Inhalt

FG München, Urteil v. 25.06.2025 – 1 K 459/23
Titel:

Entgeltliche Anschaffung von Gesellschaftsanteilen durch Anwachsung bei Ausscheiden eines GbR-Gesellschafters und deren steuerliche Einordnung

Normenketten:
BGB § 158 Abs. 1, § 738 Abs. 1 S. 1
EStG § 23 Abs. 1 S. 4
AO § 175 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die infolge des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer GbR gegen Abfindung bei den verbleibenden Gesellschaftern stattfindende Anwachsung des Anteils des Ausgeschiedenen (§ 712 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzesbuchs – BGB –) stellt eine entgeltliche "Anschaffung" einer Beteiligung im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes durch die verbleibenden Gesellschafter dar.
2. Der in der Anwachsung liegende Anschaffungsvorgang ist nicht bereits mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags tatbestandlich soweit vollendet, dass die Parteien daran im Sinne einer aufschiebenden Bedingung gemäß § 158 Abs. 1 BGB gebunden sind, wenn den Gesellschaftern im Gesellschaftsvertrag die Möglichkeit eingeräumt ist, eine anderweitige Regelung zu treffen.
Schlagworte:
Ausscheiden eines Gesellschafters, auflösende Bedingung, Vermietung und Verpachtung,, Gesellschaftsanteil
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – IX R 22/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 31987

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

I.
1
Streitig ist, ob der Kläger einen ihm aus der Veräußerung einer Immobilie, die im Gesamthandseigentum mehrerer Gesellschafter gestanden hatte, zustehenden anteiligen Überschuss gemäß § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) zu versteuern hat.
2
Der Kläger ist Rechtsanwalt, der im Streitjahr vom Beklagten (Finanzamt) zur Einkommensteuer veranlagt wurde. In seiner für das Streitjahr am 09. März 2009 beim Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung erklärte er neben seinen Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit, aus Gewerbebetrieb, aus Kapitalvermögen auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 46.544 €. Bei diesen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung handelt es sich nach Angaben des Klägers um anteilige Einkünfte, die ihm im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der … Grundstücksverwaltungsgesellschaft GbR (Gesellschaft) zuzurechnen waren.
3
Der Kläger und seine Geschwister hatten diese Gesellschaft mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag am 22. Dezember 1995 gegründet. Gegenstand der Gesellschaft war die Verwaltung und Vermietung von drei Grundstücken, die die am 10. April 2001 verstorbene Mutter des Klägers (E), im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Nießbrauchsvorbehalt mit notariell beurkundetem Übertragungsvertrag vom 22. Dezember 1995 ihm und seinen drei Geschwistern PR, geboren 1938, P, geboren 1939, und M, geboren 1946 zur gesamten Hand als Gesellschafter schenkweise übertragen hatte. Als Folge dieser Übertragung war der Kläger bis zu dessen Veräußerung im Streitjahr anteilig Eigentümer des Grundstücks in … Düsseldorf. Die zwei weiteren übertragenen Grundstücke waren in den Jahren 1998 und 2000 veräußert worden.
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Die Gesellschaft sollte zunächst bis zum 31. Dezember 2003 geschlossen sein und sich dann jeweils um drei Jahre verlängern. Eine Kündigung oder Auflösung der Gesellschaft zu Lebzeiten von E war ausgeschlossen. Am Vermögen und Ergebnis der Gesellschaft waren die Kinder gemäß § 9 des Gesellschaftsvertrags jeweils zu 25 v.H. beteiligt. Gemäß § 4 und § 12 des Gesellschaftsvertrags sollte ein Gesellschafter aus der Gesellschaft unter Fortbestand des Gesellschaftsverhältnisses unter den übrigen Gesellschaftern ausscheiden, wenn er die Gesellschaft kündigt, wenn über sein Vermögen das Konkursverfahren oder ein gerichtliches Vergleichsverfahren eröffnet bzw. mangels Masse nicht eröffnet wird, wenn er seine Zahlungen einstellt, wenn sein Gesellschaftsanteil wirksam gepfändet und die Pfändung nicht binnen drei Monaten wieder aufgehoben wird, er mit der Erfüllung seiner Verpflichtungen in Verzug gerät, wenn E den Widerruf der Schenkung erklärt, oder der Gesellschafter mit E nicht in gerader Linie verwandt oder „verschwägert (= Ehegatte)“ ist. Für diese Fälle sollte der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters den verbleibenden Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und Gesellschaftsergebnis zuwachsen, es sei denn, dass die Gesellschafterversammlung unter Ausschluss des ausscheidenden Gesellschafters einstimmig etwas Abweichendes beschließt. Durch den Tod eines Gesellschafters sollte die Gesellschaft vorbehaltlich eines einstimmigen Beschlusses der verbleibenden Gesellschafter nicht aufgelöst werden. Nach § 14 des Gesellschaftsvertrags war in allen Fällen, in denen nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags oder kraft gesetzlicher Vorschriften ein Gesellschafter ausscheidet, eine Abfindung zu bezahlen. Diese sollte wertmäßig dem Bruchteil des Vermögens der Gesellschaft entsprechen, der quotenmäßig seiner Beteiligung am Vermögen und am Ergebnis gemäß § 9 des Gesellschaftsvertrags entspricht. Als Vermögen der Gesellschaft sollte – außer im Falle des Widerrufs der Schenkung durch E – unwiderleglich das Zwölffache der tatsächlichen Netto-Jahresmiet- und -pachterträge aus den Immobilien der Gesellschaft gelten, wobei im Entwurf des Notarvertrags zunächst lediglich das Neunfache der tatsächlichen Netto-Jahresmiet- und pachterträge aus den Immobilien der Gesellschaft vorgesehen gewesen war. Maßgeblich für die Berechnung sollte das letzte Kalenderjahr vor dem Ausscheiden sein.
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Mit notariell beurkundetem Übertragungsvertrag vom 24. Oktober 2005 (Übertragungsvertrag) übertrug PR seinen Anteil an der Gesellschaft an seine Söhne PP, geboren am 1965, und MR, geboren 1967, behielt sich jedoch ein lebenslanges und unentgeltliches Nießbrauchsrecht an dem Gesellschaftsanteil vor.
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Nachdem der Gesellschaftsanteil des P mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 06. April 2006, der der Gesellschaft als Drittschuldnerin am 24. April 2006 zugestellt worden war, gepfändet worden war, schied P zum 24. Juli 2006 gemäß § 12 des Gesellschaftsvertrags aus der Gesellschaft aus. Sein Gesellschaftsanteil von 25 v.H. wuchs dementsprechend den verbliebenen Gesellschaftern gemäß § 12 des Gesellschaftsvertrags zu, nachdem die Gesellschafterversammlung von ihrem Recht, einstimmig etwas Abweichendes zu beschließen, keinen Gebrauch gemacht hatte. Im Gegenzug wurde von der Gesellschaft eine nach § 14 des Gesellschaftsvertrags berechnete, der Höhe nach zwischen den Beteiligten nicht streitige Abfindung von insgesamt 755.762 € an Gläubiger des P entrichtet.
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Mit notariellem Kaufvertrag vom 13. Juli 2007 veräußerten der Kläger, M, PP und MR, handelnd als alleinige Gesellschafter der Gesellschaft, das Anwesen zu einem Kaufpreis von 5.600.000 €.
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Mit Gesellschafterbeschluss vom 30. Dezember 2008 beschlossen der Kläger und die Gesellschafter M, PP und MR die Gesellschaft wegen Zweckerreichung zum 31. Dezember 2008 aufzulösen. In den in der Folgezeit abgegebenen Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung wurde als Sitz der Gesellschaft München angegeben.
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Auf Grundlage der Ergebnisse einer Außenprüfung, die sich mit dem Veräußerungsvorgang auseinandergesetzt hatte, vertrat das für die einheitliche und gesonderte Feststellung der Gesellschaft zuständige Finanzamt (Feststellungsfinanzamt), dass nach dem Ausscheiden des P zum 24. Juli 2006 die verbliebenen Gesellschafter dessen Gesellschaftsanteil von 25% – und damit auch einen Bruchteil des gesamthänderisch gebundenen Immobilienvermögensentgeltlich i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG angeschafft hätten.
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Durch die Veräußerung der Immobilie seien Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft erzielt worden. Die Einkünfte berechneten sich aus 25% des Veräußerungspreises von 5.600.000 € = 1.400.000 € abzüglich der um die für die Jahre 2006 und 2007 geltend gemachten und berücksichtigten Gebäudeabschreibung verminderten Anschaffungskosten von 737.835 € (755.762 € minus 6.591 € minus 11.336 €) und betrügen demnach 662.165 €. Demzufolge erließ das Feststellungsfinanzamt am 02. Dezember 2011 einen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid für das Streitjahr über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, in dem zusätzliche Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 in Höhe von 662.165 € festgestellt wurden und auf der Gesellschafterebene jeweils zu 1/3 auf die Feststellungsbeteiligten PR, den Kläger und M verteilt wurden.
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Ebenfalls mit Schreiben vom 02. Dezember 2011 teilte das Feststellungsfinanzamt dem Wohnsitzfinanzamt des Klägers mit, dass sich die Besteuerungsgrundlagen für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Gesellschaft geändert hätten, ein geänderter Feststellungsbescheid erlassen worden sei und demzufolge ein weiterer Gewinnanteil des Klägers wegen dieses privaten Veräußerungsgeschäftes in Höhe von 220.721,67 € zu berücksichtigen sei. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2011 erließ das Wohnsitzfinanzamt des Klägers einen nach § 175 Abs. 1 AO geänderten Bescheid und erfasste einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe 220.721 €.
12
Die von der Gesellschaft gegen den Feststellungsbescheid wegen des ihrer Ansicht zu Unrecht erfassten Veräußerungsgewinns erhobenen Rechtsmittel (Einspruch und Klage vor dem Finanzgericht) blieben im Wesentlichen erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 20. Mai 2015, FG München Urteil vom 30. Januar 2018 5 1588/15, EFG 2019, 429). Das Feststellungsfinanzamt berücksichtigte lediglich Werbungskosten in Höhe von 29.951 €, setzte die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften auf 632.214 € herab und teilte diese jeweils zu 1/3 (210.738 €) auf die Feststellungsbeteiligten PR, den Kläger und M auf.
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Auf die Revision der Gesellschaft hin, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 19. November 2019 IX R 24/18, BStBl. II 2020 225, dass der Anwachsungserwerb von Gesellschaftsanteilen wegen Ausscheiden eines Gesellschafters durch die verbleibenden Gesellschafter einzeln verwirklicht werde, weshalb die Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen Erzielung von sonstigen Einkünften nicht vorlägen. Da demnach eine gesonderte und einheitliche Feststellung für diese Einkünfte nicht durchzuführen sei, gab er der Klage der Gesellschaft statt und hob das Urteil des FG vom 30. Januar 2018 auf.
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Aufgrund dieses BFH-Urteils änderte das Feststellungsfinanzamt den Bescheid für die Gesellschaft, stellte keine Einkünfte nach § 23 EStG mehr fest und teilte dem Wohnsitzfinanzamt in der geänderten Beteiligungsmitteilung vom 03. Juni 2020 mit, dass die Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen Erzielung von sonstigen Einkünften nicht vorgelegen hätten.
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Das Finanzamt erließ aufgrund dieser Mitteilung mit Datum 06. November 2020 einen nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid, erfasste für den Kläger den im Zusammenhang mit der Veräußerung des Anwesens in Höhe von 210.738 € entstandenen Veräußerungsgewinn als sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften unter Verweis auf § 177 AO und setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 107.926 € fest.
16
Mit Einspruchsentscheidung vom 06. Februar 2023 wies das Finanzamt den gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 06. November 2020 mit Schreiben vom 04. Dezember 2020 eingelegten Einspruch als unbegründet zurück. Es begründete seine Entscheidung damit, dass im Streitfall die Gesellschafter PR, der Kläger und M nach dem Ausscheiden des Gesellschafters P und der damit verbundenen Anwachsung seines Anteils an die Anteile der verbliebenen Gesellschafter am 24. Juli 2006 25 v.H. des Anwesens von P erworben hätten. Nachdem am 13. Juli 2007 das gesamte Anwesen veräußert worden sei und die Anschaffung und Veräußerung eines Anteils von 25 v.H. des Anwesens innerhalb eines Zeitraums von unter zehn Jahren erfolgt sei, lägen Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 EStG vor. Eine Anschaffung sei nach der Rechtsprechung jedenfalls dann anzunehmen, wenn wie im Streitfall ein Wirtschaftsgut im Austausch mit einer Gegenleistung, also entgeltlich erworben werde. Lediglich der Erwerb des Eigentums im Wege der Gesamtrechtsnachfolge außerhalb eines Rechtsgeschäfts falle nicht unter den Begriff der Anschaffung. Der im vorliegenden Fall gegebene Anwachsungserwerb werde der Übertragung eines Mitunternehmeranteils gleichgestellt und sei als Anschaffungsgeschäft zu beurteilen (vgl. BFH-Urteile vom 24. Oktober 1996 IV R 90/94, BStBI II 1997, 241; vom 12. Dezember 1996 IV R 77/93 BStBl II 1998, 180, FG München Urteil vorn 30. Januar 2018 – 5 K 1588/15, EFG 2019, 429).
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Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG gelte die Anschaffung oder Veräußerung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter, im Streitfall also des Anwesens. Nachdem es ausweislich des Gesellschaftsvertrags der Wille der Gesellschafter gewesen sei, dass der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters den Verbleibenden zuwachse und sie im Gegenzug eine Abfindung zu leisten hätten, beruhe das Ausscheiden des Gesellschafters und die Anwachsung jeweils auf einem Willensakt der Gesellschafter. Der Vollzug dieser Vereinbarungen stelle einen Anschaffungsvorgang i.S.d. § 23 EStG dar.
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Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung seien nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich die Zeitpunkte maßgebend, in denen die obligatorischen Verträge geschlossen würden. Anders als der Kläger meint, sei die Anschaffung des Gesellschaftsanteils des P und damit seines Anteils am Anwesen durch die verbleibenden Gesellschafter (den Kläger, M, PP und MR) im Jahr 2006 und nicht bereits im Jahr 1995 erfolgt. Zwar sei im Jahr 1995 vereinbart worden, dass unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Gesellschaftsanteil eines Gesellschafters wirksam gepfändet und die Pfändung nicht binnen drei Monaten wieder aufgehoben werde, der betreffende Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheide und sein Anteil den verbleibenden Gesellschaftern anwachse (§ 12 des Gesellschaftsvertrags). Die Anwachsung bei den verbleibenden Gesellschaftern habe jedoch im Verhältnis ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und Gesellschaftsergebnis unter der auflösenden Bedingung gestanden, dass die Gesellschafterversammlung unter Ausschluss des ausscheidenden Gesellschafters nichts Abweichendes vereinbare.
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Bei dieser auflösenden Bedingung habe es sich um eine sogenannte reine Potestativbedingung, deren Eintritt einzig vom Willen nur „eines“ der Vertragspartner (nämlich der verbleibenden Gesellschafter) abhängig sei, gehandelt. Die Anwachsung des Gesellschaftsanteils bei den verbleibenden Gesellschaftern zu je einem Drittel habe – unter der Voraussetzung des Eintritts eines Ausscheidensgrundes – bindend nicht bereits im Jahre 1995, sondern erst im Jahr 2006, als die verbleibenden Gesellschafter von ihrem Recht zur abweichenden Regelung keinen Gebrauch gemacht haben gestanden. Eine Bindung der verbleibenden Gesellschafter war demnach im Jahr 1995 nicht gegeben.
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Da der Abfindungsanspruch des P nach den Vereinbarungen des Gesellschaftsvertrags berechnet worden sei, sei von einer „vollwertigen“ Anschaffung auszugehen. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Abfindung in Höhe der zwölffachen Jahres-Nettomiet- und -pachtverträge dem Wert des Gesellschaftsanteils zum Zeitpunkt des Ausscheidens entsprochen habe, jedenfalls habe dieser Wert nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen annähernd den tatsächlichen Wert widerspiegeln sollen. Eine Unterscheidung bzgl. der Abfindungshöhe bei „regulärem“ bzw. „verschuldetem“ Ausscheiden aus der Gesellschaft sei im Gesellschaftsvertrag nicht getroffen worden. Es sei demnach eine vollentgeltliche Anschaffung des Gesellschaftsanteils erfolgt.
21
Hiergegen richtet sich die Klage.
22
In seiner Klagebegründung verweist der Kläger darauf, dass Anschaffungszeitpunkt im steuerlichen Sinne des § 23 EStG des Grundstückes, das im Jahr 2007 veräußert und aufgrund seines Mitunternehmeranteils an der Grundstücks GbR dem Kläger als Veräußerungsgewinn zugerechnet worden sei, bereits im Jahr 1995, also weit außerhalb der steuerpflichtigen 10-Jahresfrist des § 23 EStG gelegen habe. Dies liege darin begründet, dass bereits 1995, mit der Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages der … Grundstücks GbR eine Anwachsung von GbR Anteilen bindend geregelt gewesen sei.
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Gemäß den Regelungen der §§ 3 und 12 des Gesellschaftsvertrages scheide ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, wenn er die GbR kündige, wenn über sein Vermögen das Konkursverfahren oder ein gerichtliches Vergleichsverfahren eröffnet werde. Für diese Fälle solle der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters den verbleibenden Gesellschaftern im Verhältnis Ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen anwachsen. Es handle sich somit um eine vertraglich vereinbarte aufschiebende Bedingung, die bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags eine Regelung betreffend den Anwachsungserwerb treffe.
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Nachdem der Gesellschaftsanteil des Gesellschafters P mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 06. April 2006 gepfändet worden sei und P zum 24. Juli 2006 gemäß § 12 des Gesellschaftsvertrages aus der GbR ausgeschieden sei, sei die aufschiebende Bedingung am 24. Juli 2006 eingetreten. Damit sei sein Anteil den übrigen Gesellschaftern entsprechend ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen angewachsen.
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Nach der Rechtsprechung (BFH – Urteil vom 10. Februar 2015 IX R 23/13, BStBl II 2015, 487) liege im Falle des Vorliegens einer aufschiebenden Bedingung der Anschaffungszeitpunkt bereits mit Abschluss des obligatorischen Rechtsgeschäftes vor. Dieses obligatorische Rechtsgeschäft sei der im Jahre 1995 unterzeichnete Gesellschaftsvertrag. Da dieser im Streitfall 1995 geschlossen worden sei und die Veräußerung im Jahr 2007 stattgefunden habe, sei die 10-Jahresfrist, die zwischen Anschaffung und Veräußerung liegen müsse, abgelaufen und es liege im Falle der hier erfolgten Veräußerung im Jahr 2007 kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft gem. § 23 EStG vor.
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Anders als das Finanzamt meint, stelle die Regelung des Gesellschaftsvertrags betreffend die Anwachsung der Gesellschaftsanteile in § 12 vorletzter Satz „es sei denn, dass die Gesellschafterversammlung unter Ausschluss des ausscheidenden Gesellschafters einstimmig etwas anderes beschließt“ keine auflösende Bedingung dar. Eine solche Vereinbarung sei eindeutig nichtig. Wegen des zwingenden Charakters der Anwachsung, hätten die verbleibenden Gesellschafter es gerade nicht in der Hand, diese zu verhindern. Eine entgegenstehende gesellschaftsvertragliche Regelung sei It. BGH-Beschluss vom 28. Juni 1993 – II ZR 193/92 unwirksam. Die anderslautende Regelung im Gesellschaftsvertrag sei nichtig.
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Zudem könne eine auflösende Bedingung auch aus dogmatischen Gründen nicht angenommen werden, denn diese würde mit Eintritt dazu führen, dass der frühere Rechtszustand – also die Gesellschafterstellung des ausgeschiedenen P mit Zuwachs seines Anteils am Gesellschaftsvermögen – wiederherzustellen sei.
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Hinzu komme, dass ohnehin alle Vertragspartner eines Vertrages, alle Gesellschafter einer Gesellschaft, einstimmig vertragliche Vereinbarungen treffen könnten. Einer gesellschaftsvertraglichen Regelung bedürfe es für diese vertragsrechtliche Norm nicht. Diese Formulierung alleine könne somit gar keine auflösende Bedingung darstellen, da anderen Falls nahezu jeglicher Vertrag unter einer solchen auflösenden Bedingung stünde. Die Formulierung im Vertrag sei nur so zu verstehen, dass die Beteiligten lediglich die Anwachsungsquote offenhalten wollten.
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Der Kläger beantragt,
unter Änderung des geänderten Einkommensteuerbescheids 2007 vom 06. November 2020 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 06. Februar 2023 die Einkommensteuer für 2007 mit der Maßgabe neu festzusetzen, dass Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG in Höhe von 0 € zu erfassen sind.
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
30
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
31
Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, dass zwar für die Anwendung der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG grundsätzlich der Zeitpunkt des Abschlusses des obligatorischen Vertrags maßgebend sei, dies aber nur gelte, soweit sich die Parteien in diesem Vertrag schon endgültig gebunden hätten. Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall, da nach § 12 des Gesellschaftsvertrags im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters die verbleibenden Gesellschafter die Höhe der Anwachsungsquoten noch abweichend von der ursprünglichen Regelung hätten bestimmen können. Es habe sich insoweit um eine auflösende Bedingung gehandelt. Unabhängig von der zivilrechtlichen Einordnung, komme es zudem steuerrechtlich darauf an, dass sich die Gesellschafter durch die Regelung in § 12 im Hinblick auf den anwachsungsbedingten Anschaffungsvorgang des Gesellschaftsanteils im Jahr 1995 noch nicht endgültig gebunden hätten (BFH-Urteil vom 10. Februar 2015 IX R 23/13, BStBl. II 2015, 487). Anders als im Regelfall, in dem beim Abschluss eines Verpflichtungsgeschäfts schon alle dem Geschäft zugrundeliegenden wesentlichen Fragen geklärt seien, seien im Hinblick auf das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft und dem Anwachsen seines Anteils bei den anderen Gesellschaftern aber noch viele Punkte ungewiss gewesen. So sei es zum damaligen Zeitpunkt noch ungewiss gewesen, ob überhaupt ein Gesellschafter aufgrund einer Pfändung seines Gesellschaftsanteils aus der Gesellschaft ausscheiden würde.
32
Da es Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sei, innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen (BFH v. 10. Februar 2015, Rz. 21 mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung des BFH), müsse bei dem Anschaffungsvorgang i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG klar sein, wer an wen welches Wirtschaftsgut zu welchem Preis veräußere.
33
Dies sei vorliegend aber erst 2006 der Fall gewesen. Erst zu diesem Zeitpunkt hätten die in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter entschieden, von der in § 12 des Gesellschaftsvertrags geregelten Möglichkeit der Vereinbarung einer abweichenden Anwachsungsquote keinen Gebrauch zu machen. Daher könne es vorliegend für Zwecke der Anwendung des § 23 EStG nicht auf den Abschluss des Gesellschaftsvertrags, sondern nur auf die Anwachsung im Jahr 2006 ankommen.
34
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten, die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Mit Schriftsätzen vom 16. Mai 2023 (Finanzamt) und 12. April 2023 (Kläger) haben die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II.
35
Die Klage ist nicht begründet.
36
Das Finanzamt ist zurecht von der Entstehung sonstiger Einkünfte in Gestalt eines privaten Veräußerungsgeschäfts und der Änderbarkeit des Einkommensteuerbescheids ausgegangen. Es hat insbesondere zu Recht angenommen, dass mit dem Ausscheiden des P der Kläger dem Grunde nach dessen Gesellschaftsanteil am Anwesen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG in 2006 anteilig entgeltlich angeschafft und im Streitjahr steuerpflichtig veräußert hat. Auch hat es die Einkünfte mindernden Anschaffungskosten in zutreffender Höhe berücksichtigt.
37
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
38
1. Das FA ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Streitfall ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vorliegt.
39
Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) sind gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG u.a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall vor.
40
a) Zutreffend hat das Finanzamt die anteilige Anwachsung des Anteils des ausgeschiedenen Gesellschafters an der vermögensverwaltenden Gesellschaft an die Anteile des Klägers als entgeltlichen Anschaffungsvorgang gemäß § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG beurteilt.
41
Als Anschaffung und Veräußerung werden im Regelfall der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsgutes auf eine andere Person aufgefasst (z. B. BFH-Urteil vom 16. Juni 2015 IX R 21/14, BFH/NV 2015, 1567). Ein Anschaffungsgeschäft setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass die Erwerbshandlung des Steuerpflichtigen wesentlich von seinem Willen abhängt und sich mithin als Ausdruck einer wirtschaftlichen Betätigung darstellt. Weder die Anschaffung noch die Veräußerung darf ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen stattfinden (etwa BFH-Urteile vom 29. März 1995 X R 3/92, BFH/NV 1995, 74 zum Umlegungsverfahren; vom 23. Juli 2019 IX R 28/18, BStBl. II 2019, 701 zur Enteignung).
42
Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG gilt die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter. Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus werden hiervon auch sog. „Mischfälle“ erfasst, in denen entweder das Grundstück durch die Personengesellschaft erworben und anschließend die Beteiligung verkauft wird oder umgekehrt die Beteiligung erworben und anschließend das Grundstück durch die Personengesellschaft veräußert wird (BFH-Urteil vom 21. Januar 2014 IX R 9/13, BStBl. II 2016, 515; BFH-Urteil vom 11. November 2015 IX R 10/15, BFH/NV 2016, 529; Schmidt/Levedag EStG § 23 Rn. 53).
43
Nach diesen Grundsätzen liegt im Streitfall eine Anschaffung im Sinne des § 23 EStG vor. Der Wortlaut der Vorschrift erfasst auch die Aufstockung einer schon vorhandenen Beteiligung als Anschaffung „einer“ Beteiligung. Der Hinzuerwerb eines weiteren Anteils an der Gesellschaft durch den Kläger infolge des Ausscheidens des P ist eine Anschaffung eines Grundstücks im Sinne eines privaten Veräußerungsgeschäfts. Konkret hat der Kläger infolge der Anwachsung einen weiteren Anteil an der Personengesellschaft erworben, was gemäß § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG als anteilige Anschaffung des Wirtschaftsguts Grundstück gilt (FG München, Urteil vom 30. Januar 2018, 5 K 1588/15 EFG 2019, 429, Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 25. Mai 2023, 4 K 186/20 EFG 2023, 1537).
44
Eine Anschaffung scheidet nicht etwa deswegen aus, weil der Kläger etwas gegen seinen Willen erworben hätte. Denn der Kläger hat sich sowohl willentlich an der Gesellschaft beteiligt als auch willentlich dadurch, dass er nicht -wie nach § 12 des Gesellschaftsvertrags möglichzusammen mit den übrigen Gesellschaftern etwas Abweichendes beschlossen hatte.
45
Der Kläger unterlag insofern nicht äußeren Einflüssen oder einem Hoheitsakt – wie etwa bei Enteignungen oder im Umlegungsverfahren auf Veräußerungsseite. Anders als bei derartigen Fallgestaltungen unterliegen die Regelungen im Gesellschaftsvertrag weitgehend der Disposition der Vertragsparteien. Auch wenn nach § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB bei dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft sein Anteil am Gesellschaftsvermögen kraft Gesetzes den verbleibenden Gesellschaftern zuwächst, ist doch nur der Anwachsungsvorgang als solcher zwingend, wohingegen der Disposition der Gesellschafter unterliegt, welchem Gesellschafter der Anteil am Gesellschaftsvermögen in welchem Umfang zuwächst [vgl. Münchener Kommentar BGB (6. Auflage) Schäfer § 738 Rn 13]. Die Gesellschafter der Klägerin haben also in zulässiger Weise in § 12 des Gesellschaftsvertrags geregelt, dass die Anwachsung bei den verbleibenden Gesellschaftern im Verhältnis der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und Gesellschaftsergebnis nur unter der Voraussetzung erfolgen sollte, dass die verbleibenden Gesellschafter keine abweichende Regelung treffen. Daraus folgt aber zugleich, dass die Anwachsung zu je einem Drittel (bzw. bei PP und MR je zu einem Sechstel) auf einer willentlichen Entscheidung der verbleibenden Gesellschafter beruhte.
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b) Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Finanzamt zu Recht davon ausgegangen, dass die Anschaffung des Gesellschaftsanteils des P und damit seines Anteils am Immobilienvermögen dem Kläger im Jahr 2006, dem Zeitpunkt der Anwachsung und nicht bereits im Jahr 1995, mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags erfolgt ist.
47
Dem Kläger ist zwar darin zuzustimmen, dass für den Beginn des 10-Jahres Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung grundsätzlich der Zeitpunkt maßgebend ist, in dem der obligatorische Vertrag geschlossen wurde und dass dies auch dann gilt, wenn es sich um ein Rechtsgeschäft handelt, dessen Rechtswirkungen von dem Eintritt einer Bedingung abhängen.
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Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich jedoch bei der Bestimmung des § 12 des Gesellschaftsvertrages, in dem geregelt ist, unter welchen Voraussetzungen ein Gesellschaftsanteil eines ausscheidenden Gesellschafters den Anteilen der übrigen Gesellschafter anwachsen soll, um keinen Fall eines aufschiebend bedingten Rechtsgeschäfts, dass die Parteien so bindet, dass dessen Wirksamkeit mit dem Bedingungsfall ipso iure eintritt.
49
Aus dem Wesen der Bedingung und dem Wortlaut des § 158 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) folgt, dass das aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft tatbestandlich mit seiner Vornahme vollendet und voll gültig sein soll. Die Parteien eines bedingten Rechtsgeschäfts können die Vertragsbeziehungen nicht mehr einseitig lösen, vielmehr sind sie im Hinblick auf den aufschiebend bedingten Rechtserwerb (Anwartschaftsrecht) zur gegenseitigen Treupflicht und zur Beachtung der Schutzvorschriften der §§ 160 f. BGB verpflichtet (vgl. BFH-Urteil vom 10. Februar 2015 IX R 23/13, BStBl. II 2015, 487).
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Dies ist hier nicht der Fall.
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Wie § 12 Gesellschaftsvertrag regelt, besteht zum einen die Möglichkeit der Auflösung der Gesellschaft, zum anderen, dass betreffend die konkrete Durchführung der Anwachsung, die Gesellschafterversammlung Abweichendes beschließen kann. Es handelt sich damit vorliegend nicht um einen Fall, bei dem die Parteien eines bedingten Rechtsgeschäfts ihre Vertragsbeziehungen nicht mehr einseitig lösen können.
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Die ehemaligen Gesellschafter der Klägerin haben zwar bereits mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags im Jahr 1995 vereinbart, dass unter der Bedingung, dass der Gesellschaftsanteil eines Gesellschafters wirksam gepfändet und die Pfändung nicht binnen drei Monaten wieder aufgehoben wird, der betreffende Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet und sein Anteil den verbleibenden Gesellschaftern anwächst (§ 12 des Gesellschaftsvertrags). Die Anwachsung bei den verbleibenden Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und Gesellschaftsergebnis sollte jedoch nur erfolgen, wenn die Gesellschafterversammlung unter Ausschluss des ausscheidenden Gesellschafters nichts Abweichendes vereinbart hätte. Die Anwachsung des Gesellschaftsanteils bei den verbleibenden Gesellschaftern zu je einem Drittel – unter der Voraussetzung des Eintritts eines Ausscheidensgrundes – stand damit bindend nicht bereits im Jahr 1995 fest, sondern erst im Jahr 2006, als die verbleibenden Gesellschafter von ihrem Recht zur abweichenden Regelung keinen Gebrauch gemacht haben. Eine Bindung der verbleibenden Gesellschafter war demnach im Jahr 1995 nicht gegeben (vgl. insoweit auch die Anmerkung von Dötsch zu BFH in BStBl II 2015, 487, jurisPR-SteuerR 20/2015 Anm. 5; BFH-Urteil vom 18. März 2005 II R 19/02, BFH/NV 2005, 1368).
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Im Übrigen soll mit den Regelungen u.a. des § 12 des Gesellschaftsvertrags, das Weiterbestehen der Gesellschaft, für den Fall, dass ein Gesellschafter ausscheidet, sichergestellt werden. Ziel ist es gerade nicht Regelungen hinsichtlich eines aufschiebend bedingten Erwerbs eines Anteils zu treffen, die auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages zurückwirken. Der Zeitpunkt der Anschaffung des Anteils durch den Kläger ist der Zeitpunkt zu dem der Gesellschafter P ausscheidet und sein Anteil den übrigen Gesellschaftern anwächst, dh. in 2006. Dies ist schon vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass die Gesellschafterstellung des P erst mit dem Ausscheiden aus der Gesellschaft enden sollte. Nur unter der Bedingung, dass etwa wie hier, der Anteil eines Gesellschafters gepfändet wird, soll der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters den Anteilen der in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschaftern anwachsen. Hinzu kommt, dass der ausscheidende Gesellschafter, nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags eine Abfindung erhalten sollte. Sollten die Voraussetzungen des § 23 EStG erfüllt sein, hätte bereits der ausscheidende Gesellschafter einen eventuellen Wertzuwachs zu versteuern.
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Abgesehen davon, dass nach § 15 des Gesellschaftsvertrages bestimmt ist, dass in einer Gesellschafterversammlung eventuell ungültige Normen zu ergänzen oder umzudeuten seien, gibt es keinen Hinweis auf die Nichtigkeit der hier getroffenen Regelungen.
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2. Das Finanzamt hat auch den gemäß § 23 EStG steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn der Höhe nach zutreffend auf 632.214 € beziffert und den Anteil des Klägers zu Recht in Höhe von 210.738 € (1/3 von 632.214 €) angesetzt.
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Insbesondere hat es die die Einkünfte mindernden Anschaffungskosten zu Recht in Höhe von 755.762 € erfasst. Es hat dabei zutreffend den Betrag, den der Kläger zusammen mit den weiteren in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschaftern als Abfindung für den Wert des von ihnen erworbenen Gesellschaftsanteils entrichtet haben, als Anschaffungskosten beurteilt.
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§ 14 Abs. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags bestimmt, dass die im Falle des Ausscheidens an den Gesellschafter zu zahlende Abfindung wertmäßig dem Bruchteil des Vermögens der Gesellschaft entspricht, das quotenmäßig dessen Beteiligung am Vermögen und am Ergebnis gemäß § 9 des Gesellschaftsvertrags (d.h. zu 25 v.H.) entspricht. Dieser Regelung ist zu entnehmen, dass die Abfindung nach dem Willen der Beteiligten dem Wert der Beteiligung also gerade entsprechen sollte, für eine Interpretation, dass bestimmte Wertanteile schenkweise an verbleibende Gesellschafter übertragen werden sollten, lässt die Regelung keinen Raum. Etwas Anderes folgt auch nicht daraus, dass nach § 14 Abs. 1 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags – vorbehaltlich des Abs. 3, also des Falles des Schenkungswiderrufs durch E wegen groben Undanks – als Vermögen der Gesellschaft unwiderleglich das Zwölffache der tatsächlichen Netto-Jahresmiet- und -pachterträge aus den Immobilien der Gesellschaft gelten sollte. Diese Regelung sollte spätere Diskussionen über die Höhe der Abfindung vermeiden. Sie diente ersichtlich dem Zweck, für die Berechnung der Abfindung einen einfachen Modus zu finden. Dadurch, dass an die Entwicklung der Netto-Jahresmiet- und -pachterträge angeknüpft wurde, wurde die wirtschaftliche Entwicklung auf dem Mietmarkt am Belegenheitsort der jeweiligen Immobilie abgebildet und damit ein wesentlicher wertbildender Faktor einbezogen, andererseits entsprach der Ansatz des Zwölffachen des Nettojahresmietertrags im Jahr 1995, wenn auch sehr vereinfacht, einer gängigen Faustformel zur Bewertung von Immobilienvermögen (Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 16. Oktober 2003 II 620/00, EFG 2004, 594). Anhaltspunkte für den Willen der Beteiligten zu einer teilweise schenkweisen Zuwendung an die verbleibenden Gesellschafter folgen aus der Anknüpfung an das Zwölffache der tatsächlichen Netto-Jahresmiet- und -pachterträge zur Berechnung des Abfindungsanspruchs daher nicht.
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Auch wenn im konkreten Einzelfall die nach § 14 des Gesellschaftsvertrags ermittelte Abfindung den Verkehrswert des Anteils des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen nicht erreicht hätte und im Streitfall möglicherweise nicht erreicht hat, wohnt der Abfindungsregelung nicht allein aus diesem Grund zwingend der Wille zu einer teilweise schenkweisen Wertübertragung inne. Dies gilt auch dann nicht, wenn man berücksichtigt, dass die Abfindungsregelung den Sinn und Zweck gehabt haben sollte, dem Wunsch der E nachzukommen, dass die Gesellschafter bis zur Beendigung der Gesellschaft zusammenbleiben sollten, und dass zur Verwirklichung dieses Zwecks eine Abfindungsregelung für den „bad leaver“ in einer Form geschaffen worden ist, die das Verlassen der Gesellschaft nach Möglichkeit unattraktiv gestalten sollte. Da selbst im Fall der Vereinbarung einer Buchwertabfindung nicht zwingend von einer teilentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsguts auszugehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1996 IV R 77/93, BStBl II 1998, 180), kann für die Vereinbarung einer unattraktiven Abfindungsregelung nichts Anderes gelten.
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Es ist weiter für die Frage einer möglichen Teilentgeltlichkeit nicht allein von Bedeutung, ob der Abfindungsanspruch zum Zeitpunkt des Ausscheidens des P eventuell unter dem Verkehrswert des Anteils des P am Anwesen gelegen hat. Denn § 23 EStG knüpft weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Regelungszweck an eine Preis- oder Wertsteigerung innerhalb der Spekulationsfrist an. Zweck des § 23 EStG ist es, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen oder Wertminderungen aus verhältnismäßig kurzfristigen Wertdurchgängen der Einkommensteuer zu unterwerfen. Eine innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhung ist auch in den Fällen gegeben, in denen etwa durch geschickte Kaufverhandlungen oder persönliche Beziehungen niedrige Anschaffungskosten entstanden sind, durch Verkauf innerhalb der Spekulationsfrist aber ein höherer Veräußerungsgewinn erzielt wird (BFH-Urteil vom 27. Juni 1995 IX R 130/90, BStBl II 1996, 215). Auch in seiner Entscheidung in BStBl II 1998, 180, geht der BFH von einem vollentgeltlichen Ausscheiden aus einer Personengesellschaft in einem Fall aus, in dem Gesellschafter gegen eine Abfindung zum Buchwert, der in aller Regel unter dem Verkehrswert liegt, aus der Gesellschaft ausgeschieden sind.
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3. Der Beklagte konnte den Einkommensteuerbescheid verfahrensrechtlich auch wie geschehen ändern. Aufgrund der im vorangegangenen Klageverfahren erreichten Änderung des Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ergab sich – dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig – eine vom FA auch umgesetzte Verpflichtung zur Änderung des Einkommensteuerbescheids zugunsten der Kläger aus § 175 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AO. Aufgrund dessen ergab sich im Streitfall aus § 174 Abs. 4 AO die Möglichkeit, das private Veräußerungsgeschäft nunmehr unmittelbar im Rahmen des Einkommensteuerbescheids zu Lasten zu berücksichtigen.
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a) Der Einkommensteuerbescheid konnte zeitgleich mit der gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO gebotenen Änderung zugunsten des Klägers, wie erfolgt, unter Berufung auf § 177 AO im Wege der Saldierung zu Lasten des Klägers geändert werden ohne den Steueranspruch zu mindern.
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b) Darüber hinaus konnte der streitige Steuerbescheid auch gemäß § 174 Abs. 4 AO geändert werden. § 174 Abs. 4 AO normiert eine Änderungsvorschrift für den Fall, das auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhaltes ein Steuerbescheid ergangen ist, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird. Die Finanzbehörde kann dann aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen ziehen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
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Eine irrige Beurteilung i.S.d. § 174 Abs. 4 Satz 1 AO liegt vor, wenn die Finanzbehörde aus einem bestimmten Sachverhalt unzutreffende steuerrechtliche Folgerungen zieht (BFH-Urteil vom 28. Juni 1990 V R 93/85, BFH/NV 1991, 210). Die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts muss sich nachträglich als unrichtig erweisen (BFH-Urteil vom 23. Juli 2019 IX R 25/18, BFH/NV 2020, 1). Die Unrichtigkeit des Steuerbescheids muss dabei auf einen Irrtum der Finanzbehörde zurückzuführen sein, also auf die objektiv unzutreffende Vorstellung, eine rechtmäßige Beurteilung des Sachverhalts vorzunehmen.
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Gegenüber Dritten gilt die Vorschrift, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren (§ 174 Abs. 5 Satz1 AO).
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Nach diesen Maßstäben war auch eine Änderung gem. § 174 Abs. 4 AO möglich.
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Da sich nach dem Urteil vom 23. Juli 2019, IX R 25/18 aaO. die Annahme, dass der Veräußerungsgewinn im Rahmen des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung zu berücksichtigen sei, als unrichtig herausgestellt hatte, konnte der Einkommensteuerbescheid vom 29. Juli 2015 auch insoweit geändert werden und die richtigen steuerrechtlichen Folgerungen gezogen werden.
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Auf die Mitteilung des Feststellungsfinanzamts vom 30. Juni 2020 hin, hat das Finanzamt mit Datum 06. November 2020 damit zu Recht einen nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid erlassen und den für den Kläger im Zusammenhang mit der Veräußerung des Anwesens in Höhe von 210.738 € entstandenen Veräußerungsgewinn gemäß § 174 Abs. IV AO als sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften berücksichtigt.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.