätzungsspielraum eröffnen, dessen gerichtliche Kontrolle auf eine Vertretbarkeit der Eignungseinschätzung des Verordnungsgebers beschränkt sei. Maßgeblich für die verfahrensgegenständlichen Regelungen sei der Präventionsgedanke, der seine Konkretisierung im Vorbeuge- und Vorsorgeprinzip finde. Gerade bei der Steuerung und Bewältigung von Risiken müsse der Verordnungsgeber berechtigt sein, nicht nur auf Erfahrung, sondern auch auf Ungewissheit basierende Ansätze zur Bewältigung entsprechender Herausforderungen zurückzugreifen. Auf der Grundlage eines noch nicht abschließend feststehenden Wissensbestandes erfolge eine Vorverlagerung der Gefahrenabwehr bei gleichzeitigem Verzicht auf eine Wahrscheinlichkeitsprognose. Die staatlichen Schutzpflichten würden nicht erst bei eingetretenen Gesundheitsschäden, also bei konkretisierten und realisierten Gefahren, greifen, sondern seien in die Zukunft gerichtet und würden entsprechende Vorwirkungen entfalten. Die Regelungen würden auf nachvollziehbaren und wissenschaftlich vertretbaren Erwägungen beruhen, die im Ergebnis von den anerkannten Beurteilungsspielräumen gedeckt und nicht willkürlich seien. Zur Gewährleistung eines umfassenden Kinder- und Jugendschutzes sowie eines präventiven Gesundheitsschutzes (Nichtraucherschutz) und zur Vermeidung massenhafter Ordnungswidrigkeiten (§ 5 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) sei ein allgemeines Verbot angezeigt. Ein räumlich beschränktes Verbot des Rauchens, Erhitzens und Verdampfens von Cannabis lediglich in Teilen der von der Regelung betroffenen Liegenschaft als milderes Mittel komme nicht in Betracht, da der gesamte Geltungsbereich „viel von Bewegung im Sinne körperlicher Bewegungsfreiheit“ geprägt sei. Die Erstreckung der Verordnung auch auf den Nordteil sei erforderlich, um eine einheitliche Handhabe gewährleisten zu können. Einem Besucher ohne nähere Ortskenntnisse wäre nicht zumutbar, die Grenzziehung zu ermitteln. Der Nordteil sei geprägt von schützenswerter Flora und Fauna und weise ebenfalls eine hohe Frequentierung mit ungefähr 1,2 Millionen Menschen jährlich auf. Eine potentielle Gesundheitsgefahr durch das passive Einatmen von Cannabisrauch bzw. -dampf könne somit auch im Nordteil nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Es liege kein Verstoß gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit, gegen das Diskriminierungsverbot, die allgemeine Handlungsfreiheit oder den allgemeinen Gleichheitssatz vor. Nach der vom Beurteilungsspielraum gedeckten Einschätzung bestehe bei Cannabisprodukten eine noch größere Unsicherheit in der Risikobewertung als bei Tabakprodukten, was weiterreichende Eingriffe rechtfertige.
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Die Anträge beider Antragsteller auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 1 der Parkanlagen-VO wurden vom Antragsgegner mit Bescheiden jeweils vom 5. Juni 2025 abgelehnt.
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Mit Beschluss vom 28. Juli 2025 – 10 NE 25.827 hat der Senat das Verbot des Konsums von Cannabisprodukten für den Nordteil des Englischen Gartens vorläufig ausgesetzt und den Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO im Übrigen abgelehnt.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakten im Eilverfahren 10 NE 25.827 und des Hauptsacheverfahrens sowie die vorgelegte Normaufstellungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Normenkontrollanträge sind zulässig (1.) und begründet (2). § 2 Abs. 2 Nr. 12 der Verordnung über die staatliche Parkanlage Englischer Garten, Hofgarten und Finanzgarten in München (Parkanlagen-VO) ist nicht von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG gedeckt und somit unwirksam (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Die Normenkontrollanträge sind zulässig.
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Sie sind statthaft, weil die Parkanlagen-VO als eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift der Normenkontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof unterliegt (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 4 Satz 1 AGVwGO). Die Antragsfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gewahrt.
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Die Antragsteller sind auch gemäß 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Sie haben hinreichend substantiiert vorgetragen, durch die angegriffene Regelung, die nicht den Widmungszweck bzw. Widmungsumfang der Parkanlage als öffentlicher Einrichtung als solchen begrenzt, sondern eine verhaltensbezogene Benutzungsregelung der Einrichtung darstellt (vgl. zu kommunalen Einrichtungen BayVGH, U.v. 1.2.2022 – 4 N 21.757 – juris Rn. 22), möglicherweise in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG und im Falle des Antragsstellers zu 2 aufgrund seiner Erkrankung auch in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 sowie Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verletzt zu sein.
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Das allgemeine Rechtsschutzinteresse ist nicht deshalb zu verneinen, weil die Antragsteller die Möglichkeit haben, den Rechtsweg hinsichtlich der mittlerweile erfolgten Ablehnung der von ihnen beantragten Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 1 Parkanlagen-VO zu beschreiten. Die ausschließlich auf die Gewährung subjektiven Rechtsschutzes ausgerichteten Klagen und das Normenkontrollverfahren als auch objektives Prüfungsverfahren stehen gleichberechtigt nebeneinander und können grundsätzlich parallel in Anspruch genommen werden; wegen des unterschiedlichen Streitgegenstands und des sich daraus ergebenden unterschiedlichen gerichtlichen Prüfungsprogramms besteht kein Konkurrenzverhältnis und daher auch keine allgemeine Subsidiarität. Insoweit handelt es sich bei dem Verfahren des § 47 VwGO um ein aliud gegenüber den Klagen des subjektiven Rechtsschutzes, das diese weder ausschließt, noch von diesen ausgeschlossen wird (Giesberts in Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, Stand 1.10.2025, § 47 Rn. 8).
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Die beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof anhängige Popularklage der Antragsteller steht der Normenkontrolle ebenfalls nicht entgegen. Die Rechtsbehelfe des Normenkontrollantrags und der Popularklage verfolgen unterschiedliche Zielrichtungen und stehen zueinander in keinem Vorrangverhältnis (vgl. BVerwG, B.v. 2.6.2021 – 5 BN 1.21 – juris Rn. 10). Insbesondere unterscheiden sich die jeweiligen Prüfungsmaßstäbe grundlegend. Der Verwaltungsgerichtshof prüft gemäß § 47 Abs. 3 VwGO die Vereinbarkeit der angefochtenen Rechtsvorschriften mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, dass die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Landesverfassungsgericht nachprüfbar ist. Ein Prüfungsmonopol zu Gunsten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ergibt sich aus Art. 98 Satz 4 der Bayerischen Verfassung für die Prüfung der Vereinbarkeit von Normen des bayerischen Landesrechts mit Grundrechtsbestimmungen der Bayerischen Verfassung. Im Übrigen bleibt das Normenkontrollverfahren unberührt, sodass darin die Verordnung auf ihre Vereinbarkeit mit sonstigem Landesrecht und Bundesrecht unter Einschluss des Bundesverfassungsrechts überprüft werden kann. Das gilt auch, soweit Grundrechte des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab in Betracht kommen, die mit gleichem Inhalt auch in der Bayerischen Verfassung enthalten sind (vgl. BVerfG, B.v. 13.9.2022 – 1 BvR 2143/20 – juris Rn. 8 f.; B.v. 19.4.1993 – 1 BvR 744/91 – juris Rn. 4).
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2. Die Normenkontrollanträge sind begründet. § 2 Abs. 2 Nr. 12 der Parkanlagen-VO, an dessen formeller Rechtmäßigkeit keine Zweifel bestehen, steht mit höherrangigem Recht nicht in Einklang und ist somit unwirksam (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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Gerichtlich vollständig überprüfbar ist bei Rechtsverordnungen, ob eine wirksame Ermächtigungsgrundlage und deren Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Im Hinblick auf die dem Verordnungsgeber zukommende Gestaltungskompetenz ist die gerichtliche Kontrolldichte demgegenüber unterschiedlich. Sie hängt von der Ausgestaltung des Rahmens ab, den das Gesetz dem Verordnungsgeber vorgibt. Je mehr Entscheidungsspielräume dem Verordnungsgeber danach über das Ob und Wie der Rechtsetzung verbleiben, umso größer ist die Vermutung, dass ihm insoweit auch die Letztentscheidungskompetenz zukommen soll, und umso geringer wird dementsprechend zugleich die gerichtliche Kontrolldichte (Remmert in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand August 2025, Art. 80 Rn. 144).
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a) Ermächtigungsgrundlage der streitgegenständlichen Verordnung ist Art. 20 Abs. 1 Satz 1 und 3 LStVG i.V.m. § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen (BSVV) vom 14. Dezember 2001 (GVBl. S. 22). Danach kann die Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Sittlichkeit, Eigentum oder die öffentliche Reinlichkeit, zur Sicherung der Erholung in der freien Natur, zum Schutz der Natur und Landschaft sowie zum Schutz vor erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit Verordnungen über die Benutzung der Grünanlagen und Grünflächen erlassen, die im Eigentum des Freistaates Bayern stehen und von der Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen verwaltet werden (staatliche Parkanlagen).
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Die staatlichen Parkanlagen sind öffentliche Einrichtungen, da sie zu einem bestimmt gearteten Gebrauch tatsächlich ausgestattet, für die Allgemeinheit (zumindest konkludent) gewidmet und in Dienst gestellt sind (BVerwG, U.v. 14.12.2006 – 3 C 2/06 – juris Rn. 10). Mit der Regelung des Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG wurde das Staatsministerium der Finanzen und für Heimat einschließlich der Delegationsmöglichkeit auf die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen (Art. 20 Abs. 1 Satz 3 LStVG) ermächtigt, in Gestalt einer Verordnung öffentlichrechtliche Benutzungsbedingungen für staatliche Parkanlagen zu erlassen; deren Benutzung konnte zuvor lediglich durch privatrechtliche Parkordnungen geregelt werden (Unterreitmeier/Halder in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.11.2025, Art. 20 LStVG Rn. 1 und 5). Die Verordnungsermächtigung soll eine Ausgestaltung der Benutzungsregeln für staatliche Parkanlagen in ähnlicher Weise erlauben wie Art. 23, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 der Gemeindeordnung für öffentliche Einrichtungen der Gemeinden. Anlass für die Schaffung dieser Ermächtigungsgrundlage war aus Sicht des Gesetzgebers, dass es durch die teilweise weit auseinander gehenden Nutzerwünsche immer wieder zu erheblichen Konflikten und sicherheitsrechtlich relevanten Problemen kam und sich die Beschwerden der Parkbesucher und Zwischenfälle häuften. Durch bußgeldbewehrte Parkanlagenverordnungen sollen ein friedliches Nebeneinander der unterschiedlichsten Besuchergruppen gewährleistet und Gefahren vermieden werden (LT-Drs. 15/10315 S. 1 und 4).
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Die Verordnungsermächtigung ist verfassungsgemäß. Die Gesetzgebungszuständigkeit des Freistaates Bayern ergibt sich für das Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie für das Recht, die Benutzung der in seinem Eigentum stehenden öffentlichen Einrichtungen zu regeln, aus Art. 30, 70 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 7.12.2021 – 2 BvL 2/15 – juris Rn. 86; Unterreitmeier/Halder a.a.O. Rn. 2.1). In materieller Hinsicht wird die Norm insbesondere dem Bestimmtheitsgebot des Art. 55 Nr. 2 Satz 2 der Bayerischen Verfassung gerecht, der nach einhelliger Ansicht im Ergebnis ähnlich wie Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt, dass das Gesetz Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen muss (vgl. Lindner, in Lindner/Möstl/Wolff, BV, 2. Aufl. 2017, Art. 55 Rn. 36 m.w.N.). Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber selbst entscheiden muss, welche Fragen durch die Rechtsverordnung geregelt werden sollen (Inhalt), welche Grenzen einer solchen Verordnung gesetzt sind (Ausmaß) und welchem Ziel die Regelung dienen soll (Zweck).
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b) Entgegen der Auffassung der Antragsteller stehen der Regelung des Art. 2 Abs. 2 Nr. 12 der Parkanlagen-VO keine bundesrechtliche Regelungen entgegen. Das Konsumcannabisgesetz des Bundes entfaltet insoweit keine Sperrwirkung.
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aa) Der Verordnungsgeber hat den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) zu beachten, der in Art. 45 Abs. 1 LStVG speziell ausformuliert ist (Engelbrecht in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.11.2025, Art. 45 LStVG Rn. 1). Deshalb darf der Verordnungsgeber im Rahmen der Regelung der Benutzung seiner öffentlichen Einrichtungen unter anderem nicht gegen vorrangige bundesgesetzliche Normen verstoßen (vgl. für eine kommunale Widmungsbeschränkung BayVGH, B.v. 25.5.2023 – 4 CE 23.854 – juris Rn. 13, 16 f). Soweit der Bundesgesetzgeber für eine Materie die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz besitzt (Art. 71 GG) bzw. im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung von seiner Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG), steht dem (Landes-)Verordnungsgeber grundsätzlich keine (weitergehende) Regelungskompetenz zu (vgl. zum Verwendungsverbot für Grabmale aus ausbeuterischer Kinderarbeit in städtischer Friedhofssatzung BVerwG, U.v. 16.10.2013 – 8 CN 1/12 – juris Rn. 19).
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Der Verordnungsgeber darf auch keine Regelung treffen, die zwar vordergründig allein die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung betrifft, sich der Sache nach jedoch als Regelung eines abschließend bundesrechtlich geregelten Sachverhalts darstellt und insoweit in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes eingreifen würde. Entscheidend ist insoweit, ob die betreffende landesrechtliche Regelung schwerpunktmäßig einen Inhalt hat, für den der Bundesgesetzgeber ausschließlich zuständig wäre oder den dieser im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung abschließend geregelt hat. Der objektive Regelungsgehalt ergibt sich grundsätzlich aus dem Regelungsgegenstand, dem Wortlaut der Norm, dem Telos der Vorschrift und ihren Wirkungen (vgl. zur Bestimmung des Widmungsumfangs BVerfG, B.v. 7.12.2021 – 2 BvL 2/15 – juris Rn. 88 bis 90 und 96). Maßgeblich für die Beurteilung, welchen Regelungszweck der Einrichtungsträger verfolgt, ist das Ergebnis des Rechtssetzungsverfahrens, also die erlassene Vorschrift in ihrer regelnden Wirkung, nicht aber die die Rechtsnorm tragenden Motive dessen, der an ihrem Erlass mitwirkt (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2006 – 6 C 19.05 – juris Rn. 16).
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Allein der Umstand, dass die streitgegenständliche Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 12 der Parkanlagen-VO (auch) den Cannabiskonsum und damit gleichzeitig Konsumanreize für Dritte unterbindet, besagt nicht, dass es sich nicht (auch) um eine Regelung über die Art und Weise der Benutzung der Parkanlage handelt. Entscheidend ist nur, dass die Regelung objektiv der Benutzung der Einrichtung zugeordnet ist (BayVerfGH, E.v. 7.10.2011 – Vf. 32-VI-10 – juris Rn. 23).
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bb) Nach dem Regelungsgegenstand, dem Sinnzusammenhang und dem Wortlaut der in der Parkanalagen-VO enthaltenen Verhaltensregeln und Verbote in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG handelt es sich um eine Benutzungsregelung für die staatliche Parkanlage als öffentlicher Einrichtung und nicht um eine unzulässige Ausweitung des in § 5 KCanG geregelten Konsumverbots. Sie soll die widmungsgemäße Nutzung der Parkanlage gewährleisten.
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Der Einrichtungszweck der staatlichen Parkanlage Englischer Garten, Hofgarten und Finanzgarten in München wird in der Präambel zur Parkanlagen-VO wie folgt beschrieben: „Die auch als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesenen Flächen dienen der stillen Erholung des Einzelnen. Die Anlage ist deshalb zu schonen und jede Ruhestörung zu vermeiden; das ist die Grundlage jeder Nutzung. Der sozialen und gesellschaftlichen Begegnung dienen vorrangig die eingerichteten Gastronomien und Kioske.“ Gemäß der allgemeinen Verhaltungsregelung in § 2 Abs. 1 Parkanlagen-VO haben sich die Benutzer der staatlichen Parkanlage so zu verhalten, dass weder ein anderer gefährdet, geschädigt oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird noch die Anlagen und ihre Bestandteile/Einrichtungen beschädigt oder verunreinigt werden. Diese Verpflichtung der Benutzer der Parkanlage zur gegenseitigen Rücksichtnahme und zur Schonung der Anlagen wird durch die nicht abschließenden („ist insbesondere verboten“) Verbotstatbestände in § 2 Abs. 2 der Verordnung konkretisiert.
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Die Verordnungsermächtigung in Art. 20 Abs. 1 LStVG und die darauf beruhende Regelung des § 2 Parkanlagen-VO dienen der Gewährleistung eines friedlichen Nebeneinanders der unterschiedlichsten Besuchergruppen in der staatlichen Parkanlage – wie z.B. Fußgänger, Jogger, Familien mit Kindern, Jugendliche, Naturliebhaber, Biergartenbesucher, Hundehalter, Radfahrer und sonstige Sporttreibende – und der Verhütung von Gefahren (LT-Drs. 15/10315 S. 1); etwaige Verstöße können grundsätzlich als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden (§ 4 Parkanlagen-VO). In diesem Rahmen soll auch das Konsumverbot für Cannabisprodukte gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 12 Parkanlagen-VO dazu beitragen, mögliche Beeinträchtigungen anderer Benutzer der Parkanlage im Sinne von § 2 Abs. 1 der Verordnung zu verhüten. Der neue Verbotstatbestand in Ergänzung zu bereits in der Parkanlagen-VO geregelten Verbotstatbeständen erstreckt sich entsprechend nur auf den Geltungsbereich der Einrichtung, außerhalb derer der Konsum von Cannabisprodukten weiterhin im Rahmen der gesetzlichen Regelungen möglich ist. Damit werden nach dem objektiven Regelungsgehalt in § 2 Parkanlagen-VO Regelungen zur Benutzung der Parkanlagen getroffen.
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§ 2 Abs. 2 Nr. 12 Parkanlagen-VO ist dagegen nicht zu entnehmen, dass die Vorschrift auf eine Ausweitung des in § 5 KCanG geregelten Konsumverbots für Cannabis abzielen würde. Der Bundesgesetzgeber hat in § 5 Abs. 2 KCanG festgelegt, an welchen Einrichtungen und Orten sowie innerhalb welchem Radius um diese Einrichtungen das Konsumverbot gilt, um insbesondere einem Konsum in unmittelbarer Gegenwart von Kindern und Jugendlichen (§ 5 Abs. 1 KCanG) vorzubeugen. Die Verbote sollen im Sinne des Kinder- und Jugendschutzes der weitestgehenden Vermeidung von Konsumanreizen für Kinder und Jugendliche dienen (BT-Drs. 20/8704 S. 97; BTDrs. 20/10426 S. 126). Das Konsumverbot gemäß § 5 KCanG dient – anders als die streitgegenständliche Vorschrift – damit nicht der Konfliktvermeidung bei gegenläufigen Nutzungsinteressen oder dem Schutz der Benutzer öffentlicher Einrichtungen.
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Die Vermeidung von Anreizen durch das Konsumverbot zum Schutz von Kindern und Jugendlichen ist somit allenfalls eine Nebenfolge der vom Verordnungsgeber für seine öffentliche Einrichtung erlassenen Benutzungsregelung des § 2 Abs. 2 Nr. 12 Parkanlagen-VO (BVerfG, B.v. 7.12.2021 – 2 BvL 2/15 – juris Rn. 101). In gleicher Weise hat der Bundesgesetzgeber das Rauchverbot in seinen Einrichtungen unter Bezugnahme auf seine Gesetzgebungskompetenz kraft Natur der Sache (BT-Drs. 16/5049 S. 8) durch Änderung von § 1 Abs. 1 des Bundesnichtraucherschutzgesetzes (BNichtrSchG) auf Cannabiskonsum erweitert, ohne dass dem die Regelungen des Konsumcannabisgesetzes entgegenstehen würden.
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c) Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Verordnungsermächtigung in Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG für ein uneingeschränktes Verbot des Konsums von Cannabisprodukten in der gesamten Parkanlage liegen nicht vor.
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aa) Gemäß Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 LStVG kann der Verordnungsgeber Regelungen zur Verhütung von Gefahren für Leben und Gesundheit erlassen. Voraussetzung ist somit das Vorliegen einer abstrakten Gefahr. Der Antragsgegner hat jedoch nicht hinreichend dargelegt und es liegen auch ansonsten keine Anhaltspunkte dafür vor, dass von dem Konsum von Cannabisprodukten im Außenbereich für nichtkonsumierende Dritte eine abstrakte Gesundheitsgefahr ausgeht.
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(1) Abstrakte Gefahren liegen vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die Schutzgüter im Einzelfall einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (BayVGH, B.v. 15.4.2021 – 10 NE 20.2831 – juris Rn. 44; BayVerfGH, E.v. 25.6.2019 – Vf. 4-VII-17 – juris Rn. 52; BVerwG, B.v. 24.1.2008 - 6. BN 2.07 – juris Rn. 17; OVG Berlin-Bbg, U.v. 25.5.2011 – OVG 5 A 1.10 – juris Rn. 25; U.v. 27.5.2010 – OVG 5 A 1.08 – juris Rn. 26; NdsOVG, B.v. 7.2.2014 – 11 KN 218/13 – juris Rn. 14 ff.). Eine Einschätzungsprärogative bei der Bewertung, ob die vorliegenden Erkenntnisse die Annahme einer abstrakten Gefahr rechtfertigen, ist dem allgemeinen Recht der Gefahrenabwehr fremd. Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose: Es müssen – bei abstraktgenereller Betrachtung – hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen (BVerwG, U.v. 3.7.2002 – 6 CN 8/01 – juris Rn. 34 f.).
44
Wenn der Normgeber mangels genügender Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte oder über die maßgeblichen Kausalverläufe zur Prognose einer Gefahr nicht imstande ist, oder Schadensmöglichkeiten sich nicht deshalb ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, liegt nur ein Gefahrenverdacht oder ein Besorgnispotential vor. Wird insoweit ein Bedürfnis gesehen, die verbleibenden Risiken zu vermindern und aus Gründen der Vorsorge zum Schutz der etwa gefährdeten Rechtsgüter, namentlich höchstrangiger Rechtsgüter wie Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen, Freiheitseinschränkungen anzuordnen, ist eine spezielle gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich. Nur der parlamentarische Gesetzgeber kann zur Gefahrenvorsorge Regelungen treffen, die mit Grundrechtseingriffen verbunden sind, oder entsprechende gesetzliche Verordnungsermächtigungen schaffen (BayVGH, B.v. 15.4.2021 – 10 NE 20.2831 – juris Rn. 47). Wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 3. Juli 2002 – 6 CN 8/01 – (juris Rn. 35) ausgeführt hat, ist es Sache des zuständigen Gesetzgebers, sachgebietsbezogen darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau und auf welche Weise Schadensmöglichkeiten vorsorgend entgegengewirkt werden soll, die nicht durch ausreichende Kenntnisse belegt, aber auch nicht auszuschließen sind. Allein der Gesetzgeber ist befugt, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen die Rechtsgrundlagen für Grundrechtseingriffe zu schaffen, mit denen Risiken vermindert werden sollen, für die – sei es aufgrund neuer Verdachtsmomente, sei es aufgrund eines gesellschaftlichen Wandels oder einer veränderten Wahrnehmung in der Bevölkerung – Regelungen gefordert werden. Das geschieht üblicherweise durch eine Absenkung der Gefahrenschwelle in dem ermächtigenden Gesetz von der „Gefahrenabwehr“ zur „Vorsorge“ gegen drohende Schäden (vgl. etwa § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, § 6 Abs. 2 GenTG, § 7 BBodSchG). Das allgemeine Gefahrenabwehrrecht dagegen bietet keine Handhabe, derartigen Schadensmöglichkeiten im Wege der Vorsorge zu begegnen (zur Gefahrenverdachtsregelung in der Brandenburgischen Hundehalterverordnung BVerwG, B.v. 2.8.2013 – 6 BN 1.13 – juris Rn. 16; U.v. 3.7.2002 – 6 CN 8.01 – juris Rn. 34 f.; vgl. auch OVG LSA, U.v. 6.9.2023 – 2 L 45/20 – juris Rn. 67; VGH BW, B.v. 5.8.2021 – 1 S 1894/21 – juris Rn. 129).
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(2) Eine Ermächtigungsgrundlage für Verordnungen zur Gefahrenvorsorge findet sich beispielsweise in Art. 30 LStVG (vgl. BayVGH, B.v. 7.12.2020 – 10 NE 20.2437 – juris Rn. 21 f.), nicht dagegen in Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG. Es bestehen bereits keine Anhaltspunkte dafür, dass bei Art. 20 Abs. 1 LStVG vom herkömmlichen Gefahrenbegriff im Polizei- und Sicherheitsrecht abgewichen und dieser bereichspezifisch in einem „sachenrechtlichen Kontext“ neu definiert werden könnte. Die Stellung im Gesetz, der gleichlautende Wortlaut wie beispielsweise bei Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG (Unterreitmeier/Halder in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.11.2025, Art. 20 LStVG Rn. 17), der unstreitig im Sinne einer abstrakten Gefahr ausgelegt wird (BayVGH, B.v. 15.4.2021 – 10 NE 20.2831 – juris Rn. 42 ff.), und auch der Anlass für die Regelung, die unter anderem dem Schutz vor (abstrakten) Gefahren vor Angriffen durch freilaufende Hunde dienen soll (LT-Drs. 15/10315 S. 4), rechtfertigen es nicht, den Gefahrenbegriff des Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG abweichend vom üblichen Begriffsverständnis auszulegen und den Bereich der Gefahrenvorsorge als erfasst anzusehen. Es wäre im Übrigen mit den Grundsätzen der Bestimmtheit gesetzlicher Verordnungsermächtigungen und des Vorbehalts des Gesetzes nicht vereinbar, wenn die Exekutive ohne strikte Bindung an den überlieferten Gefahrenbegriff kraft eigener Bewertung über die Notwendigkeit oder Vertretbarkeit eines Verordnungserlasses entscheiden könnte (BVerwG, U.v. 3.7.2002 – 6 CN 8.01 – juris Rn. 35).
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(3) Es ist weder vom Antragsgegner vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass auf Grundlage fachlicher Erkenntnisse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen wäre, dass von einem Cannabiskonsum in der streitgegenständlichen Parkanlage eine abstrakte Gesundheitsgefahr im Sinne des Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG für andere Parkbesucher ausgeht.
47
Aus der in der Normaufstellungsakte befindlichen Begründung des Verordnungsgebers ergibt sich, dass die Regelung in Art. 2 Abs. 2 Nr. 12 der Parkanlagen-VO dem Nichtraucherschutz und vor allem dem Schutz von Kindern und Jugendlichen dienen soll. Anders als beim Alkoholgenuss, der nur bei übermäßigem Konsum zur Belästigung führen könne, sei bereits durch den Rauch und die damit verbundene Gesundheitsbeeinträchtigung sowie die Sorge vor Gesundheitsschäden durch das Einatmen des mit Wirkstoff versetzten Rauchs eine Belästigung gegeben. Aufgrund der zumeist unübersichtlichen Umgebungslage mit spielenden und rennenden Kindern und Jugendlichen könne eine enge räumliche Nähe der Besucherinnen und Besucher zueinander und der Kontakt einschließlich einer damit einhergehenden potentiellen Gesundheitsgefahr durch das passive Einatmen von Cannabisrauch bzw. -dampf für Minderjährige, aber auch für Erwachsene nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Diese Argumentation wird mit der Antragserwiderung im gerichtlichen Verfahren vertieft. Wegen der bisher unsicheren Gefahrenlage mit Blick auf den Gebrauch von Cannabisprodukten komme dem Gedanken der Risiko- und Gefahrenvorsorge zentrale Bedeutung zu. Cannabisrauch enthalte toxische und krebserregende Substanzen, im Vergleich zum Tabakrauch zum Teil sogar deutlich erhöht, und auch außerhalb geschlossener Räume sei jedenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass der passive Konsum selbst eine Gefahr darstelle.
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Soweit der Antragsgegner zur Gefahrenlage ausführt, wegen wissenschaftlicher Unsicherheiten und mangels Studien bestehe eine unsichere Gefahrenlage, dem Gedanken der Risiko- und Gefahrenvorsorge komme zentrale Bedeutung zu, Risiken seien nicht mit Sicherheit auszuschließen und dem Landesgesetzgeber und dem folgend dem Verordnungsgeber stehe ein Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum zu, geht er von falschen Maßstäben aus. Selbst wenn man mit Hinblick auf das hohe Schutzgut von Leben und Gesundheit auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts für die Bejahung einer abstrakten Gefahr ausreichen lassen würde, hat der Antragsgegner mit seinen Ausführungen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Gefahrenprognose dargelegt. Wenn er darauf abstellt, dass die streitgegenständliche Regelung auf der grundlegenden Erwägung beruhe, das passive Einatmen von Rauch bzw. Dampf von Cannabisprodukten im Freien stelle eine Gesundheitsgefahr auch für Dritte dar, ist dies eine Vermutung, ohne dass dafür konkrete, nachprüfbare Anhaltspunkte benannt oder Nachweise vorgelegt werden. Auch wenn im Hinblick auf die vom Antragsgegner dazu zitierten Studien davon ausgegangen werden könnte, dass Cannabisrauch im Vergleich zu Tabakrauch zum Teil deutlich erhöhte toxische und krebserregende Substanzen enthält, geht der Antragsgegner selbst (nur) davon aus, dass insoweit Gefahren „nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen“ werden können.
49
Auch hinsichtlich der Annahme, dass in Ansehung der bekannten Gefahren des passiven Konsums von Cannabisrauch und -dampf in Innenräumen nicht auszuschließen sei, dass bei vergleichbarer Exposition der Betroffenen auch im Freien erhebliche Gesundheitsrisiken entstehen könnten, sind bereits keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Vergleichbarkeit der Gefahren in geschlossenen Räumen mit etwaigen Gefahren im Außenbereich dargelegt worden oder sonst ersichtlich. Nicht nachvollziehbar ist insoweit bereits die Annahme einer „vergleichbaren Exposition“, da Dritte in der Regel im Freien eben gerade nicht dem Rauch oder Dampf in vergleichbarer Weise ausgesetzt sein werden. Soweit der Antragsgegner auf die Stellungnahme des Deutschen Krebsforschungszentrums zum Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 7. November 2023 im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Konsumcannabisgesetz des Bundes hinweist, legt er damit auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für seine Gefahrenprognose dar. Aus der Stellungnahme (dort S. 3 unten) lässt sich allenfalls entnehmen, dass Passivrauchen von Cannabis aus der Raumluft ähnlich gefährlich sei wie Tabakrauchen und der Konsum von Cannabis im Außenbereich untersagt werden sollte, um weniger Anreize zum Rauchen zu schaffen. Hinweise zur Gefährlichkeit von Passivrauchen im Freien dagegen finden sich in der Stellungnahme nicht. Auch soweit der Antragsgegner weitere Studien vorlegt, behauptet er selbst nicht, dass sich daraus konkrete Anhaltspunkte für Gefahren durch Passivrauchen von Cannabis ergeben. Vielmehr behandeln die Studien die Gefahren von Passivrauchen innerhalb geschlossener Räume. Inwieweit das Konsumieren von Cannabis mit einem Vaporisator für Nichtraucher im Freien gefährlich sein könnte, ergibt sich daraus erst recht nicht.
50
Anderes folgt auch nicht aus dem Vortrag des Antragsgegners zu gesetzlichen Regelungen im Bereich der Gesundheitsvorsorge wie z.B. das Rauchverbot betreffend Cannabisprodukten im Außenbereich von Gaststätten und auf Volksfestgeländen gemäß Art. 3 Abs. 1 Gesundheitsschutzgesetz – GSG; durch Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG wird der Verordnungsgeber bereits nicht zum Erlass von Regelungen zur Gesundheitsvorsorge, sondern (nur) zur Abwehr von Gesundheitsgefahren ermächtigt (vgl. oben). Ob der dem Gesetzgeber bei Erlass einer gesetzlichen Regelung zur Gesundheitsvorsorge grundsätzlich zustehende weite Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum im Rahmen der Prognose und Einschätzung möglicher Gesundheitsgefahren (vgl. BVerfG, B.v. 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 u.a. – juris Rn. 142, 170 ff.; BayVerfGH, E.v. 25.6.2010 – Vf. 1-VII-08 – juris Rn. 74 f.) in speziellen Ausnahmefällen (wie beispielsweise bei neuartigen Gefahren in Pandemielagen) dem Verordnungsgeber in ähnlicher Weise bei der Gefahrenprognose zusteht, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Denn auch dann, wenn dem Verordnungsgeber insoweit ausnahmsweise ein Spielraum zustehen würde, läge selbst nach der Argumentation des Antragsgegners keine abstrakte Gefahr vor. Er stellt vielmehr darauf ab, dass die Regelung zur Gefahrenvorsorge als Risikomanagement erforderlich sei.
51
Die nach dem Vortrag des Antragsgegners bestehende Absicht, durch das streitgegenständliche Verbot „massenhaften Ordnungswidrigkeiten“ nach § 5 KCanG vorzubeugen, findet in der Verordnungsermächtigung ebenfalls keine Stütze. Art. 20 Abs. 1 LStVG schützt als Rechtsgut schon nicht die öffentliche Sicherheit im Allgemeinen, von der umfassend die Unversehrtheit der Rechtsordnung erfasst wird (vgl. demgegenüber für die spezielle Konstellation eines stark besuchten Volksfestes das Cannabiskonsumverbot durch eine Allgemeinverfügung nach der sicherheitsrechtlichen Generalklausel des § 11 HSOG für den sog. Hessentag, VG Kassel, B.v. 22.5.2024 – L 725/24.KS – juris Rn. 11, 14; bestätigt durch HessVGH, B.v. 24.5.2024 – 8 B 996/24 n.v.). Die allgemeine Gefahrenabwehr in Parkanlagen richtet sich vielmehr nach dem allgemeinen Polizei- und Sicherheitsrecht.
52
bb) Der Antragsgegner hat nicht substantiiert dargelegt und es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das umfassende Cannabiskonsumverbot in der gesamten Parkanlage dem Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen Belästigungen im Sinne von Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG dient.
53
(1) Regelungen zum Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen Belästigungen sind nach der Vorstellung des Gesetzgebers insbesondere solche, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe dienen (LT-Drs. 15/10315 S. 4). Insoweit sollen auch die Interessen einzelner Dritter, etwa der Schutz der Anlieger vor unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen, zu den einbezogenen Schutzgütern gehören (Unterreitmeier/Halder in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.11.2025, Art. 20 LStVG Rn. 16). Der Verordnungsgeber kann jedoch grundsätzlich auch auf andersartige Belästigungen etwa in Form von Geruch durch Cannabisrauch als Folge der Legalisierung des Cannabiskonsums und geändertem Freizeitverhalten reagieren.
54
Hinsichtlich der Begrifflichkeit der erheblichen Belästigung kann grundsätzlich auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 LStVG zurückgegriffen werden (Unterreitmeier/Halder a.a.O. Rn. 17), die im Wesentlichen der Definition für schädliche Umwelteinwirkungen gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG entspricht (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2020 – 10 ZB 20.2656 – juris Rn. 12; Thiel in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand August 2025, § 3 BImSchG Rn. 45).
55
Als Belästigungen werden das normale Maß übersteigende Beeinträchtigungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens, ohne dass eine Gesundheitsgefahr vorliegen muss, bezeichnet (vgl. für Art. 19 Abs. 4 LStVG BayVGH, B.v. 16.4.2018 – 10 ZB 18.310 – juris Rn. 6; ferner Nr. 19.1.4 Satz 1 der Vollzugsbekanntmachung zum LStVG). Die Belästigungen müssen erheblich sein. Ob die Erheblichkeitsschwelle überschritten und damit eine Beeinträchtigung unzumutbar ist, ist aus der Sicht des Betroffenen zu bestimmen, wobei es auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen in vergleichbarer Lage ankommt (vgl. BayVGH, U.v. 7.8.2013 – 10 B 13.1234 – juris Rn. 35; Thiel a.a.O. Rn. 48). Bei der Bewertung der Erheblichkeit bzw. Zumutbarkeit u.a. von Gerüchen sind grundsätzlich die konkreten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, wie etwa Häufigkeit, Ausmaß und Dauer, der Gebietscharakter, Vorbelastungen, die Ortsgebundenheit von Immissionsquellen oder die historische Entwicklung (vgl. zu landwirtschaftlichen Geruchsbelästigungen BVerwG, U.v. 15.9.2022 – 4 C 3.21 – juris Rn. 14; U.v. 27.6.2017 – 4 C 3.16 – juris Rn. 12; ähnlich auch Nr. 19.1.4 Satz 2 der Vollzugsbekanntmachung zum LStVG: „ortsübliche Maßstäbe“).
56
Anders als die meisten anderen Immissionen können Geruchsbelästigungen nicht sachgerecht durch physikalische oder chemische Messverfahren ermittelt werden. Die Geruchswahrnehmung ist kein bloßer Messvorgang, sondern eine Interpretationsleistung des Gehirns. Ob ein Geruch als angenehm oder als belästigend wahrgenommen wird, hängt nicht allein von der Stoffmenge in der Luft ab, sondern vor allem von der wahrnehmbaren sinnlichen Wirkung und weiteren Kriterien (insbesondere Geruchsqualität, Geruchsart und sog. Hedonik). Die Erfassung von Geruchsimmissionen erfolgt daher mit sensorischen Methoden (Olfaktometrie, Geruchsbegehungen). Für die Beurteilung von Geruchsimmissionen gibt es keine konkreten rechtsverbindlichen Vorgaben (vgl. Heilshorn/Sparwasser in Landmann/Rohmer, a.a.O. § 22 Rn. 20 f.). Unerheblich sind Belästigungen, wenn sie billigerweise hinzunehmen und insbesondere sozialadäquat sind.
57
(2) Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage nicht erfüllt. Es ist nicht erkennbar, inwieweit und auf welcher Tatsachengrundlage der Verordnungsgeber in der gesamten Parkanlage pauschal, ohne (erkennbare) Prüfung und ohne konkrete Feststellungen erhebliche Belästigungen durch Cannabiskonsum prognostiziert hat.
58
Wie bereits ausgeführt, ergibt sich aus der Normaufstellungsakte zur Begründung der Änderungsverordnung vom 24. April 2024, die auf einem Vorschlag des Finanzministeriums (vgl. Schreiben vom 17.4.2024) basiert, lediglich, dass bei dem Konsum von Cannabis – anders als beim Alkoholgenuss – bereits durch den Rauch und die damit verbundene Gesundheitsbeeinträchtigung sowie die Sorge vor Gesundheitsschäden durch das Einatmen des mit Wirkstoff versetzten Rauchs eine Belästigung gegeben sei und diese Belästigung – anders als beim Alkoholgenuss – nicht nur bei übermäßigem, sondern bei jedem Konsum auftrete.
59
Hinweise auf bereits erfolgte Beschwerden über Verhaltensauffälligkeiten bei Cannabiskonsumenten, auf eine „Vermüllung“ oder auf Beeinträchtigungen durch das Konsumieren von Cannabis an sich ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht. Während für die Schaffung der Ermächtigungsgrundlage des Art. 20 Abs. 1 LStVG im Jahre 2008 gehäufte Beschwerden der Parkbesucher, Zwischenfälle, teilweise weit auseinandergehende Nutzerwünsche, erhebliche Konflikte und sicherheitsrechtlich relevante Probleme (vgl. LT-Drs. 15/10315 S. 1) der Grund waren, fehlen nun konkrete Anhaltspunkte für aktuelle Probleme bei der Parkanlagenbenutzung durch Cannabiskonsum. Solche ergeben sich nicht aus der Sachlage vor dem Verbotserlass bzw. – betreffend den Nordteil des Englischen Gartens – nach dem Beschluss des Senats im Eilverfahren. Bekannt sind offenbar nur Beschwerden hinsichtlich Angriffen freilaufender Hunde und hinsichtlich des Betretens schutzwürdiger Flächen wie ungemähter Wiesen (vgl. interne Stellungnahme des Antragsgegners vom 24.4.2024). Dies deckt sich auch mit den Äußerungen der Vertreter der Schlösserverwaltung in der mündlichen Verhandlung, wonach in den Parkanlagen die Delikte im Zusammenhang mit Cannabis im Laufe der Zeit zurückgegangen seien und sich wohl räumlich in die Breite verlagert hätten. Möglicherweise bestehe auch ein Zusammenhang mit der mittlerweile erfolgten teilweisen Legalisierung und der damit verbundenen grundsätzlichen Möglichkeit des Konsums im Stadtgebiet. Anzeigen von Belästigungen oder Gefährdungen gemäß § 2 Abs. 1 der Parkanlagen-VO durch Cannabiskonsum habe es in der Vergangenheit nicht gegeben. Bis jetzt seien wegen der Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 12 der Parkanlagen-VO insgesamt fünf Fälle bei der Schlösserverwaltung vor allem aus dem Bereich des Hofgartens in Bearbeitung (gewesen). Weitere Feststellungen oder nachvollziehbare Anhaltspunkte für das Vorliegen von Belästigungen und die Beurteilung der Erheblichkeit der Belästigungen durch den Antragsgegner fehlen.
60
Zwar ist zuzugestehen, dass Geruchsbelästigungen stark von Sensibilität und subjektiven Einstellungen abhängen. Regelwerke speziell für die Belästigung durch Cannabiskonsum finden sich nicht; Orientierungswerte für die Erheblichkeit von Belästigungen durch Cannabisrauch können vermutlich schwerlich bestimmt werden. Vorliegend dürfte insbesondere auch im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit und die hohe Aufenthaltsqualität der streitgegenständlichen Parkanlage sowie das Erholungsbedürfnis der Besucher als widmungsgemäßer Einrichtungszweck die Eingriffsschwelle grundsätzlich nicht zu hoch anzusetzen sein. Es ist jedoch auszuschließen, dass in der Parkanlage der Konsum von Cannabis in jeder Form (Rauchen oder Verdampfen) und Menge, zu jeder Tageszeit, in allen denkbaren Konstellationen, in allen Parkbereichen und unabhängig von möglichen Begegnungssituationen mit Dritten erhebliche Belästigungen begründet.
61
(3) Weitere Schutzgüter des Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG sind offensichtlich nicht betroffen. Ein etwaiges Problem der „Vermüllung“ wäre bereits durch § 2 Abs. 2 Nr. 8 der Parkanlagen-VO erfasst. Dass im vorliegenden Zusammenhang Gefahren für die Sittlichkeit verhütet werden müssten, ist vom Antragsgegner nicht weiter begründet worden und erscheint im Übrigen auch als äußerst fernliegend.
62
d) Unabhängig davon, dass bereits die Tatbestandsvoraussetzungen gemäß Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG in Bezug auf das umfassende Verbot von Cannabiskonsum in der streitgegenständlichen staatlichen Parkanlage nicht vorliegen, widerspricht die Verordnungsregelung auch dem örtlichen Differenzierungsgebot des Art. 20 Abs. 1 Satz 2 LStVG als Ausdruck des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Danach sind die Benutzungsregelungen auf die örtlichen Verhältnisse abzustimmen. Dem entspricht das pauschale, uneingeschränkte und flächendeckende Konsumverbot von Cannabis nicht.
63
Zwar steht nach Maßgabe und in den Grenzen der betreffenden gesetzlichen Ermächtigung des Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG dem Verordnungsgeber hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung einer Benutzungsregelung ein grundsätzlich weiter Spielraum zu. Das normative Ermessen wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die getroffene Entscheidung in Anbetracht des Zweckes der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist. Demgemäß beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle darauf, ob diese äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis überschritten sind (BVerwG, U.v. 26.4.2006 – 6 C 19.05 – juris Rn. 16).
64
Jedoch hat der Gesetzgeber durch Art. 20 Abs. 1 Satz 2 LStVG dem Verordnungsgeber ausdrücklich aufgegeben, die objektiven Gegebenheiten im jeweiligen Einzelfall zu betrachten. Zwar dürften auch insoweit Typsierungen und Pauschalierungen in gewissen Grenzen zulässig sein. Dennoch ist aber insbesondere zu berücksichtigen, welche konkreten Nutzungsinteressen hinsichtlich der einzelnen Anlage bestehen, inwieweit diese Interessen den Schutzgütern des Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG entgegenlaufen oder ob für Interessen, die durch die Verordnung eingeschränkt werden, in unmittelbarer räumlicher Nähe Alternativen zur Verfügung stehen (vgl. Unterreitmeier/Halder in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.11.2025, Art. 20 LStVG Rn. 18). Dabei kommen hinsichtlich der Einschränkung bestimmter Nutzungen räumliche und zeitliche Differenzierungen in Betracht (vgl. zur Abstimmung auf die örtlichen Verhältnisse bei einer Hundehaltungsverordnung nach dem insoweit vergleichbaren Art. 18 Abs. 1 Satz 2 LStVG BayVerfGH, E.v. 25.6.2019 – Vf. 4-VII-17 – juris Rn. 52; BayVGH, U.v. 25.1.2022 – 10 N 20.1227 – juris Rn. 121; zum Leinenzwang für das gesamte Gemeindegebiet B.v. 15.4.2021 – 10 NE 20.2831 – juris Rn. 61; B.v. 12.9.2001 – 24 N 00.1638 – juris Rn. 24 f.).
65
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Verbindung mit dem örtlichen Abstimmungsgebot des Art. 20 Abs. 1 Satz 2 LStVG – vorliegend gerade auch im Hinblick auf die Größe der Parkanlage und der bekanntermaßen heterogenen Nutzungsstruktur und dichte – erfordert, dass der Verordnungsgeber die tatsächlichen Verhältnisse prüft und hierzu Feststellungen trifft; er darf sich nicht auf generelle Annahmen beschränken, die nicht nachvollziehbar begründbar sind.
66
Die streitgegenständliche Verordnungsregelung sieht weder im räumlichen Geltungsbereich noch in zeitlicher Hinsicht eine Differenzierung vor. Es fehlt an nachvollziehbaren Erkenntnissen dazu, welche Anlagenteile und zu welchen Zeiten die Besucherfrequenz erheblich ist und ab welchen Abständen zum Konsumenten bzw. ab welcher Häufigkeit des Konsums mit einer erheblichen Belästigungen zu rechnen ist. Der Landesgesetzgeber selbst (vgl. zu Art. 3 Abs. 1 und Art. 8 GSG-E LT-Drs. 19/2073 S. 10 bis 12) stellt im Zusammenhang mit der Festlegung von räumlichen Bereichen für ein Cannabiskonsumverbot zum präventiven Nichtraucherschutz darauf ab, ob es sich um Orte handelt, an denen sich regelmäßig viele Personen auf engem Raum aufhalten, sodass dort seiner Einschätzung nach für passiv Betroffene potenzielle Gesundheitsgefahren durch das passive Einatmen von Cannabisrauch bzw. -dampf bestehen. Auch in Bezug auf die streitgegenständliche Benutzungsregelung für die Parkanlage sieht der Antragsgegner selbst (Schriftsatz vom 6.10.2025, S. 6) die Frage, ob eine räumlich beengte Situation anzunehmen ist, als Kriterium für die Erforderlichkeit eines Konsumverbots an, ohne freilich insoweit eine entsprechend räumlich differenzierte Bewertung vorzunehmen. Der Antragsgegner hat nicht dargelegt und es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass in allen Bereichen der Parkanlage entsprechend beengte Verhältnisse angenommen werden könnten. Nicht nachvollziehbar ist insoweit auch die Erweiterung des Geltungsbereichs der Parkanlagen-VO auf den Nordteil des Englischen Gartens. Aus den Normaufstellungsunterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte für deren Erforderlichkeit. Im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat vom 17. April 2024 wird die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen ohne nähere Begründung aufgefordert, die Parkanlagen-VO „auch auf den Nordteil des Englischen Gartens zu erstrecken, so dass die gesamte Gartenanlage ‚Englischer Garten‘ in die Verordnung einbezogen ist“. In der Antragserwiderung wird im Wesentlichen nur ausgeführt, ein räumlich beschränktes Verbot des Rauchens, Erhitzens und Verdampfens von Cannabis lediglich in Teilen der von der Regelung betroffenen Liegenschaften komme als milderes Mittel nicht in Betracht; der gesamte Geltungsbereich der Verordnung sei „viel von Bewegung im Sinne körperlicher Bewegungsfreiheit“ geprägt, sodass es faktisch nicht möglich sei, nur einen Teil der Parkanlagen „cannabisfreundlich“ zu gestalten. Im Übrigen könne auch nicht sichergestellt werden, dass der Rauch oder Dampf z.B. durch sich temporär ändernde Windverhältnisse in andere Bereiche übergehe. Dies gelte insbesondere auch aufgrund der besonderen Empfindlichkeit von Kindern und Jugendlichen, die sich ebenso im Bereich der Liegenschaften bewegten und aufhielten. Auch soweit in der Antragserwiderung vom 6. Oktober 2025 ausgeführt wird, dass der Nordteil ebenso wie der Südteil hoch frequentiert sei, fehlen Feststellungen dazu, inwieweit dies zu erheblichen Belästigungen führt. Allein das Argument, dass nur eine Gesamtbetrachtung ein transparentes, geordnetes sowie nachvollziehbares Verwaltungshandeln als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips ermögliche, reicht nicht, um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen (zu Art. 18 LStVG BayVGH, B.v. 12.9.2001 – 24 N 00.1638 – juris Rn. 25). Gerade im Hinblick auf die Gesamtgröße, die durchaus klare Gliederung der Parkanlage in Nord- und Südteil des Englischen Gartens – deutlich getrennt durch den Mittleren Ring –, Finanzgarten und Hofgarten sowie die unterschiedliche Nutzungsqualität ist nicht nachvollziehbar dargelegt, dass keine differenzierte Regelung möglich ist.
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e) Die Frage, ob das Cannabiskonsumverbot sowohl für das Rauchen als auch für das Verdampfen von Cannabis insbesondere im Hinblick auf den weiterhin zulässigen Konsum von Tabakprodukten und die Regelung zum Alkoholgenuss in § 2 Abs. 2 Nr. 11 Parkanlagen-VO den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, ist nicht entscheidungserheblich.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 705 ff. ZPO.
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4. Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
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Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss der Antragsgegner die Nummer I. der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen wie die angefochtene Verordnung.