Inhalt

VerfGH München, Entscheidung v. 14.11.2025 – Vf. 3-VII-23
Titel:

Gemeinde, Selbstverwaltungsrecht, Bescheid, Genehmigung, Verbot, Zweitwohnungssteuer, Popularklage, Aufwandsteuer, Verletzung, Verpflichtungsklage, Widerspruch, Ermessen, Hundesteuer, Zeichen, juristische Person, wirtschaftliche Nachteile, Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Leitsätze:
1. Für die bayerischen Gemeinden ergibt sich weder aus der Bayerischen Verfas-sung noch aus dem Grundgesetz ein originäres Steuerfindungsrecht oder ein Anspruch auf uneingeschränkte Übertragung der Normsetzungskompetenz über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern.
2. Eine Erweiterung des Katalogs der unzulässigen Verbrauch- und Aufwandsteuern (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG) berührt den Kernbereich der gemeindlichen Finanzhoheit erst dann, wenn der Gesetzgeber die Gemeinden dadurch auf nur theoretisch denkbare Steuerarten verweist, die der kommunalen Praxis, etwa wegen eines unverhältnismäßig hohen Vollzugsaufwands, weitgehend fremd sind.
3. Die Selbstverwaltungsgarantie vermittelt den Gemeinden nicht im Sinn eines staatlich-kommunalen Kondominiums das Recht, durch eigene Bewertungen oder Prognosen auf die Normsetzung durch die demokratisch legitimierte Legislative gestaltend einzuwirken.
4. Die prognostische Annahme des Landesgesetzgebers, dass der Tourismusbranche in Bayern durch die Erhebung örtlicher Übernachtungsteuern wirtschaftliche Nachteile entstehen würden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
5. Das gesetzliche Verbot einer Übernachtungsteuer greift nicht in unverhältnismäßiger Weise in die Finanzhoheit der bayerischen Gemeinden (Art. 11 Abs. 2 Satz 2, Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV) ein.
Schlagworte:
Gemeinde, Selbstverwaltungsrecht, Bescheid, Genehmigung, Verbot, Zweitwohnungssteuer, Popularklage, Aufwandsteuer, Verletzung, Verpflichtungsklage, Widerspruch, Ermessen, Hundesteuer, Zeichen, juristische Person, wirtschaftliche Nachteile, Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Fundstelle:
BeckRS 2025, 31757

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Gegenstand der Popularklage ist Art. 3 Abs. 3 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl S. 264, BayRS 2024-1-I), das zuletzt durch § 1 des Gesetzes vom 9. Dezember 2024 (GVBl S. 573) geändert worden ist, soweit darin durch § 6 des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes und weiterer Rechtsvorschriften vom 10. März 2023 (GVBl S. 91) die Wörter „, eine Übernachtungsteuer“ eingefügt worden sind. Die Antragstellerinnen wenden sich damit gegen das landesrechtliche Verbot einer kommunalen Übernachtungsteuer.
2
Beginnend mit der Stadt Weimar hat seit dem Jahr 2005 eine Vielzahl von Städten und Gemeinden eine Steuer auf entgeltliche Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben im Gemeindegebiet eingeführt. Diese sogenannte „Übernachtungsteuer“, „Hotelsteuer“ oder „Bettensteuer“ (im Folgenden: Übernachtungsteuer) beläuft sich zumeist auf einen niedrigen Prozentsatz des Übernachtungspreises (Nettoentgelt) und wird in der Regel vom Übernachtungsgast bei der Buchung oder der Anmeldung im Beherbergungsbetrieb bezahlt.
3
Mit dem Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) vom 22. Dezember 2009 (BGBl I S. 3950) ermäßigte der Bundesgesetzgeber zur Entlastung des Beherbergungsgewerbes zum 1. Januar 2010 den Umsatzsteuersatz für die kurzfristige unternehmerische Vermietung von Wohn- und Schlafräumen auf sieben Prozent (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG).
4
Im Jahr 2010 beschloss die Antragstellerin zu 1 eine Satzung über die Erhebung einer Übernachtungsteuer. Die nach Art. 2 Abs. 3 Satz 1 KAG erforderliche Genehmigung für eine Satzung, die erstmalig eine in Bayern bisher nicht erhobene kommunale Steuer einführt, lehnte die Rechtsaufsichtsbehörde ab. Die daraufhin erhobene Verpflichtungsklage der Antragstellerin zu 1 wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 22. März 2012 (VGH n. F. 65, 62) ab. In der Begründung wurde ausgeführt, die Genehmigung habe gemäß Art. 2 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 KAG versagt werden dürfen. Die Steuer beeinträchtige öffentliche Belange in Gestalt steuerlicher Interessen des Staates, die in der Herabsetzung des Umsatzsteuersatzes für Beherbergungsleistungen zum Ausdruck kämen (BayVGH, a. a. O., Rn. 45 ff.).
5
Mit Beschluss vom 22. März 2022 (BVerfGE 161, 1) wies das Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerden verschiedener Hotelbetriebe gegen die Erhebung einer Übernachtungsteuer in drei anderen Bundesländern zurück. Eine solche Steuer verstoße weder gegen das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG noch gegen die Grundsätze der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung oder der Bundestreue. Der kumulierte Steuersatz von Umsatz- und Übernachtungsteuer bleibe deutlich hinter dem vollen Umsatzsteuersatz vor der Herabsetzung für Hotelübernachtungen zurück und konterkariere damit nicht in erheblichem Umfang den Förderungszweck des Bundesgesetzes (BVerfG, a. a. O., Rn. 91 ff., 116).
6
Nachdem infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Bestrebungen bayerischer Gemeinden zum Erlass von Übernachtungsteuersatzungen bekannt geworden waren, stellten die Fraktionen CSU und Freie Wähler im Bayerischen Landtag den Antrag, in den von der Staatsregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes und weiterer Rechtsvorschriften (LT-Drs. 18/24627) als neuen § 6 eine Ergänzung des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG um die Wörter „, eine Übernachtungsteuer“ aufzunehmen. Sie führten zur Begründung aus, der Tourismus spiele eine zentrale Rolle für die Wirtschaft in Bayern und für sichere Arbeitsplätze. Durch die Folgen der Corona-Pandemie, aber auch durch die infolge des Ukrainekriegs steigenden Energiepreise und die derzeit inflationsbedingt steigenden Preise werde die Tourismusbranche in jüngster Zeit stark belastet. Eine Übernachtungsteuer würde zu weiter steigenden Übernachtungspreisen führen, die sich abträglich auf die Attraktivität des Tourismus in Bayern auswirken würden. Der Bundesgesetzgeber habe den Umsatzsteuersatz für die unternehmerische Vermietung von Wohn- und Schlafräumen auf sieben Prozent ermäßigt; diesem Ziel der Entlastung der Tourismusbranche würde die Erhebung einer Übernachtungsteuer zuwiderlaufen. Bereits nach der bisher geltenden bayerischen Rechtslage seien Übernachtungsteuersatzungen nicht genehmigungsfähig. Angesichts der durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ausgelösten Diskussionen, aber auch mit Blick auf die Belastungen, die die Beherbergungsbetriebe zu verkraften hätten, solle gesetzlich klargestellt werden, dass die Erhebung einer solchen Steuer in Bayern nicht zulässig sei. Das Verbot verstoße nicht gegen das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht; es halte sich im Rahmen des Gestaltungsspielraums, den der Gesetzgeber bei Regelungen im Bereich der kommunalen Finanzhoheit habe (LT-Drs. 18/25997 S. 1 ff.).
7
Das Gesetz zur Änderung des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes und weiterer Rechtsvorschriften mit der in § 6 enthaltenen Ergänzung des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG wurde vom Landtag am 2. März 2023 beschlossen (Plenarprotokoll 18/137 S. 19060) und trat am 18. März 2023 in Kraft (§ 8 Abs. 1 des Gesetzes vom 10. März 2023, GVBl S. 91).
8
Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG hat seitdem folgenden Wortlaut:
Eine Getränkesteuer, eine Jagdsteuer, eine Speiseeissteuer, eine Übernachtungsteuer und eine Vergnügungssteuer dürfen nicht erhoben werden.
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Eine vom Stadtrat der Antragstellerin zu 1 am 1. März 2023 beschlossene Übernachtungsteuersatzung wurde gemäß Art. 2 Abs. 3 Satz 1 KAG der Regierung von Oberbayern vorgelegt. Diese lehnte mit Bescheid vom 20. April 2023 unter Verweis auf das gesetzliche Verbot die Genehmigung ab. Über eine dagegen erhobene Klage der Antragstellerin zu 1 hat das Verwaltungsgericht bisher nicht entschieden.
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Die Antragstellerinnen zu 2 und 3 haben bislang keine Übernachtungsteuersatzungen beschlossen.
II.
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Nach Auffassung der Antragstellerinnen verletzt das Verbot der Übernachtungsteuer die kommunale Finanzhoheit als Ausprägung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden (Art. 11 Abs. 2 Satz 2, Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV).
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Der Antrag sei zulässig, da eine Gemeinde als juristische Person des öffentlichen Rechts zur Erhebung einer Popularklage befugt sei. Sie könne einen Verstoß der angefochtenen Rechtsvorschrift gegen das in Art. 11 Abs. 2 BV als grundrechtsähnliches Recht gewährleistete Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden ebenso rügen wie eine Verletzung der in Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV gewährleisteten kommunalen Finanzhoheit.
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Die Popularklage sei auch begründet. Das Verbot der Erhebung einer Übernachtungsteuer verletze die Antragstellerinnen sowie alle bayerischen Gemeinden in ihrer kommunalen Finanzhoheit als Ausprägung ihres Selbstverwaltungsrechts. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV gewährleiste, dass Gemeinden ihre eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze selbst ordnen und verwalten dürften. Dazu gehöre die kommunale Finanzhoheit. Sie gewähre den Gemeinden die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft. Die Bayerische Verfassung hebe die Gewährleistung der kommunalen Finanzhoheit in Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV besonders hervor. Danach hätten die Gemeinden das Recht, ihren Bedarf durch öffentliche Abgaben zu decken. Ihr Recht, Abgabensatzungen zu erlassen, gehöre grundsätzlich zum Kernbereich der Selbstverwaltung. Der Gesetzgeber dürfe die kommunale Finanzhoheit näher umschreiben und im Einzelnen festlegen, wobei ihm ein weiter normativer Ermessensspielraum zukomme. Die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit ergäben sich daraus, dass das Selbstverwaltungsrecht in seinem Kernbereich und Wesensgehalt unangetastet bleiben müsse. Regelungen, die Inhalt und Umfang des Selbstverwaltungsrechts näher bestimmten, müssten sich zudem an den Erfordernissen des im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit orientieren. Das gesetzliche Verbot der Übernachtungsteuer sei unverhältnismäßig und verletze zudem den Kernbereich der kommunalen Finanzhoheit.
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Das Übernachtungsteuerverbot sei bereits nicht geeignet, die damit verfolgten Zwecke zu erreichen.
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Mit der Änderung von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG wolle der Gesetzgeber der bayerischen Tourismusbranche eine Belastung ersparen, die aus seiner Sicht zu einem Verlust bestehender oder möglicher Arbeitsplätze führen könne. Er gehe davon aus, dass eine Übernachtungsteuer die Hotelaufenthalte verteuere, die Nachfrage nach diesen zurückgehen ließe und den Umsatz der Tourismusbranche schmälere, wobei die Umsatzeinbußen auch deswegen ins Gewicht fielen, weil diese Branche bereits durch die Corona-Pandemie und durch steigende Preise in Mitleidenschaft gezogen sei. Diese Erwägungen offenbarten gravierende Widersprüche und Ungereimtheiten. Dass alle bayerischen Gemeinden von der Möglichkeit der Erhebung einer Übernachtungsteuer Gebrauch machen würden, sei niemals behauptet worden und auch nicht Grundlage der gesetzgeberischen Erwägungen gewesen. Der Gesetzgeber habe vielmehr unterstellt, dass zwischen einer Gemeinde, die eine Übernachtungsteuer erhebe, und Nachbargemeinden, in denen keine solche Steuer erhoben werde, ein Preisgefälle entstehe, das der Tourismusbranche in der steuererhebenden Gemeinde schade. Es sei aber nicht ersichtlich, weshalb die Verlagerung der touristischen Nachfrage (eine sog. Nachfrageverschiebung) von einer bayerischen Gemeinde in eine andere die bayerische Tourismusbranche als solche belaste und daher unterbunden werden müsse. Eine Übernachtungsteuer führe für diese Branche schlimmstenfalls zu einem Nullsummenspiel: Ein Nachfragerückgang in einer Gemeinde führe zu einem entsprechenden Zuwachs in einer anderen. Touristen, die in das Gemeindegebiet der Antragstellerin zu 1 reisen wollten, könnten zum Beispiel, wenn sie den Preisanstieg in den dortigen Hotels zu beträchtlich fänden, in einer Nachbargemeinde übernachten. Dabei sei nicht einmal ausgemacht, dass eine Nachfrageverschiebung von Dauer wäre. Eine Gemeinde, deren Übernachtungsteuer die örtliche Tourismusbranche spürbar in Mitleidenschaft ziehe, könne die Steuer wieder abschaffen, um den Standortnachteil auszugleichen und nicht sehenden Auges einen Arbeitsplatzverlust in Kauf zu nehmen.
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Es sei auch alles andere als sicher, dass eine Übernachtungsteuer in der steuererhebenden Gemeinde überhaupt zu einem Nachfragerückgang führe. Der Gesetzgeber habe hierzu keinerlei Erwägungen angestellt. Die Staatsministerien des Innern und für Wirtschaft hätten vielmehr zugegeben, dass ihnen keine konkreten Zahlen dazu bekannt seien, mit welchen Einbrüchen bei der Anzahl der Übernachtungen etwa im Stadtgebiet der Antragstellerin zu 1 zu rechnen sei; sie hielten einen Nachfragerückgang bei einer Preissteigerung für Unterkünfte um fünf Prozent lediglich für „sehr wahrscheinlich“. Es sei fraglich, ob der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts seinen weiten normativen Ermessensspielraum ausfüllen könne, ohne seine betriebs- und volkswirtschaftliche Prognose mit belastbaren Zahlen zu unterfüttern. Jedenfalls sei sein Ermessensspielraum hinsichtlich der Frage, wie sich eine Übernachtungsteuer auf die Tourismusbranche in der die Steuer erhebenden Gemeinde auswirke, durch den eigenständigen Prognosespielraum der Gemeinde begrenzt. Dieser ergebe sich aus dem vom verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsrecht im Zusammenspiel mit Art. 4 Abs. 2 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung gewährleisteten gemeindlichen Normsetzungsermessen. Wolle der Gesetzgeber die Gemeinde bevormundend „vor sich selbst“ schützen, müsse er genauere, belastbare Zahlen beibringen; dieser Pflicht habe er nicht Genüge getan.
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Im Übrigen zeige die Forschung zu den Auswirkungen von Übernachtungsteuern, dass ein Nachfragerückgang in der steuererhebenden Gemeinde nicht auf der Hand liege. Eine amerikanische Studie zu den Folgen kommunaler Übernachtungsteuern habe ergeben, dass die theoretische Möglichkeit, „hotel shopping“ zu betreiben, um von einer niedrigeren Steuer im Nachbarort zu profitieren, in der Praxis nicht genutzt zu werden scheine. Es gebe keinen Grund, weshalb diese Befunde nicht auf eine in Deutschland erhobene Übernachtungsteuer übertragbar sein sollten. In Berlin seien sowohl die Übernachtungszahlen als auch die Zahl von Beherbergungsbetrieben trotz Einführung einer Übernachtungsteuer zum 1. Januar 2014 und trotz der Verfügbarkeit naher Hotels in Brandenburg stetig angestiegen, ebenso in Hamburg im ersten Jahr nach Einführung einer Übernachtungsteuer. Damit sei zwar nicht nachgewiesen, dass die Zahlen ohne die Steuer nicht noch höher ausgefallen wären. Liege der jährliche Anstieg aber – wie in diesen Beispielen – im Mehrjahresdurchschnitt, so liege es nahe, dass die Steuer keinen signifikanten Einfluss auf die Tourismusbranche gehabt habe. Es gebe auch keine neueren empirischen Nachweise, dass Touristen, die mehr für die Übernachtung zahlen müssten, weniger Geld für Restaurants, Museen usw. ausgäben. Auch eine von der Hochschule München jüngst durchgeführte empirische Studie zu den Auswirkungen von Tourismusabgaben in 49 deutschen Städten habe ergeben, dass die – vor allem für nicht-urbane Reisegebiete festgestellten – leicht nachfragedämpfenden Effekte auf das Tourismusaufkommen nahezu durchgängig statistisch insignifikant seien und im Durchschnitt nach drei bis vier Jahren vollständig verschwänden, was auf Gewöhnungseffekte hindeute.
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Zu berücksichtigen sei auch, dass sich keine Gemeinde durch Erhebung einer Übernachtungsteuer freiwillig wirtschaftlichen Schaden zufügen werde. Es sei zu erwarten, dass nur solche Gemeinden die Steuer erheben würden, deren touristischer Markt von einer geringen Preiselastizität gekennzeichnet sei, sodass Preiserhöhungen vergleichsweise wenig Auswirkungen auf die Nachfrage hätten. Wie ein für die Europäische Kommission erstellter Bericht hervorhebe, sei eine Belastung der örtlichen Wirtschaft durch Tourismussteuern nur dort zu befürchten, wo das touristische Angebot weitgehend austauschbar sei, es Besuchern also leichtfalle, auf ein vergleichbares Ziel mit geringeren Steuern auszuweichen. Vor diesem Hintergrund dürfte etwa eine von der Antragstellerin zu 1 erhobene Übernachtungsteuer die dortigen Übernachtungszahlen kaum beeinträchtigen. Sie richte zahlreiche Großereignisse aus, derentwegen Touristen und Geschäftsreisende dorthin kämen, etwa das Oktoberfest oder sportliche Großveranstaltungen. Vergleichbares gelte für die Antragstellerin zu 2, die mit ihrem UNESCO-Weltkulturerbe und weiteren Alleinstellungsmerkmalen nicht als austauschbares Reiseziel wahrgenommen werde. Die geringe Preiselastizität des Tourismusmarkts etwa im Gebiet der Antragstellerin zu 1 zeige sich daran, dass sie 2022 trotz hoher Inflation eine der höchsten Übernachtungszahlen ihrer Geschichte verzeichnet habe. Zu der pauschalen Annahme, dass eine Erhöhung der Übernachtungskosten zwangsläufig einen Nachfragerückgang bewirke, gebe die Entwicklung der Übernachtungszahlen im Gebiet der Antragstellerin zu 2 ebenfalls keinerlei Anlass. Dass diese Annahme des Gesetzgebers alles andere als plausibel sei, zeige auch die Entwicklung der Übernachtungszahlen im Gebiet der Antragstellerin zu 3. Denn dort scheine ein deutlicher Anstieg der Eintrittspreise für die größte touristische Attraktion, einen Freizeitpark, keine negativen Auswirkungen gehabt zu haben.
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Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss zur Verfassungsmäßigkeit von Übernachtungsteuern betont, dass diese Geldleistungspflicht die damaligen Beschwerdeführerinnen nicht unverhältnismäßig belaste. Diese hätten nicht geltend gemacht, dass die Steuern mittelbar einen starken Rückgang der Anzahl der Übernachtungen in ihren Betrieben bewirkten oder gar ihr Geschäftsmodell gefährdeten; damit sei angesichts der geringen, auf die Beherbergungsgäste nicht erdrosselnd wirkenden Höhe der Steuern auch nicht zu rechnen. Diese Aussagen des Bundesverfassungsgerichts müssten erst recht gelten, wenn die Gemeinde die Einnahmen aus der Übernachtungsteuer zur Förderung gerade der Tourismusbranche einsetze. Eine amerikanische Studie habe herausgefunden, dass eine Erhöhung der Steuer die Zimmerbelegungsrate und den Ertrag pro verfügbarem Zimmer nicht beeinflusst habe; die Vertreter der Tourismusbranche hätten sich auch weniger gegen Übernachtungsteuern an sich als gegen die Verwendung der Einnahmen für tourismusfremde Zwecke gewandt. Laut einer türkischen Studie seien Touristen einer Übernachtungsteuer nicht abgeneigt, wenn dadurch ihr Reiseerlebnis verbessert werde. Die Einnahmen aus der Übernachtungsteuer könnten auch kompensieren, dass heutzutage Fremdenzimmer statt über den kommunalen Tourismusservice immer häufiger über private Online-Plattformen vermittelt würden, sodass für die Kommunen Provisionserträge wegfielen, die früher für die Querfinanzierung touristischer Einrichtungen verwendet worden seien.
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Nicht geeignet sei das Verbot einer Übernachtungsteuer auch zur Erreichung des zweiten vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks, nämlich die bundesgesetzliche Entscheidung zur Ermäßigung der Umsatzsteuer für die kurzfristige Vermietung von Wohn- und Schlafräumen auf sieben Prozent nicht zu konterkarieren. Die Umsatzsteuer auf Hotelübernachtungen sei zum 1. Januar 2010 gesenkt worden, um „der aktuellen europäischen Wettbewerbssituation des Hotel- und Gaststättengewerbes Rechnung“ zu tragen und die „Schlechterstellung der deutschen Unternehmen gegenüber den ausländischen Konkurrenten [zu] beseitig[en]“, die darin bestanden habe, dass in 22 der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Gegensatz zu Deutschland der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gegolten habe. Eine Übernachtungsteuer ändere nichts an der Nivellierung des umsatzsteuerrechtlichen Wettbewerbs zwischen deutschen und ausländischen Betrieben. Auch nach ihrer Einführung gelte für die Übernachtung in bayerischen Beherbergungsbetrieben der ermäßigte Umsatzsteuersatz; die Rechtsordnung bleibe insoweit widerspruchsfrei. Hiergegen könne nicht eingewendet werden, dass einer Übernachtungsteuer ein Lenkungszweck zukomme, der zu einer verdeckten Umsatzsteuererhöhung führe. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss ausgeführt, dass die Steuer nicht gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung verstoße. Sie habe keine Lenkungswirkung und greife nicht in die Sachgesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers ein. Schon von ihrer geringen Höhe her diene sie der allgemeinen Finanzierung der jeweiligen Kommune und nicht dem Zweck, die Inanspruchnahme von Beherbergungsleistungen zu vermindern.
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Das Übernachtungsteuerverbot sei darüber hinaus nicht erforderlich, um die Belastung für die bayerische Tourismusbranche abzuwenden. Der Gesetzgeber könne stattdessen in Art. 3 Abs. 3 KAG bestimmen, dass die Übernachtungsteuer einen bestimmten Prozentsatz des Übernachtungsentgelts nicht überschreiten dürfe, etwa vier oder fünf Prozent. Damit könne der Sorge, eine hohe Übernachtungsteuer schade einem wichtigen Wirtschaftszweig, und dem Recht der Gemeinden, ihren Bedarf durch öffentliche Abgaben zu decken, gleichermaßen Rechnung getragen werden. Hiergegen könne nicht eingewendet werden, dass niedrige Übernachtungsteuern die Wirtschaft immer noch stärker beeinträchtigten, als wenn sie gar nicht erhoben würden. Die Differenz zwischen beiden Szenarien sei so gering, dass sie im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht ins Gewicht falle. Der Gesetzgeber könne die Erhebung einer Übernachtungsteuer auch von einer Genehmigung abhängig machen und damit der Staatsverwaltung ermöglichen, die Auswirkungen einer konkreten Übernachtungsteuer zu prognostizieren und sie gegebenenfalls zu untersagen, ohne das Recht der Gemeinden zur Erhebung einer Übernachtungsteuer kategorisch auszuschließen.
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Das Übernachtungsteuerverbot sei schließlich auch nicht verhältnismäßig im engeren Sinn. Die das Verbot rechtfertigenden Gründe seien nicht gewichtig. Zwar habe das Tourismusgewerbe eine hohe Bedeutung für die bayerische Wirtschaft. Das Verbot fördere aber diese Branche nicht, da sie, wie ausgeführt, durch eine Übernachtungsteuer weder bayernweit belastet werde noch dort, wo sie erhoben werde. Im Gegenzug wiege der Eingriff in die gemeindliche Finanzhoheit schwer, vor allem in Gemeinden mit hohen Übernachtungszahlen. Bei der Beurteilung der Schwere des Eingriffs sei der Ertrag der Steuer zu berücksichtigen, da eine Übernachtungsteuer in erster Linie der allgemeinen Finanzierung der Kommunen diene. Das Gewicht des Verbots einer Steuer ergebe sich aus seinen Folgen für den kommunalen Haushalt. Bei der Übernachtungsteuer handle es sich um eine besonders ertragreiche Abgabe. Gerade in Gemeinden mit hohen Übernachtungszahlen, die am ehesten die Einführung einer Übernachtungsteuer erwägen würden, dürfte der Ertrag jenen der bisherigen Verbrauch- und Aufwandsteuern um ein Vielfaches übersteigen. So habe etwa die Antragstellerin zu 1 im Jahr 2021 aus der Hundesteuer 4,05 Mio. € und aus der Zweitwohnungssteuer 7,21 Mio. € eingenommen; der Ertrag einer Übernachtungsteuer werde dagegen auf mindestens 58,5 Mio. € geschätzt. Bei weiterhin guter Entwicklung der Übernachtungszahlen seien Einnahmen bis zu 78,5 Mio. € möglich, nach neueren Zahlen der Stadtkämmerei sogar bis zu 90 Mio. €. Damit würde der Ertrag aus der Übernachtungsteuer jenen aus der bislang ertragreichsten Aufwandsteuer – der Zweitwohnungssteuer – um das Achtfache, möglicherweise sogar das gut Zwölffache übersteigen. Bei der Antragstellerin zu 2 würde eine Übernachtungsteuer von 0,75 € pro Übernachtung bei 726.250 Übernachtungen (wie im Jahr 2022) zu Einnahmen von 544.687 € führen; die Hundesteuer habe 2022 lediglich 219.314 € eingebracht. Die Übernachtungsteuer stelle damit keine typische Bagatellsteuer dar; ihr Ertrag werde etwa bei der Antragstellerin zu 1 schätzungsweise mehr als ein Prozent des Haushalts und 1,4 Prozent ihrer Gesamtsteuereinnahmen ausmachen. Demgegenüber habe der Ertrag aller Verbrauch- und Aufwandsteuern der bayerischen Gemeinden 2022 nur 0,38 Prozent ihrer Gesamtsteuereinnahmen betragen.
Das Verbot einer Übernachtungsteuer greife folglich gravierend in das Recht der Gemeinden ein, eigenverantwortlich Steuern finden und erheben zu können.
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Hiernach gehe auch der Einwand fehl, es bleibe den Gemeinden unbenommen, andere Verbrauch- und Aufwandsteuern zu erheben. Es seien keine zulässigen Alternativen ersichtlich, die genauso ertragreich seien, ohne größeren Aufwand erhoben werden könnten und tatsächlich eine materielle Privilegierung besteuerten, also nicht zu einer versteckten Belastung Bedürftiger führten. So sei z. B. die Erhebung einer Vergnügungssteuer etwa in Form einer Wettbürosteuer nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG in Bayern verboten. Auch habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Klage einer bayerischen Gemeinde auf Erteilung der Genehmigung einer Pferdesteuersatzung mit der Begründung zurückgewiesen, die Erhebung der Steuer beeinträchtige im Sinn des Art. 2 Abs. 3 Satz 3 KAG öffentliche Belange. Bootssteuern seien dagegen zwar erlaubt, ihr Ertrag dürfte aber kaum ins Gewicht fallen. Katzen- oder Vogelsteuern versprächen nicht nur wenig Ertrag, sondern seien auch schwer zu erheben und belasteten materiell weniger Privilegierte vermutlich in erheblich größerem Umfang als Wohlhabende. Letzteres gelte auch für die Hundesteuer. Dagegen verschaffe die Übernachtungsteuer den Gemeinden erheblich höhere Einnahmen, sei vergleichsweise leicht zu erheben und belaste die in der Gemeinde wohnenden materiell weniger Privilegierten gar nicht. Hinzu komme, dass die Staatsregierung angekündigt habe, auch Verpackungssteuern zu verbieten und bereits jetzt keine entsprechenden Satzungen mehr zu genehmigen. Damit entfalle eine weitere Steuerquelle.
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Es könne nicht eingewandt werden, dass die Gemeinden die Grund- und Gewerbesteuerhebesätze anheben könnten. Das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht zur Bestimmung eines Hebesatzes sei von dem weitergehenden Recht, eine Steuer zu finden, zu unterscheiden. Zudem überstiegen die Hebesätze der Antragstellerinnen zu 1 und 2 bereits jetzt die in den angrenzenden Gemeinden teilweise um ein Vielfaches. Es wäre daher widersinnig, eine Übernachtungsteuer zu verbieten, um negative Auswirkungen auf die Wirtschaft zu verhindern, dies aber mit der Möglichkeit zu rechtfertigen, andere Steuern erhöhen zu können.
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Der Entzug einer ertragreichen Besteuerungsmöglichkeit wiege auch deswegen schwer, weil sich die Haushaltslage der bayerischen Gemeinden infolge der Corona-Pandemie signifikant verschlechtert habe. Das Verbot einer Übernachtungsteuer mindere ihren haushaltspolitischen Spielraum. Sie seien – wie die rechtsaufsichtlichen Genehmigungsbescheide zu ihren Haushaltssatzungen zeigten – dazu angehalten, ihre Einnahmemöglichkeiten voll auszuschöpfen. Auch diese Pflicht werde durch das Verbot der Erhebung einer Übernachtungsteuer konterkariert. Das Verbot weise nicht einmal eine Härtefallregelung für Gemeinden mit besonders angespannter Haushaltslage auf, die durch eine Übernachtungsteuer einen besonders hohen Ertrag erzielen könnten. Da örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern der Verwirklichung der kommunalen Finanzautonomie dienten, wiege der Entzug von Finanzmitteln schwerer, wenn sie aus solchen Steuern stammten, als wenn sie etwa aus Finanzzuweisungen resultierten.
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Das Verbot einer Übernachtungsteuer mindere die demokratische Gestaltungsbefugnis der Gemeinderäte. Es beraube die Vertretungen der Gemeindebürgerschaft eines Teils ihrer finanziellen Eigenverantwortung. Zwar verfügten Gemeinderäte über keine Budgethoheit im verfassungsrechtlichen Sinn. In Bayern diene aber das Recht, alle Aufgaben der örtlichen Angelegenheiten wahrzunehmen, gemäß Art. 11 Abs. 4 BV dem Aufbau der Demokratie von unten nach oben. Daraus habe der Verfassungsgerichtshof geschlossen, dass der Gemeinderat auf kommunaler Ebene in gleicher Weise das System der repräsentativen Demokratie verkörpere wie der Bayerische Landtag auf Landesebene. Die im Recht zum Erlass von Abgabesatzungen zum Ausdruck kommende Gestaltungsbefugnis sei verfassungsrechtlich zu unterscheiden vom herkömmlichen Satzungsermessen von Selbstverwaltungskörperschaften. Auch ohne Budgethoheit müsse es zum Recht einer Vertretungskörperschaft gehören, bestimmte Einnahme- und Ausgabeentscheidungen ohne Bevormundung treffen zu können. Werde dieses Recht beschnitten, indem die ertragreichste Aufwandsteuer verboten werde, sei auch die Wahl zum Gemeinderat (Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV) in einem merklichen Umfang entwertet.
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Das Verbot einer Übernachtungsteuer wiege schwer, weil es den Gemeinden Mittel entziehe, die sie für die Förderung der örtlichen Wirtschaft einsetzen könnten. Damit fehlten ihnen Gelder, um ihre touristische Attraktivität zu erhöhen und so mehr Besucher anzuziehen sowie mehr Übernachtungen zu generieren. Das Verbot drohe zu einem Rückgang von Übernachtungen zu führen, weil die Gemeinden mangels Finanzierungsmöglichkeiten ihre Angebote, die sie für einen touristischen Aufenthalt attraktiv machten, nicht mehr aufrechterhalten könnten.
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Gegen die kommunale Finanzhoheit werde zudem deshalb verstoßen, weil mit der angegriffenen Regelung die „Abgabesatzungsbefugnis“ der Gemeinden faktisch abgeschafft werde. Der Verfassungsgerichtshof habe dies zwar in einer Entscheidung zum früheren Zweitwohnungssteuerverbot verneint, weil die Gemeinden noch viele andere Steuern sowie Beiträge und Gebühren erheben könnten und weil die Realsteuern als wesentliche Einnahmequelle gar nicht tangiert würden. Die Übernachtungsteuer sei aber wesentlich ertragreicher als die Zweitwohnungssteuer. Daher sei das Argument zurückzuweisen, dass ein einzelnes Erhebungsverbot die Abgabesatzungsbefugnis nicht faktisch abschaffen könne. Ob dies der Fall sei, bestimme sich nicht nach der Zahl der untersagten Steuern, sondern müsse von der Höhe der Einnahmen abhängen, die den Gemeinden versagt würden. Das Verbot einer einzigen ertragreichen Steuer könne schwerer wiegen als der Ausschluss vieler kaum ins Gewicht fallender Bagatellsteuern. Die Gemeinden gingen ihrer Abgabesatzungsbefugnis faktisch verlustig, wenn sie zwar Katzen-, Vogel- und Antiquitätensteuern erheben könnten, nicht aber eine Übernachtungsteuer. Beiträge und Gebühren könnten den Verlust nicht ersetzen, weil sie erhoben würden, um einen Aufwand der öffentlichen Hand weiterzugeben oder um die Vorteile des Empfängers einer öffentlichen Leistung ganz oder teilweise abzuschöpfen. Steuern dienten hingegen der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs; sie vermittelten der Gemeinde mehr Finanzhoheit als Beiträge und Gebühren.
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Es falle nicht ins Gewicht, dass das Recht der Gemeinden am Aufkommen aus Grund- und Gewerbesteuer unberührt bleibe. Dieses entspringe der grundgesetzlichen Finanzverfassung, habe also mit der gemeindlichen Selbstverwaltung nur mittelbar zu tun. Auch das Bundesverfassungsgericht trenne zwischen der „verfassungsrechtliche[n] Gewährleistung des gemeindlichen Hebesatzrechts“ einerseits und der „allgemeinere[n] Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung, einschließlich der Finanzautonomie“, andererseits; nur zu letzterer zähle es das Recht der Gemeinden, örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern zu erheben. Für die Frage, ob das Verbot einer Übernachtungsteuer den Kernbereich des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts verletze, seien die Realsteuern ohne Belang, da sie nicht Ausfluss eines ursprünglichen Besteuerungsrechts als Bestandteil der kommunalen Finanzhoheit seien.
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Würde die bloße Verfügbarkeit finanzieller Mittel zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die kommunale Finanzhoheit genügen, könnte der Staat seine Finanzzuweisungen an die Gemeinden nach Art. 83 Abs. 2 Satz 3 BV erhöhen und im Gegenzug das Recht zur Erhebung von Verbrauch- und Aufwandsteuern nach Art. 3 Abs. 1 KAG abschaffen. Damit würde aber der Sinn der Abgabenhoheit verfehlt, den Gemeinden einen Spielraum finanzieller Eigenverantwortung zu gewährleisten. Zur finanziellen Eigenverantwortung gehöre wegen Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV auch ein ursprüngliches Besteuerungsrecht. Wie gefährdet die Abgabesatzungsbefugnis bayerischer Gemeinden bereits sei, erhelle ein Vergleich ihrer Einnahmen aus Verbrauch- und Aufwandsteuern im Jahr 2022 mit den entsprechenden Zahlen aller deutschen Kommunen. Bei den bayerischen Kommunen habe der Ertrag der Steuern nur 0,38 Prozent ihrer Gesamtsteuereinnahmen betragen, bei allen deutschen Gemeinden hingegen 1,2 Prozent.
III.
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1. Der Bayerische Landtag hält die Popularklage für unbegründet.
32
Der Verfassungsgerichtshof habe bei der Frage, ob durch ein solches Verbot der Kernbereich des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts betroffen sei, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung untersucht, ob die Verbotstatbestände des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG zur faktischen Abschaffung des Rechts aus Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV führten. Dieses Recht beziehe sich auf die Erhebung öffentlicher Abgaben einschließlich Beiträgen und Gebühren und nicht allein auf örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern. Dem (Steuer-)Erfindungsgeist der Gemeinden nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG würden weiterhin wenige Grenzen gesetzt. Wie ertragreich eine einzelne Steuerquelle sei, spiele bei der Gesamtbetrachtung keine Rolle.
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Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes liege ebenfalls nicht vor.
Das Verbot der Übernachtungsteuer sei geeignet, den damit verfolgten Zweck „Stärkung des Tourismus“ zu erreichen. Geeignet sei ein Mittel, wenn es zur Erreichung des Zwecks förderlich sei. Der gewünschte Erfolg werde hier durch das Verbot gefördert, weil die Entstehung eines weiteren Kostenfaktors verhindert werde. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet gewesen, die von den Antragstellerinnen genannten Studien in seine Erwägungen einzubeziehen oder zu untersuchen, wie sich die Übernachtungsteuer in anderen Bundesländern auf die Nachfragesituation ausgewirkt habe. Es liege in seinem politischen Ermessen, ob er mit dem Verbot ein Zeichen in Richtung Tourismusunternehmen und deren Verbände setzen wolle, dass er deren Befürchtungen von Nachfrageverringerungen ernst nehme und ihre Ausgangslage stärke.
34
Das Verbot sei auch geeignet zur Erreichung des Zwecks, die Rechtslage klarzustellen und die Beeinträchtigung steuerlicher Interessen im Sinn von Art. 2 Abs. 3 Satz 3 KAG zu vermeiden. Dadurch könnten bestehende Rechtsunsicherheiten beseitigt werden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe im Urteil vom 22. März 2012 die Versagung der Genehmigung einer Übernachtungsteuersatzung auf eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinn von Art. 2 Abs. 3
Satz 3 Alt. 2 KAG gestützt und nicht auf einen Widerspruch zu höherrangigem Recht im Sinn von Art. 2 Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 KAG. Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2022 ergebe sich nichts Gegenteiliges; das Gericht habe nur über die Vereinbarkeit der verfahrensgegenständlichen Übernachtungsteuernormen mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes entschieden und sich zu einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinn von Art. 2 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 KAG nicht geäußert. Für das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Variante genüge ein geringeres Beeinträchtigungsniveau als für die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht in Form des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Bundestreue. Es sei daher auch schon vor Einführung des Verbots in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG möglich gewesen, den Erlass einer entsprechenden kommunalen Steuersatzung zu untersagen; durch das Verbot werde nur die geltende Rechtslage auf abstrakt-generelle Weise nachvollzogen und klargestellt.
35
2. Die Bayerische Staatsregierung hält die Popularklage ebenfalls für unbegründet.
36
Das Verbot der Übernachtungsteuer halte sich im Rahmen des Gestaltungsspielraums, den der Gesetzgeber im Bereich der kommunalen Finanzhoheit habe. Der Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts sei nicht verletzt. Die Gemeinden hätten keinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch darauf, ganz bestimmte Steuerquellen zu erschließen. Ebenso wenig wie ihre Befugnis zur Erhebung örtlicher Verbrauch- und Aufwandsteuern seinerzeit durch das Verbot einer Zweitwohnungssteuer faktisch abgeschafft worden sei, geschehe dies durch das Verbot der Übernachtungsteuer. Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG sei aktuell neben der Erhebung der Übernachtungsteuer nur die Erhebung einer Getränkesteuer, einer Jagdsteuer, einer Speiseeissteuer und einer Vergnügungssteuer verboten. Eine Vielzahl bayerischer Gemeinden erhebe zum Beispiel eine Hundesteuer; viele Gemeinden erhöben zudem seit der Aufhebung des Verbots im Jahr 2004 eine Zweitwohnungssteuer. Zu den gemäß Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV zu erhebenden Abgaben gehörten nicht nur Steuern, sondern auch Beiträge und Gebühren wie etwa Beiträge für kommunale Einrichtungen, Fremdenverkehrsbeiträge, Kurbeiträge sowie Benutzungs- und Verwaltungsgebühren. Wesentliche Bedeutung für die Gemeinden hätten ferner die im Grundsteuer- und im Gewerbesteuergesetz geregelten Realsteuern, bei denen der Freistaat Bayern von seiner Befugnis zur Einschränkung des gemeindlichen Heberechts (Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG, § 26 GrStG, § 16 Abs. 5 GewStG) weiterhin fast keinen Gebrauch gemacht habe.
37
Die Annahme einer Verletzung des Kernbereichs der kommunalen Finanzhoheit hänge nicht davon ab, ob eine örtliche Aufwand- oder Verbrauchsteuer verboten werde, die möglicherweise ertragreich sei. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs sei vielmehr im Rahmen einer Gesamtbetrachtung entscheidend, ob das Recht der Gemeinden nach Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV, den Bedarf durch öffentliche Abgaben zu decken, faktisch abgeschafft werde, wobei es nicht allein um Verbrauch- und Aufwandsteuern gehe. Nach der Aufhebung des früheren, vom Verfassungsgerichtshof 1992 für verfassungsgemäß befundenen Zweitwohnungssteuerverbots habe sich im Vergleich zur Situation bei dieser damaligen Entscheidung nichts Wesentliches geändert. Die Anzahl der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, für die heute ein Erhebungsverbot nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG bestehe, sei identisch mit der Anzahl der Steuern, für die damals ein Verbot gegolten habe. Auch in Bezug auf die Erhebung von Beiträgen und Gebühren sowie Realsteuern sei die heutige Situation mit der damaligen vergleichbar.
38
Die Annahme der Antragstellerinnen, das nach der grundgesetzlichen Finanzverfassung den Gemeinden zufließende Aufkommen der Realsteuern dürfe nicht in die Betrachtung einfließen, verkenne den Regelungsgehalt des Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV. Die Norm habe als Bezugspunkt ausdrücklich die öffentlichen Abgaben, zu denen neben den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern auch Beiträge, Gebühren und Realsteuern gehörten. Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG regle die Ertragshoheit für die Realsteuern wie auch für die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern. Der Bayerischen Verfassung lasse sich hinsichtlich der Finanzhoheit keine Differenzierung entnehmen, wonach bei der Prüfung einer möglichen Verletzung des Kernbereichs des Selbstverwaltungsrechts nur örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden dürften. Wie ertragreich eine einzelne Steuerquelle sei, spiele bei der Gesamtbetrachtung keine Rolle. Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV knüpfe nicht an den Ertrag einer einzelnen Abgabe an; auch der nachfolgende Satz 3 bestimme nur allgemein, dass der Staat den Gemeinden eine angemessene Finanzausstattung gewährleiste.
39
Aus Art. 83 Abs. 2 BV ergebe sich nicht, dass die Gemeinden in der Lage sein müssten, ein bestimmtes Mindestaufkommen generieren oder einen bestimmten Prozentsatz an Finanzmitteln erheben zu können. Für den Staat ergebe sich aus der verfassungsmäßigen Gewährleistung der Selbstverwaltung und finanziellen Eigenverantwortlichkeit der kommunalen Körperschaften allgemein die Verpflichtung, im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten den innerstaatlichen Finanzausgleich so zu gestalten, dass die finanzielle Lebensfähigkeit der Gemeinden und Gemeindeverbände erhalten werde und die kommunalen Körperschaften ihre Funktionen ausüben könnten. Der Verpflichtung sicherzustellen, dass die Gemeinden sich die zur Deckung ihres Bedarfs erforderlichen Mittel möglichst eigenverantwortlich durch öffentliche Abgaben beschaffen können (Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV), werde Rechnung getragen, indem den Gemeinden durch Spezialgesetze bestimmte Steuern zur eigenen Erhebung und Verwaltung übertragen seien, wobei ihnen der Ertrag überlassen werde. Sie hätten keinen Anspruch auf Zuweisung bestimmter Steuern oder auf Eröffnung bestimmter Einnahmequellen und könnten deshalb auch nicht beanspruchen, dass ihnen eine einmal zugewiesene Steuermöglichkeit belassen werde.
40
Die angegriffene Regelung beruhe auf hinreichenden sachlichen Gründen und orientiere sich am öffentlichen Wohl. Mit dem Verbot der Übernachtungsteuer wolle der Gesetzgeber den Tourismus in Bayern stärken, was einen am öffentlichen Wohl orientierten sachlichen Grund darstelle. Die Folgen der Corona-Pandemie, gestiegene Energiepreise und die Inflation hätten die Tourismusbranche stark belastet. Eine Übernachtungsteuer würde zu weiter steigenden Übernachtungspreisen führen. Diese wirtschaftspolitischen Erwägungen stellten einen sachlichen Grund dar. Zudem habe der Gesetzgeber die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2022 eingetretene Rechtsunsicherheit über die Zulässigkeit einer Übernachtungsteuer für Bayern durch eine klarstellende Verbotsregelung beseitigen wollen. Das Gericht habe keine Aussage zur Auslegung des Art. 2 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 KAG getroffen, der nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 2012 der Genehmigung einer Übernachtungsteuersatzung entgegengestanden habe. Sowohl die Erwägung, für Rechtsklarheit zu sorgen, als auch die Erwägung, einen öffentlichen Belang im Sinn von Art. 2 Abs. 3 Satz 3 KAG gesetzlich umzusetzen, stellten sachliche Gründe dar.
41
Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers werde nicht durch einen aus Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV abzuleitenden Prognosespielraum der Gemeinden begrenzt, wonach diese einschätzen dürften, ob es zu einem Nachfragerückgang kommen könne und wie sich die Erhebung einer Übernachtungsteuer auswirke. Eine Gemeinde habe kein verfassungsrechtlich verbürgtes Recht zu entscheiden, ob sie eine bestimmte Steuerquelle erschließe oder wegen der örtlichen Verhältnisse darauf verzichten wolle. Anderes ergebe sich auch nicht aus der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, sodass dahinstehen könne, ob diese zum Prüfungsmaßstab in einem Popularklageverfahren gemacht werden könne. Die Regelungen des Art. 9 Abs. 1 und 3 der Charta gingen nicht über das hinaus, was die Bayerische Verfassung gewähre.
42
Das Übernachtungsteuerverbot sei auch verhältnismäßig. Es sei ein geeignetes Mittel zur Erreichung des legitimen Zwecks der Stärkung des Tourismus. Das Verbot der Übernachtungsteuer verhindere das Entstehen eines weiteren Kostenfaktors für das „Produkt Übernachtung“ des Beherbergungsgewerbes. Es werde ein politisches Zeichen gesetzt, dass die Tourismuswirtschaft durch keine weiteren Belastungen beschwert werden solle. Dem Gesetzgeber komme als unmittelbar demokratisch legitimierter Staatsgewalt ein weiter, von politischen Entscheidungen abhängiger Gestaltungsspielraum zu. Die Annahme, dass mit Hilfe des Verbots der gewünschte Erfolg (Stärkung des Tourismus) jedenfalls gefördert werde, sei weder offensichtlich fehlerhaft noch eindeutig widerlegbar und widerspreche auch nicht der verfassungsrechtlichen Werteordnung. Es gehöre zu den allgemeinen Grundsätzen der Betriebswirtschaft, dass günstigere Produkte von den Nachfragern häufiger erworben würden; je teurer ein Gut oder eine Dienstleistung offeriert werde, desto weniger werde das Produkt gekauft. Die Nachfrage sinke somit infolge des steigenden Preises. Mit Blick auf diesen allgemeinen Nachfragegrundsatz sei die Annahme der Eignung des Verbots der Übernachtungsteuer zur Förderung des Tourismus nachvollziehbar und nicht offensichtlich fehlerhaft.
43
Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet gewesen, die von den Antragstellerinnen genannten Studien in seine Erwägungen einzubeziehen bzw. zu untersuchen, wie sich die Übernachtungsteuer in anderen Bundesländern auf die Nachfragesituation ausgewirkt habe. Es liege in seinem politischen Ermessen, mit dem Verbot der Übernachtungsteuer ein Zeichen in Richtung Tourismusbranche zu setzen. Die von den Antragstellerinnen vorgetragenen Einzelfälle könnten die Geeignetheit des Verbots nicht widerlegen. Ob es richtig sei, dass es entsprechend ihrem Vortrag lediglich zu Nachfrageverlagerungen kommen würde, könne dahinstehen. Die in der Gesetzesbegründung gezogene Schlussfolgerung, dass sich die Übernachtungsteuer als weiterer Kostenfaktor abträglich auf die Attraktivität des Tourismus in Bayern auswirken könnte, sei nachvollziehbar. Es sei unerheblich, ob in Bayern durch die Übernachtungsteuer höchstens teilweise ein Nachfragerückgang entstehen würde. Das eingesetzte Mittel des Verbots fördere den Zweck im Sinn der Geeignetheit selbst dann hinreichend, wenn es für vereinzelte Orte nicht zwingend erforderlich wäre, weil diese wegen besonderer Alleinstellungsmerkmale besonders starke Tourismusorte seien. Insoweit komme dem Gesetzgeber eine Typisierungsbefugnis zu. Er habe daher auch keine Erhebungen zu konkreten Nachfragerückgängen oder -verlagerungen z. B. in Bezug auf die Antragstellerin zu 1 anstellen müssen. Für die objektive Verfassungsmäßigkeit einer Norm komme es nicht auf ihre Begründung, sondern auf ihre Begründbarkeit an.
44
Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2022 ergebe sich nicht, dass das Verbot einer Übernachtungsteuer nicht geeignet sei, den Tourismus zu stärken. Das Gericht habe nur ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten nicht geltend gemacht, dass die Übernachtungsteuer einen starken Rückgang der Anzahl der Übernachtungen in ihren Betrieben bewirke oder ihr Geschäftsmodell gefährde. Bei dem Belang, den Tourismus zu stärken, gehe es aber nicht darum, erdrosselnd wirkende Steuern abzuwenden, sondern um die Verhinderung eines weiteren Kostenfaktors.
45
Das Verbot sei ein geeignetes Mittel auch zur Erreichung des weiteren Zwecks, die Rechtslage klarzustellen und die Beeinträchtigung steuerlicher Interessen im Sinn von Art. 2 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 KAG zu vermeiden. Es könne die aufgetretenen Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der nach Art. 2 Abs. 3 Satz 3 KAG geltenden Rechtslage beseitigen. Wegen der unterschiedlichen normativen Maßstäbe stehe das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. März 2012 nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2022. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 KAG genüge ein geringeres Beeinträchtigungsniveau, als dies für die Voraussetzung der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht in Form der verfassungsrechtlichen Grundsätze der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und der Bundestreue gelte. So genüge für eine Beeinträchtigung im Sinn von Art. 2 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 KAG, wenn eine Übernachtungsteuer dem in dem ermäßigten Umsatzsteuersatz zum Ausdruck kommenden steuerlichen Belang tendenziell entgegenwirke.
46
Das Verbot der Übernachtungsteuer sei darüber hinaus auch erforderlich. Höhengrenzen für die Übernachtungsteuer oder ein Genehmigungsverfahren stellten kein gleich geeignetes Mittel dar. Dem Gesetzgeber sei bei der Bestimmung des mildesten Mittels ein Vertretbarkeits- bzw. Einschätzungsspielraum einzuräumen. Das tendenzielle Entgegenwirken der Erhebung einer Übernachtungsteuer gegen den Belang der steuerlichen Interessen im Sinn von Art. 2 Abs. 3 Satz 3 KAG könne mit einer Steuersatzbegrenzungsnorm nicht in gleicher Weise erreicht werden, da auch eine Übernachtungsteuer innerhalb eines solchen Korridors dem steuerlichen Belang entgegenwirke. Die weiter vorgeschlagene Lösung, in einem Genehmigungsverfahren zu prüfen, in welchem konkreten Fall eine Übernachtungsteuer die örtliche Wirtschaft beeinträchtige, führe zu aufwendigen und langwierigen Verwaltungsverfahren und sei schon deshalb kein gleich wirksames Mittel. Die vorgeschlagenen vermeintlich milderen Mittel seien auch hinsichtlich des Zwecks des Verbots, Rechtsklarheit zu schaffen, nicht gleich wirksam bzw. geeignet, da der erstmaligen Genehmigung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Art. 2 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 KAG entgegengestanden hätte.
47
Das Übernachtungsteuerverbot sei auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Die das Verbot rechtfertigenden Gründe hätten entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen kein geringes Gewicht. Ihre Annahme, die Einführung einer Übernachtungsteuer belaste den Tourismus überhaupt nicht, greife zu kurz, wenn in einer Gemeinde im Verhältnis zu anderen Gemeinden ein weitgehend austauschbares Angebot vorhanden sei. Ein schwerwiegender Eingriff in die kommunale Finanzhoheit wegen Entzugs einer ertragreichen Besteuerungsmöglichkeit liege nicht vor. Bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den dadurch herbeigeführten Beeinträchtigungen stehe dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu. Dabei spiele es keine Rolle, wie ertragreich eine einzelne Steuerquelle sei. Ebenfalls nicht relevant seien die Ausführungen der Antragstellerinnen, wonach sich die Haushaltslage der Gemeinden nach der Corona-Pandemie erheblich verschlechtert habe und die Erhebung der Übernachtungsteuer zur Konsolidierung des Haushalts jedenfalls bei einer der Antragstellerinnen notwendig sei. Im Popularklageverfahren sei grundsätzlich nur die generalisierende Vorschrift zu prüfen, nicht dagegen die spezielle Situation einzelner Betroffener. Es sei auch nicht vorgetragen, dass die Übernachtungsteuer für die Gesamtheit der 2.056 bayerischen Gemeinden sehr ertragreich wäre. Soweit die Antragstellerinnen in dem Übernachtungsteuerverbot eine Einschränkung der Gestaltungsfreiheit des Gemeinderats sähen, sei dem entgegenzuhalten, dass Adressat des Selbstverwaltungsrechts in seiner Ausprägung als Finanzhoheit die jeweilige Gemeinde und nicht der Gemeinderat sei.
48
Der Einwand, ohne die Einnahmen aus der Übernachtungsteuer fehle den Gemeinden das Geld, um ihre örtliche Wirtschaft zu fördern bzw. ihre touristische Attraktivität zu steigern, greife ebenfalls nicht durch. Aus der verfassungsmäßigen Gewährleistung der Selbstverwaltung und der finanziellen Eigenverantwortlichkeit der kommunalen Körperschaften folge für den Staat nur allgemein die Verpflichtung, den innerstaatlichen Finanzausgleich so zu gestalten, dass die finanzielle Lebensfähigkeit der Gemeinden erhalten werde. Wie er dieser Verpflichtung gerecht werde, sei weitgehend in das gesetzgeberische Ermessen gestellt. Im kommunalen Haushaltsrecht gelte der Gesamtdeckungsgrundsatz, wonach die Gesamtheit aller Einnahmen (wie derjenigen aus einer örtlichen Aufwandsteuer) zur Deckung aller Ausgaben diene. Die Gemeinden hätten danach eigenverantwortlich zu entscheiden, wie sie ihre Haushaltsmittel zur Erfüllung verwendeten und inwieweit sie die vorhandenen Mittel z. B. zur Tourismusförderung vorsähen.
IV.
49
Die Popularklage ist zulässig.
50
1. Nach Art. 98 Satz 4 BV hat der Verfassungsgerichtshof Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht der Bayerischen Verfassung verfassungswidrig einschränken (VerfGH vom 27.3.1992 VerfGHE 45, 33/39). Die Erhebung der Popularklage nach Art. 98 Satz 4 BV steht jedermann zu. Dazu zählen auch juristische Personen des öffentlichen Rechts wie die Gemeinden (VerfGH vom 28.11.2007 VerfGHE 60, 184/209 m. w. N.). Eine Gemeinde kann die Rüge erheben, die angefochtene Rechtsvorschrift verstoße gegen das in Art. 11 Abs. 2 BV als grundrechtsähnliches Recht gewährleistete Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden. Zulässig ist auch die Rüge einer Verletzung des Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV, weil die in dieser Verfassungsnorm gewährleistete kommunale Finanzhoheit ein besonderer Ausfluss des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts ist (VerfGHE 45, 33/40 m. w. N.).
51
2. Die Antragstellerinnen haben hinreichend substanziiert dargelegt, inwiefern die angefochtene Rechtsvorschrift nach ihrer Meinung in Widerspruch zu einer Grundrechtsnorm oder einem grundrechtsähnlichen Recht der Bayerischen Verfassung steht (Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG). Sie machen geltend, dass das landesgesetzliche Verbot einer Übernachtungsteuer sie in ihrem Selbstverwaltungsrecht in Form der kommunalen Finanzhoheit als grundrechtsähnlichem Recht verletze.
52
3. Soweit eine Popularklage in zulässiger Weise erhoben ist, erstreckt der Verfassungsgerichtshof die Prüfung der angegriffenen Vorschrift von Amts wegen auf alle in Betracht kommenden Normen der Bayerischen Verfassung, selbst wenn sie nicht als verletzt bezeichnet worden sind oder wenn sie keine Grundrechte verbürgen (vgl. VerfGH vom 19.4.2007 VerfGHE 60, 80/87; vom 28.9.2021 VerfGHE 74, 245 Rn. 30 m. w. N.; vom 14.6.2023 – VerfGHE 76, 173 Rn. 71). Eine unmittelbare Prüfung am Maßstab der von den Antragstellerinnen angeführten, auf einem völkerrechtlichen Vertrag beruhenden Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung kommt dagegen nicht in Betracht, da Prüfungsmaßstab im Popularklageverfahren allein die Bayerische Verfassung ist (vgl. VerfGH vom 12.1.2005 VerfGHE 58, 1/14; vom 27.8.2018 VerfGHE 71, 235 Rn. 17).
V.
53
Die Popularklage ist unbegründet. Die angegriffene Vorschrift, die den Katalog der nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG verbotenen örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern um die Übernachtungsteuer erweitert (Übernachtungsteuerverbot), verstößt nicht gegen das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht in seiner Ausprägung als kommunale Finanzhoheit (Art. 11 Abs. 2 Satz 2, Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV).
54
1. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV gewährleistet den Gemeinden das Recht, ihre eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten. Das Selbstverwaltungsrecht sichert ihnen einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden, eigenverantwortlich wahrzunehmenden Aufgabenbereich. Es steht den Gemeinden für jeden einzelnen Tätigkeitsbereich des eigenen Wirkungskreises zu (VerfGH vom 15.12.1988 VerfGHE 41, 140/146; 45, 33/43; vom 27.2.1997 VerfGHE 50, 15/41, jeweils m. w. N.). Hierzu gehört auch die kommunale Finanzhoheit. Sie gewährt den Gemeinden die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft, d. h. zu einer selbstständigen Regelung ihrer Finanzen im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens. Die Bayerische Verfassung hebt die Gewährleistung der kommunalen Finanzhoheit in Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV besonders hervor. Die Gemeinden haben danach das Recht, ihren Bedarf durch öffentliche Abgaben zu decken, zu denen neben Beiträgen, Gebühren und Sonderabgaben auch gemeindliche Steuern gehören. Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV verpflichtet den Landesgesetzgeber, den Gemeinden einen Bereich zur eigenverantwortlichen Abgabenerhebung einzuräumen (VerfGHE 41, 140/148; 45, 33/44 f.). Ihr Recht, Abgabesatzungen zu erlassen (Abgabesatzungsbefugnis), gehört zum Kernbereich der Selbstverwaltung (VerfGHE 41, 140/146; 45, 33/43; vgl. auch BVerfG vom 27.1.2010 BVerfGE 125, 141/159 zu Art. 28 Abs. 2 GG).
55
Welchen Inhalt und Umfang das Selbstverwaltungsrecht in den einzelnen Bereichen hat, ist in der Verfassung allerdings nicht näher geregelt. Auch zur kommunalen Finanzhoheit enthält die Bayerische Verfassung über Art. 83 Abs. 2 BV hinaus keine weiteren Bestimmungen. Das Selbstverwaltungsrecht ist gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV nur „im Rahmen der Gesetze“ gewährleistet. Dieser Vorbehalt erstreckt sich wegen des engen Zusammenhangs mit Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV auch auf die in Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV besonders verbürgte kommunale Finanzhoheit mit dem Recht zur Erhebung öffentlicher Abgaben. Der Gesetzgeber darf demnach auch diesen Bereich näher umschreiben und im Einzelnen festlegen (VerfGHE 41, 140/147; 45, 33/43; 50, 15/43).
56
Zur Bestimmung der verfassungsrechtlichen Schranken, die der Gesetzgeber bei der näheren Regelung von Inhalt und Umfang der kommunalen Finanzhoheit einzuhalten hat, bedarf es – wie bei jeder Begrenzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts – nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs der Untersuchung, welche Bedeutung dem Selbstverwaltungsrecht in dem betreffenden Sachbereich in verfassungsrechtlicher und verfassungspolitischer Hinsicht unter Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung des Instituts der Selbstverwaltung zukommt und welche Funktion es in diesem Sachbereich nach der gesetzlichen Begrenzung noch entfalten kann. Der Gesetzgeber darf die Schranken des Selbstverwaltungsrechts nicht in einer Weise ziehen, dass es ausgehöhlt wird.
Kernbereich und Wesensgehalt sind für ihn unantastbar.
57
Es würde der Bedeutung des Selbstverwaltungsrechts auch nicht gerecht, wenn seine Reichweite einer nur durch das Willkürverbot begrenzten staatlichen Willensentscheidung überlassen bliebe. Die den Bereich der gemeindlichen Finanzhoheit betreffenden gesetzlichen Regelungen müssen sich daher auch an dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen (VerfGHE 50, 15/43; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 83 Rn. 57; vgl. zu Art. 28 Abs. 2 GG BVerfGE 125, 141/167 f.; Poscher in Herdegen/Masing/Poscher/Gärditz, Handbuch des Verfassungsrechts, 2021, § 3 Rn. 93 f.). Es muss eine Güterabwägung zwischen dem betroffenen Bereich der Selbstverwaltung und den durch dessen Begrenzung zu schützenden übergeordneten Interessen des öffentlichen Wohls vorgenommen werden; dabei ist das Übermaßverbot zu beachten. Der Verfassungsgerichtshof stellt bei der Abwägung auch darauf ab, ob sich die zur Bestimmung von Inhalt und Umfang des Selbstverwaltungsrechts getroffenen Regelungen am öffentlichen Wohl orientieren und auf sachlichen Gründen beruhen. Die staatlichen Stellen sind aufgrund der verfassungsrechtlichen Garantie des Selbstverwaltungsrechts grundsätzlich verpflichtet, die Selbstverwaltung zu fördern und zu stärken, die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinden zu erhalten und sich gemeindefreundlich zu verhalten (VerfGHE 41, 140/147 f.; 45, 33/43 f.; 50, 15/43 f.; VerfGH vom 6.2.2007 VerfGHE 60, 30/39, jeweils m. w. N.).
58
2. Hieran gemessen liegt in der angegriffenen Regelung keine unzulässige Einschränkung der kommunalen Finanzhoheit. Das Verbot der Erhebung einer Übernachtungsteuer berührt weder eine originäre Besteuerungskompetenz der Gemeinden (a)), noch wird dadurch der Kernbereich der gemeindlichen Finanzautonomie verletzt (b)). Der gesetzliche Ausschluss dieser Form einer örtlichen Aufwandsteuer erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig (c)).
59
a) Mit dem Verbot einer Übernachtungsteuer greift der Gesetzgeber nicht in ein den bayerischen Gemeinden ursprünglich zustehendes, d. h. verfassungsunmittelbares Steuerfindungsrecht ein. Weder die Bayerische Verfassung noch das Grundgesetz verleiht den Gemeinden eine selbstständige Ermächtigung, für ihr jeweiliges Ortsgebiet neue Steuerarten zu kreieren (VerfGHE 41, 140/148; 45, 33/44; Wollenschläger in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern,
6. Aufl. 2020, Art. 83 Rn. 33; BVerwG vom 19.8.1994 BVerwGE 96, 272/280; Mehde in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 28 Rn. 222; Pünder/Waldhoff in Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2. Aufl. 2023, § 1 Rn. 14, § 13 Rn. 5 m. w. N.).
60
Soweit in den Beratungen des Verfassungsausschusses der Bayerischen Verfassunggebenden Landesversammlung im Jahr 1946 davon gesprochen wurde, dass mit Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV „ein ursprüngliches Steuerrecht“ geschaffen bzw. „das ursprüngliche Besteuerungsrecht“ den Gemeinden „wieder zurückgegeben“ werde (Stenographische Berichte, Band I, S. 146 f.), ist dies nicht im Sinn eines originären Steuerfindungsrechts zu verstehen. Schon in den damaligen Verhandlungen bestand vielmehr Einigkeit, dass das kommunale Recht aus Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV zunächst einer landesgesetzlichen Regelung bedarf (Stenographische Berichte, Band I, S. 147). Dies folgt im Übrigen auch aus dem Umstand, dass gemeindliche Satzungen, die eine Abgabenerhebung vorsehen, nach dem Vorbehalt des Gesetzes einer formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedürfen (vgl. VerfGHE 58, 1/17 f.; Wollenschläger in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 83 Rn. 31).
61
Dass mit Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV kein originäres Steuerfindungsrecht begründet wird, ergibt sich auch aus einer grundgesetzkonformen Auslegung (dazu allgemein VerfGH vom 15.2.2017 VerfGHE 70, 22 Rn. 58; BVerfG vom 7.5.2001 BVerfGE 103, 332/352; VerfGH NRW vom 14.1.2025 NVwZ 2025, 850 Rn. 91 f.;
Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Vorb. B Rn. 21). Die Bestimmungen der Bayerischen Verfassung sind so auszulegen, dass sie nicht im Widerspruch zu den Vorschriften des Grundgesetzes stehen (VerfGH vom 26.3.2018 VerfGHE 71, 59 Rn. 97; vom 29.6.2018 VerfGHE 71, 138 Rn. 67). Das Grundgesetz verteilt die Steuergesetzgebungskompetenzen ausschließlich zwischen Bund und Ländern (Art. 105 ff. GG; BVerwGE 96, 272/280; Ernst in von Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 28 Rn. 142). Es weist in Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG den Ländern die Gesetzgebungsbefugnis hinsichtlich der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern und damit ein originäres Steuerfindungsrecht zu (BVerfGE 161, 1 Rn. 104). Soweit ein Bundesland diese Regelungskompetenz, wie im Freistaat Bayern mit Art. 3 Abs. 1 KAG geschehen, auf die Gemeinden (zusätzlich zu der ihnen nach Art. 106 Abs. 1 Halbsatz 2 GG zustehenden Ertragshoheit) überträgt, erlangen diese somit nur ein einfachgesetzlich begründetes, derivatives Steuerfindungsrecht (vgl. Schwarz in Huber/Voßkuhle, GG, 8. Aufl. 2024, Art. 106 Rn. 116 f.; Seiler in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 106 Rn. 186; Schmidt, StuW 2015, 171/178).
62
Angesichts der finanzverfassungsrechtlichen Sonderbestimmung des Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG kann ein originär kommunales Steuerfindungsrecht auch nicht aus der allgemeinen Vorschrift des Art. 28 Abs. 2 GG hergeleitet werden (BVerwG vom 25.3.1998 BVerwGE 106, 280/286; Ernst in von Münch/Kunig, GG, Art. 28 Rn. 142; Mehde in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 28 Rn. 296; Dreier in Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 28 Rn. 145; Schmidt, StuW 2015, 171/181 f. m. w. N.). Ebenso folgt aus Art. 28 Abs. 2 GG für die Gemeinden gegenüber den Ländern kein Anspruch auf uneingeschränkte Übertragung der Normsetzungskompetenz über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern (BVerwG vom 28.4.2010 - 9 B 95.09 – juris Rn. 5; Lange, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2019, S. 1021 ff.; Christ in Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2. Aufl. 2022, A. Rn. 22; Wernsmann/Bering in BeckOK Kommunalabgabenrecht Bayern, Art. 3 KAG Rn. 14; a. A. Lammers DVBl 2013, 348/349 ff.). Die im Grundgesetz ebenso wie in Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV garantierte Finanzhoheit setzt zwar voraus, dass die Gemeinden über eigene Finanzierungsquellen, auch in Form eigenverantwortlich auszuschöpfender Steuerquellen, verfügen (vgl. BVerfGE 125, 141/159). Daraus folgt jedoch kein verfassungsrechtlich verbürgter Anspruch auf Erschließung ganz bestimmter Steuerquellen in Gestalt bisher nicht erhobener Verbrauch- und Aufwandsteuern (VerfGHE 45, 33/45). Der Landesgesetzgeber kann vielmehr die Erhebung einzelner Steuern generell untersagen, indem er es unterlässt, die ihm nach Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG zustehende Regelungskompetenz an die Gemeinden zu delegieren (vgl. Wernsmann/Bering in BeckOK Kommunalabgabenrecht Bayern, Art. 3 KAG Rn. 133). Dies ist in Bayern regelungstechnisch dadurch geschehen, dass von der Generalermächtigung zur Erhebung von Verbrauch- und Aufwandsteuern (Art. 3 Abs. 1 KAG) bestimmte Steuerarten ausdrücklich ausgenommen wurden (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG).
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b) Die Erweiterung dieses Katalogs der unzulässigen Steuern um die – in Bayern bisher nirgendwo erhobene – Übernachtungsteuer berührt nicht den Kernbereich der gemeindlichen Finanzhoheit.
64
Als ein funktionsnotwendiger Teil der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV genießt auch die Finanzhoheit in ihrem Kernbereich und Wesensgehalt den besonderen verfassungsrechtlichen Bestandsschutz nach Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BV (VerfGH vom 13.4.2000 VerfGHE 53, 81/94 f.). Der Kernbereich ist verletzt, wenn dieses kommunale Hoheitsrecht entweder ganz beseitigt oder innerlich so ausgehöhlt wird, dass für seine Ausübung kein hinreichender Spielraum mehr übrigbleibt (vgl. VerfGH vom 17.7.2018 VerfGHE 71, 161 Rn. 57 m. w. N.; vom 24.8.2023 VerfGHE 76, 271 Rn. 49; BVerfGE 125, 141/168). Davon kann hier jedoch keine Rede sein. Dies würde selbst dann gelten, wenn man – entsprechend der Auffassung der Antragstellerinnen – die nach dem Kommunalabgabengesetz als besondere Entgelte zu erhebenden Beiträge und Gebühren sowie die auf bundesrechtlicher Grundlage beruhenden Realsteuern (Grundsteuer, Gewerbesteuer) als weitere zur Deckung des Finanzbedarfs nach Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV dienende Abgaben (vgl. VerfGHE 45, 33/45) gänzlich außer Betracht ließe und allein den Bereich der Verbrauch- und Aufwandsteuern in den Blick nähme.
65
Das den Gemeinden mit Art. 3 Abs. 1 KAG übertragene Recht, solche Steuern zu erheben und insoweit nach Art. 2 KAG von ihrer Satzungsbefugnis Gebrauch zu machen, wird durch die Aufnahme der Übernachtungsteuer in den Verbotskatalog des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG weder rechtlich noch faktisch beseitigt, sondern lediglich in seiner gegenständlichen Reichweite weiter eingeschränkt. Die Gemeinden können die bisher eingeführten Aufwandsteuern (Hundesteuer, Zweitwohnungssteuer) weiterhin erheben. Darüber hinaus steht ihnen die Möglichkeit offen, Satzungen über neue Verbrauch- oder Aufwandsteuern zu erlassen, auch wenn deren erstmalige Einführung nach Art. 2 Abs. 3 KAG einem – gerichtlich überprüfbaren (VerfGHE 45, 33/47; BayVGH VGH n. F. 65, 62 Rn. 44) – Genehmigungsvorbehalt unterliegt.
66
Das Verbot der Übernachtungsteuer führt trotz der schon bisher im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr weitgehenden gesetzlichen Beschränkungen (vgl. Christ in Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, C. Rn. 238) nicht dazu, dass den Gemeinden nunmehr kein hinreichender Spielraum für die Erhebung örtlicher Verbrauch- und Aufwandsteuern verbliebe. Zwar wäre der Kernbereich der kommunalen Steuerhoheit berührt, wenn der Verbotskatalog des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG all diejenigen Steuern enthielte, deren Erhebung nach bisheriger Erfahrung zu nennenswerten Erträgen führt. Der Gesetzgeber darf die Gemeinden nicht auf bloß theoretisch denkbare Steuerarten verweisen, die der kommunalen Praxis aus nachvollziehbaren Gründen, etwa wegen eines unverhältnismäßig hohen Vollzugsaufwands, weitgehend fremd sind. Eine solche Situation hat aber in Bayern weder früher bestanden, noch ist sie durch das Verbot der Übernachtungsteuer erstmals eingetreten. Die in fast allen Gemeinden erhobene Hundesteuer und die in einer Vielzahl touristisch geprägter Orte erhobene Zweitwohnungssteuer sind nach wie vor zulässige Aufwandsteuern, die geeignet sind, ein nicht unbeträchtliches Steueraufkommen zu generieren.
67
Der von den Antragstellerinnen hervorgehobene Umstand, dass die Erhebung einer Übernachtungsteuer in den Gemeinden mit hohen Übernachtungszahlen besonders ertragreich wäre, kann jedenfalls in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden. Bei der Prüfung eines möglichen Eingriffs in den Kernbereich der Finanzhoheit kommt es auf die Auswirkungen der angegriffenen Vorschrift auf die Gesamtheit der bayerischen Kommunen an, nicht auf die Situation einzelner Gemeinden (vgl. VerfGHE 60, 30/40). Da die bisher eingeführten Aufwandsteuern von dem Übernachtungsteuerverbot unberührt bleiben, kann der durch das Verbot bewirkte Wegfall der Möglichkeit, künftig zusätzliche Steuereinnahmen zu erzielen, selbst dann nicht in den Kernbereich der gemeindlichen Finanzhoheit eingreifen, wenn es sich um entgangene Beträge großen Umfangs handelte. Aus demselben Grund bedarf es auch keiner Gesamtbetrachtung der finanziellen Auswirkungen des Übernachtungsteuerverbots nach Inkrafttreten des bisher noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen (vgl. LT-Drs. 19/8066; Plenarprotokoll 19/59 S. 6869 ff.) Verbots einer kommunalen Verpackungssteuer.
68
c) Das Übernachtungsteuerverbot erweist sich nicht als unverhältnismäßig. Es ist zur Erreichung eines legitimen Zwecks (aa)) sowohl geeignet (bb)) als auch erforderlich (cc)). Im Rahmen der gebotenen Abwägung stellt es sich auch nicht als unangemessene Einschränkung der gemeindlichen Finanzhoheit dar (dd)).
69
aa) Die Aufnahme der Übernachtungsteuer in den Verbotskatalog des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 KAG soll laut der Gesetzesbegründung primär die in Bayern ansässigen Betriebe des Beherbergungsgewerbes vor einem weiteren Anstieg der Übernachtungspreise schützen, der sich im Ergebnis abträglich auf die Attraktivität des Tourismus als einem zentralen Wirtschaftszweig und auf die dort vorhandenen Arbeitsplätze auswirken würde (LT-Drs. 18/25997 S. 1 ff.). Das Verbot der Steuer zielt also, wie auch Äußerungen in der parlamentarischen Beratung zeigen (Plenarprotokoll 18/137 S. 19045 f., 19048, 19053 ff.), nicht allein darauf ab, die Inhaber der Beherbergungsbetriebe vor zusätzlichen finanziellen Belastungen zu bewahren, sondern verfolgt darüber hinaus den allgemeinen Zweck, auf diese Weise die einheimische Tourismusbranche zu schützen. Dem Gesetzgeber geht es insoweit um mehr als ein bloß symbolpolitisches „Zeichen“ in Richtung dieses Wirtschaftszweigs, dass er dessen Zukunftsbefürchtungen ernstnehme. Die Regelung soll durch eine Änderung der steuerrechtlichen Rahmenbedingungen einen nachhaltigen Fördereffekt bewirken. Diese Form der Wirtschaftsförderung stellt einen verfassungsrechtlich legitimen (Art. 153 BV) und auch von der Steuergesetzgebungskompetenz der Länder nach Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG gedeckten Normzweck dar (vgl. BVerfGE 161, 1 Rn. 140).
70
Auf den mit der Verbotsregelung verfolgten Zweck, die Tourismusbranche zu fördern, bezieht sich auch die in der Gesetzesbegründung enthaltene Aussage, die Erhebung einer Übernachtungsteuer würde der seit 2010 geltenden Ermäßigung des Umsatzsteuersatzes für die unternehmerische Vermietung von Wohn- und Schlafräumen zuwiderlaufen, die der Bundesgesetzgeber zur Entlastung des Beherbergungsgewerbes eingeführt habe (LT-Drs. 18/25997 S. 2). Zwar wird in diesem Zusammenhang als weiteres Ziel der gesetzlichen Neuregelung angeführt, damit solle angesichts der durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2022 ausgelösten Diskussionen „gesetzlich klargestellt“ werden, dass die Erhebung einer Übernachtungsteuer in Bayern nicht zulässig sei (LT-Drs. 18/25997 S. 3). Darin liegt aber entgegen dem Vortrag des Bayerischen Landtags und der Bayerischen Staatsregierung kein selbstständiger Normzweck, an dem die Verhältnismäßigkeit der Beschränkung der Finanzhoheit zu messen wäre. Die beabsichtigte Bereinigung einer bislang unklaren oder durch neue Entwicklungen unklar gewordenen Rechtslage, hier bezüglich der Reichweite des Tatbestandsmerkmals der „öffentlichen Belange“ in Art. 2 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 KAG, kann allein nicht ausreichen, um einen gegenüber der bisherigen Rechtslage weitergehenden Eingriff zu legitimieren; es bedarf dafür stets eines materiellen Regelungszwecks (vgl. BVerfG vom 29.9.2022 BVerfGE 163, 107 Rn. 92).
71
bb) Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass das Übernachtungsteuerverbot zur Förderung der Tourismusbranche in Bayern geeignet ist.
72
Das Gebot der Geeignetheit verlangt den Einsatz nur solcher Mittel, mit deren Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, bei denen also die Möglichkeit der Zweckerreichung besteht. Das benutzte Mittel muss nicht das bestmögliche sein und nicht in jedem Einzelfall Wirkung entfalten; es genügt ein Beitrag zur Zielerreichung. Dem parlamentarischen Gesetzgeber steht hinsichtlich der Zwecktauglichkeit eines Gesetzes ein weiter Beurteilungsspielraum zu (ständige Rechtsprechung; VerfGH vom 30.9.2004 VerfGHE 57, 113/122; vom 17.5.2022 VerfGHE 75, 73 Rn. 101). Seine fachbezogenen Erwägungen kann der Verfassungsgerichtshof nur beanstanden, wenn sie eindeutig widerlegbar oder offensichtlich fehlerhaft sind oder der verfassungsrechtlichen Wertordnung widersprechen; das Gericht kann nicht seine eigenen Wertungen und Einschätzungen an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen (VerfGH vom 18.10.1996 VerfGHE 49, 141/149; vom 28.3.2003 VerfGHE 56, 28/47; vom 25.9.2015 VerfGHE 68, 198 Rn. 178; vom 3.12.2019 VerfGHE 72, 198 Rn. 220). Hieran gemessen bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Geeignetheit des Verbots der Übernachtungsteuer.
73
(1) Als wenig stichhaltig erweist sich insoweit der von den Antragstellerinnen erhobene Einwand, die Erhebung einer Übernachtungsteuer führe schlimmstenfalls zu einer Nachfrageverschiebung von denjenigen Gemeinden, in denen die Steuer erhoben werde, zu Nachbargemeinden ohne solche Steuer, sodass für die bayerische Tourismusbranche insgesamt ein „Nullsummenspiel“ zu erwarten sei. Dabei kann dahinstehen, ob eine solche generalisierende Betrachtungsweise dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck gerecht wird, alle in Bayern ansässigen Beherbergungsbetriebe – also auch die in den steuererhebenden Gemeinden – vor einem Anstieg der Übernachtungspreise zu schützen (LT-Drs. 18/25997 S. 1 ff.). Die nicht näher erläuterte These, die Preiserhöhung aufgrund der Steuerbelastung könne allenfalls eine ergebnisneutrale partielle Umverteilung der Nachfrage innerhalb Bayerns bewirken, besitzt jedenfalls nur geringe Plausibilität und stellt daher die gegenteilige Annahme des Gesetzgebers nicht grundlegend in Frage.
74
Dass alle Übernachtungsgäste, die den erhöhten Preis in einer steuererhebenden Gemeinde nicht zahlen könnten oder wollten, auf Unterkünfte in benachbarten Gemeinden ausweichen und damit ein weniger attraktives Umfeld sowie längere Fahrtzeiten in Kauf nehmen würden, erscheint empirisch ebenso wenig gesichert wie die Annahme, dass in den betreffenden Nachbarorten überhaupt geeignete Übernachtungsmöglichkeiten in ausreichender Zahl verfügbar wären oder in naher Zukunft geschaffen werden könnten. Angesichts der unterschiedlichen rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Voraussetzungen für die Schaffung oder Erweiterung von Beherbergungsbetrieben kann nicht generell damit gerechnet werden, dass ein etwaiger Nachfrageanstieg in den vom Fremdenverkehr bislang weniger stark geprägten Randzonen der Tourismuszentren zeitnah zu einer entsprechenden Erhöhung des Übernachtungsangebots führen würde.
75
(2) Soweit die Antragstellerinnen darüber hinaus grundsätzlich bezweifeln, dass eine Übernachtungsteuer in den steuererhebenden Gemeinden einen Rückgang der Nachfrage und damit eine Beeinträchtigung des Tourismus zur Folge haben würde, sind die dazu vorgetragenen Gründe ebenfalls nicht so gewichtig, dass damit die gegenteilige Erwartung des Gesetzgebers hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung in Frage gestellt würde.
76
(a) Bereits im Ausgangspunkt unzutreffend ist die Annahme der Antragstellerinnen, der legislative Einschätzungsspielraum bei der Beurteilung der Zwecktauglichkeit einer Gesetzesnorm werde begrenzt durch einen auf Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV beruhenden eigenständigen Prognosespielraum der Gemeinden. Diese Auffassung übersieht, dass die Selbstverwaltungsgarantie lediglich „im Rahmen der Gesetze“ besteht, sodass sich alle kommunalen Bewertungsspielräume nur innerhalb der vom Gesetzgeber gesteckten Grenzen entfalten können. Die aus dem Recht zur Selbstverwaltung folgende grundsätzliche Freiheit von staatlicher Reglementierung betrifft die Art und Weise, in der die Gemeinden ihre Aufgaben erledigen (vgl. BVerfG vom 19.11.2002 BVerfGE 107, 1/13 f.). Sie gibt ihnen nicht im Sinn eines staatlich-kommunalen Kondominiums das Recht, durch eigene Bewertungen oder Prognosen auf die Normsetzung durch die demokratisch legitimierte Legislative gestaltend einzuwirken. Den parlamentarischen Gesetzgeber trifft auch keine über die Anhörung nach Art. 83 Abs. 7 Satz 1 BV hinausgehende verfahrensrechtliche Verpflichtung oder Obliegenheit, den Gemeinden oder ihren Spitzenverbänden die empirischen Grundlagen seiner Eignungsprognosen offenzulegen.
77
Anderes ergibt sich auch nicht aus der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, die durch Zustimmungsgesetz vom 22. Januar 1987 (BGBl II 1987 S. 65) den Rang eines einfachen Bundesgesetzes gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG erlangt hat (vgl. BVerfG vom 15.12.2015 BVerfGE 141, 1 Rn. 45 ff.), sodass im Fall eines offenkundigen und inhaltlich gewichtigen Verstoßes eine Verletzung des in Art. 3 Abs. 1 BV verankerten Rechtsstaatsprinzips in Betracht käme (vgl. VerfGH vom 18.10.2023 VerfGHE 76, 322 Rn. 140 m. w. N.).
Die den Umfang der kommunalen Selbstverwaltung betreffende Bestimmung des Art. 4 Abs. 2 der Charta betont ausdrücklich, dass die kommunalen Gebietskörperschaften nur „im Rahmen der Gesetze“ („within the limits of the law“) das Recht haben, sich mit allen Angelegenheiten zu befassen, die nicht von ihrer Zuständigkeit ausgeschlossen oder einer anderen Stelle übertragen sind. Ein eigenständiger gemeindlicher Prognosespielraum, den der Gesetzgeber bei Ausübung seiner Einschätzungsprärogative zu beachten hätte, ergibt sich daraus nicht.
78
(b) Der Gesetzgeber durfte aufgrund allgemeiner Erwägungen annehmen, dass im Fall der Erhebung örtlicher Übernachtungsteuern weniger Gäste die Angebote der bayerischen Beherbergungsbetriebe wahrnehmen würden als ohne eine solche Steuer, sodass der Tourismusbranche wirtschaftliche Nachteile entstünden.
79
Die Übernachtungsteuer wird zwar von denjenigen entrichtet, die eine entgeltliche Übernachtungsmöglichkeit anbieten. Als örtliche Aufwandsteuer ist sie aber auf Überwälzung auf die Verbraucher angelegt; sie wird daher im Regelfall in die Preiskalkulation der Beherbergungsbetriebe eingestellt (BVerfGE 161, 1 Rn. 85, 130; BVerwG vom 11.7.2012 BVerwGE 143, 301 Rn. 27). Die daraus abgeleitete Annahme des Gesetzgebers, Übernachtungsteuern würden zu steigenden Übernachtungspreisen führen und sich damit nachteilig auf die Attraktivität des Tourismus in Bayern auswirken (LT-Drs. 18/25997 S. 2), kann nicht als unplausibel angesehen werden. Sie beruht auf dem in der Mikroökonomie allgemein anerkannten sog. Gesetz der Nachfrage. Dieses besagt in seiner allgemeinsten Form, dass die Nachfrage nach einem Wirtschaftsgut abnimmt, wenn sich sein Preis erhöht (vgl. www.bpb.de/kurz-knapp/lexi-ka/lexikon-der-wirtschaft/20196/nachfrage; www.bwl-lexikon.de/wiki/gesetz-der-nachfrage). Ausgehend von diesem Grundsatz durfte der Gesetzgeber zu der Einschätzung gelangen, dass die durch Übernachtungsteuern bewirkten Preissteigerungen die Nachfrage nach entgeltlichen Übernachtungen in Bayern insgesamt dämpfen und damit die Gewinnaussichten des betreffenden Wirtschaftszweigs schmälern würden. Das Verbot solcher Steuern stellt sich hiernach als geeignetes Mittel dar, um einer anderenfalls drohenden Verschlechterung der ökonomischen Rahmenbedingungen zu begegnen.
80
Die in der Popularklage zitierten Studien und Erfahrungsberichte aus dem In- und Ausland, wonach in Gemeinden mit Übernachtungsteuern ein Nachfragerückgang nicht oder zumindest nicht eindeutig feststellbar sei, lassen die gegenteilige Einschätzung des Gesetzgebers nicht als offenkundig fehlerhaft erscheinen. Wie die Antragstellerinnen selbst einräumen, könnte selbst ein fortlaufender Anstieg der Übernachtungszahlen in den steuererhebenden Gemeinden nicht die Vermutung widerlegen, dass ohne diesen zusätzlichen Kostenfaktor ein noch höherer Zuwachs zu verzeichnen gewesen wäre. Allein die Anzahl der Übernachtungen erlaubt ohnehin noch keine abschließende Bewertung der wirtschaftlichen Situation der örtlichen Tourismusbetriebe, zumal eine über die allgemeine Teuerungsrate hinausgehende Erhöhung der Übernachtungskosten die Gäste zu Einsparungen in anderen Teilbereichen des Tourismusgewerbes wie etwa bei Restaurantbesuchen und Eintrittsgeldern veranlassen könnte.
81
Die auf generellen makroökonomischen Erwägungen beruhende gesetzgeberische Prognose, dass die Erhebung von Übernachtungsteuern die Gewinne der Tourismusbranche schmälern werde, musste entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen nicht mit konkreten Zahlen belegt oder plausibilisiert werden. Der parlamentarische Gesetzgeber ist aufgrund der ihm von Verfassungs wegen zustehenden Beurteilungs- und Einschätzungsprärogative prinzipiell nicht gehalten, vor dem Erlass einer gesetzlichen Regelung statistische Erhebungen zu deren voraussichtlicher Wirksamkeit einzuholen oder eine sonstige Sachaufklärung zu betreiben (VerfGH vom 26.10.2023 VerfGHE 76, 445 Rn. 61; ebenso BVerfG vom 24.3.2021 BVerfGE 157, 30 Rn. 239 ff. m. w. N.). Einer besonderen Ermittlungs- und Begründungspflicht als Ausdruck eines ungeschriebenen Prozeduralisierungsgebots unterliegt das gesetzgeberische Handeln nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur ausnahmsweise bei der Erfüllung von in der Verfassung angelegten und durch Gesetz zu konkretisierenden Leistungsansprüchen, für deren Höhe es an quantifizierbaren Vorgaben fehlt, wie beispielsweise beim Erlass von Vorschriften zum kommunalen Finanzausgleich (VerfGHE 60, 184/218 ff. m. w. N.; vgl. auch BVerfG vom 9.2.2010 BVerfGE 125, 175/225 f. – Existenzminimum; vom 14.2.2012 BVerfGE 130, 263/301 f. – Beamtenbesoldung; vom 24.1.2023 BVerfGE 165, 206 Rn. 128 f. – Parteienfinanzierung). Um einen derartigen Fall geht es hier aber nicht, da den Gemeinden, wie oben dargelegt, kein verfassungsrechtlich verbürgter Anspruch auf Erschließung einer ganz bestimmten Steuerquelle zusteht. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber bei Regelungen zur kommunalen Finanzhoheit über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügt, ergeben sich allein noch keine prozeduralen Anforderungen in Gestalt einer speziellen Begründungspflicht (vgl. Kluth, NVwZ 2023, 648/650).
82
Ebenfalls nicht grundlegend in Frage gestellt wird die Eignung der angegriffenen Verbotsregelung durch den von den Antragstellerinnen erhobenen Einwand, dass jedenfalls in den Gemeinden mit Alleinstellungsmerkmalen, also mit einem nicht austauschbaren touristischen Angebot, eine Übernachtungsteuer die Nachfrage nicht nennenswert beeinträchtigen könne. Die Erwartung, unter den genannten Voraussetzungen werde ein steuerbedingter Anstieg der Übernachtungskosten praktisch keine Auswirkungen auf das Verbraucherverhalten haben, beruht auf der unausgesprochenen, jedoch wenig überzeugenden Prämisse, dass die Beherbergungsunternehmen es bislang versäumt oder darauf verzichtet hätten, für die angebotene Dienstleistung die nach den örtlichen Marktverhältnissen maximal erzielbaren Entgelte zu verlangen, sodass noch ein Spielraum für Erhöhungen bestehe. Auf welche empirischen Erkenntnisse sich diese – dem üblichen Verhalten von Wirtschaftsunternehmen zuwiderlaufende – Annahme stützen lässt, ist nicht ersichtlich.
83
Unabhängig davon ist der Gesetzgeber beim Erlass von Vorschriften, welche die kommunale Finanzausstattung berühren, keineswegs verpflichtet, den besonderen Verhältnissen einzelner Gemeinden durch differenzierende Regelungen oder gar durch völligen Regelungsverzicht Rechnung zu tragen (VerfGHE 60, 30/39 f.). Er darf vielmehr typisieren und generalisieren, wobei die von ihm zugrunde gelegten Beurteilungen und Einschätzungen der tatsächlichen Umstände verfassungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden können (VerfGHE 60, 184/228 m. w. N.). Auch im Popularklageverfahren kommt es hiernach auf den Regelfall an und damit auf die Auswirkungen der angegriffenen Vorschrift auf die Gesamtheit der bayerischen Kommunen, nicht auf die Situation einzelner Gemeinden (VerfGHE 60, 30/40 m. w. N.).
84
Aus dem gleichen Grund lässt sich dem landesweiten Verbot einer Übernachtungsteuer auch nicht entgegenhalten, dass es keine Gemeinde riskieren werde, durch die Erhebung einer solchen Steuer sehenden Auges einen erheblichen Schaden für die örtliche Wirtschaft zu verursachen und Arbeitsplätze zu gefährden. Der mit dem Anstieg der Übernachtungspreise verbundene nachteilige Effekt auf die ortsansässigen Tourismusbetriebe mag zwar einzelne Gemeinden von der Einführung dieses Finanzierungsinstruments abhalten. Dies bedeutet aber nicht, dass das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, die bayerische Tourismusbranche vor einer Erhöhung der Übernachtungspreise zu bewahren, auch ohne ein gesetzliches Verbot weitgehend erreicht würde. Es liegt im Ermessen der jeweiligen Gemeindevertretung, ob und in welchem Umfang sie durch die Erhebung einer Übernachtungsteuer dem Gemeindehaushalt eine neue Finanzquelle erschließt und dabei negative Auswirkungen für die heimischen Beherbergungsbetriebe in Kauf nimmt. Dass sich bei der zu treffenden Abwägungsentscheidung stets die Belange dieses einzelnen Wirtschaftszweigs gegenüber dem allgemeinen Finanzbedarf der Kommune durchsetzen würden, ist keineswegs sichergestellt. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass die Einnahmen aus der Übernachtungsteuer, die haushaltsrechtlich keiner Zweckbindung unterliegen (§ 16 Abs. 1 der Kommunalhaushaltsverordnung – Kameralistik, § 18 der Kommunalhaushaltsverordnung – Doppik), von den bayerischen Gemeinden vollständig oder auch nur überwiegend zur Tourismusförderung verwendet würden, sodass dem durch die Preiserhöhungen drohenden Nachfragerückgang durch ein attraktiveres Angebot entgegengewirkt würde. Wie die Antragstellerinnen in anderem Zusammenhang selbst vortragen, soll die Steuer in erster Linie der allgemeinen Finanzierung der Gemeinden dienen.
85
Dass das Verbot einer Übernachtungsteuer geeignet ist, die Tourismusbranche vor künftigen wirtschaftlichen Belastungen zu bewahren, wird auch nicht durch Bemerkungen in Frage gestellt, mit denen das Bundesverfassungsgericht die gegen die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Steuer erhobenen Einwände zurückgewiesen hat. In den Gründen seines Beschlusses vom 22. März 2022 wird zwar ausgeführt, es sei weder geltend gemacht worden noch angesichts der geringen Höhe der Steuern damit zu rechnen, dass die Übernachtungsteuern mittelbar einen starken Rückgang der Anzahl der Übernachtungen in den Betrieben der damaligen Beschwerdeführerinnen bewirkten oder gar ihr Geschäftsmodell gefährdeten (BVerfGE 161, 1 Rn. 146). Diese Aussage stand aber im Zusammenhang mit der Prüfung, ob in der Steuererhebung ein unverhältnismäßiger Eingriff in Grundrechte der Beschwerdeführerinnen in deren Eigenschaft als Inhaberinnen von Hotelbetrieben zu sehen war (BVerfGE 161, 1 Rn. 118 ff.). Das Bundesverfassungsgericht beurteilt die Verhältnismäßigkeit von Abgaben regelmäßig anhand der Frage, ob die Höhe der jeweiligen Geldleistungspflicht die Vermögensverhältnisse des Betroffenen so grundlegend beeinträchtigt, dass sie den Gebrauch grundrechtlich geschützter Freiheit unzumutbar erschwert oder sonst eine erdrosselnde Wirkung hat (BVerfG vom 8.4.1997 BVerfGE 95, 267/300; vom 8.7.2021 BVerfGE 158, 282 Rn. 117; vom 14.1.2025 NVwZ 2025, 400 Rn. 107). Dass die Übernachtungsteuer diese Schwelle der Verfassungswidrigkeit wegen ihrer vergleichsweise geringen Höhe nicht erreicht, bedeutet indes nicht, dass sie auf die Geschäftstätigkeit der Beherbergungsunternehmen keinerlei negative Auswirkungen hätte. Um den Ausschluss solcher unterhalb der Erdrosselungsgrenze liegenden wirtschaftlichen Erschwernisse ging es aber dem bayerischen Gesetzgeber mit der angegriffenen Verbotsregelung.
cc) Das Übernachtungsteuerverbot ist auch erforderlich.
Das Gebot der Erforderlichkeit ist verletzt, wenn das Ziel der angegriffenen Regelung auch durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreicht werden kann, das die betroffenen verfassungsrechtlichen Rechtspositionen nicht oder weniger stark einschränkt. Unter mehreren gleich gut geeigneten Mitteln muss der Normgeber das am wenigsten belastende auswählen. Ihm steht dabei allerdings ein Beurteilungsspielraum zu, er muss keine Unsicherheiten hinsichtlich der Wirksamkeit des Mittels in Kauf nehmen. Die Beurteilung der Erforderlichkeit unterliegt dabei in tatsächlicher Hinsicht einer Einschätzungsprärogative des Normgebers, die sich vor allem darauf bezieht, die Wirkung der gewählten Maßnahme im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren (vgl. VerfGHE 57, 113/122; VerfGH vom 23.11.2020 VerfGHE 73, 326 Rn. 54; vom 27.9.2023 VerfGHE 76, 291 Rn. 86).
86
Der bayerische Gesetzgeber hat zu Recht angenommen, dass kein in die Finanzhoheit der Gemeinden weniger stark eingreifendes Regelungsinstrument zur Verfügung steht, mit dem sich der verfolgte Zweck ebenso effektiv erreichen ließe wie mit dem Verbot der Übernachtungsteuer. Die von den Antragstellerinnen insoweit erhobenen Einwände greifen nicht durch.
87
Die als Alternative vorgeschlagene gesetzliche Beschränkung der Übernachtungsteuer auf einen maximal zulässigen Steuersatz z. B. in Höhe von vier oder fünf Prozent wäre zwar ein milderes Mittel als das generelle Verbot, da den Gemeinden damit die grundsätzliche Möglichkeit zur Einführung einer solchen Steuer verbliebe. Das mit der generellen Verbotsregelung verfolgte Ziel, die Beherbergungsbetriebe in Bayern allgemein vor den mit Übernachtungsteuern verbundenen wirtschaftlichen Nachteilen zu bewahren, lässt sich dadurch aber nicht in gleicher Weise erreichen. Der Gesetzgeber muss sich in Anbetracht der ihm zustehenden Einschätzungsprärogative auch nicht darauf verweisen lassen, dass es bei der Beurteilung der negativen Auswirkungen für die Tourismusbranche keinen ins Gewicht fallenden Unterschied zwischen einer in der Höhe begrenzten Übernachtungsteuer und dem völligen Verbot einer solchen Steuer gebe.
88
Der als weitere Alternative vorgeschlagene Genehmigungsvorbehalt – ähnlich dem nach Art. 2 Abs. 3 Satz 1 KAG – stellt die Erforderlichkeit des Übernachtungsteuerverbots ebenfalls nicht in Frage. Auch darin läge lediglich ein milderes, nicht aber ein in gleicher Weise geeignetes Mittel. Die nach einer Einzelfallprüfung für bestimmte Gemeinden eröffnete Möglichkeit, eine Übernachtungsteuer einzuführen, liefe dem erklärten Ziel des Gesetzgebers zuwider, der bayerischen Tourismusbranche jegliche aus einem Anstieg der Übernachtungspreise resultierende Belastung zu ersparen. Diesen Zweck kann ein bloßes Genehmigungserfordernis, das eine gemeindespezifische Prognose der Auswirkungen der Steuer auf die örtliche Tourismuswirtschaft verlangen würde, nicht ebenso wirksam erfüllen wie ein flächendeckendes gesetzliches Verbot (vgl. VerfGHE 45, 33/45 f.).
89
dd) Das Übernachtungsteuerverbot ist auch verhältnismäßig im engeren Sinn, es greift nicht in unzumutbarer Weise in die Finanzhoheit der Gemeinden ein.
90
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinn verlangt, dass die von einer staatlichen Regelung ausgehende Beeinträchtigung grundrechtlicher oder sonstiger verfassungsrechtlich geschützter Rechtspositionen nicht in einem unangemessenen Verhältnis zu den damit verfolgten Gemeinwohlzwecken steht. Um bewerten zu können, ob das so verstandene Übermaßverbot eingehalten ist, müssen im Rahmen einer umfassenden Abwägung die Reichweite und das Gewicht des Rechtseingriffs der Bedeutung der getroffenen Regelung und den damit verfolgten öffentlichen Interessen gegenübergestellt werden (vgl. VerfGH vom 17.5.2022 VerfGHE 75, 73 Rn. 108; vom 13.3.2025 BayVBl 2025, 552 Rn. 161). Die danach gebotene Abwägung zwischen dem durch das Übernachtungsteuerverbot bewirkten Verlust einer möglichen gemeindlichen Steuerquelle und dem mit der Regelung verfolgten Zweck der Förderung des Tourismus in Bayern führt zu dem Ergebnis, dass keine unzumutbare Beschränkung der kommunalen Finanzhoheit vorliegt.
91
(1) Der Gesetzgeber durfte es als ein gewichtiges Gemeinwohlinteresse ansehen, die bayerischen Beherbergungsbetriebe vor einem – von ihnen nicht beeinflussbaren – zusätzlichen Kostenfaktor in Gestalt einer bislang nicht erhobenen Aufwandsteuer zu schützen. Durch die Erhebung einer Steuer auf entgeltliche Übernachtungen verringert sich für die gewerblichen Anbieter dieser Dienstleistung der für eine erfolgreiche wirtschaftliche Betätigung benötigte finanzielle Spielraum, auch wenn sich die Mehrkosten auf die Übernachtungsgäste abwälzen lassen. Ein infolge steuerlich bedingter Preiserhöhungen drohender Rückgang der Besucherzahlen kann sich über die unmittelbar betroffenen Beherbergungsbetriebe hinaus auf eine Vielzahl touristischer Angebote auswirken und damit diesen wichtigen Wirtschaftszweig spürbar beeinträchtigen. Dem Tourismus kommt im Freistaat Bayern eine erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung zu. Touristen gaben im Jahr 2024 für Güter und Dienstleistungen 47,5 Mrd. € aus, 548.400 Einwohner erwirtschafteten ihr Einkommen im Zusammenhang mit Tourismus, die 11.666 Beherbergungsbetriebe mit zehn und mehr Betten machten fast ein Viertel der Beherbergungskapazität Deutschlands aus (www.stmelf.bayern.de/tourismus/ tourismus-in-bayern-2024/index.html).
92
Da das Tourismusgewerbe in Bayern weitgehend durch kleine und mittlere Betriebe geprägt ist, kann sich der Gesetzgeber bei der getroffenen Regelung auch auf den in Art. 153 Satz 1 BV enthaltenen Schutz- und Förderauftrag berufen. Aus diesem lässt sich ungeachtet seiner Rechtsnatur als bloßer Programmvorschrift (Lindner in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 153 Rn. 2) zumindest eine verfassungsrechtlich legitime Zwecksetzung im Sinn einer verfassungsunmittelbaren Direktive für den Gesetzgeber ableiten (Lindner, a. a. O., Vor Art. 151 Rn. 3 ff.). Dem in der genannten Verfassungsbestimmung formulierten Ziel, die selbstständigen Klein- und Mittelstandsbetriebe zu fördern und gegen Überlastung zu schützen, kann auch ein Gesetz dienen, mit dem eine als gefährdet angesehene Branche vor künftigen Kostensteigerungen durch eine neuartige kommunale Steuer bewahrt werden soll.
93
(2) Verglichen mit diesem legitimen staatlichen Interesse an der Förderung eines wichtigen Wirtschaftszweigs wiegt die in dem Übernachtungsteuerverbot liegende Beschränkung der gemeindlichen Finanzhoheit insgesamt weniger schwer.
94
(a) Kein eigenständiges Gewicht besitzt dabei der von den Antragstellerinnen angeführte Umstand, dass die demokratisch gewählten Stadt- und Gemeinderäte in Bayern mit dem Verbot dieser speziellen Steuer einen Teil ihrer abgabenrechtlichen Gestaltungsbefugnisse verlören. Die in Art. 11 Abs. 2 Satz 2, Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV garantierte gemeindliche Finanzhoheit besteht, wie dargelegt, von vornherein nur „im Rahmen der Gesetze“ und vermittelt den Gemeinden kein Recht auf Erschließung ganz bestimmter Steuerquellen. Bei den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern kommt hinzu, dass insoweit gemäß Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG den Bundesländern das originäre Steuerfindungsrecht zusteht, sodass es von der Entscheidung des Bayerischen Landtags abhängt, in welchem Umfang diese Kompetenz auf die Gemeinden delegiert wird. Die gesetzliche Vorenthaltung bestimmter Steuerarten führt daher auch nicht zu einer Entwertung oder Aushöhlung des sich im Wahlrecht nach Art. 11 Abs. 2 Satz 2, Art. 12 Abs. 1 BV manifestierenden Anspruchs der Gemeindebürger auf demokratische Selbstbestimmung, wie dies unter Umständen bei einer Übertragung elementarer Hoheitsrechte auf eine höhere Ebene der Fall sein kann (vgl. dazu VerfGHE 71, 59 Rn. 103 ff. m. w. N.; BVerfG vom 23.11.1988 BVerfGE 79, 127/150 f.).
95
Eine faktische Abschaffung der gemeindlichen Abgabesatzungsbefugnis, auf die sich die Antragstellerinnen auch in diesem Zusammenhang berufen, ergibt sich aus dem Verbot der Übernachtungsteuer nicht. Von einem so tiefgreifenden und damit den Kernbereich der kommunalen Finanzhoheit berührenden Eingriff kann, wie bereits dargelegt, beim bloßen Ausschluss einer einzelnen Steuerart zumindest solange keine Rede sein, wie die Gemeinden noch andere ertragreiche Aufwandsteuern erheben können. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das angegriffene Verbot nicht auf eine bereits in Anspruch genommene Steuerquelle abzielt, sondern die Erschließung eines neuen Finanzierungsinstruments verhindern soll, das den gemeindlichen Haushalten zusätzliche Mittel zuführen soll. Dass mit diesen Geldern auch die örtliche Wirtschaft gefördert oder die touristische Attraktivität des Orts erhöht werden könnte, muss hier schon deswegen außer Betracht bleiben, weil die durch Aufwandsteuern erzielten Einnahmen keiner rechtlichen Zweckbindung unterliegen.
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(b) In dem Hinweis der Antragstellerinnen auf die infolge der Corona-Pandemie eingetretene schwierige Haushaltslage vieler bayerischer Gemeinden liegt ebenfalls kein gewichtiger Grund für die Zulässigkeit einer Übernachtungsteuer. Sollte die Einführung einer solchen Steuer, wie vom Gesetzgeber prognostiziert, zu einer Beeinträchtigung der örtlichen Tourismuswirtschaft führen, müsste sich dies auch negativ auf das den Gemeinden nach Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG zustehende Gewerbesteueraufkommen auswirken, sodass die kommunalen Haushalte im Ergebnis keinen oder allenfalls einen geringen Zuwachs zu erwarten hätten. Denn je höher der Steuersatz festgelegt werden würde, um die Finanzlage einer Gemeinde zu verbessern, desto stärker würde dies die Gewinnaussichten der betroffenen Beherbergungsunternehmen schmälern. In Anbetracht dieser Wechselwirkung musste die Verbotsvorschrift auch keine Härtefallregelung für Gemeinden mit besonders angespannter Haushaltslage enthalten.
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Für die verfassungsrechtliche Bewertung des Übernachtungsteuerverbots hat der Verweis auf die gegenwärtig bestehenden Finanzierungslücken in den kommunalen Haushalten auch deshalb nur ein geringes Gewicht, weil die Verfassung für dieses generelle Problem einen anderen Lösungsweg vorsieht. Den Gemeinden steht ein schon in Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV angelegter (vgl. VerfGHE 60, 30/38) und seit 2014 in Art. 83 Abs. 2 Satz 3 BV ausdrücklich kodifizierter Anspruch auf eine angemessene Finanzausstattung zu. Danach hat der Staat die finanzielle Mindestausstattung so zu bemessen, dass die Kommunen in die Lage versetzt werden, alle ihre Aufgaben zu erfüllen, also neben den Pflichtaufgaben auch freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben zu übernehmen (LT-Drs. 16/15140 S. 9). Bei der Erfüllung dieses Anspruchs auf angemessene Finanzausstattung steht dem Gesetzgeber allerdings ein weiter normativer Entscheidungsspielraum zu (Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 83 Rn. 55 m. w. N.); die Gemeinden können daraus kein Recht auf Zuweisung bestimmter Einnahmequellen oder auf unveränderten Fortbestand bisheriger Regelungen ableiten (LT-Drs. 16/15140 S. 9). Erhalten sie neben den Einnahmen aus der Gewerbe- und Grundsteuer sowie aus ihrem Anteil an der Einkommen- und Umsatzsteuer noch ausreichende staatliche Zuwendungen z. B. nach dem Bayerischen Finanzausgleichsgesetz, so ist damit der Anspruch aus Art. 83 Abs. 2 Satz 3 BV auf eine angemessene Finanzausstattung erfüllt.
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(c) Zutreffend verweisen die Antragstellerinnen allerdings auf die Tatsache, dass es sich bei der Übernachtungsteuer um eine potenziell besonders ertragreiche Steuerart handelt. In den Städten und Gemeinden, die eine hohe Zahl von Übernachtungen aufweisen, könnte selbst ein vergleichsweise geringer Steuersatz von wenigen Euro zu ganz erheblichen Einnahmen führen, mit denen das Gesamtvolumen der in den bayerischen Gemeinden bisher erhobenen örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern (ca. 102 Mio. € im Jahr 2024, www.statistik.bayern.de/mam/ produkte/veroffentlichungen/statistische_berichte/l2200c_202444.pdf, S. 10) erheblich gesteigert, in einzelnen Gemeinden sogar vervielfacht werden könnte. So erwartet etwa die Antragstellerin zu 1 bei einem Steuersatz von 5 € pro Übernachtung auf der Grundlage der in den zurückliegenden Jahren registrierten Gästezahlen einen um das mindestens Achtfache höheren Ertrag als aus der Zweitwohnungssteuer als der bisher ertragreichsten örtlichen Aufwandsteuer. Unter diesem Blickwinkel liegt in dem Verbot der Übernachtungsteuer eine gravierende Beschränkung des Rechts der Gemeinden zur selbstständigen Erschließung neuer
Finanzierungsquellen. Das Gewicht dieses Eingriffs relativiert sich aber bei einem Blick auf die Gesamteinnahmen der bayerischen Städte und Gemeinden. Selbst wenn man dabei die verschiedenen staatlichen Zuwendungen z. B. nach dem Bayerischen Finanzausgleichsgesetz unberücksichtigt lässt und nur die Gemeindesteuern betrachtet, stellen bei einem Gesamtertrag von ca. 25,6 Mrd. € die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern mit ca. 102 Mio. € nur einen ganz geringen Anteil von knapp 0,4 Prozent dar (www.statistik.bayern.de/mam/produkte/ veroffentlichungen/statistische_berichte/l2200c_202444.pdf, S. 10). Auch wenn sich dieser Wert durch eine zumindest in den Touristenhochburgen erhobene Übernachtungsteuer deutlich steigern ließe, wären die Auswirkungen auf die kommunale Finanzwirtschaft jedenfalls insgesamt nicht so gewichtig, dass der vom Gesetzgeber mit der Verbotsregelung im Interesse der bayerischen Tourismuswirtschaft verfolgte Förderzweck dahinter verfassungsrechtlich zwingend zurücktreten müsste.
VI.
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Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).