Titel:
Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, Cannabismissbrauch, sonstige Tatsachen, die die Annahme von Cannabismissbrauch rechtfertigen, bei einmaliger Fahrt unter Cannabiseinfluss mit THC-Aktivwert von 13 ng/ml und THC-COOH-Wert von 163 ng/ml bejaht, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, bejaht
Normenketten:
StVG § 2 Abs. 2
FeV § 11 Abs. 8
FeV § 13a
Schlagworte:
Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, Cannabismissbrauch, sonstige Tatsachen, die die Annahme von Cannabismissbrauch rechtfertigen, bei einmaliger Fahrt unter Cannabiseinfluss mit THC-Aktivwert von 13 ng/ml und THC-COOH-Wert von 163 ng/ml bejaht, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, bejaht
Fundstelle:
BeckRS 2025, 31803
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L.
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1. Am 18. November 2023 um 18:20 Uhr wurde der Kläger einer Verkehrskontrolle unterzogen. Ausweislich einer Mitteilung der Polizeiinspektion M. vom 16. Januar 2024 seien beim Kläger im Verlauf der Kontrolle deutliche drogentypische Auffälligkeiten festgestellt worden. Eine am Tag der Kontrolle um 19:49 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen THC-Wert von 13 ng/ml sowie einen THC-Carbonsäure-Wert von 163 ng/ml.
3
Mit Schreiben vom 27. Februar 2024 ordnete die Fahrerlaubnisbehörde am Landratsamt M. (in der Folge: Fahrerlaubnisbehörde) gegenüber dem Kläger zunächst die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an.
4
Mit Schreiben vom 8. März 2024 wurde die Beibringungsaufforderung zurückgenommen und der Kläger zur beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis wegen des Entfalls der Fahreignung aufgrund regelmäßigen Cannabiskonsums angehört.
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Der Kläger erklärte sich mit Schreiben vom 1. April 2024, bei der Fahrerlaubnisbehörde eingegangen am 2. April 2024, mit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis einverstanden und verzichtete auf eine förmliche Bescheidsausfertigung sowie Rechtsmittel gegen die Entziehung.
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Am 8. Mai 2024 beantragte der Kläger die Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L.
7
Mit Schreiben vom 19. August 2024 forderte die Fahrerlaubnisbehörde den Kläger zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bis spätestens 15. November 2024 auf, welches zu folgenden Fragen Stellung nehmen sollte:
„Liegen körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen vor, die mit einem missbräuchlichen Konsum von Cannabis in Zusammenhang gebracht werden können? Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Konsum von Cannabis nicht hinreichend sicher getrennt werden kann?“
8
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Im Rahmen der Verkehrskontrolle am 18. November 2023 sei beim Kläger ein THC-COOH-Wert von 163 ng/ml nachgewiesen worden, weshalb regelmäßiger Cannabiskonsum vorgelegen habe. Aufgrund dessen und einer mindestens einmaligen Verkehrsteilnahme unter dem Einfluss von Cannabis am 18. November 2023 lägen Tatsachen vor, welche die Annahme eines Cannabismissbrauchs im Sinne eines fehlenden Trennungsvermögens rechtfertigten. Daher seien auf Grundlage von § 13a Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV die formulierten Fragen im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu klären.
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Auf die weiteren Einzelheiten des Schreibens wird verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass bei Nichtvorlage oder Weigerung sich untersuchen zu lassen, auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden könne.
10
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 9. September 2024 monierte der Kläger die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung.
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Die Fahrerlaubnisbehörde teilte dem Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 26. September 2024 mit, dass an der Anordnung festgehalten werde, woraufhin der Kläger mit Schreiben vom selben Tag mitteilen ließ, dass er kein medizinisch-psychologisches Gutachten einholen werde.
12
Mit Bescheid vom 30. September 2024 – dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 2. Oktober 2024 – wurde die Erteilung der Fahrerlaubnis an den Kläger versagt (Ziffer I des Bescheides). Der Kläger wurde verpflichtet, die Kosten des Verfahrens zu tragen (Ziffer II) und für den Bescheid eine Gebühr in Höhe von 160,00 EUR sowie Auslagen in Höhe von 3,67 EUR festgesetzt (Ziffer III).
13
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Rechtsgrundlage für die Versagung der Erteilung der Fahrerlaubnis sei § 2 Abs. 2 StVG. Danach dürfe eine Fahrerlaubnis nur dann erteilt werden, wenn die dort aufgezählten Voraussetzungen erfüllt seien. Bewerber um eine Fahrerlaubnis müssten die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Dies sei vor allem dann nicht der Fall, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliege. Hier sei bekannt und verwertbar, dass der Kläger am 18. November 2023 unter Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt habe. Nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV sei die Fahreignung bei Cannabismissbrauch, im Sinne einer nicht hinreichend sicheren Trennung des Führens von Kraftfahrzeugen und ein Cannabiskonsum mit nicht fernliegender verkehrssicherheitsrelevanter Wirkung, nicht gegeben. Aufgrund des festgestellten THC-COOH-Werts in Höhe von 163 ng/ml stehe ein regelmäßiger Cannabiskonsum fest. Wegen des regelmäßigen Konsums und der mindestens einmaligen Teilnahme am Straßenverkehr unter dem Einfluss von Cannabis lägen zusätzliche Tatsachen vor, welche die Annahme eines Cannabismissbrauchs im Sinne eines fehlenden Trennungsvermögens rechtfertigten. Zusätzlich sei auch der THC-Wert von 13 ng/ml ein Ausdruck unzureichender Trennungsbereitschaft, da dieser einen zeitnahen Konsum, welcher gleichzeitig Ausdruck für eine hohe Risikobereitschaft sei, begründe. Aufgrund dieser Tatsache habe die Fahrerlaubnisbehörde Bedenken an der Fahreignung des Klägers gehabt und diesen auf Grundlage von § 13a Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgefordert. Nachdem der Kläger die Vorlage eines Gutachtens abgelehnt habe, könne die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und der Antrag sei abzulehnen gewesen.
14
Auf die Begründung des Bescheides wird im Übrigen verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
15
Am 31. Oktober 2024 ließ der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch einlegen. Mit der Widerspruchsbegründung ließ er eine Bescheinigung über die Durchführung einer Haaranalyse bei dem Labor des Instituts für Rechtsmedizin der Universität ... vom 21. Oktober 2024 vorlegen.
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Die Fahrerlaubnisbehörde half dem Widerspruch nicht ab und legte ihn der Regierung von Unterfranken (in der Folge: Widerspruchsbehörde) zur Entscheidung vor.
17
Am 18. November 2024 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten über das besondere elektronische Anwaltspostfach einen Untersuchungsbericht des Instituts für Rechtsmedizin an der Universität ... vom 12. November 2024 vorlegen, wonach eine Untersuchung einer 6 cm langen Haarprobe des Klägers keine Hinweise darauf ergeben habe, dass der Kläger in dem Zeitraum, der dem Wachstum der untersuchten Haare entspricht (ca. siebeneinhalb Monate bei einem Wachstum von 0,8 cm/Monat; sechs Monate bei 1,0 cm/Monat), Betäubungsmittel in relevanter Menge und Häufigkeit aufgenommen habe, sodass kein Konsum nachgewiesen worden sei und der Befund vereinbar mit der Annahme einer Abstinenz sei.
18
Der übermittelte Befund wurde von der Fahrerlaubnisbehörde nicht an die Widerspruchsbehörde weitergeleitet.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2025 – dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 15. Januar 2025 – wurde der Widerspruch zurückgewiesen (Ziffer 1 des Widerspruchsbescheides) und der Kläger verpflichtet, die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen (Ziffer 2). Für den Bescheid wurde eine Gebühr in Höhe von 160,00 EUR erhoben sowie Auslagen entsprechend der beigelegten Kostenrechnung (Ziffer 3).
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Der Widerspruch sei zulässig, aber nicht begründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis habe. Der Kläger habe ein zu Recht gefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten nicht beigebracht. Für die Rechtmäßigkeit der Begutachtungsanordnung sei auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Erlasses abzustellen. Sie werde durch eine nachträgliche Änderung nicht rechtswidrig. Bis zur Änderung der FeV durch das Cannabisgesetz zum 1. April 2024 habe regelmäßiger Cannabiskonsum nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV a.F. auch unabhängig von einer Verkehrsteilnahme in der Regel zum Verlust der Fahreignung geführt. Von einem regelmäßigen Cannabiskonsum sei bei täglichem oder nahezu täglichem Cannabiskonsum auszugehen gewesen. Nach gesicherter Erkenntnislage sei ab einer THC-COOH-Konzentration von 150 ng/ml im Blutserum von einem regelmäßigen Konsum auszugehen. Seit 1. April 2024 führe regelmäßiger Konsum allein nicht mehr zum Verlust der Fahreignung. Dies sei nur noch bei Cannabisabhängigkeit oder Cannabismissbrauch der Fall. Nach § 13a Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV n.F. sei ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen, wenn sonst Tatsachen die Annahme von Cannabismissbrauch rechtfertigten. Beim Kläger habe es hinreichende Tatsachen für Zweifel an einem künftigen Trennungsvermögen gegeben, da der festgestellte Wert von 163 ng/ml THC-COOH auf einen regelmäßigen intensiven Cannabiskonsum in der Vergangenheit schließen lasse und sich durch die zeitnahe Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss ein fehlendes Trennungsvermögen offenbart habe. Außerdem sprächen ein aktiver THC-Wert von 13 ng/ml und die gezeigten Ausfallerscheinungen für eine erhöhte Risikobereitschaft beim Führen von Kraftfahrzeugen, da der Cannabiskonsum noch nicht lange zurückgelegen habe und der Kläger trotz Ausfallerscheinungen, die ihm selbst hätten bewusst sein müssen, am Straßenverkehr teilgenommen habe. Die Fahrerlaubnisbehörde habe daher zu Recht ein medizinisch-psychologisches Gutachten angefordert, welches nicht beigebracht worden sei. Daher könne nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung des Widerspruchsbescheids verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
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2. Am 5. Februar 2025 ließ der Kläger Klage erheben und beantragen,
den Bescheid des Landratsamtes M. von 30. September 2024 in Form des Widerspruchsbescheids der Regierung von Unterfranken vom 13. Januar 2025 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L zu erteilen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die Versagung der Wiedererteilung sei rechtswidrig, da das Verlangen nach einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nicht rechtmäßig gewesen sei und der Kläger zeitgleich einen Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis habe. Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 13a Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FeV lägen nicht vor. Es müssten insoweit Tatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigten, dass der Betroffene zukünftig nicht hinreichend sicher zwischen dem Konsum von Cannabis und der Teilnahme am Straßenverkehr trennen werde. Im Hinblick darauf, dass nach § 13a Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV grundsätzlich eine medizinisch-psychologische Untersuchung erst bei zwei festgestellten Trennungsverstößen ohne weitere Anhaltspunkte gerechtfertigt sei, bedürfe es erheblich belastender Tatsachen, die die Gefahr zukünftiger Trennungsverstöße begründeten. Es sei weiter zu beachten, dass der Gesetzgeber die Unterscheidung zwischen gelegentlichem und regelmäßigem Cannabiskonsum gänzlich aufgegeben habe und damit auch die bisherige Annahme, dass mit einem regelmäßigen Konsum in der Regel auch eine fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen einhergehe. Der festgestellte THC-COOH-Wert begründe nicht zwangsläufig, dass über einen längeren Zeitraum Cannabis konsumiert worden sei. Auch bei einem kurzfristigen intensiven Konsum seien hohe Werte in Blut oder Urin zu erwarten. Darüber hinaus habe der Kläger eine Haaranalyse durchführen lassen, welche negativ ausgefallen sei, was der Annahme regelmäßigen Konsums ebenfalls entgegenstehe. Auch wenn man von einem regelmäßigen Konsum in der Vergangenheit ausgehe, sei die Anordnung nicht gerechtfertigt, da § 13a Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV nicht einschlägig sei. Der Gesetzgeber habe sich trotz der Angleichung an die Vorschrift zum Alkohol (§ 13 FeV) dafür entschieden, weder einen Aktiv- noch einen Abbauwert in das Gesetz aufzunehmen, der – entsprechend der Regelung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV bei Alkohol – eine Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ohne weitere Tatsachen nach Führen eines Kraftfahrzeugs rechtfertigen könne. Es habe aus Sicht des Gesetzgebers also keinen guten Grund gegeben, trotz der zum Gesetzeserlass gängigen Rechtsprechung, dass bei einem Abbauwert von 150 ng/ml gegebenenfalls von regelmäßigem Konsum gesprochen werden könne, den Abbauwert oder den Aktivwert als unumstößliche Grundlage für Fahreignungszweifel bei einem einmaligen Trennungsverstoß heranzuziehen. Das Verständnis des Beklagten stehe der Intention des Gesetzgebers entgegen. Es sei in der neuen Gesetzesfassung keine Unterscheidung mehr zwischen regelmäßigem und gelegentlichem Cannabiskonsum getroffen worden. Auch die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV sei ersatzlos gestrichen worden. Die Formulierungen aus § 13 und § 13a FeV seien insoweit deckungsgleich, außer, dass für den Cannabiskonsum gerade keine feste Grenze eines Blutwertes ausreichend sei, um eine gutachterliche Untersuchung zu rechtfertigen (1,6 Promille, § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV). Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass bereits ein bestimmter Aktiv- oder Abbauwert THC im Blutserum ausreiche, um Eignungszweifel zu begründen, hätte er, unter der Prämisse der Angleichung an die Voraussetzungen bei alkoholauffälligen Fahrerlaubnisinhabern, einen solchen Wert ins Gesetz mit aufgenommen. Die Rechtsprechung zur Annahme, wann beim Abbauwert von THC von gelegentlichem und regelmäßigem Konsum auszugehen ist, sei dem Gesetzgeber sicherlich bekannt gewesen. Zur Tatauffälligkeit müssten also zwingend zusätzliche Tatsachen hinzutreten, die eine erneute Verkehrsauffälligkeit erwarten ließen. Bei der Beurteilung der Wiederholungswahrscheinlichkeit verbänden sich mithin allgemeine Risikomerkmale mit individuellen Merkmalen der Person des Kraftfahrers und den Umständen der Verkehrsbeteiligung. Cannabismissbrauch sei daher erst bei schädlichem Gebrauch anzunehmen. Sonstige Tatsachen, die beim Kläger den Schluss zuließen, dass er eine hohe Fähigkeit aufweise, innerhalb kurzer Zeit große Mengen THC zu sich zu nehmen, lägen nicht vor. Insbesondere seien bei ihm im Rahmen der Kontrolle Ausfallerscheinungen beobachtet worden, sodass nicht von einer besonderen Giftfestigkeit auszugehen sei.
24
Das Landratsamt M. beantragt für den Beklagten:
Die Klage wird abgewiesen.
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Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheides im Wesentlichen vorgetragen: Die Klage sei abzuweisen. Weder die im Widerspruchsbescheid fehlende Berücksichtigung der Haaranalyse noch die vorgetragenen Zweifel an der Regelmäßigkeit des Konsums respektive der Annahme fehlenden Trennungsvermögen ließen den streitgegenständlichen Bescheid rechtswidrig werden. Die Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei zu Recht erfolgt. Das Ergebnis der Haaranalyse sei aufgrund eines Büroversehens nicht zur Akte genommen worden. Das Ergebnis stelle rückwirkend für den Zeitraum vom 21. April 2024 bis 21. Oktober 2024 einen Abstinenznachweis dar. Allerdings lasse sich durch eine negative Haarprobe ein weiterhin bestehender gelegentlicher Cannabiskonsum nicht ausschließen. Ein Abstinenznachweis alleine reiche im Übrigen als Nachweis für ein künftig bestehendes Trennungsvermögen zwischen Cannabiskonsum und Fahren nicht aus. Neben einer nachgewiesenen Abstinenz bedürfe es auch eines motivational gefestigten Verhaltens- und Einstellungswandels, der nur im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung bestätigt werden könne. Erst durch eine positive Prognose könne ausgeschlossen werden, dass der Kläger nicht in sein früheres Konsumverhalten zurückfalle und wiederum am Straßenverkehr unmittelbar nach einem intensiven Konsum – wie bereits bei der belegten Fahrt – teilnehmen werde. So sehe Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV eine Wiedererlangung der Fahreignung nach Beendigung des Missbrauchs dann vor, wenn die Änderung des Cannabiskonsumverhaltens gefestigt sei. Der festgestellte Aktivwert von 13 ng/ml THC spreche zudem für eine besondere Risikobereitschaft des Klägers, der noch während der akuten Rauschphase am Straßenverkehr teilgenommen habe. Auch wenn Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV nicht mehr auf die Konsumhäufigkeit abstelle, spreche dennoch viel dafür, dass ein sehr intensiver Konsum nach neuem Recht gleichwohl ohne weitere Aufklärung zur Ungeeignetheit führe. Denn aufgrund des Abbauverhaltens von THC erscheine ab einer bestimmten Intensität der Einnahme unvermeidbar, dass die Konzentration im Blutserum beständig über dem Grenzwert liege, so dass der Betroffene diesen gar nicht einzuhalten vermöge. Folglich belege ein nach altem Recht regelmäßiger, d.h. täglicher bzw. nahezu täglicher Konsum von Cannabis, und ein Verstoß gegen das Trennungsgebot, dass ein Cannabismissbrauch in Form eines fehlenden Trennungsvermögens für die Vergangenheit bestanden habe. Bei dem nachgewiesenen regelmäßigen Konsum sei es dem Kläger daher nicht möglich gewesen, unter den maßgeblichen Grenzwert von damals 1,0 ng/ml THC im Blutserum bzw. selbst dem heute maßgeblichen Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum zu gelangen. Demzufolge bestünden auch im Fall einer Verkehrsteilnahme mit 13 ng/ml THC im Blutserum, was für einen Konsum zeitnah zur Fahrt und einem in der Vergangenheit bestehenden regelmäßigen Cannabiskonsum spreche, Zweifel an der Fahreignung im Hinblick auf ein zukünftig fehlendes Trennungsvermögen i. S. v. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV. Es lägen damit in dem Trennungsverstoß unter einem aktiven THC-Wert von 13 ng/ml im Blutserum und einem regelmäßigen Cannabiskonsum bei einem THC-COOH-Wert von 163 ng/ml im Blutserum Zusatztatsachen vor, die die Annahme von Cannabismissbrauch i. S. v. § 13a Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV begründeten und damit die Anordnung einer medizinischpsychologischen Untersuchung gerechtfertigt hätten.
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Am 24. März 2025 ließ der Kläger ein weiteres negatives Ergebnis einer Haaruntersuchung von 18. März 2025 vorlegen.
27
3. Zur mündlichen Verhandlung am 3. September 2025 ist für den Beklagten niemand erschienen. Der Klägerbevollmächtigte stellte den Antrag aus der Klageschrift.
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4. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte (einschließlich der Akte der Widerspruchsbehörde) und das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 3. September 2025 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Sie ist zulässig aber nicht begründet. Der Bescheid des Landratsamtes M. vom 30. September 2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Unterfranken vom 13. Januar 2025 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf die begehrte Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Aufgrund der bei der Fahrt unter Cannabiseinfluss am 18. November 2023 festgestellten Blutwerte bestehen auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich vorgelegten Abstinenznachweise weiterhin Zweifel an der Fahreignung des Klägers, welche die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a Alt. 2 FeV rechtfertigen. Der Kläger konnte daher seine Fahreignung nicht positiv nachweisen.
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1. Über die Klage konnte nach § 102 Abs. 2 VwGO in Abwesenheit eines Vertreters des Beklagten verhandelt und entschieden werden, da dieser ordnungsgemäß – insbesondere rechtzeitig (§ 102 Abs. 1 Satz 1 VwGO) – zum Termin geladen und hierauf hingewiesen wurde. Der Beklagte hat am 2. September 2025 per E-Mail mitgeteilt, dass kein Vertreter an der Verhandlung teilnehmen wird.
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2. Die Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Fahrerlaubnis (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
35
Der Kläger erklärte sich am 2. April 2024 (Eingangsdatum) gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde mit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis einverstanden und verzichtete auf die Ausfertigung eines Entziehungsbescheides sowie die Einlegung von Rechtsmitteln. Am 8. Mai 2024 beantragte der Kläger die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L.
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Für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder Verzicht gelten gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 FeV die Voraussetzungen für die erstmalige Erteilung (§ 2 Abs. 2 StVG i.V.m. §§ 7 ff. FeV). Bewerber um die Fahrerlaubnis müssen gemäß § 2 Abs. 4 StVG i.V.m. § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen, was insbesondere dann nicht der Fall ist, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung, ob derartige Mängel vorliegen, die Beibringung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens an und weigert sich der Bewerber, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er dieses nicht fristgerecht bei, darf die Behörde auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen (§ 11 Abs. 8 FeV). Dieser Schluss ist aber nur zulässig, wenn der Betroffene bei der Anordnung auf diese Rechtsfolge gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV hingewiesen worden und die Anordnung, ein Gutachten beizubringen, auch sonst rechtmäßig ist. Die Gutachtensanordnung muss unter Berücksichtigung der Vorgaben von § 11 Abs. 6 FeV insbesondere anlassbezogen, verhältnismäßig und hinreichend bestimmt sein (st.Rspr. vgl. etwa: BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 17.10.2024 – 11 CS 24.1484 – juris Rn. 18).
37
Ein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis besteht mithin nur dann, wenn alle Voraussetzungen erfüllt und alle erforderlichen Nachweise erbracht sind. Insbesondere die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen muss positiv vorliegen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG) und ist vom Bewerber um die Fahrerlaubnis nachzuweisen (§ 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 StVG). Die Nichtfeststellbarkeit der Fahreignung geht zu Lasten des Bewerbers. Dies bedeutet, dass ein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis so lange nicht besteht, wie Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliegen, welche die Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigen (BayVGH, B.v. 13.3.2025 – 11 ZB 24.2066 – juris Rn. 11 m.w.N.).
38
Gemessen hieran hat der Kläger derzeit keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Fahrerlaubnis.
39
Dies liegt aber nicht schon daran, dass er sich geweigert hat, das mit Schreiben vom 19. August 2024 geforderte medizinisch-psychologische Gutachten beizubringen, da die maßgebliche Gutachtensanordnung rechtswidrig war und der Beklagte nach Vorstehendem daher keine für den Kläger negativen Schlüsse aus der Nichtvorlage ziehen durfte.
40
Die Gutachtensanordnung muss unter Berücksichtigung der Vorgaben von § 11 Abs. 6 FeV insbesondere anlassbezogen, verhältnismäßig und hinreichend bestimmt sein (st.Rspr. vgl. etwa: BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 17.10.2024 – 11 CS 24.1484 – juris Rn. 18). Die Fahrerlaubnisbehörde muss in der Gutachtensanordnung in verständlicher Form die Gründe darlegen, die zu Zweifeln an der Kraftfahreignung geführt haben, was durch substantiierte Darlegung ihrer Eignungszweifel unter Angabe der Tatschen, auf denen diese beruhen, zu erfolgen hat (BVerwG, B.v. 5.2.2015 – 3 B 16/14 – juris Rn. 8). Steht die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen fest, hat die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens zu unterbleiben (§ 11 Abs. 7 FeV; BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 11 ZB 21.163 – juris Rn. 15). Dies ist nach Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ergehens der Beibringungsanordnung zu beurteilen (st.Rspr., vgl. jüngst BVerwG, U.v. 14.12.2023 – 3 C 10/22 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 17.10.2024 – 11 CS 24.1484 – juris Rn. 18).
41
Diesen Anforderungen genügt die Gutachtensanordnung vom 19. August 2024 nicht. Denn die erste der beiden Gutachtensfragen ist nicht anlassbezogen, überschießend und es wird nicht klar, welchen Erkenntnisgewinn sich die Fahrerlaubnisbehörde für die Klärung der Fahreignung des Klägers hierdurch verspricht.
42
Die zur Begutachtung gestellte Frage, ob körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen vorliegen, die mit einem missbräuchlichen Konsum von Cannabis in Zusammenhang gebracht werden, ist für die Beurteilung der Fahreignung des Klägers nicht von Relevanz. Der Fahrerlaubnisbehörde geht es offenbar darum zu klären, ob der zum Zeitpunkt der Fahrt unter Cannabiseinfluss bestandene Cannabiskonsum des Klägers im medizinischen Sinne missbräuchlich war und sich dies beim Kläger in körperlicher oder geistiger Hinsicht ausgewirkt hat. Cannabismissbrauch wird jedoch in Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV dahingehend legaldefiniert, dass ein solcher vorliegt, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein Cannabiskonsum mit nicht fernliegender verkehrssicherheitsrelevanter Wirkung beim Führen eines Fahrzeugs nicht sicher getrennt werden können. Ob Missbrauch im medizinischen Sinne vorliegt, ist hierfür – wie beim Alkohol – unerheblich (vgl. Derpa in Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 48. Aufl. 2025, § 2 StVG Rn. 55; VG Minden, B.v. 22.10.2024 – 2 L 926/24 – juris Rn. 48). Dies ist unter Berücksichtigung des erklärten Willens des Gesetzgebers bei Erlass des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) vom 27. März 2024, Kraft seit 1. April 2024 (BGBl. I, Nr. 109), die fahreignungsrechtlichen Regelungen bei einer Cannabisproblematik denen bei einer Alkoholproblematik weitestgehend anzugleichen (vgl. BT-Drucks. 20/10426 vom 21.2.2024, S. 150), konsequent und erscheint anhand der Legaldefinition der Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV auch zwingend.
43
Es erschließt sich der Kammer anhand der überaus knappen Begründung der Gutachtensanordnung auch nicht, welchen Erkenntnisgewinn eine entsprechende Feststellung für die Frage der Fahreignung des Klägers der Fahrerlaubnisbehörde bringen würde. Es kann dahinstehen, ob die Fahrerlaubnisbehörde letztlich auf die Klärung der Frage der hinreichenden psychophysischen Leistungsfähigkeit des Klägers in Folge seines damaligen Cannabiskonsums abzielte. Denn eine unberechtigte Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens kann weder nachträglich geheilt noch durch das Gericht ausgelegt werden, da sich der Betroffene innerhalb der offenen Beibringungsfrist darüber Klarheit verschaffen können muss, ob er diese für ungerechtfertigt hält (siehe schon: BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – juris Rn. 27; VGH BW, U.v. 3.9.2015 – 10 S 778/14 – juris Rn. 39; Derpa, a.a.O., § 11 FeV Rn. 55b m.w.N.). Für eine mangelnde psychophysische Leistungsfähigkeit des Klägers gibt es darüber hinaus keine Anhaltspunkte.
44
Im Übrigen setzt der Schluss auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nach § 11 Abs. 8 FeV eine vollständig rechtmäßige Gutachtensanordnung voraus, sodass auch im Falle einer teilweisen Rechtswidrigkeit der Fragestellung grundsätzlich die gesamte Beibringungsanordnung rechtswidrig ist. Unklarheiten gehen insoweit zu Lasten der Fahrerlaubnisbehörde (vgl. hierzu: Derpa, a.a.O., Rn. 42c; 55 m.w.N.). Somit ist der Schluss auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht deshalb gerechtfertigt, weil die zweite Gutachtensfrage nach dem Trennungsvermögen jedenfalls im Hinblick auf die konkrete Formulierung der Fragestellung nicht zu beanstanden ist. Insoweit kann auch dahinstehen, ob die in der Gutachtensanordnung gegebene Begründung, weshalb hier sonstige Tatsachen im Sinne von § 13a Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV, welche die Annahme eines Cannabismissbrauchs begründen, aus Sicht der Fahrerlaubnisbehörde vorliegen sollen, obigen Anforderungen genügt. Dies erscheint anhand der knappen Ausführungen in der Gutachtensanordnung fraglich. Die weiteren hierzu getätigten Ausführungen im Widerspruchsbescheid sowie im weiteren Klageverfahren können – wie oben ausgeführt – hier nicht zur nachträglichen Begründung der konkreten Beibringungsanforderungen herangezogen werden.
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Der Kläger hat aber dennoch keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Fahrerlaubnis, da weiterhin Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliegen, welche die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigen.
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Es bestehen aufgrund der beim Kläger bei der seinerzeitigen Fahrt unter Cannabiseinfluss festgestellten Blutwerte (THC-Aktivwert: 13 ng/ml; THC-COOH-Wert: 163 ng/ml) Zweifel daran, ob der Kläger zukünftig in der Lage ist, das Führen eines Fahrzeugs und einen Cannabiskonsum mit nicht fernliegender verkehrssicherheitsrelevanter Wirkung beim Führen eines Fahrzeugs, hinreichend sicher zu trennen (vgl. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV). Der zum Zeitpunkt des Trennungsverstoßes (18. November 2023) vorliegende chronische und hochfrequente Cannabiskonsum des Klägers sowie der hohe THC-Aktivwert von 13 ng/ml stellen sonstige Tatsachen dar, welche die Annahme von Cannabismissbrauch begründen und mithin nach § 13a Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigen.
47
Es ist zunächst zu beachten, dass § 13a Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV grundsätzlich erst wiederholten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss Fahreignungsrelevanz beimisst. Liegt – wie hier beim Kläger – lediglich ein einmaliger Trennungsverstoß vor, bedarf es wie im Falle einer einmaligen alkoholbedingten Zuwiderhandlung ohne Erreichen der in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV genannten Grenzwerte (1,6 ‰ BAK; 0,8 mg/l Atemalkohol), zusätzlicher aussagekräftiger Umstände (sog. „Zusatztatsachen“), welche die Annahme eines zukünftigen Cannabismissbrauchs begründen (so auch: VG Düsseldorf, B.v. 4.7.2025 – 14 L 1934/25 – juris Rn. 40; VG München, B.v. 26.5.2025 – M 6 S 24.7290 – juris Rn. 40 ff.; VG Osnabrück, B.v. 28.1.2025 – 1 B 74/24 – juris Rn. 27 f.; VG Ansbach, B.v. 3.1.2025 – AN 10 S 24.3086 – juris Rn. 41; VG Minden, a.a.O., Rn. 70 ff.; zum Alkohol: BVerwG, U.v. 17.3.2021 – 3 C 3.20 – juris Rn. 17). Es entsprach – wie oben näher ausgeführt – dem erklärten Willen des Gesetzgebers Cannabis (als Genussmittel; siehe zu Cannabis als Arzneimittel: BayVGH, B.v. 4.2.2025 – 11 CS 24.1712 – juris Rn. 52 ff; VG Würzburg, B.v. 6.5.2025 – W 6 S 25.572 – juris Rn. 76 ff.) und Alkohol fahreignungsrechtlich weitgehend gleichzustellen. Die insoweit zu § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV zur Alkoholproblematik in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze können in Anbetracht dessen und des nahezu identischen Wortlauts von § 13a Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV auch zur Klärung von Eignungszweifeln bei einer Cannabisproblematik herangezogen werden.
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Vorliegend traten zu der einmaligen Fahrt unter Cannabiseinfluss am 18. November 2023 zusätzliche aussagekräftige Umstände hinzu, welche Zweifel am zukünftigen Trennungsvermögen des Klägers begründen.
49
Diese ergeben sich aus den im Rahmen der durchgeführten Blutentnahme festgestellten Werte. Der THC-COOH-Wert von 163 ng/ml stellt die gesicherte auf rechtsmedizinischen Untersuchungen beruhende Erkenntnis dar, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt regelmäßig (täglich oder nahezu täglich) Cannabis konsumiert hat. Hiervon kann ab einem festgestellten THC-COOH-Wert von 150 ng/ml ausgegangen werden (stRspr; vgl. etwa: BayVGH, B.v. 24.4.2019 – 11 CS 18.2605 – juris Rn. 13).
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Das Gericht verkennt dabei nicht, dass regelmäßiger Cannabiskonsum in diesem Sinne nach der Rechtsänderung durch das CanG für sich genommen nicht mehr fahreignungsrelevant ist. Die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung sprechen aber gleichwohl davon, dass wer regelmäßig Cannabis konsumiert, in der Regel nicht in der Lage ist, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden (vgl. Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien). Auch wenn die Begutachtungsleitlinien noch nicht an die nunmehr geltende Rechtslage angepasst wurden, dürfte sich an dieser wissenschaftlichen Einschätzung im Grunde allein durch die Änderung der FeV und der Anlage 4 zur FeV durch das CanG nichts geändert haben (so wohl auch: SaarlOVG, B.v. 7.8.2024 – 1 B 8/20 – juris Rn. 23; Koehl in SVR 2024, 357 (359 f.)). Allein die Folgen, welche sich aus solch einem regelmäßigen Cannabiskonsum ergeben, sind in fahreignungsrechtlicher Sicht nunmehr abweichend geregelt. Dies beruht jedoch – soweit ersichtlich – nicht auf anderslautenden wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern auf einer abweichenden Risikobewertung durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber. Auch nach der Rechtsänderung durch das CanG spricht ein festgestellter THC-COOH-Wert von mehr als 150 ng/ml daher für ein chronisches, hochfrequentes und daher problematisches Konsumverhalten (so wohl auch: VG Minden, a.a.O., Rn. 70; Derpa, a.a.O., § 13a FeV Rn. 9; Positionspapier Nr. 12 der Fachgesellschaften DGVP und DGVM vom 12.9.2024, S. 6).
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Jedenfalls wenn – wie hier – neben einem solch hohen THC-COOH-Wert auch ein hoher THC-Aktivwert festgestellt wird, liegen aufgrund der Umstände des „Tatgeschehens“ hinreichende Anhaltspunkte für ein auch zukünftig fehlendes Trennungsvermögen vor.
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Bei dem festgestellten THC-Aktivwert von 13 ng/ml handelt es sich um einen hohen Wert. Dieser ist fast vier Mal so hoch wie der in § 24a Abs. 1a StVG festgelegte Grenzwert von 3,5 ng/ml und 13-mal so hoch wie der zum Vorfallstag gültige Grenzwert von 1,0 ng/ml. Dazu kommt, dass der Kläger dabei fast eine THC-Konzentration erreicht hat, welche ein zehnfach erhöhtes Unfallrisiko nach sich zieht und nach der Studienlage einer Blutalkoholkonzentration von 1,0 ‰ entspricht (vgl. Empfehlungen der interdisziplinären Expertengruppe für die Festlegung eines THC-Grenzwerts im Straßenverkehr – Langfassung, März 2024, S. 5 unter Verweis auf Drummer et al., Odds of culpability associated with use of impairing drugs in injured drivers in Victoria, Australia, Februar 2020, S. 5).
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Vor diesem Hintergrund geht die Kammer ohne weiteres davon aus, dass der Kläger, bei dem wie dargestellt zu diesem Zeitpunkt ein problematisches Cannabiskonsummuster vorlag, mit einem hohen THC-Aktivwert am Straßenverkehr teilgenommen hat, was Zweifel an seinem Trennungsvermögen begründet (vgl. auch: VG Düsseldorf, B.v. 4.7.2025 – 14 L 1934/25 – juris Rn. 48 unter Verweis auf das Positionspapier Nr. 12 der Fachgesellschaften DGVP und DGVM vom 12.9.2024, S. 6 – THC-Aktivwert ≥ 8 ng/ml; THC-COOH-Wert ≥ 150 ng/ml; Derpa, a.a.O., § 13a FeVRn. 9).
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Da der festgestellte THC-Aktivwert ohne weiteres als „hoch“ in diesem Sinne anzusehen ist, kann dahinstehen, ob der in dem genannten Positionspapier der DGVP und DGVM, welches als sachverständige Stellungnahme aus wissenschaftlicher Sicht Anhaltspunkte für das Vorliegen von Zusatztatsachen im Sinne von § 13a Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV bieten kann, genannte Wert von 8 ng/ml THC oder mehr im Blutserum einen tauglichen „Grenzwert“ zur Bestimmung eines hohen THC-Aktivwerts in diesem Sinne darstellt, was vom Kläger in Zweifel gezogen wird.
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Hierfür spricht jedoch, dass aus wissenschaftlicher Sicht ab einem Wert von 7,0 ng/ml THC im Blutserum von einem erhöhten Unfallrisiko auszugehen ist und Leistungseinbußen auch bei regelmäßigen Cannabiskonsum möglich sind (vgl. Empfehlung der interdisziplinären Expertengruppe für die Festlegung eines THC-Grenzwerts im Straßenverkehr – Langfassung, März 2024, S. 5 m.w.N. zur Studienlage). Vor diesem Hintergrund dürfte bei einem Wert von 8 ng/ml THC oder mehr im Blutserum davon auszugehen sein, dass es ab Überschreitung dieses Werts bereits um eine THC-Aktivkonzentration handelt, die mit einer erhöhten Gefährlichkeit für den Straßenverkehr einhergeht und im Übrigen den gültigen Grenzwert von 3,5 ng/ml um das Doppelte überschreitet, was die Annahme eines hohen THC-Aktivwerts rechtfertigen dürfte.
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Die danach bestehenden Eignungszweifel sind nicht dadurch ausgeräumt, dass der Kläger mittels vorgelegten negativen Haaranalysen jedenfalls einen Abstinenzzeitraum von 21. April 2024 bis 25. Februar 2025 nachgewiesen hat. Auch wenn dieser Umstand im behördlichen Verfahren aufgrund eines Versäumnisses der Fahrerlaubnisbehörde keine Berücksichtigung gefunden hat, führen Abstinenznachweise allein regelmäßig nicht zum Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung in Form einer Beendigung eines etwaigen (hier nicht feststehenden) Cannabismissbrauchs. Denn materiell-rechtlich verlangt diese die Beendigung des Missbrauchs in Form einer gefestigten Änderung des Cannabiskonsumverhaltens (vgl. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV), die regelmäßig durch die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nachzuweisen ist, in welcher insbesondere auch die Stabilität der Abstinenz zu beurteilen ist (vgl. Graw/Brenner-Hartmann/Haffner/Musshoff in Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, 3. Aufl. 2018, S. 304). Allein eine Konsumpause oder Abstinenznachweise besagen noch nichts über eine gefestigte Änderung der durch die Fahrt unter Cannabiseinfluss belegten problematischen Konsumgewohnheiten, zumal nicht auszuschließen ist, dass der Betroffene nur unter dem Druck des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens kein Cannabis mehr konsumiert (vgl. zur vergleichbaren Situation einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit Zusatztatsachen nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV: BayVGH, B.v. 16.10.2023 – 11 CE 23.1306 – juris Rn. 20). Die vorgelegten Abstinenznachweise können dem Kläger dabei im Rahmen der zu absolvierenden medizinisch-psychologischen Untersuchung zum Vorteil gereichen und einen etwaigen Einstellungswandel unterstreichen. Sie sind allein jedoch nicht geeignet, im vorliegenden Verfahren positiv seine Fahreignung nachzuweisen und ihm zu einem Anspruch auf Erteilung der begehrten Fahrerlaubnis zu verhelfen.
57
Zuletzt kann der Kläger für das vorliegende Verfahren aus einer aus seiner Sicht weiterhin bestehenden Ungleichbehandlung von Alkohol und Cannabis im fahreignungsrechtlichen Sinne nichts herleiten. Das Gericht erkennt – wie oben ausgeführt – den gesetzgeberischen Willen einer weitgehenden Angleichung der beiden genannten Stoffe als Genussmittel. Etwaige Unterschiede, beispielsweise im Hinblick auf die angesprochene Wartezeit zwischen Konsum und Fahren, sind jedoch in Anbetracht der ungleichen Wirkweisen der beiden Stoffe im Sinne der Verkehrssicherheit hinzunehmen und stellen keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. Soweit darauf hingewiesen wird, der Gesetzgeber habe in Kenntnis der zur Cannabisproblematik ergangenen Rechtsprechung im Gegensatz zur Alkoholproblematik keine konkreten THC-Aktiv- oder Abbauwerte in § 13a FeV aufgenommen, trifft dies nur eingeschränkt hinsichtlich der in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV genannten Alkoholwerte (1,6 ‰ BAK / 0,8 mg/l Atemalkohol) zu, nicht aber im Hinblick auf eine Alkoholkonzentration von 1,1‰ oder mehr, welche bei Hinzutreten von Zusatztatsachen ebenfalls die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung rechtfertigt (vgl. Derpa, a.a.O, § 13 FeV Rn. 21). Dieser Wert ist ebenfalls nicht in der zur Alkoholproblematik geltenden Vorschrift der FeV enthalten, sondern spricht – ähnlich dem Wert von 150 ng/ml THC-COOH oder mehr im Blutserum – für ein problematisches Trinkverhalten, welches bei Hinzutreten weitere Umstände, die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen kann (vgl. etwa: BayVGH, B.v. 11.3.2019 – 11 ZB 19.448 – juris Rn. 13). Vor diesem Hintergrund spricht nichts dagegen, den Wert von 150 ng/ml THC-COOH, der im Übrigen auch vor der Rechtsänderung nicht in der FeV normiert war, auch ohne ausdrückliche Nennung in § 13a FeV zum Beleg eines problematischen Cannabiskonsumverhaltens heranzuziehen.
58
In Folge der nach vorstehenden Grundsätzen bestehenden Eignungszweifeln kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob der von der Fahrerlaubnisbehörde ohne nähere Begründung in der Gutachtensanordnung angeführte Umstand, ein nachgewiesener regelmäßiger Cannabiskonsum führe in Zusammenhang mit einem einzigen Trennungsverstoß dazu, dass sonstige Tatsachen die Annahme von Cannabismissbrauch rechtfertigen, sich als tragfähig für eine Gutachtensanordnung auf Grundlage von § 13a Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV erweist. Selbiges gilt für die im weiteren behördlichen Verfahren von der Widerspruchsbehörde aufgeworfenen Aspekte. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass diese – wie oben schon ausgeführt – jedenfalls nicht geeignet wären, eine etwaig rechtswidrige bzw. unzureichende Begründung / Darlegung der Eignungszweifel in der Gutachtensanordnung zu heilen.
59
Für die Annahme von Eignungszweifeln (regelmäßiger Cannabiskonsum und einmaliger Trennungsverstoß) in diesem Sinne könnte dabei sprechen, dass nach obigen Ausführungen Personen, die regelmäßig Cannabis konsumieren, nach wissenschaftlicher Einschätzung in der Regel nicht in der Lage sind, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden und ihr fehlendes Trennungsvermögen durch den einmaligen festgestellten Trennungsverstoß unter Beweis gestellt haben. Dies braucht unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen jedoch nicht weiter erörtert werden.
60
Nach alledem konnte der Kläger seine Fahreignung zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht positiv nachweisen und er hat keinen Anspruch auf Neuerteilung der begehrten Fahrerlaubnis, weshalb die Klage abzuweisen war.
61
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da sich die vom Beklagten getroffene Entscheidung im Ergebnis letztlich als richtig erweist, war kein Raum, diesem nach § 155 Abs. 4 VwGO die Kosten des Widerspruchsverfahrens aus dem Grund aufzuerlegen, da die Fahrerlaubnisbehörde es aus eigenem Verschulden versäumt hat, den vom Kläger eingereichten Abstinenznachweis an die Widerspruchsbehörde weiterzuleiten, da deren Entscheidung auch bei Vorliegen der Abstinenznachweise letztlich nicht rechtmäßiger Weise hätte anders ausfallen können und dem Kläger die Kosten insoweit auch entstanden wären.
62
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
63
4. Die Berufung war nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
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Die Frage, ob bei einer einmaligen Fahrt unter Cannabiseinfluss und dem Vorliegen von Zusatztatsachen die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nach § 13a Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV gerechtfertigt ist und, falls ja, ob ein bei der Fahrt festgestellter hoher THC-Aktivwert zusammen mit einem THC-COOH-Wert von mehr als 150 ng/ml derartige Zusatztatsachen darstellen, die auf ein fehlendes zukünftiges Trennungsvermögen schließen lassen, ist obergerichtlich soweit ersichtlich ungeklärt und ihr kommt angesichts der erfolgten Rechtsänderung durch das CanG Bedeutung über den Einzelfall hinaus zu.