Titel:
Unzulässige Popularklage gegen Corona-Schutzmaßnahmen
Normenketten:
BV Art. 98 S. 4
VfGHG Art. 55 Abs. 1 S. 1
4. BaylfSMV § 8, § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
Leitsätze:
Zur Unzulässigkeit einer Popularklage gegen Vorschriften in mehreren außer Kraft getretenen Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen, weil kein objektives Interesse mehr an der Feststellung besteht, ob sie mit der Bayerischen Verfassung vereinbar waren. (Rn. 15 – 25)
1. Eine verfassungsgerichtliche Kontrolle außer Kraft getretener Vorschriften im Wege der Popularklage kommt nur in Betracht, wenn noch ein objektives (nicht nur theoretisches) Interesse an der Feststellung besteht, ob sie mit der Bayerischen Verfassung vereinbar waren. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Feststellungsinteresse liegt insbesondere dann vor, wenn nicht auszuschließen ist, dass die angegriffenen Vorschriften noch rechtliche Wirkungen entfalten, etwa weil sie für künftige (zB gerichtliche) Entscheidungen noch rechtlich relevant sind. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein objektives Interesse wird hingegen nicht allein dadurch begründet, dass die außer Kraft getretenen Vorschriften schwerwiegende Grundrechtseingriffe bewirkt haben oder ihre Geltungsdauer zu kurz war, um ein Popularklageverfahren in der Hauptsache durchzuführen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Popularklage, Corona-Schutzmaßnahmen, Normen, Geltungsdauer, Wirksamkeit, objektives Interesses, Feststellungsinteresse, Rechtswirkungen, Grundrechtseingriff
Fundstelle:
BeckRS 2025, 31977
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe
1
Der Antragsteller wendet sich mit seiner am 20. April 2020 eingegangenen und später mehrfach erweiterten Popularklage gegen Corona-Schutzmaßnahmen, die das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege im Zeitraum von April 2020 bis November 2021 durch Verordnungen auf der Grundlage von § 32 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Verbindung mit § 9 Nr. 5 der Delegationsverordnung (DelV) in der jeweiligen damals geltenden Fassung erlassen hatte.
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Im Einzelnen greift er folgende Vorschriften an:
- § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 und 5, § 5 Abs. 3 und § 7 Nr. 9 der Zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (2. BayIfSMV) vom 16. April 2020 (GVBl S. 214, BayRS 2126-1-5-G), die zuletzt durch Verordnung vom 28. April 2020 (GVBl S. 254, BayMBl Nr. 225) geändert worden und mit Ablauf des 3. Mai 2020 außer Kraft getreten ist,
- die Vorschriften der Dritten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (3. BayIfSMV) vom 1. Mai 2020 (BayMBl Nr. 239, BayRS 2126-1-7-G), die zuletzt durch § 1 der Verordnung vom 7. Mai 2020 (BayMBl Nr. 247) geändert worden und mit Ablauf des 10. Mai 2020 außer Kraft getreten ist,
- die Vorschriften der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (4. BayIfSMV) vom 5. Mai 2020 (BayMBl Nr. 240, Nr. 245, BayRS 2126-1-8-G), die zuletzt durch Verordnung vom 20. Mai 2020 (BayMBl Nr. 287) geändert worden und mit Ablauf des 29. Mai 2020 außer Kraft getreten ist,
- die Vorschriften der Siebten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (7. BayIfSMV) vom 1. Oktober 2020 (BayMBl Nr. 562, BayRS 2126-1-11-G), die zuletzt durch § 1 der Verordnung vom 22. Oktober 2020 (BayMBl Nr. 601) geändert worden und mit Ablauf des 1. November 2020 außer Kraft getreten ist,
- die Vorschriften der Achten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (8. BayIfSMV) vom 30. Oktober 2020 (BayMBl Nr. 616, BayRS 2126-1-12-G), die durch Verordnung vom 12. November 2020 (BayMBl Nr. 639) geändert worden und mit Ablauf des 30. November 2020 außer Kraft getreten ist,
- § 3 Abs. 1 der Neunten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (9. BayIfSMV) vom 30. November 2020 (BayMBl Nr. 683, BayRS 2126-1-13-G), die mit Ablauf des 8. Dezember 2020 außer Kraft getreten ist,
- § 25 Abs. 1, § 28 Nr. 22 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) vom 15. Dezember 2020 (BayMBl Nr. 737, BayRS 2126-1-15-G), die zuletzt durch Verordnung vom 24. Februar 2021 (BayMBl Nr. 149) geändert worden und mit Ablauf des 7. März 2021 außer Kraft getreten ist,
- § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 4 Nr. 1, § 16 Abs. 1 Sätze 1 und 3 Nr. 2 Halbsatz 1, § 17 Sätze 1 und 2 Nr. 1, § 17 a Abs. 1 der Vierzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (14. BayIfSMV) vom 1. September 2021 (BayMBl Nr. 615, BayRS 2126-1-18-G), die zuletzt durch Verordnung vom 16. November 2021 (BayMBl Nr. 799) geändert worden und mit Ablauf des 23. November 2021 außer Kraft getreten ist.
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Der Antragsteller beanstandet insbesondere die in den genannten Verordnungen getroffenen Regelungen
- zur Untersagung von Veranstaltungen und Versammlungen einschließlich der Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen und Synagogen sowie anderer Glaubensgemeinschaften bzw. zu Beschränkungen von Gottesdiensten und Zusammenkünften von Glaubensgemeinschaften, die insoweit vorgesehen waren,
- zur Untersagung des Betriebs sämtlicher Einrichtungen, die nicht notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens, sondern der Freizeitgestaltung dienen,
- zur Untersagung von Gastronomie- und Hotelbetrieben bzw. zu Beschränkungen, die insoweit vorgesehen waren,
- zur Untersagung der Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels,
- zu Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen,
- zu Beschränkungen im Bereich des Sports,
- zur Beschränkung touristischer Tagesausflüge,
- zur Erfassung von Kontaktdaten bei Veranstaltungen, Tagungen, Kongressen, Messen und Ausstellungen sowie beim Besuch von Gastronomie- und Beherbergungsbetrieben,
- zu bestimmten Ordnungswidrigkeitentatbeständen, die den Verstoß gegen Corona-Schutzmaßnahmen sanktionierten.
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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit drei Urteilen vom 6. Oktober 2022 (20 N 20.794 – juris, BayVBl 2023, 224, GVBl 2023 S. 32; 20 N 20.853 – juris, GVBl 2024 S. 49, bestätigt durch BVerwG vom 15.2.2024 – 3 CN 18.22 – juris;
20 N 20.1023 – juris, GVBl 2024 S. 47, bestätigt durch BVerwG vom 15.2.2024 NVwZ 2024, 1174) festgestellt, dass § 2 Abs. 1, 4 und 5 2. BayIfSMV sowie § 4 Abs. 1 3. BayIfSMV wegen Verstoßes gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot bzw. (soweit § 2 Abs. 4 und 5 2. BayIfSMV betroffen sind) gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unwirksam waren.
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1. Der Antragsteller ist der Auffassung, die angefochtenen Vorschriften hätten gegen die Bayerische Verfassung verstoßen.
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a) Die in den angegriffenen Rechtsverordnungen geregelten Corona-Schutzmaßnahmen seien schon deshalb verfassungswidrig gewesen, weil in dem hier berührten grundrechtsrelevanten Bereich alle wesentlichen Entscheidungen durch den Gesetzgeber selbst mittels parlamentarischen Gesetzes zu treffen gewesen wären. Davon unabhängig stelle § 32 Satz 1 IfSG, auch in Verbindung mit § 28 Abs. 1, §§ 28 a, 29, 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG, keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die angegriffenen Vorschriften dar.
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b) Die beanstandeten Corona-Schutzmaßnahmen hätten die Grundrechte aus
Art. 100 BV in Verbindung mit Art. 101 BV (Leben und körperliche Unversehrtheit, informationelle Selbstbestimmung), Art. 101 BV (allgemeine Handlungsfreiheit, allgemeines Persönlichkeitsrecht, Berufsfreiheit), Art. 102 BV (Freiheit der Person),
Art. 107 Abs. 1 BV (Glaubensfreiheit), Art. 109 Abs. 1 BV (Freizügigkeit), Art. 113 BV (Versammlungsfreiheit), Art. 124 Abs. 1 BV (Schutz von Ehe und Familie) und das Recht auf Erholung in der freien Natur (Art. 141 Abs. 3 BV) verletzt. Sie hätten zudem gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 118 Abs. 1 BV) verstoßen.
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aa) Der Normgeber sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Infektionsgeschehen die beanstandeten Schutzmaßnahmen gerechtfertigt habe. Bei zutreffender Auswertung der Datenlage hätte er zu einer gegenteiligen Einschätzung gelangen müssen. Zur Zeit des Inkrafttretens der Zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung am 20. April 2020 hätten bereits mehrmonatige Erfahrungen mit der Entwicklung der Pandemie und dementsprechend keine prognostischen Unsicherheiten mehr vorgelegen. Ab diesem Zeitpunkt habe sich der Normgeber nicht weiter auf eine Einschätzungsprärogative berufen können. Die vom Normgeber zur Begründung der beanstandeten Schutzmaßnahmen herangezogenen Daten seien unzureichend erhoben worden und ungeeignet gewesen.
Sie hätten ein verzerrtes Bild der Erforderlichkeit von Schutzmaßnahmen ergeben.
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bb) Die beanstandeten Corona-Schutzmaßnahmen seien teils ungeeignet, insgesamt aber nicht erforderlich gewesen. Sie hätten in unverhältnismäßiger Weise in die Grundrechte der Betroffenen eingegriffen.
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cc) Zudem habe es von vornherein an einem schlüssigen und in sich stimmigen Gesamtkonzept für die Corona-Schutzmaßnahmen gefehlt. Deshalb hätten viele Einzelmaßnahmen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot verstoßen.
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c) Das erforderliche Interesse an einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung bestehe fort, soweit die angegriffenen Vorschriften zwischenzeitlich außer Kraft getreten seien. Es sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei künftigen Pandemien vergleichbare Vorschriften erlassen würde (Wiederholungsgefahr). Außerdem könne ein objektives Interesse an einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs nicht verneint werden, da es sich um Grundrechtsbeeinträchtigungen nie dagewesenen Ausmaßes gehandelt habe.
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2. Die Bayerische Staatsregierung hat sich mit Stellungnahmen vom 29. Juni und 7. Dezember 2020 zur Popularklage geäußert. Sie hält die Popularklage für unzulässig und unbegründet.
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Der Bayerische Landtag hat sich nicht am Verfahren beteiligt.
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3. Der Verfassungsgerichtshof hat den im Rahmen des Popularklageverfahrens gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 5. Oktober 2020 mit Entscheidung vom 21. Oktober 2020 (VerfGHE 73, 273 – Siebte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung) abgewiesen. Weitere Anträge wurden nach Hinweis auf bevorstehende oder bereits ergangene Entscheidungen in Parallelverfahren nicht weiterverfolgt oder kamen nicht mehr zur Entscheidung.
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Die Popularklage, die sich ausschließlich gegen nicht mehr geltendes Recht richtet, ist unzulässig geworden, weil es inzwischen mangels objektiven Feststellungsinteresses an einem zulässigen Antragsgegenstand fehlt.
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1. Bei den angegriffenen Corona-Schutzmaßnahmen handelt es sich um Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts, deren Verfassungswidrigkeit jedermann durch Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (Popularklage) geltend machen kann (Art. 98 Satz 4 BV und Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Dem steht nicht entgegen, dass sie auf einer bundesrechtlichen Ermächtigung beruhten. Denn der bayerische Normgeber, der aufgrund einer bundesrechtlichen Ermächtigung tätig wird, setzt Landesrecht und bleibt in den Bereichen, in denen das Bundesrecht ihm Entscheidungsfreiheit belässt, an die Bayerische Verfassung gebunden (vgl. VerfGH vom 27.9.2023 BayVBl 2024, 78 Rn. 34 zur 4. BayIfSMV). Die angegriffenen Verordnungsregelungen sind jedoch kein zulässiger Prüfungsgegenstand im Popularklageverfahren mehr.
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2. Die verfassungsgerichtliche Popularklage, die an die Antragsberechtigung geringe Anforderungen stellt (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG: „jedermann“) und keiner Fristbindung unterliegt, ist – anders als die auf subjektiven Rechtsschutz gerichtete Verfassungsbeschwerde nach Art. 120 BV – ein objektives Verfahren (vgl. VerfGH vom 7.12.2021 VerfGHE 74, 265 Rn. 42; vom 14.6.2023 – Vf. 15-VII-18 – juris Rn. 54 und 58; BayVBl 2024, 78 Rn. 36 m. w. N.; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 98 Rn. 8). Sie bezweckt im öffentlichen Interesse die Gewährleistung der Grundrechte als Institution. Dem entsprechend kommt eine verfassungsgerichtliche Kontrolle außer Kraft getretener Vorschriften nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nur ausnahmsweise in Betracht, wenn noch ein objektives (nicht nur theoretisches) Interesse an der Feststellung besteht, ob sie mit der Bayerischen Verfassung vereinbar waren (VerfGH vom 15.11.1996 VerfGHE 49, 153/157; vom 28.11.2007 VerfGHE 60, 184/211). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn nicht auszuschließen ist, dass sie noch rechtliche Wirkungen entfalten, etwa weil sie für künftige (z. B. gerichtliche) Entscheidungen noch rechtlich relevant sind (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 30.8.2017 VerfGHE 70, 162 Rn. 75; vom 20.8.2019 VerfGHE 72, 157 Rn. 18; VerfGHE 74, 265 Rn. 41; vom 14.6.2023 – Vf. 15-VII-18 – juris Rn. 51; BayVBl 2024, 78 Rn. 36, jeweils m. w. N.; Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 98 Satz 4 Rn. 14; Wolff, a. a. O., Art. 98 Rn. 23). Ein objektives Interesse wird hingegen nicht allein dadurch begründet, dass die außer Kraft getretenen Vorschriften schwerwiegende Grundrechtseingriffe bewirkt haben oder ihre Geltungsdauer zu kurz war, um ein Popularklageverfahren in der Hauptsache durchzuführen (VerfGH BayVBl 2024, 78 Rn. 36; vom 18.12.2024 – Vf. 15-VII-17 – juris Rn. 28; vom 28.1.2025 – Vf. 2-VII-19 – juris Rn. 9). Hinzukommen muss vielmehr, dass die Grundrechte als Institution betroffen sind, etwa weil es um eine Vielzahl nicht abgeschlossener Fälle und nicht nur um einzelne Verfahren geht, in denen die Betroffenen auf Individualrechtsschutz zu verweisen sind (vgl. VerfGH vom 14.6.2023 – Vf. 15-VII-18 – juris Rn. 58; vom 18.12.2024 – Vf. 15-VII-17 – juris Rn. 28; vgl. auch VerfGH vom 13.3.2025 – Vf. 5-VIII-18 u. a. – juris Rn. 71 zur Verfahrenseinstellung nach Erledigterklärung). Eine fortbestehende Rechtswirkung in diesem Sinn wäre vor allem dann zu bejahen, wenn die angegriffenen Vorschriften noch in relevantem Ausmaß in Gerichtsverfahren wegen Verstößen gegen die früheren Corona-Schutzmaßnahmen zur Anwendung kommen könnten.
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3. Hiervon ausgehend ist die Popularklage insgesamt unzulässig. An einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Vorschriften besteht kein objektives Interesse mehr.
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a) Anders als noch bei der mit Entscheidung vom 27. September 2023 inhaltlich geprüften allgemeinen Maskenpflicht nach §§ 8 und 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
4. BayIfSMV (VerfGH BayVBl 2024, 78 Rn. 37) ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass zu den im Lauf der Jahre 2020 und 2021 außer Kraft getretenen Vorschriften weiterhin eine Vielzahl behördlicher oder gerichtlicher Verfahren anhängig wäre, für die es auf die Verfassungsmäßigkeit der betreffenden Regelungen ankäme.
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aa) Soweit sich die Popularklage gegen § 2 Abs. 1, 4 und 5 2. BayIfSMV sowie § 4 Abs. 1 3. BayIfSMV richtet, steht bereits aufgrund der rechtskräftigen Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Oktober 2022 (siehe oben unter I.) allgemein verbindlich fest (vgl. § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2, Satz 3 i. V. m. § 183 VwGO), dass die angegriffenen Vorschriften von Anfang an unwirksam waren und zu keinem Zeitpunkt Rechtswirkungen entfalten konnten. Daher scheidet hier ein objektives Feststellungsinteresse, wie in aller Regel in solchen Fällen, aus (vgl. VerfGH vom 20.8.2019 VerfGHE 72, 157 Rn. 15 zur Verfahrenseinstellung nach Erledigterklärung; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 98 Rn. 23 m. w. N.).
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bb) Im Übrigen kann insgesamt mittlerweile ausgeschlossen werden, dass wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstöße gegen die angegriffenen Vorschriften, die zum Teil bußgeldbewehrt waren, heute noch belastende Entscheidungen ergehen könnten. Nach einem per Pressemitteilung veröffentlichten Beschluss der Bayerischen Staatsregierung vom 5. November 2024 ist davon auszugehen, dass noch anhängige Verfahren wegen etwaiger Verstöße gegen die angegriffenen Vorschriften, soweit sie bußgeldbewehrt waren, von den zuständigen Verwaltungsbehörden nicht weiterverfolgt bzw. von den Verfolgungsbehörden eingestellt wurden oder werden. Von dem genannten Beschluss der Staatsregierung erfasst sind sämtliche bei den Kreisverwaltungsbehörden, den Staatsanwaltschaften und den Gerichten anhängigen Bußgeldverfahren und Vollstreckungsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Verstößen gegen Corona-Rechtsvorschriften, insbesondere auch gegen die anlässlich der Corona-Pandemie erlassenen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen. Danach findet auch keine (weitere) Vollstreckung aus rechtskräftigen Bußgeldbescheiden mehr statt, die wegen Verstößen gegen die früheren Corona-Schutzmaßnahmen erlassen wurden. Noch ausstehende Bußgelder müssen nicht bezahlt werden (https://www.bayern.de/ bericht-aus-der-kabinettssitzung-vom-5-november-2024/). Bereits bezahlte Bußgelder könnten auch dann nicht zurückgefordert werden, wenn die Popularklage Erfolg hätte, da in Bestands- bzw. Rechtskraft erwachsene Rechtsanwendungsakte von einer positiven Entscheidung über die Popularklage unberührt blieben (vgl. § 183 VwGO sowie zur entsprechenden Anwendung von § 79 BVerfGG VerfGH vom 29.4.1993 VerfGHE 46, 137/140; vom 27.8.2018 VerfGHE 71, 223 Rn. 25). Die nur theoretische Möglichkeit der Wiederaufnahme von Bußgeldverfahren entsprechend § 79 Abs. 1 BVerfGG (vgl. dazu Bethge in Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 79 Rn. 39 m. w. N.) reicht zur Begründung eines objektiven Interesses an der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der außer Kraft getretenen Vorschriften nicht aus (vgl. VerfGH vom 10.11.2021 BayVBl 2022, 116 Rn. 24). Die Popularklage dient dem objektiv-rechtlichen Schutz der Grundrechte gegenüber Rechtsvorschriften, von denen noch rechtliche Wirkungen ausgehen können, nicht dagegen der nachträglichen Beseitigung von Entscheidungen, die trotz der gegebenen Rechtsmittel des Individualrechtsschutzes einschließlich der damit inzident verbundenen Möglichkeiten der Normüberprüfung rechtskräftig geworden sind (vgl. VerfGHE 46, 137/140).
22
Für eine fortbestehende Rechtswirkung der angegriffenen Vorschriften im Sinn der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs oder für ein objektives Interesse aus anderen Gründen bestehen vor diesem Hintergrund keine Anhaltspunkte. Das gilt umso mehr, als die beanstandeten Corona-Schutzmaßnahmen auf einer bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage beruhten und deshalb von vornherein nur einer eingeschränkten Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof unterliegen (vgl. VerfGH BayVBl 2024, 78 Rn. 45 ff., 69).
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b) Auch die Erwägung, eine Entscheidung über die Popularklage könne möglicherweise zu einer Klärung von Rechtsfragen führen, die bei Auftreten etwaiger künftiger Pandemien (wieder) Bedeutung erlangen könnten, ist nicht geeignet, das erforderliche objektive Feststellungsinteresse zu begründen. Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Regelung, die nach ihrem Außerkrafttreten keine Rechtswirkungen mehr entfaltet, würde, da es keinen praktischen Anwendungsbereich der Vorschrift mehr gibt, zwangsläufig nur im Rahmen eines – für die Zulässigkeit der Popularklage nicht ausreichenden – theoretischen Feststellungsinteresses erfolgen. Die Annahme, es könne im Fall einer künftigen Pandemie ein Anwendungsbereich für vergleichbare Schutzmaßnahmen entstehen, ändert nichts daran, dass sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Vorschriften derzeit nur in einem theoretischen, nicht aber in einem die konkrete Rechtsanwendung betreffenden Zusammenhang stellt.
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Das erneute Auftreten einer Pandemie hätte auch nicht zur Folge, dass die beanstandeten Vorschriften wieder in Kraft treten und somit wieder rechtliche Wirkung entfalten würden. Vielmehr wäre es im Fall einer neuerlichen Pandemie Sache des Normgebers, über die im Einzelfall erforderlichen Regelungen (neu) zu entscheiden. Dass er hierbei ohne Weiteres auf die mit der Popularklage angegriffenen Vorschriften zurückgreifen würde, steht keineswegs fest. Die Erfahrungen mit der Corona-Pandemie haben gezeigt, dass Schutzmaßnahmen kontinuierlich an das sich ändernde Infektionsgeschehen anzupassen sind. Es erscheint daher fernliegend, dass der Normgeber durch eine Übernahme alter Vorschriften auf mögliche künftige Pandemielagen reagieren könnte.
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Davon unabhängig würde selbst die vom Antragsteller begehrte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, wonach die angegriffenen Vorschriften in ihrem für seine Popularklage maßgeblichen Geltungszeitraum verfassungswidrig gewesen sein sollen, nicht zwangsläufig bedeuten, dass im Fall einer „Wiederverwendung“ der Maßnahmen bei einer künftigen Pandemie ebenso eine Verfassungswidrigkeit der Regelungen anzunehmen wäre. Angesichts der kontinuierlichen Fortentwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Gefährlichkeit von Pandemielagen und zur Wirksamkeit von Schutzvorkehrungen setzt die verfassungsrechtliche Beurteilung der Vertretbarkeit und Verhältnismäßigkeit bestimmter Vorsorgemaßnahmen immer die Kenntnis der im Entscheidungszeitraum bestehenden Umstände und des jeweiligen aktuellen Stands der Wissenschaft voraus. Das Ergebnis der vom Antragsteller begehrten verfassungsgerichtlichen Überprüfung ließe sich deshalb nicht auf mögliche künftige Pandemielagen übertragen.
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Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).