Inhalt

LG München I, Endurteil v. 02.10.2025 – 6 S 5046/25
Titel:

Auskunftsanspruch des Anleihegläubigers gegen den gemeinsamen Vertreter über bekannte Mitgläubigerdaten 

Normenketten:
SchVG § 15 Abs. 2 S. 2
DSGVO Art. 6 Abs. 1 b
Leitsätze:
1. Ein Anleihegläubiger hat einen Auskunftsanspruch gegen den gemeinsamen Vertreter bezüglich der ihm bekannten Daten anderer Mitgläubiger.  (Rn. 20 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Auskunftsanspruch besteht nicht, wenn an ihrer Erteilung kein vernünftiges Interesse des Auskunftsersuchenden besteht, etwa wenn es nur darum geht, für seinen Anwalt Mandanten zu akquirieren.  (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Datenschutzrechtliche Bestimmungen schließen den Auskunftsanspruch des Anleihegläubigers nicht aus, da die Datenweitergabe zur Erfüllung der vertraglichen Pflichten erforderlich ist (Art. 6 Abs. 1 b DSGVO).  (Rn. 28 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Auskunft, Auskunftsanspruch, gemeinsamer Vertreter, Anleihegläubiger, Datenschutz
Vorinstanz:
AG München, Endurteil vom 11.04.2025 – 142 C 24870/24
Fundstellen:
ZRI 2025, 1261
BeckRS 2025, 31854

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Amtsgerichts München vom 11.04.2025 (Az. 142 C 24870/24) aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt,
a) den Legitimationsteil des Teilnehmerverzeichnisses der Abstimmung ohne Versamm- lung vom 07.03. bis 10.03.2022 der Anleihe ...
b) sowie alle ihm bekannten Daten von solchen Mitgläubigern der Anleihe ... der ... die ihn in seiner Funktion als gemeinsamer Vertreter dieser Anleihe kontaktiert und einer Datenweitergabe an Dritte nicht widersprochen haben,
herauszugeben
Zug um Zug
gegen
a) Vorlage eines aktuellen Depotauszugs oder einer anderen geeigneten Bankbestäti- gung, aus der sich die derzeitige (Teil-)Inhaberschaft des Klägers der Anleihe mit der ... ergibt
b) Erstattung der für die Herausgabe der o.g. Daten erforderlichen Aufwendungen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 70% und der Beklagte 30% zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die jeweilige (Kosten-)Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweils Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicher- heit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger ist Zeichner einer Schuldverschreibung und verlangt vom Beklagten, der im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Anleiheschuldnerin als gemeinsamer Vertreter der Anleihegläubiger bestellt worden ist, Auskünfte zu den Mitgläubigern der Schuldverschreibung. Im Detail ist dazu Folgendes auszuführen:
2
Der Kläger erwarb am 21.07.2021 Inhaberschuldverschreibungen der ... (... Anleihe II – ...) in einer Gesamthöhe von 6.000,- € (Anlage K 1). Über das Vermögen der ... wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
3
Der Beklagte wurde gemäß § 19 Abs. 2 SchVG als gemeinsamer Vertreter (§ 7 SchVG) aller Gläubiger dieser Anleihe bestimmt. Die Bestellung des Beklagten fand im Rahmen einer Abstimmung ohne Versammlung gemäß § 18 SchVG statt (Anlage K 4).
4
Der Beklagte hat in seiner Eigenschaft als gemeinsamer Vertreter die Forderungen aller Anleihegläubiger zur Insolvenztabelle angemeldet (Anlage B 5) über 12.401.095,89 Euro, die Anmeldung ist in Höhe von 12.374.780,82 Euro (Anlage B 6) – d.h. 99,78% – festgestellt.
5
Die Klägervertreter haben für einen anderen Anleihegläubiger Akteneinsicht beim Insolvenzgericht beantragt (Anlage K 5). Das wurde vom Insolvenzgericht abgelehnt (Beschluss vom 31.10.2022, Anlage K 6). Das Insolvenzgericht hat insoweit auf § 19 SchVG verwiesen. Alle Rechte – auch Akteneinsicht – im Insolvenzverfahren seien durch den gemeinsamen Vertreter wahrzunehmen. Der Beklagte lehnte eine Einsicht in die Insolvenzakten – auf Anfrage der Klägervertreter (für die andere Mandantin, Anlage K 7 – 1) ab, da er nur die gemeinsamen Rechte der Anleihegläubiger wahrnehme und für das hier geltend gemachte Einzelrecht eines Anleihegläubigers nicht zuständig sei (Anlage K 7-2).
6
Der Kläger behauptet, weiter Inhaber der Inhaberschuldverschreibung zu sein, er belegt dies durch Nachweis des Ankaufs (Anlage K 1, Depotauszug vom 28.07.2021 – Anlage K 25, und Depotauszug vom 11.02.2025 – Anlage K 27, samt Bestätigung der depotführenden Bank vom 27.01.2025, Anlage K 26,und Depotauszug vom 29.07.2025 der depotführenden Bank, Anlage BK 4). In den Schriftsätzen der Klägervertreter wird – offenbar wegen der Übernahme entsprechender Textbausteine aus Auskunftsklagen für Kommanditisten u.a. – teilweise behauptet, der Kläger sei Mitinhaber oder Gesellschafter der Schuldnerin.
7
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Auskunft, wer die anderen Anleihegläubiger sind, nach Namen, Anschriften, Zeichnungsbeträgen u.a. Der Kläger behauptet, er würde diese Auskunft benötigen, um etwaige Ansprüche gegen die Geschäftsführung der ... zu prüfen, da er als Gläubiger nur eine kleine Ausschüttung zu erwarten habe. Diese Prüfung bedürfe der Koordination unter den Anleihegläubigern, schon wegen der mutmaßlich dadurch ausgelösten Kosten, weswegen er auf deren Adressdaten angewiesen sei. Aus § 7 Abs. 5 und § 9 Abs. 1 SchVG ergebe sich zwingend, dass der gemeinsame Vertreter eine Übersichtliste der Anleihegläubiger zumindest für die Einberufung der Gläubigerversammlung haben müsse. § 793 BGB müsse zeitgemäß so ausgelegt werden, dass die Norm auch E-Mailadressen umfasse. Die ... stehe einer Auskunftserteilung nicht entgegen. Ein Auskunftsanspruch würde sich auch aus §§ 675 Abs. 1, 666 BGB, §§ 230, 166 Abs. 1 HGB sowie § 717 BGB bzw. § 242 BGB stützen lassen.
8
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
1.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine vollständige Liste mit den Namen, Anschriften, E-Mailadressen und der Höhe des jeweils gezeichneten Anleihekapitals sämtlicher Gläubiger und Anleihegläubiger der ... in der Form eines vollständigen und übersichtlichen Verzeichnisses elektronisch in einem gängigen Dateiformat (z.B. als .xls, xlsx oder .pdf) via E-Mail, auf CD oder einem mobilen Datenträger, hilfsweise schriftlich, Zug um Zug gegen Erstattung der hierfür erforderlichen Aufwendungen, herauszugeben.
2.
Hilfsweise: Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Einsicht bei der Geschäftsführung des Beklagten (gemeint wohl: der Schuldnerin, Anmerkung der Unterzeichner) in die Liste mit den Namen, Anschriften, E-Mail-Adressen und der Höhe des jeweils gezeichneten Anleihekapitals sämtlicher Gläubiger und Anleihegläubiger der ... zu gewähren und hierbei dem Kläger die Möglichkeit zur Anfertigung von Ablichtungen zu geben, Zug um Zug gegen Erstattung der hierfür anfallenden Aufwendungen.
9
Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
Klageabweisung.
10
Der Beklagte bestreitet, dass der Kläger Gesellschafter oder Gesellschaftsgläubigers sei. Nur der Beklagte sei Inhaber einer angemeldeten Forderung, wie sich aus dem Gläubigerinformationssystem ergebe (Anlage B 6). Der Kläger sei maximal Fremd- und nicht Eigenkapitalgeber im Hinblick auf die Inhaberschuldverschreibung. Eine Einzelauskunft sei entsprechend § 7 Abs. 2 S. 4 SchVG nicht geschuldet. Es sei nur eine Berichtspflicht an alle Gläubiger vorgesehen. Die Geltendmachung von Gesellschafterrechten sei eine unzulässige Rechtsausübung, wie auch die zahlreichen gleichlautenden Klagen der Klägervertreter für verschiedene Anleihegläubiger zeigen würden. Eine Auskunftserteilung würde Datenschutzrecht verletzen. Die Einberufung der Gläubigerversammlung erfolge durch eine öffentliche Bekanntmachung. Eine Kenntnis der Namen der Gläubiger sei hierfür nicht erforderlich.
11
Der Beklagte behauptet, er sei nicht im Besitz der Namen, Anschriften etc., außer Anleihegläubiger hätten sich gesondert und freiwillig bei ihm gemeldet. Nur die ... als deutsche Wertpapiersammelbank wisse, in welchen Depots entsprechende Anteile liegen würden. Nicht einmal der Insolvenzverwalter könne aber entsprechende Auskunft zu den einzelnen Anleihegläubigern von der ... erhalten.Deswegen könne der Beklagte weder solche Auskünfte erteilen noch von Dritten (Insolvenzgericht, Insolvenzverwalter, Schuldnerin) verlangen. Im Übrigen biete der Kläger noch nicht einmal an, einen tagesaktuellen Depotauszug vor der Übersendung etwaiger Auskünfte vorzulegen.
12
Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 11.04.2024 die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass kein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB bestehe, da der Kläger nicht dargelegt habe, dass der Beklagte über die Liste der Gläubiger samt Adressdaten verfüge. Ein Anspruch auf Herausgabe der Liste nach §§ 19 Abs. 4, 7 Abs. 2 S. 1 SchVG bzw. § 666 BGB bestünde mangels Geltendmachung eines „Berichts“ und fehlender Aktivlegitimation nicht. Ein Auskunftsanspruch nach §§ 716 ZPO, 705 BGB analog bestehe ebenfalls nicht, da der Kläger nicht Gesellschafter sondern Fremdkapitalgeber sei. Jedenfalls würden solche Ansprüche nur gegenüber der Gesellschaft selbst und nicht dem Beklagten bestehen.
13
Der Kläger begehrt eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und verfolgt sein Klagebegehren unverändert fort. Er rügt, dass der Beklagte in Besitz der Liste als gemeinsamer Vertreter sei, jedenfalls könne er sich die Liste nach § 7 Abs. 2, Abs. 3 SchVG von Gesellschaft verschaffen. Das Amtsgericht habe ein Auskunftsrecht nach § 7 Abs. 5 SchVG nicht berücksichtigt.
14
Der Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Urteil. Er bestreitet weiter das Vorhandensein einer derartigen „Liste“. Auskunftsansprüche des Klägers werden infolge fehlender Gesellschafterstellung zurückgewiesen. Ein Nachweis aktueller Inhaberschaft sei nicht geführt worden. Es bliebe dem Kläger unbenommen, die von ihm begehrten Auskünfte über eine eigene Veröffentlichung im Bundesanzeiger durchzusetzen. Im Übrigen würde der Beklagte bei einer Offenlegung von ihm bekannten Daten von Mitgläubigern gegen Datenschutzrecht verstoßen.
15
Zur weiteren Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 540 ZPO auf den Tatbestand des Urteils des Amtsgerichts, die genannten Fundstellen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.08.2025 (Bl. 44/47 d.A.) und die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

16
Auf die zulässige Berufung des Klägers ist das Urteil des Amtsgerichts aufzuheben und dem Klageanspruch im tenorierten Teilumfang stattzugeben.
17
1. Der Kläger hat gegen den Beklagten als gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger nach § 15 Abs. 2 Satz 2 SchVG eine Auskunfts- und Herausgabeanspruch betreffend den Legitimationsteil des Teilnehmerverzeichnisses der Abstimmung ohne Versammlung vom 07.03. bis 10.03.2022 der Anleihe insbesondere betreffend Namen, Anschriften, Anleihebeträge der Mitgläubiger (soweit dort enthalten) sowie ergänzend nach §§ 242, 666 BGB über alle dem Beklagten bekannten Daten von Mitgläubiger der Anleihe ... der ... die ihn – den Beklagten – in seiner Funktion als gemeinsamer Vertreter dieser Anleihe kontaktiert und einer Datenweitergabe nicht widersprochen haben.
18
a) Der tenorierte Umfang ist nach Überzeugung der Kammer als Minus im Klageantrag enthalten, so dass ein Verstoß gegen § 308 ZPO nicht vorliegt, Das „Minus“ spiegelt sich entsprechend in der Kostenentscheidung wieder.
19
b) Der Kläger ist aktivlegitimiert. Im Berufungsverfahren hat der Kläger mit Anlage BK 4 einen Depotauszug vom 29.07.2025 betreffend die streitgegenständliche Schuldverschreibung vorgelegt und damit seine Inhaberschaft am 29.07.2025 und damit unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung am 07.08.2025 nachgewiesen.
20
c) Zwar ist der Kammer keine höchstrichterliche Entscheidung für den Auskunftsanspruch eines Anleihegläubigers gegen den gemeinsamen Vertreter betreffend die Daten anderer Mitgläubiger bekannt.
21
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung hat allerdings jeder Gesellschafter einer Personengesellschaft das selbstverständliche Recht, seine Vertragspartner (also Mitgesellschafter) zu kennen. Es folgt als unentziehbares mitgliedschaftliches Recht aus dem durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Vertragsverhältnis als solchem. Dies gilt im Grundsatz auch für den Treugeber. Ein Anleger, der sich mittelbar über eine Treuhänderin an einer Publikumsgesellschaft beteiligt hat, hat einen Anspruch darauf, dass ihm die Namen und die Anschriften der (anderen) mittelbar und unmittelbar beteiligten Anleger mitgeteilt werden, wenn er nach den vertraglichen Bestimmungen, insbesondere der Verzahnung des Gesellschafts- und des Treuhandvertrages, im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft die einem unmittelbaren Gesellschafter entsprechende Rechtsstellung erlangt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH Urteil vom 05.02.2013 – II ZR 134/11, OLG München, Urteil vom 16.01.2019 – 7 U 342/18, zuletzt, nach Urteilen des EuGH vom 12.09.2024 in den Verfahren C-17/22 und C-18/22: BGH, Beschluss vom 22.01.2025 – II ZB 18/23).
22
d) Diese Grundsätze sind nach Überzeugung der Kammer auf den streitgegenständlichen Fall zu übertragen und führen zum Anspruch des Anleihegläubigers auf Bekanntgabe der Daten von Mitanleihegläubigern, über die der gemeinsame Vertreter verfügt – nicht aber zur einer vorgelagerten Kenntnisverschaffungspflicht des gemeinsamen Vertreters über entsprechende Daten der Mitanleihegläubiger.
23
(1) Gemäß § 7 Abs. 2 S. 3 SchVG wird der einzelne Gesellschaftsgläubiger von der Ausübung seiner Gläubigerrechte durch den gemeinsamen Vertreter verdrängt. Zur Bündelung der Interessen sind dem gemeinsamen Vertreter per Gesetz und Mandat bestimmte Gläubigerrechte übertragen und die Ausübung von Einzelrechten gesperrt, der gemeinsame Vertreter ist insoweit gesetzlicher Prozessstandschafter der Anleihegläubiger.
24
Schon zur Kontrolle, ob der gemeinsame Vertreter tatsächlich alle erforderlichen Maßnahmen gegenüber der Insolvenzschuldnerin ergriffen hat, bedarf der einzelne Mitanleihegläubiger der Kenntnis von Namen und Anschriften seiner Mitgläubiger, denn nur so kann ggf. eine neue Gläubigerversammlung erzwungen werden, in der entsprechende Vorgaben gemacht werden könnten. Im Übrigen können, wie dies der Kläger im Ansatz zutreffend sieht, den Anleihegläubigern möglicherweise auch Ansprüche gegen andere Personen als der Insolvenzschuldnerin, insbesondere deren Geschäftsführungsorganen oder Gesellschaftern, zustehen, die sinnvollerweise gebündelt durch mehrere Anleihegläubiger gemeinsam geltend gemacht werden könnten. Auch dies setzt die Kenntnis des Anleihegläubigers von den Namen und Anschriften der Mitanleihegläubiger für eine entsprechende Bündelung voraus. Dementsprechend ist der Beklagte verpflichtet, die ihm bekannten Daten der anderen Mitgläubiger an den Kläger herauszugeben. Für die Legitimationsdaten der Abstimmung ohne Versammlung ergibt sich dies bereits aus § 15 Abs. 2 Satz 2 SchVG, wonach der „Vorsitzende“ der Versammlung jedem Gläubiger das Verzeichnis der Abstimmenden zugänglich zu machen hat. Das gilt auch für eine „Abstimmung ohne Versammlung“, da § 18 SchVG insoweit keine Sonderregelung enthält und nach § 18 Abs. 1 SchVG die allgemeinen Regeln entsprechend anzuwenden sind. Nur ist hier der Verpflichtete der Abstimmungsleiter statt des Versammlungsleiters. Der Beklagte als gewählter gemeinsamer Vertreter tritt mit Beginn seiner Tätigkeit nach Auffassung der Kammer in die Pflichten des Vorsitzenden der Versammlung bzw. des Abstimmungsleiters ein, da er nun der Ansprechpartner der Anleihegläubiger ist und über die entsprechenden Unterlagen (auch) verfügt.
25
(2) Eine Verpflichtung des Beklagten, sich entsprechende Informationen erst durch Nachfragen bei Dritten zu verschaffen, vermag die Kammer dagegen nicht zu erkennen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass jedenfalls bei frei handelbaren Schuldverschreibungen – wie hier –, es letztlich nur eine zentrale Stelle gibt, die über solche Informationen verfügen würde, nämlich die Wertpapiersammelverwahrstelle ... .Ein Auskunftsanspruch des gemeinsamen Vertreters gegen diese Wertpapiersammelverwahrstelle ist nicht ersichtlich – und ohne einen solchen Auskunftsanspruch kann auch keine Verpflichtung zur Informationsverschaffung bestehen.
26
e) Das auf Kenntnis der Mitanleihegläubiger gerichtete Auskunftsbegehren des Anleihegläubigers wäre – analog zum Auskunftsbegehren eines Mitgesellschafters – durch das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) und das Schikaneverbot gemäß § 226 BGB begrenzt (vgl. BGH, Urteil vom 11.01.2011 – II ZR 187/09). Einen derartigen Einwand hat der Beklagte nicht substantiiert. Der Umstand, dass die Klägervertreter eine Vielzahl an Auskunftsklagen mit gleichen Textbausteinen erheben, vermag einen Missbrauchseinwand allein nicht zu begründen.
27
f) Die Auskunft dürfte ferner nur dann verweigert werden, wenn an ihrer Erteilung kein vernünftiges Interesse besteht oder das Interesse so unbedeutend ist, dass es in keinem Verhältnis zu dem für die Erteilung erforderlichen Aufwand steht (vgl. BGH, Urteil vom 11.01.2011 – II ZR 187/09). Dies ist anerkanntermaßen etwa dann der Fall, wenn die Auskunft durch kollusives Zusammenwirken des Gesellschafters mit seinem Prozessvertreter allein dazu dienen soll, für letzteren Mandanten zu akquirieren (vgl. auch OLG München, Urteil vom 06.06.2018, 7 U 4028/17). Auch dies ist vorliegend nicht substantiiert vorgetragen. Die Verhältnismäßigkeit ergibt sich einerseits daraus, dass nur präsente Informationen bei dem gemeinsamen Vertreter abgefragt werden können. Andererseits ist eine Auskunftserteilung bzw. Herausgabepflicht mit einer entsprechenden Aufwandsentschädigung verbunden.
28
g) Der Auskunftsanspruch ist entgegen der Meinung des Beklagten auch nicht unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten ausgeschlossen. Dies hat der Bundesgerichtshof in den Parallelfällen des Auskunftsanspruchs des Mitgesellschafters schon zum früheren Datenschutzrecht entschieden (vgl. Urteile vom 11.01.2011 – II ZR 187/09 und 22.02.2016 – II ZR 48/15). Nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG a.F. war die Übermittlung personenbezogener Daten zulässig, wenn dies zur Durchführung eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses erforderlich ist. Wie oben dargelegt, ist die die Informationsweitergabe nach Auffassung der Kammer auch zur Kontrolle des gemeinsamen Vertreters erforderlich, dem kraft der Auftragserteilung als gemeinsamer Vertreter die Rechte der Anleihegläubiger zur Geltendmachung als gesetzlicher Prozessstandschafter übertragen sind.
29
Auch mit den neueren Regelungen des Datenschutzrechts durch die DSGVO kann sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf eine Pflicht zur Nichtherausgabe von Daten berufen. Nach Art. 6 Abs. 1 b DSGVO ist die Verarbeitung und damit auch die Weitergabe von Daten rechtmäßig, wenn sie für die Erfüllung eines Vertrages, deren Vertragspartei die betroffene Person ist, erforderlich sind. Das ist anzunehmen, wenn der Auskunftsberechtigte bei vernünftiger Betrachtung auf die Datenverwendung zur Erfüllung der Pflichten oder zur Wahrnehmung der Rechte aus dem Vertragsverhältnis angewiesen ist. So liegt es im vorliegenden Fall. Der Kläger benötigt die Auskunft zur Wahrnehmung seiner Rechte aus der Schuldverschreibung.
30
Dem stehen nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs im Verfahren II ZB 18/23, denen die Kammer sich auch für den hiesigen Fall der Auskunft über Mitanleihegläubiger anschließt und auf diese verweist, keine relevanten Einwendungen der Mitanleihegläubiger generell entgegen. Bereits bei Zeichnung der Anleihe geht der Anleihegläubiger das Risiko einer Insolvenz des Anleiheschuldners und damit das Risiko der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters zur Bündelung der Interessen der Anleihegläubiger ein. In diesem Fall ist aber ein Informationsaustausch unter den Anleihegläubigern sinnvoll, möglicherweise sogar notwendig, siehe oben. Darin liegt zugleich ein bewusstes Zurückstecken gegenüber dem allgemeinen Grundsatz der Datensparsamkeit nach Art. 6 DSGVO. Eine Informationsverteilung über Clearstream wäre weniger erfolgreich, da sie notwendigerweise in unpersönlicher Form geschehen müsste und in der Praxis es schon fraglich wäre, ob alle beteiligten Banken die Informationen mit der gebotenen Sorgfalt und Geschwindigkeit auch an die Anleihegläubiger weiterleiten.
31
Nur wenn ein Gläubiger sich im Einzelfall konkret an den bestellten gemeinsamen Vertreter wendet und dort seine Daten gesondert bekannt gibt, bleibt daher nach Ansicht der Kammer Raum dafür, dieser Datenweitergabe gesondert zu widersprechen.
2. Nebenentscheidungen:
32
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Das Unterliegen des Klägers ist mit 70% zu bewerten, da er den überwiegenden Teil seiner Klageforderung nicht durchsetzen konnte. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist zuzulassen, da die Frage der Auskunftspflicht des gemeinsamen Vertreters gegenüber einem Anleihegläubiger über Daten der Mitanleihegläubiger sowie die Frage einer ggf. vorgelagerten Informationsverschaffungspflicht des gemeinsamen Vertreters noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Der Streitwert des Berufungsverfahrens bestimmt sich nach der Beschwer des Beklagten durch das Urteil erster Instanz in der Hauptsache. Der Streitwert in erster Instanz wurde mit 1.000,00 Euro festgesetzt. Diese Festsetzung ist angesichts des Nominalbetrags der Beteiligung des Klägers von 6.000,00 Euro angemessen.