Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 08.07.2025 – AN 11 K 21.01656
Titel:

Nichtbestehensfeststellung, Scheinehe

Normenketten:
FreizügG/EU § 2 Abs. 4
FreizügG/EU § 7
Schlagworte:
Nichtbestehensfeststellung, Scheinehe
Fundstelle:
BeckRS 2025, 31385

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung des Nichtbestehens des Rechts auf Einreise und Aufenthalt und begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihm wieder eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
2
Der Kläger ist indischer Staatsangehöriger und reiste am 9. Juni 2015 mit einem italienischen Schengen-Visum des Typs C, das am 26. Mai 2015 von der italienischen Botschaft in … ausgestellt worden ist und eine Gültigkeit vom 5. Juni 2015 bis 18. August 2015 aufwies, in das Bundesgebiet ein. Als Aufenthaltszweck war abhängige Beschäftigung angegeben.
3
Am … heiratete der Kläger in Dänemark vor dem Standesamt die rumänische Staatsangehörige …, worüber ein dänischer Trauschein ausgestellt wurde.
4
Am 3. August 2015 reiste der Kläger wieder in das Bundesgebiet ein. Am 4. August 2015 beantragte der Kläger bei der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt … die Erteilung einer Aufenthaltskarte als drittstaatsangehöriger Familienangehöriger einer Unionsbürgerin, wobei der Kläger u.a. die Bevollmächtigung der …, eine Gewerbeanmeldung der Ehefrau zur Ausübung des Gebäudereinigerhandwerks, mehrere Lohnabrechnungen der Firma … für die Ehefrau für August, Oktober und November 2015, mehrere Lohnabrechnungen der Firma … indisches Spezialitätenrestaurant … für den Kläger sowie einen Mietvertrag über eine Wohnung in … einreichte.
5
Am 8. Dezember 2015 bestätigten der Kläger und seine Ehefrau gegenüber der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt …, in familiärer Lebensgemeinschaft zusammenzuleben und auch keine (unangemeldeten) anderen Wohnsitze zu haben.
6
Am 15. Dezember 2015 erteilte die Landeshauptstadt … dem Kläger antragsgemäß eine Aufenthaltskarte für drittstaatsangehörige Familienangehörige einer Unionsbürgerin mit einer Geltungsdauer bis 27. November 2018.
7
Mit Schreiben vom 24. Februar 2016 teilte die Landeshauptstadt … der Kriminalpolizei … den Sachverhalt wegen des Verdachts eines Vergehens nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 FreizügG/EU, unrichtige bzw. unvollständige Angaben bezüglich des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft zur Erlangung eines Aufenthaltstitels, mit.
8
In diesem Zusammenhang suchten Polizeibeamte am 17. Mai 2016 das Anwesen … in … auf. Dort befragten die Beamten den Inhaber des in diesem Anwesen eingerichteten indischen Lokals zum Kläger und seiner Ehefrau. Der Lokalinhaber konnte die Eheleute anhand einer Lichtbildvorlage nicht wiedererkennen, obwohl nach seinen Angaben nahezu alle Hausbewohner dieses Anwesens für eine seiner Gaststätten tätig oder tätig gewesen seien. Auch der Vermieter der … Wohnung sagte aus, der Betroffene habe nur ein paar Mal bei ihm genächtigt; die Ehefrau des Betroffenen habe er nie gesehen, er kenne sie nicht und sie habe auch nie in dem besagten Anwesen gewohnt.
9
Am 15. April 2016 meldeten sich der Kläger und seine Ehefrau im Zuständigkeitsbereich der Stadt … für das Anwesen … an.
10
Zum 21. Juni 2016 wurde die Ehefrau des Klägers von Amts wegen ins Ausland abgemeldet.
11
Am 1. November 2016 meldete sich der Kläger für das Anwesen …, an.
12
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2016 eröffnete das Landratsamt … dem Kläger über seine damalige Prozessbevollmächtigte die Absicht, eine Nichtbestehensfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU erlassen zu wollen mit der Begründung, die Ehefrau des Klägers sei nicht mit in den Landkreis … verzogen und halte sich seit dem 21. Juni 2016 nicht mehr in Deutschland auf. Es wurde hierzu rechtliches Gehör gewährt.
13
Am 8. Dezember 2016 teilte die Stadt … dem Landratsamt … mit, dass sich der Kläger wohl mit seiner Ehefrau bereits am 21. November 2016 nach … in das dortige Anwesen … gemeldet habe. Eine Nichtbestehensfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU wurde daraufhin nicht weiterverfolgt.
14
Ausweislich der Wohnungsgeberbescheinigung vom 21. November 2016 sind der Kläger und seine Ehefrau in das genannte Anwesen in … zum 21. November 2016 eingezogen.
15
Ausweislich eines Schlussberichts der Kriminalpolizeiinspektion … vom 20. Dezember 2016 wegen des Verdachts einer Scheinehe nach § 9 Abs. 1 FreizügG/EU war die Meldeanschrift des Klägers und seiner Ehefrau in … polizeilich überprüft worden. Dabei wurde festgestellt, dass die Eheleute dort seit mindestens einem halben Jahr nicht mehr wohnten. Es konnte über den Kläger der Folgewohnort in … ermittelt werden. Eine Überprüfung der Meldeanschrift in … ergab, dass dort lediglich der Kläger als wohnhaft gemeldet war. Weder am Klingelschild noch am Briefkasten konnte der Name … bzw. … festgestellt werden. Eine Befragung des Geschäftsführers des Restaurants „…“ in … ergab, dass der Kläger dort vom 15. April 2016 bis 15. Juni 2016 gearbeitet habe und dann in den Bereich … verzogen sei. Die Ehefrau des Klägers solle sich in Rumänien aufhalten bis der Kläger eine Wohnung für beide gefunden habe. Am 6. Dezember 2016 wurde der Kläger mit seiner Ehefrau im Restaurant „…“ in …, dem damaligen Beschäftigungsort des Klägers, angetroffen. Es wurde festgestellt, dass der Kläger und seine Ehefrau in der … gemeldet sind. Zusammenfassend wurde festgestellt, dass die Ehefrau des Klägers erst nach Aufenthaltsermittlungen, Befragungen der Nachbarn sowie Aufsuchen der Arbeitsstellen des Klägers am 6. Dezember 2016 in … angetroffen werden konnte. Im Ermittlungszeitraum sei den ermittelnden Beamten jeweils die Auskunft gegeben worden, die Ehefrau des Klägers befände sich in Rumänien.
16
Einem Anzeigenauszug des Kriminalfachdezernats * …, …, lässt sich entnehmen, dass es bei der Landeshauptstadt … mehrere Verdachtsfälle von „Scheinehen“ zwischen indischen Staatsangehörigen und rumänischen Unionsbürgern gegeben hat, diesbezüglich umfangreiche Ermittlungen angestellt wurden und dabei eine Art kombinierten Vorgehens mit einer Rechtsanwältin … einerseits und einer Firma … andererseits als Kulminationspunkte eines Netzwerks entsprechender Fälle herauskristallisiert werden konnte.
17
Auf eine Vorladung der Ehefrau des Klägers durch die Beklagte vom 28. April 2017, die nur dem Ehemann am 18. Mai 2017 gegen Empfangsbekenntnis ausgehändigt werden konnte, reagierte die Kanzlei …, per Faxschreiben vom 30. Mai 2017 mit dem Hinweis, gegen die Ehefrau sei aktuell ein Strafverfahren anhängig. Es sei Anklage erhoben worden, eine Erörterung der Sache werde daher nicht erfolgen. Die verlangten Dokumente würden jedoch eingereicht werden.
18
Am 31. Mai 2017 reichte der Kläger seine Lohnzettel über sein Beschäftigungsverhältnis im Restaurant „…“ … ein sowie den Mietvertrag über eine Wohnung im Anwesen … Auf diesem waren sowohl der Kläger als auch dessen Ehefrau genannt. Vertragsschluss war der 21. November 2016. Zur Niederschrift gab der Kläger an, seine Ehefrau sei am 2. Mai 2017 mit dem Bus nach … ausgereist, um ihre kranke Mutter zu sehen. Sie werde aber auf Verlangen der Beklagten wieder nach Deutschland einreisen. Seine Ehefrau habe von September bis November 2015 und sodann von Januar bis März/April 2016 in … als Reinigungskraft gearbeitet. Seit April 2016 pendele sie zwischen Deutschland und Rumänien. Im November und Dezember 2016 sei sie in Rumänien gewesen. Der Kläger selbst habe von August 2015 bis Februar 2016 in … im Restaurant „…“ gearbeitet, danach von März 2016 bis April 2016 im … Restaurant „…“ und schließlich seit Mai 2016 im … Restaurant „…“.
19
Am 21. Juni 2017 wurden beide Ehegatten von der Beklagten unter Zuhilfenahme von Übersetzern und nach Belehrung über die strafrechtlichen Folgen unrichtiger oder unvollständiger Angaben detailliert zum Kennenlernen, zur Eheschließung, zum jeweils anderen Ehegatten, zur eigenen Person sowie zum Zusammenleben befragt. Beide Ehegatten willigten jeweils ein, Angaben zu machen. Die Beklagte hielt abschließend fest, dass der Kläger den Fragen des Öfteren auswich und nicht vollständig oder widersprüchlich geantwortet habe. Die Frage über gemeinsame Zukunftspläne habe der Kläger mit einem Wunsch, Geld zu sparen und ein eigenes Restaurant zu eröffnen, beantwortet. Die Ehefrau sei hierbei nicht erwähnt worden. Des Öfteren habe der Kläger erwähnt, dass er immer gearbeitet habe und weiterhin arbeiten möchte. Es sei deshalb anzunehmen, dass der Kläger ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen in Deutschland sei. Der Kläger sei seit der Einreise tatsächlich größtenteils erwerbstätig gewesen, trotzdem habe er angegeben, dass beide nicht viel Geld hätten und es deshalb keine Hochzeitsfeier, keine Flitterwochen, keine sonstigen Urlaube und auch keine Geburtstagsgeschenke gegeben habe. Nach Aussage des Klägers sei die Ehefrau des Öfteren in Rumänien, um sich um ihre Mutter zu kümmern. Jedoch habe der Kläger weder etwas über deren Familienangehörige noch, ob sie überhaupt außer der Mutter solche habe, angeben können. Er wisse auch nicht, wo sie dort genau wohne, geschweige denn, ob sie dort einen Internetanschluss habe. Zur Befragung der Ehefrau habe sich ergeben, dass diese auffällig einfach gestrickt, Analphabetin und zudem sehr naiv sei. Sie habe so gut wie kein Datum bzw. keine Zeitangabe nennen können. Weder wie lange sie in Deutschland lebt, wie lange ihr Ehemann in Deutschland lebt, wann sie sich kennengelernt haben, wie lange sie bis zur Eheschließung eine Beziehung führten noch wann die Eheschließung erfolgte, habe sie benennen können. Den Familiennamen ihres Ehemanns habe man ihr vorsagen müssen. Zudem habe sie ihre Adresse in … nicht gekannt. Es habe deshalb umso mehr verwundert, dass sie das Geburtsdatum ihres Ehemanns habe nennen können. Dies habe sehr aufgesetzt und auswendig gelernt gewirkt. Da weder die Eltern, die Geschwister noch sonstige Bekannte der Ehefrau in Deutschland leben, erscheine es aufgrund ihrer offensichtlichen Beschränktheit sehr unwahrscheinlich, dass die Ehefrau alleine nach Deutschland ausgewandert sei. Es sei vielmehr der Eindruck entstanden, dass Frau … auf Vermittlung, speziell zur Eheschließung, in das Bundesgebiet verbracht und am Hauptbahnhof … von ihrem jetzigen Ehemann, dem Kläger, in Empfang genommen worden sei. Hierfür spreche auch, dass sie nicht über einen Wohnsitz im Bundesgebiet verfügte und direkt nach dem zweiten Treffen bei ihrem Mann untergekommen sei. Das Ehepaar sei bereits seit knapp zwei Jahren verheiratet, spreche bis heute jedoch keine gemeinsame Sprache und unterhalte sich größtenteils mit Händen und Füßen. Es sei der Eindruck entstanden, dass keine schützenswerte eheliche Lebensgemeinschaft vorliege und die Ehe nur zur Verschaffung eines Aufenthaltsrechts geschlossen worden sei. Es habe auch hinsichtlich des Zusammenlebens vor der Hochzeit Abweichungen gegeben. So habe der Kläger lediglich von wenigen Tagen gesprochen, Frau … hingegen habe angegeben, bereits ab dem zweiten Treffen in die Wohnung des Klägers in … eingezogen zu sein. Allerdings habe der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch gar keinen Wohnsitz in … gemeldet gehabt, da er sich lediglich mit einem italienischen Schengen-Visum zu Besuch im Bundesgebiet aufgehalten habe. Als Fazit wurde festgehalten, dass das Ergebnis der Befragung eindeutig sei, nämlich, dass die Eheleute die Ehe alleine zu dem Zweck geschlossen hätten, dem Kläger ein Bleiberecht in Deutschland zu verschaffen. Es sei auszuschließen, dass ein Ehepaar, das bereits seit fast zwei Jahren verheiratet sei, nichts über den jeweils anderen und über dessen Familie wisse. Sämtliche Angaben des täglichen Lebens und hinsichtlich gemeinsamer Aktivitäten seien voneinander abgewichen. Es sei darüber hinaus nicht vorstellbar, wie sich zwei Fremde, die sich vorher nicht kannten oder je gesehen hatten, ohne eine gemeinsame Sprache zu sprechen, am Hauptbahnhof ansprechen haben können, daraufhin „kennenlernten“ und beschlossen haben sollen, die Ehe zu schließen. Es liege der Verdacht nahe, dass die Ehefrau ausschließlich zur Vermittlung, nämlich dem Treffen und der anschließenden Eheschließung, in das Bundesgebiet eingereist sei. Weder hätten sich Verwandte der Ehefrau in Deutschland aufgehalten noch habe sie vorher einen Wohnsitz oder irgendeine Beziehung zur Bundesrepublik Deutschland gehabt. Der Verdacht, der bereits in den Ermittlungen dokumentiert worden sei, nämlich, dass sich die Ehefrau womöglich nur in Rumänien aufhalte und ausschließlich zu Behördenterminen nach Deutschland einreise, werde durch die Befragung noch einmal untermauert. Sie habe zwar anfangs eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und sei ein paar Monate beschäftigt gewesen, jedoch habe sie sich seit ihrer Arbeitslosigkeit im März 2016 nie als arbeitssuchend beim Arbeitsamt gemeldet und sei auch nie beim Jobcenter vorstellig geworden. Es sei nichts ersichtlich, anhand dessen man davon ausgehen könnte, dass die Ehefrau in Deutschland wohnen würde. Es sei auszuschließen, dass die Ehefrau mit dem Kläger in einer gemeinsamen Wohnung wohne. Übereinstimmungen gebe es hinsichtlich des Kennenlernens, allerdings nur im Hinblick auf das erste Treffen. Auf die Befragung im Einzelnen wird Bezug genommen (Bl. 185 ff. der Behördenakte).
20
Mit Schreiben vom 29. Juni 2017 gab die Beklagte dem Kläger ihre Absicht zur Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU, des Erlasses einer Ausreiseaufforderung sowie Abschiebungsandrohung bekannt und gewährte hierzu rechtliches Gehör.
21
Der Klägerbevollmächtigte regte mit Faxschreiben vom 21. Juli 2017 an, bis zum Abschluss der Strafsache abzuwarten, die gegen den Kläger beim Amtsgericht … anhängig und auf den 4. September 2017 geladen sei.
22
Mit vier Schreiben vom 2. August 2017 teilte die Beklagte der Ehefrau des Klägers sowie dem Kläger deren jeweils beabsichtigte Feststellung des Verlusts des Rechts auf Freizügigkeit, Erlass einer Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU mit und gab Gelegenheit zur Stellungnahme bis 16. August 2017.
23
Nach erfolgter Akteneinsicht wies der ehemalige Klägerbevollmächtigte mit Faxschreiben vom 12. September 2017 darauf hin, dass die Ehefrau des Klägers dank dessen Erwerbstätigkeit familienversichert sei, der Kläger Unterhalt gewähre und deshalb keine Sozialleistungen bezogen würden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die Ehefrau weiterhin freizügigkeitsberechtigt sei.
24
Das Strafverfahren gegen den Kläger und seine Ehefrau wurde mit Beschluss des Amtsgerichts … am 16. April 2018 gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt.
25
Am 22. März 2018 beantragte der Kläger die Übertragung seiner Aufenthaltskarte bei der Beklagten. Die Ehegatten erklärten jeweils unterschriftlich, im Anwesen …, einen gemeinsamen Hausstand zu führen und in ehelicher Lebensgemeinschaft zu leben. Weitere Wohnsitze seien nicht gegeben, ein Ehescheidungsverfahren nicht anhängig. Die Ehefrau reichte einen Arbeitsvertrag ein, aus dem hervorging, dass sie im Restaurant „…“ … seit 1. Oktober 2017 befristet für sechs Monate als Putzfrau für 450,00 EUR monatlich beschäftigt sei, zudem Lohnabrechnungen für die Zeit von Dezember 2017 bis Februar 2018. Der Kläger reichte für sein eigenes Arbeitsverhältnis im selben indischen Restaurant Lohnbescheinigungen für dieselbe Zeitspanne ein. Auch der vom Kläger und dessen Ehefrau unterschriebene Mietvertrag über die Wohnung im Anwesen …, wurde nochmals vorgelegt.
26
Die Übertragung der Aufenthaltskarte erfolgte sodann am 26. April 2018.
27
Mit Schreiben vom 2. Oktober 2018 teilte die Beklagte dem Kläger die beabsichtigte Feststellung des Verlusts des Rechts auf Freizügigkeit, Erlass einer Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU mit und gab Gelegenheit zur Stellungnahme bis 16. Oktober 2018.
28
Der ehemals Bevollmächtigte trat per Faxschreiben vom 12. Oktober 2018 dem Vorhalt der Beklagten vom 2. Oktober 2018 entgegen, der Kläger habe seine Ehefrau nur zum Erreichen eines Aufenthaltsrechts für die Bundesrepublik Deutschland geheiratet. Die Ehefrau sei als Arbeitnehmerin freizügigkeitsberechtigt und das Ergebnis der zeitgleichen Ehegattenbefragung in formaler Hinsicht wertlos, weil eine Verständigung zwischen den Ausländern und Befragern aufgrund nicht nachgewiesener Qualifikation der hinzugezogenen Sprachmittler nicht rechtssicher möglich gewesen sei.
29
Der Klägerbevollmächtigte war zum 2. Oktober 2018 ebenfalls zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert worden, erbat aber mit Schreiben vom 11. Oktober 2018 nur die Verlängerung der Äußerungsfrist bis 31. Oktober 2018, ohne sich bis dahin zu äußern.
30
Am 20. November 2018 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Verlängerung seiner Aufenthaltskarte. Zur Vorlage kam ein weiteres Mal der Mietvertrag über die Wohnung im Anwesen …, mit dem Vertragszusatz vom 30. Oktober 2017, dass der Mietvertrag bis zum 30. November 2019 verlängert werde. Der Vertragszusatz trägt die Signaturen des Klägers und wohl auch seiner Ehefrau. Ferner wurden eingereicht der Arbeitsvertrag des Klägers mit dem indischen Restaurant „…“ …, eine Arbeitsbescheinigung für die Ehefrau des Klägers, die dort seit 15. Juli 2018 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als Aushilfe zu 450,00 EUR brutto beschäftigt sei, aber unter einer sechsmonatigen Probezeit stünde, drei Lohnbescheinigungen des Klägers für August, September und Oktober 2018 sowie der Ehefrau des Klägers für denselben Zeitraum.
31
Mit Schreiben vom 20. November 2018 erhielt der Kläger eine ausländerbehördliche Bescheinigung der Beklagten über die beantragte Verlängerung seines Aufenthaltstitels.
32
Mit Faxschreiben vom 11. Januar 2019 wurde mitgeteilt, dass die Ehefrau des Klägers schwanger sei und voraussichtlich am 10. Februar 2019 entbinden werde. Zur Vorlage kam eine Kopie des Mutterpasses der Ehefrau des Klägers. Des Weiteren wurden Lohnabrechnungen der Ehefrau des Klägers über deren Arbeitsverhältnis beim Restaurant „…“ in … für November 2018 und Dezember 2018, jeweils mit einem Gesamtbrutto von 450,00 EUR, vorgelegt. Der Kläger reichte für sein Arbeitsverhältnis bei demselben Restaurant Lohnabrechnungen für denselben Zeitraum ein. Ebenfalls eingereicht wurde ein Zertifikat des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 8. April 2019 über die erfolgreiche Teilnahme des Klägers am Integrationskurs und den Abschlusstests nach § 17 Abs. 2 Integrationskursverordnung.
33
Im Rahmen einer Vorsprache vom 13. Mai 2019 wies der Kläger nach, den Integrationskurs in beiden Teilen absolviert und in beiden Teilen die jeweiligen Prüfungen bestanden zu haben. Er erklärte ferner, das Kind sei am … 2019 in Rumänien geboren worden und lebe auch dort bei den Großeltern. Der Kläger wurde aufgefordert, die gesamten Lohnabrechnungen der Ehefrau aus den Jahren 2018 und 2019 sowie die Geburtsurkunde des Kindes mit deutscher Übersetzung vorzulegen.
34
Mit Faxschreiben vom 21. November 2019 teilte der Klägerbevollmächtigte im Wesentlichen mit, dass für eine Nichtbestehensfeststellung kein Raum sei, denn es handele sich höchstens um eine gescheiterte Ehe, aber keine Scheinehe zum Vermitteln eines Aufenthaltsrechts. Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Ehe nicht geschieden; der Kläger habe bislang auch keine Kenntnis davon, dass ein Scheidungsverfahren anhängig sei. Es sei zu prüfen, ob dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG wegen eigenständigen Aufenthaltsrechts zu erteilen sei.
35
Mit Schreiben der Beklagten vom 13. Mai 2020 teilte diese im Wesentlichen mit, der anfängliche Verdacht einer Schein- bzw. Zweckehe wäre bei Vorhandensein eines gemeinsamen Kindes nach Einschätzung des Verfassers eindeutig widerlegt. Jedoch seien Urkundsbeweise in Form einer Geburtsurkunde der Tochter mit deutscher Übersetzung, Lohnabrechnungen der Ehefrau über die letzten zwölf Monate sowie aktuelle Lohnnachweise des Klägers nicht vorgelegt worden, obwohl diese bereits angefordert worden seien. Es wurde um Vorlage dieser Dokumente gebeten sowie um Mitteilung, ob ein Ehescheidungsverfahren anhängig sei.
36
Mit Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 23. Juli 2020 wurde die Geburtsurkunde im Original und Übersetzung vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass die Tochter … am … 2019 im … von … zur Welt kam. Als Eltern waren der Kläger und seine Ehefrau eingetragen. Zur Vorlage kamen ferner Lohnabrechnungen für den Kläger für die Zeit von November 2019 bis April 2020 sowie Lohnabrechnungen für die Ehefrau des Klägers für die Zeit von Juni bis September 2019. Aus der Meldebescheinigung zur Sozialversicherung vom 26. April 2018 geht für die Ehefrau des Klägers ein Beschäftigungszeitraum vom 1. Januar 2018 bis 31. März 2018 hervor. In einer weiteren Meldebescheinigung zur Sozialversicherung vom 17. Juni 2019 ist für die Ehefrau des Klägers ein Beschäftigungszeitraum ab 1. Mai 2019 angegeben. Der Klägerbevollmächtigte teilte zudem mit, dass die Ehe fortbestehe. Zurzeit hielten sich die Ehefrau und das gemeinsame Kind jedoch in Rumänien auf.
37
Mit Schreiben vom 24. September 2020 bat der Bevollmächtigte des Klägers zur Vermeidung einer Untätigkeitsklage bis spätestens 30. September 2020 um Bestätigung, dass der Kläger zur Entgegennahme des Aufenthaltstitels vorsprechen könne.
38
Mit Schreiben vom 17. Mai 2021 bat der Bevollmächtigte des Klägers um Sachstandsmitteilung bis 31. Mai 2021.
39
Mit Schreiben vom 18. Mai 2021 teilte die Beklagte mit, dass aufenthaltsrechtliche Anfragen an andere Behörden und Dienststellen gerichtet und noch nicht vollständig beantwortet worden seien. Die Sache sei in Bearbeitung. Eine etwaige Untätigkeitsklage erschiene daher als unzulässig.
40
Weitere Nachforschungen der Beklagten ergaben, dass die Ehefrau des Klägers im sozialen Netzwerk „Facebook“ eine Seite betreibe, die ausschließlich in rumänischer Sprache gehalten und ausgiebig bebildert sei. Sie zeige sich dort in vertrauter Zweisamkeit mit einem anderen Mann, der dort seinerseits ebenfalls in vertrauter Zweisamkeit mit der Tochter gezeigt werde. Die Bilder stammten aus der Zeit von 2017 bis 2019. Soweit Textnachrichten enthalten seien, ließen diese darauf schließen, dass es sich bei dem Verhältnis zwischen der Ehefrau des Klägers und dem anderen Mann um eine enge Bindung handeln müsse.
41
Mit Schreiben vom 7. September 2021 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage erheben mit dem Antrag,
die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger wieder eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen.
42
Begründet wurde dies damit, dass es sich um einen besonders extremen Fall behördlicher Untätigkeit handele. Der Kläger sei nach der Eheschließung in der Zeit vom 15. Dezember 2015 bis 27. November 2018 im Besitz einer Aufenthaltskarte-EU gewesen. Seit dem 20. November 2018 sei er nur noch im Besitz einer Bestätigung der Beklagten, dass er rechtzeitig die Verlängerung beantragt habe. Auf Anhörungsschreiben der Beklagten sei mehrfach Stellung genommen worden, ohne dass in der Sache bis zum heutigen Tage eine Entscheidung ergangen sei.
43
Mit Bescheid der Beklagten vom 30. August 2021 (dem Klägerbevollmächtigten ausweislich Empfangsbestätigung zugestellt am 20.9.2021), stellte diese mit Wirkung ab dem 15. Dezember 2015 das Nichtbestehen des Rechts auf Einreise und Aufenthalt fest (Ziffer 1), untersagte dem Kläger vor dem Ablauf von fünf Jahren ab Verlassen der Bundesrepublik erneut nach Deutschland einzureisen und sich darin aufzuhalten (Ziffer 2), forderte den Kläger auf, das Bundesgebiet innerhalb eines Monats ab Unanfechtbarkeit zu verlassen (Ziffer 3) und drohte ihm für den Fall, dass er nicht freiwillig ausreise, die Abschiebung insbesondere nach Indien an (Ziffer 4). Begründet wurde der Bescheid im Wesentlichen damit, dass das Nichtbestehen des Rechts auf Freizügigkeit auf der Rechtsgrundlage von § 2 Abs. 7 Satz 1 und 2 FreizügG/EU festgestellt werde. Der Kläger sei als indischer Staatsangehöriger drittstaatsangehöriger Familienangehöriger seiner Ehefrau, die als rumänische Staatsangehörige Unionsbürgerin sei, weil er mit ihr am … in Dänemark die Ehe eingegangen sei, § 1 Abs. 2 Nr. 3 FreizügG/EU. Für die Beklagte stehe fest, dass der Kläger das Vorliegen einer Voraussetzung für dieses Recht durch Vorspiegelung falscher Tatsachen vorgetäuscht habe. Zur Überzeugung der Beklagten sei der Kläger seiner Ehefrau nicht nachgezogen, weil die Ehefrau zur Überzeugung der Beklagten zu keiner Zeit nachhaltig von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch zu machen gedacht habe. Um die Voraussetzungen des Nachziehens oder Begleitens zu erfüllen, sei es erforderlich, dass der drittstaatsangehörige Familienangehörige und der Unionsbürger ihre Wohnungen im selben Aufnahmemitgliedstaat nehmen. Die Bestimmungen über das abgeleitete Aufenthaltsrecht für Familienangehörige fänden keine Anwendung, wenn zwar familiäre Kontakte gepflegt würden, die beiden betreffenden Personen aber in zwei unterschiedlichen Mitgliedsstaaten lebten. Des Weiteren sei es erforderlich, dass der Unionsbürger, von dem der drittstaatsangehörige Familienangehörige das Aufenthaltsrecht ableite, sein Freizügigkeitsrecht ausgeübt habe, indem er sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, niedergelassen habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall, denn die Ehefrau des Klägers habe sich zu keinem Zeitpunkt, etwa als Arbeitnehmerin, dauerhaft im Bundesgebiet niedergelassen. Sie lebe vielmehr dauerhaft in Rumänien und habe dort ihren Lebensmittelpunkt, der charakterisiert sei durch ihren ständigen Umgang mit ihrem minderjährigen Kind und dem Umgang mit ihrem zwischenzeitlich anderweitigen Lebensgefährten, die ebenfalls dort lebten. Die Aufenthaltshistorie der Ehefrau des Klägers in Deutschland stehe dem nicht entgegen, sondern stütze diese Annahme vielmehr. Immerhin sei die Ehefrau des Klägers für gewöhnlich nicht im Bundesgebiet anzutreffen gewesen und habe zudem keine auf Dauer angelegte, nachhaltige Beschäftigung innegehabt. Das Aufenthaltsrecht eines drittstaatsangehörigen Familienangehörigen eines Unionsbürgers hänge nicht vom Bestand einer familiären Lebensgemeinschaft ab. Hierin unterscheide sich das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht vom nationalen. Ersteres fordere jedoch im Mindestmaß ein gleichzeitiges Aufhalten beider Eheleute im Aufnahmemitgliedstaat. Dementsprechend habe das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 28. März 2019 festgestellt, dass das abgeleitete Aufenthaltsrecht des drittstaatsangehörigen Familienangehörigen erlösche, sobald der Unionsbürger nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft das Bundesgebiet verlasse. Es habe ferner festgestellt, dass das abgeleitete Aufenthaltsrecht wiederauflebe, sobald sich der Unionsbürger in das Bundesgebiet zurückbegebe, auch wenn die Eheleute in Deutschland weiterhin getrennt lebten. Dies gelte jedoch nur bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs oder des Betrugs. Rechtsmissbrauch sehe die Beklagte eindeutig überschritten. Sie sei davon überzeugt, dass es dem Kläger nur auf den Erwerb eines Aufenthaltsrechts für Deutschland ankäme, das er mittels unrichtigen Vortrags – mit einer in Deutschland niedergelassenen, als Arbeitnehmerin freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerin verheiratet zu sein – erworben habe und vermöge dessen er selbst eine Beschäftigung habe aufnehmen und derselben habe nachgehen können. Anhand der Ausgestaltung der kurzfristigen Inlandsaufenthalte, der Beschäftigungsverhältnisse der Ehefrau und ihrer Selbstdarstellung in den sozialen Medien dränge sich der Beklagten der Verdacht geradezu auf, dass inländische Behörden systematisch und planmäßig über die dauerhafte Abwesenheit der Ehefrau aus dem Bundesgebiet hinweggetäuscht werden sollten, etwa vertrauend auf beibehaltene und unzutreffende melderechtliche Anmeldungen. Nach Auffassung der Beklagten ließen sich die Grundsätze, die im allgemeinen Verwaltungsrecht etwa dann gälten, wenn es darum gehe, eine behördliche Zuständigkeit nach dem Aufenthaltsort einer natürlichen Person zu bestimmen, vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 3a BayVwVfG, ohne weiteres auf die Beurteilung dieses Sachverhalts übertragen. Ausschlaggebend sei, wo sich eine natürliche Person tatsächlich aufhalte und wo sie ihren Lebensmittelpunkt habe. Das könne im Einzelfall der melderechtliche Wohnsitz sein, doch seien in der Praxis gelegentlich der gemeldete Wohnort und der tatsächliche Aufenthaltsort grundverschieden. Auch im Bereich der Beklagten seien Fallgestaltungen zu beobachten, in denen Person aus bestimmten Intentionen heraus ihren tatsächlichen Aufenthaltsort vor inländischen Behörden zu verbergen bzw. durch unzutreffende Melderegistereinträge zu ihrer Person zu verschleiern versuchten. Die Erklärungsversuche des Klägers seien wenig plausibel, um die bestehenden Zweifel am dauerhaften Inlandsaufenthalt seiner Ehefrau beseitigen zu können. Soweit er vortrage, seine Frau sei nur besuchsweise in Rumänien, gehe dies ersichtlich fehl, denn damit lasse sich nicht durchschlagend erklären, dass die Ehefrau nach den Feststellungen sowohl der Polizei als auch der Beklagten praktisch niemals anzutreffen gewesen sei, wann immer zwischendurch nach ihrer Anwesenheit gefragt worden sei. Soweit das Strafverfahren gegen den Kläger und seine Ehefrau wegen Geringfügigkeit nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, habe diese Entscheidung für das aufenthaltsrechtliche Verfahren keine präjudizierende Wirkung. Eine Abwägung zwischen dem hier überragenden öffentlichen Interesse an der Unterbindung von Missbrauch und dem hier als nachrangig einzustufenden Interesse des Klägers am Erhalt eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gehe nach alledem ersichtlich zu dessen Ungunsten aus. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde auf Grundlage des § 7 Abs. 2 Satz 2 und 3 FreizügG/EU angeordnet. Nach Ansicht der Beklagten sei hier ein Fall des wiederholten Vortäuschens gegeben, denn der Kläger habe die Voraussetzungen des Begleitens und Nachziehens im Zusammenhang mit seiner rumänischen Ehefrau nicht nur einmal, sondern wiederholt und beharrlich vorgetäuscht. Die Festsetzung von fünf Jahren erscheine der Beklagten hier als sachgerecht. Der Kläger halte sich bereits seit über fünf Jahren unter Vorspiegelung eines ihm nicht zustehenden Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet auf. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung stützten sich auf § 7 Abs. 1 FreizügG/EU.
44
Mit Schriftsatz vom 28. September 2021 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers in Abänderung des Klageantrags zu Ziffer 1,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 30. August 2021, zugestellt am 20. September 2021, zu verpflichten, dem Kläger wieder eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
45
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der Bescheid einer Überprüfung weder in sachlicher noch rechtlicher Hinsicht Stand halten dürfte, da es sich um eine Ansammlung von Vermutungen und Unterstellungen handele. Der Kläger und seine Ehefrau hätten wiederholt bei der Beklagten und anderen Behörden persönlich vorgesprochen, beide seien auch bei der gemeinsamen Arbeit angetroffen worden. Die Tatsache, dass sich die Ehefrau des Klägers wiederholt in ihrem Heimatland aufgehalten habe, spreche weder gegen eine Freizügigkeitsberechtigung noch für eine Scheinehe.
46
Die Regierung von Mittelfranken beteiligte sich mit Schreiben vom 7. Oktober 2021 als Vertretung des öffentlichen Interesses und verzichtete vorsorglich auf mündliche Verhandlung.
47
Mit Schreiben vom 24. September 2021 beantragte die Beklagte
Klageabweisung.
48
Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Untätigkeitsklage unzulässig sei, weil die Beklagte in dieser Sache nicht untätig geblieben sei bzw. aufgrund der Komplexität des Sachverhalts nicht innerhalb von drei Monaten entscheiden habe können. Der Kläger betreibe zwar seit dem 20. November 2018 ein Verfahren zur Verlängerung seiner Aufenthaltskarte als drittstaatsangehöriges Familienmitglied einer freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerin. Es habe allerdings Anlass dazu bestanden, im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes aufzuklären, ob dem Kläger hierauf tatsächlich ein Verlängerungsanspruch zustehe. Fraglich sei gewesen, ob der Kläger seiner rumänischen Ehefrau tatsächlich nachgezogen sei bzw. diese begleitet habe. Bereits seit der erstmaligen Beantragung der Aufenthaltskarte im Jahre 2015 bestünden schwerwiegende Anhaltspunkte dafür, dass dies gerade nicht der Fall gewesen sei. Es hätten gravierende Indizien vorgelegen, dass sich die rumänische Ehefrau des Klägers keineswegs als freizügigkeitsberechtigte Unionsbürgerin im Bundesgebiet niedergelassen hatte, sondern nur dann und nur solange im Inland verweilt habe, wie dies erforderlich gewesen sei, um für den Kläger den Anschein zu erwecken, als ob diesem ein Anspruch auf besagte Aufenthaltskarte zustehe. Aus den in der angefochtenen Entscheidung detailliert ausgeführten Gründen ergebe sich, dass der Kläger weder einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltskarte habe, noch hätte ihm diese jemals erteilt werden dürfen, wenn die Umstände bekannt gewesen wären, unter denen sie erlangt worden sei.
49
Mit Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 8. August 2023 reichte dieser den Arbeitsvertrag des Klägers sowie Verdienstbescheinigungen für die Monate April bis Juli 2023 ein, sowie eine Bestätigung des Restaurants „…“ …, laut welcher auch die Ehefrau im Jahre 2017 bei dieser beschäftigt war, das Arbeitsverhältnis jedoch aufgrund der Pflege ihres Vaters in Rumänien gekündigt habe. Der Klägerbevollmächtigte regte an, die Beklagte möge die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 19d Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c AufenthG prüfen.
50
In der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2023 führte der Klägerbevollmächtigte in Hinblick auf die Ehefrau aus, dass der Kläger bereits seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr zu dieser habe, er wisse nicht, ob sie noch bei ihm gemeldet sei. Es wurden u.a. Lohnabrechnungen des Klägers für August bis Oktober 2023 vorgelegt. Auf die Frage, wie oft der Kläger in Rumänien gewesen sei, führte dieser aus, er sei seit 2018 nicht mehr in Rumänien gewesen, zuvor jedoch zwei Mal in den Jahren 2016 und 2017. Die Ehefrau des Klägers habe das gemeinsame Kind deren Eltern überlassen, bei welchen auch sie gewohnt habe und derzeit wohne. Mit seinem Kind habe er vor zwei Jahren einmal telefonischen Kontakt über einen Videocall mit den Eltern der Ehefrau des Klägers gehabt. Auf Nachfrage der Beklagten, ob der Hauptwohnsitz der Ehefrau stets in Rumänien gewesen sei, erwiderte der Kläger, der Hauptwohnsitz der Ehefrau sei in der … gewesen, sie hätten beide gearbeitet. Konkretisierend führte der Kläger aus, seine Ehefrau habe in den Jahren 2015 und 2016 sporadisch in Deutschland gearbeitet. Je nachdem, wann sie einen Auftrag erhalten habe, sei sie putzen gegangen. In den Jahren 2018 und 2020 sei sie in der Bundesrepublik gewesen, als sie nicht berufstätig gewesen sei. Der Kläger selbst habe seit 2015 Vollzeit gearbeitet und seine Ehefrau finanziell unterstützt.
51
Die Verwaltungsstreitsache wurde schließlich mit Beschluss vom 30. November 2023 in Hinblick auf eine beabsichtigte Bescheidsergänzung der Beklagten vertagt.
52
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2024 führte die Beklagte zur mündlichen Verhandlung vom 30. November 2023 ergänzend wie folgt aus: In der angegriffenen Entscheidung stelle die Beklagte auf die dort genannte und einschlägige EuGH-Rechtsprechung ab, wonach es in den Fällen abgeleiteten Freizügigkeitsrechts bei Ehegatten nur darauf ankomme, dass sich beide Ehegatten im Aufnahmemitgliedstaat aufzuhalten haben, nicht aber darauf, dass beide Ehegatten zudem im Aufnahmemitgliedstaat in ehelicher Lebensgemeinschaft unter einem Dach am selben Ort zusammenleben müssen (vgl. BVerwG, U.v. 28.3.2019 – 1 C 9.18 – juris Rn. 20 f.). Auf Grund des ermittelten Sachverhalts – überwiegendes Aufhalten der freizügigkeitsberechtigten rumänischen Ehefrau des Klägers in deren Herkunftsstaat Rumänien – habe die Beklagte entschieden, diesem die beantragte Aufenthaltskarte nicht weiter zu verlängern. § 2 Abs. 7 Satz 2 FreizügG/EU (jetzt § 2 Abs. 4 Satz 2 FreizügG/EU) diene indessen der Umsetzung von Art. 35 der „Unionsbürgerrichtlinie“ 2004/38/EG und ermögliche es den Behörden des Aufnahmemitgliedstaates, eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Rechts – etwa durch Scheinehen – mittels geeigneter Maßnahmen zu unterbinden. Eine solche missbräuchliche Inanspruchnahme liege nach Auffassung der Beklagten unter dem Aspekt der Scheinehe hier vor. Zur Überzeugung der Beklagten sei der Kläger seiner rumänischen Ehefrau nicht zur Herstellung oder Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft i.S.d. § 2 Abs. 7 Satz 2 FreizügG/EU (jetzt: § 2 Abs. 4 Satz 2 FreizügG/EU) nachgezogen, sondern nur zu dem Zweck, ein Aufenthaltsrecht zur Ausübung einer Beschäftigung zu erlangen, das er ohne die formale Eigenschaft als drittstaatsangehöriger Familienangehöriger einer freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerin nicht oder jedenfalls nicht ohne Weiteres hätte erhalten können. Eine eheliche Lebensgemeinschaft habe vorliegend nie bestanden. Gewichtige Indizien dafür seien die jeweils nur kurzfristigen Inlandsanwesenheiten und Beschäftigungszeiten der Ehefrau des Klägers, ferner, dass die Ehefrau des Klägers selbst von der gegen den Kläger ermittelnden Polizei nur ein einziges Mal persönlich im Inland angetroffen habe werden können und nie auf polizeiliche Vorladungen reagiert habe, sowie erhebliche Differenzen in den Angaben der Ehegatten bei der zeitgleichen Befragung vom 21. Juni 2017. Eine hinreichende familiäre Nähebeziehung zwischen dem Kläger und der Unionsbürgerin vermöge die Beklagte darin nicht zu erkennen. Denn für das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft sei entscheidend darauf abzustellen, ob die Ehegatten in einer Gemeinschaft im Sinne einer die persönliche Verbundenheit der Eheleute zum Ausdruck bringenden Beistandsgemeinschaft lebten. Diese eheliche Lebensgemeinschaft, die sich nach außen im Regelfall in einer gemeinsamen Lebensführung, also in dem erkennbaren Bemühen dokumentiere, die alltäglichen Dinge des Lebens miteinander in organisatorischer, emotionaler und geistiger Verbundenheit zu bewältigen, drehe sich im Idealfall um einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt und werde daher regelmäßig in einer von den Eheleuten gemeinsam bewohnten Wohnung gelebt. Der Staat habe seiner Schutz- und Gewährleistungsfunktion aber auch dann nachzukommen, wenn sich die Eheleute etwa dazu entschlössen, aus bestimmten sachlichen oder persönlichen Gründen, also beispielsweise wegen einer Berufstätigkeit an verschiedenen Orten, ihre Lebensgemeinschaft nicht ständig in einer gemeinsamen Wohnung zu leben, sondern einen Teil ihrer Zeit an verschiedenen Orten zu verbringen. Voraussetzung sei aber, dass hierdurch die persönliche und emotionale Verbundenheit der Eheleute, ihr „Füreinander-Dasein“ nicht in einer so nachhaltigen Weise aufgegeben werde, dass nicht mehr von einer Beistandsgemeinschaft, sondern allenfalls von einer Begegnungsgemeinschaft gesprochen werden könne, im Rahmen derer selbst regelmäßige Treffen und Freizeitaktivitäten nur noch den Charakter gegenseitiger Besuche miteinander befreundeter Personen hätten (VG Ansbach, U.v. 26.7.2007 – AN 5 K 07.00054 m.w.N.). Wie die Eheleute, die einander schon nicht mit der erwartbaren Genauigkeit beschreiben und verbal kaum miteinander kommunizieren hätten können, ein solches „Füreinander-Dasein“ im Rahmen der Beistandsgemeinschaft bewältigt haben können sollen, erschließe sich der Beklagten schon nicht. Es möge zwar – jeweils zeitweise – ein gemeinsamer Wohnsitz im Bundesgebiet bestanden haben, den vorliegenden Erkenntnissen über die Aufenthalte der Ehefrau des Klägers im Herkunftsstaat entnehme die Beklagte jedoch nicht nur die Aufgabe einer zuvor bestehenden Beistandsgemeinschaft, sondern die fehlende Absicht, eine solche überhaupt einzugehen. Was gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren als Beistandsgemeinschaft dargestellt worden sei, habe in der Gesamtschau von Anfang an lediglich den Charakter einer Begegnungsgemeinschaft im Rahmen von mehr oder weniger langen Besuchsaufenthalten der Ehefrau im Bundesgebiet gehabt, die diese nach Kenntnis der Beklagten – und Angaben des Klägers – inzwischen nicht mehr wiederaufgenommen habe. Soweit auf die Geburt der Tochter des Klägers im Jahre 2019 abgestellt werde, sei auf den Geburtsort und auf den seit Geburt bis heute andauernden Verbleib des Kindes in Rumänien hinzuweisen. Auch zum Kind habe eine hinreichende familiäre Nähebeziehung des Klägers zu keinem Zeitpunkt bestanden. Wenngleich auch das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Erschleichens einer Aufenthaltskarte durch falsche Angaben nach § 153 StPO „wegen Geringfügigkeit“ durch die Strafgerichtsbarkeit eingestellt worden sei, so komme dieser Entscheidung aus Sicht der Beklagten aufenthaltsrechtlich keine präjudizierende Wirkung zu. Denn der Kläger sei nicht wegen erwiesener Unschuld freigesprochen worden, vielmehr bringe die Strafjustiz mit ihrer Entscheidung lediglich zum Ausdruck, sich aus Gründen der Nachrangigkeit nicht weiter mit dem Verfahren befassen zu wollen. Daraus sei nicht zu schließen, dass das Verhalten des Klägers auch für die Ausländerbehörde als nachrangig oder geringfügig zu gelten habe, weil im Bereich des Ordnungsrechts mit Blick auf die Gefahrenabwehr ein anderer Bewertungsmaßstab gelte, demzufolge das Erschleichen von Aufenthaltstiteln aller Art durch falsche Angaben hinsichtlich der Gefahrenabwehr durchaus bedeutsam sein könne und es hier auch sei.
53
Mit Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 21. Januar 2025 erwiderte dieser, der konkludent mit Schreiben der Beklagten vom 18. Dezember 2024 erhobene Vorwurf einer Scheinehe werde nachhaltig bestritten. Nach Lage der Dinge dürfte der Kläger mittlerweile ein eigenständiges Aufenthaltsrecht gemäß § 11 Abs. 14 FreizügG/EU i.V.m. § 31 AufenthG erworben haben. Hierzu wurde insbesondere auf den Schriftsatz vom 21. November 2019 verwiesen. Dem Schreiben beigefügt war ein Arbeitsvertrag („Geschäftsführervertrag“), welcher auf den 1. November 2024 datierte und zwischen dem Kläger als Arbeitnehmer und der …, als Arbeitgeber geschlossen wurde. Demnach beziehe der Kläger als leitender Angestellter ein monatliches Bruttogehalt i.H.v. 3.248,00 €.
54
Mit Schreiben vom 23. Januar 2025 verwies die Beklagte im Hinblick auf die Ausführungen der Klägerseite auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 22. Dezember 2010 (C-303/08 – „Bozkurt“ – juris Rn. 47). Es dürfe bereits daraus zu schließen sein, dass das Erschleichen eines Aufenthaltstitels nicht zulässig sei, mit der Konsequenz auch der Unzulässigkeit des Ableitens weiterer Folge-Aufenthaltsrechte, wie etwa des „eigenständigen Aufenthaltsrechts“ aus dem erschlichenen Titel.
55
Mit Schreiben vom 11. März 2025 übersandte der Kläger eine Verdienstbescheinigung für den Monat Februar 2025, aus welcher ein Bruttogehalt von 4.264,00 EUR (Netto: 2.852,95 EUR) hervorgeht.
56
Auf Anfrage des Gerichts vom 7. Mai 2025 teilte der Kläger mit Schreiben vom 12. Mai 2025 mit, dass auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet werde und stellte den zuletzt gestellten Antrag aus dem Schriftsatz vom 28. September 2021. Mit Schreiben vom 8. Mai 2025 teilte die Beklagte mit, dass auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet werde und stellte den zuletzt gestellten Antrag aus dem Schriftsatz vom 24. September 2021.
57
Mit Schreiben vom 18. Juni 2025 teilte der Klägerbevollmächtigte mit, dass der Kläger seit dem 1. Juni 2025 unter der Anschrift … gemeldet sei. Beigefügt war eine dies bestätigende Meldebestätigung der Stadt … vom 12. Juni 2025.
58
Mit E-Mail der Ausländerbehörde der Stadt … vom 26. Juni 2025 erteilte diese ihr Einverständnis nach § 3 Abs. 3 VwVfG zur Fortführung des Verwaltungsrechtsstreits durch die Beklagte.
59
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die zum Verfahren beigezogene Behördenakte sowie die Niederschriften zur mündlichen Verhandlung vom 30. November 2023 und 1. April 2025 verwiesen.

Entscheidungsgründe

60
Die Entscheidung konnte ohne weitere mündliche Verhandlung ergehen, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
61
Die Klage hat keinen Erfolg, da sie zwar zulässig, aber unbegründet ist.
I.
62
Soweit der Kläger sich gegen die Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeitsberechtigung, Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbots für die Dauer von fünf Jahren, Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung wendet, ist die Klage als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Bezüglich der begehrten Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist die Klage als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zulässig, aber ebenfalls unbegründet.
63
Die vom Kläger mit Schriftsatz vom 28. September 2021 erklärte Umstellung der ursprünglich erhobenen Untätigkeitsklage in eine Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage ist zulässig, ohne dass es auf die Voraussetzungen des § 91 VwGO ankäme (vgl. VG Schleswig-Holstein, U.v. 18.10.2017 – 8 A 100/16 – juris Rn. 16 zur Verpflichtungsklage m.w.N.). Der bloße Übergang von einer zunächst zulässig erhobenen Untätigkeitsklage auf eine Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage nach Erlass des ablehnenden Bescheids stellt eine gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung dar. Im Übrigen wäre die Klageänderung aber auch zulässig aufgrund Einwilligung durch rügelose Einlassung bzw. Sachdienlichkeit, § 91 Abs. 1, 2 VwGO.
64
Die Klage ist bezüglich der begehrten Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unabhängig davon zulässig, dass die Behörde diese nicht explizit im Tenor des streitgegenständlichen Bescheids abgelehnt hat. Dies folgt bereits daraus, dass das Beharren auf einer weiteren Vorbefassung der Verwaltung hier als bloße Förmelei erscheint, weil die Beklagte in ihrer Klageerwiderung vom 24. September 2021, im Schriftsatz vom 23. Januar 2025 sowie nochmals in der mündlichen Verhandlung vom 1. April 2025 klar und eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass sie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis definitiv ablehnt (vgl. Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 70). Unabhängig davon wäre die Klage auch als fortgeführte Untätigkeitsklage gemäß § 75 Satz 1 VwGO zulässig. Über diese konnte ohne Aussetzung entschieden werden, da die Klage offensichtlich unbegründet ist, weil aus keinem Gesichtspunkt ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis besteht (vgl. Porsch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2024, § 75 Rn. 7 ff.).
II.
65
Die Klage gegen die Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeitsberechtigung, Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbots für die Dauer von fünf Jahren, Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung ist unbegründet. Der Bescheid vom 30. August 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
66
Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist insofern der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Gerstner-Heck in BeckOK, Migrations- und Integrationsrecht, Stand 1.5.2025, § 2 FreizügG/EU Rn. 36).
67
1. Die Feststellung des Nichtbestehens des Rechts auf Einreise und Aufenthalt des Klägers mit Wirkung ab 15. Dezember 2015 (Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids) ist rechtmäßig.
68
a. Nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet. Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU kann das Nichtbestehen des Rechts nach Absatz 1 festgestellt werden, wenn feststeht, dass die betreffende Person das Vorliegen einer Voraussetzung für dieses Recht durch die Verwendung von gefälschten oder verfälschten Dokumenten oder durch Vorspiegelung falscher Tatsachen vorgetäuscht hat. Nach § 2 Abs. 4 Satz 2 FreizügG/EU kann das Nichtbestehen des Rechts nach Absatz 1 bei einem Familienangehörigen, der nicht Unionsbürger ist, außerdem festgestellt werden, wenn feststeht, dass er dem Unionsbürger nicht zur Herstellung oder Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft nachzieht oder ihn nicht zu diesem Zweck begleitet.
69
Die Vorschrift des § 2 Abs. 4 FreizügG/EU dient der Umsetzung von Art. 35 der RL 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie – UnionsRL). Danach können die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen erlassen, die notwendig sind, um das Freizügigkeitsrecht im Fall von Rechtsmissbrauch oder Betrug – wie z.B. durch Eingehung von Scheinehen – verweigern oder entziehen zu können (vgl. VG Augsburg, U.v. 3.5.2022 – Au 1 K 21.929 – BeckRS 2022, 40256; BR-Drs. 461/12 S. 12; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 15. Aufl. 2025, § 2
70
FreizügG/EU Rn. 136). Scheinehen werden in der Kommissionsmitteilung für die Auslegung der UnionsRL als Ehen definiert, die lediglich zum Zweck der Inanspruchnahme des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts geschlossen wurden, auf das anderenfalls kein Anspruch bestanden hätte (vgl. Erwägungsgrund Ziffer 28 der UnionsRL; Hailbronner in Hailbronner, Ausländerrecht, Stand August 2024, § 2 FreizügG/EU Rn. 178). Ob ein Ausländer und sein Ehegatte die Ehe nur zur Begründung eines Aufenthaltsrecht geschlossen haben, ohne eine tatsächliche Lebensgemeinschaft zu begründen oder auch nur zu beabsichtigen, entscheidet das Gericht gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es ist bei der Würdigung aller erheblichen Tatsachen frei (vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2023 – 10 ZB 22.1550 – juris Rn. 6). Anhaltspunkte für die missbräuchliche Berufung auf ein EU-Freizügigkeitsrecht durch Begründung einer Scheinehe können u.a. widersprüchliche Angaben des Paares über wichtige, das Paar betreffende Informationen sein. Auch das Fehlen einer gemeinsamen Sprache, die beide Partner verstehen, kann einen entsprechenden Anhaltspunkt bieten (vgl. Hailbronner in Hailbronner, Ausländerrecht, Stand August 2024, § 2 FreizügG/EU Rn. 181). Bei der Prüfung des Verdachts müssen alle Umstände des betreffenden Falles berücksichtigt werden.
71
b. Ausgehend von diesem Maßstab konnte vorliegend das Nichtbestehen des Rechts des Klägers auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet festgestellt werden. Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger seiner Ehefrau nicht zur Herstellung oder Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft nachgezogen ist oder sie zu diesem Zweck begleitet hat, § 2 Abs. 4 Satz 2 FreizügG/EU (vgl. zum Verhältnis von § 2 Abs. 4 Satz 1 und 2 AufenthG Hailbronner in Hailbronner, Ausländerrecht, Stand August 2024, § 2 FreizügG/EU Rn. 175; HessVGH, U.v. 27.2.2018 – 6 A 2148/16 – juris Rn. 26).
72
aa. Grundsätzlich ist der Anwendungsbereich des Freizügigkeitsgesetzes eröffnet, da der Kläger als indischer Staatsangehöriger und Ehemann der rumänischen Staatsangehörigen Frau … drittstaatsangehöriger Familienangehöriger einer Unionsbürgerin i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a FreizügG/EU ist und sich damit auf ein mögliches Freizügigkeitsrecht nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 FreizügG/EU berufen kann.
73
bb. Das Gericht teilt die Einschätzung der Beklagten, dass der Kläger der rumänischen Staatsangehörigen Frau … nicht zur Herstellung oder Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft nachgezogen ist oder sie zu diesem Zweck begleitet hat, § 2 Abs. 4 Satz 2 FreizügG/EU.
74
Bereits im Rahmen der getrennten Ehegattenbefragung des Klägers und seiner Ehefrau ergaben sich ganz erhebliche Widersprüche zu Hochzeit, gemeinsamen Lebensumständen und wichtigen, das Paar betreffenden Informationen. So haben zwar beide übereinstimmend angegeben, dass sie sich am Hauptbahnhof … kennenlernten. Der Kläger konnte allerdings nicht sagen, wann genau das erste Kennenlernen im Juli 2015 stattfand, obwohl bereits am … die Eheschließung erfolgte. Erst auf Nachfrage hat er angegeben, dass es in der ersten Juli-Woche gewesen sein müsse. Die Ehefrau des Klägers konnte sich nicht einmal an den Monat oder die Jahreszeit erinnern. Hinsichtlich des zweiten Treffens der Eheleute wurden unterschiedliche Angaben gemacht. Nach Angaben des Klägers habe dieses in der Fußgängerzone in …, nach Angaben der Ehefrau am Hauptbahnhof … stattgefunden. Bis heute sprechen der Kläger und seine Ehefrau zudem keine gemeinsame Sprache. Die Ehefrau spricht kein Deutsch, kein Englisch und auch kein Indisch. Die Verständigung zwischen den beiden sei laut Ehefrau im Großen und Ganzen mit Händen und Füßen verlaufen. Der Kläger gab an, dass er und seine Ehefrau vor der Eheschließung ein paar Tage gemeinsam in … und in … bei Freunden gelebt hätten. Frau … Angaben zufolge sei diese bereits nach dem zweiten Treffen bei ihrem Mann eingezogen, wobei sie die Adresse der Wohnung nicht kenne und nur wisse, dass diese in … sei. Einen Aufenthalt bei Freunden nannte sie nicht. Nach Angaben des Klägers habe dieser die Eheringe in …, dem Ort der Eheschließung in Dänemark gekauft. Frau … hingegen gab an, dass sie den Ehering ihres Mannes und er ihren Ring für sie jeweils in … gekauft habe. Übereinstimmend gaben die beiden an, keine Hochzeitskleidung bei der Eheschließung in Dänemark getragen zu haben. Weder Ort, Datum noch Wochentag der Eheschließung konnte Frau … benennen. Laut Frau … sei der Trauzeuge ihres Mannes einer seiner Bekannten namens … gewesen. Der Kläger aber gab an, sich im Standesamt in Dänemark erst erkundigt zu haben, ob es dort jemanden gebe, der sein Trauzeuge sein könne. Dieser habe dann „…“ (phonetisch) geheißen. Es fand weder eine Hochzeitsfeier noch eine gemeinsame Hochzeitsreise statt. Zur Person befragt konnte die Ehefrau des Klägers nicht einmal ihre aktuelle Adresse in … benennen. In der Nähe gebe es laut ihr eine U-Bahn-Haltestelle, allerdings wisse sie auch hier nicht, wie diese heiße. Sie wusste auch nicht, wie lange sie sich bereits in Deutschland aufhielt. Auf besondere Kennzeichen (z.B. Narben, Tätowierungen, Piercings o.Ä.) befragt, gab die Ehefrau an, sie habe eine Tätowierung am rechten Unterarm. Der Kläger erwähnte nur eine Narbe der Ehefrau an der rechten Hand. Laut Kläger rauche seine Ehefrau fünf bis sechs Zigaretten am Tag, nach ihren eigenen Angaben sind es jedoch ein bis zwei Packungen. Laut Kläger bevorzuge seine Ehefrau Kaffee zum Frühstück. Sie selbst gab an, grundsätzlich nicht zu frühstücken und morgens lieber Cola zu trinken. Wenn sie Kopfschmerzen habe, trinke sie eine Tasse Kaffee. Dem Kläger waren weder die Eltern noch die Geschwister seiner Ehefrau namentlich bekannt. Er wusste nicht einmal, ob sie überhaupt einen Vater oder Geschwister hat. Auch ob ihre Großeltern noch lebten, konnte der Kläger nicht beantworten. Er habe weder Familienangehörige noch Freunde seiner Ehefrau kennengelernt. Er wusste auch nicht, ob seine Ehefrau schon einmal verheiratet war, weil diese nichts aus ihrer Vergangenheit erzähle. Als Antwort auf die Frage nach dem letzten Wochenende erklärte der Kläger, dass seine Ehefrau zu Hause gewesen sei und nichts gemacht habe. Laut ihrer Aussage sei sie jedoch mit dem Kläger in … gewesen und habe sich ein T-Shirt gekauft. Frau … kannte zwar das Geburtsdatum des Klägers, aber weder seinen Geburtsort noch seine Augenfarbe oder Schuhgröße. Seine E-Mail-Adresse oder Telefonnummer seien ihr nicht bekannt. Weder wusste der Kläger, wie lange sich seine Ehefrau bereits in Deutschland aufhielt, noch wusste die Ehefrau dies bezüglich des Klägers. Frau … konnte weder sagen, ob der Kläger sich trocken oder nass rasiert noch, dass er Tee und keinen Kaffee zum Frühstück bevorzugt. Als Schulabschluss des Klägers gab sie „Fahrschule“ an, obwohl dieser angab, er habe einen Bachelor-Abschluss in Indien in den Fächern Englisch, Punjabi, Hindi und Social Science erworben. Die bisher vom Kläger ausgeübten Berufe kannte Frau … nicht, dass er zum damaligen Zeitpunkt als Kellner arbeitete war ihr aber bekannt. Laut Ehefrau habe der Kläger einen Führerschein, er selbst verneinte dies. Frau … wusste weder die Namen der Eltern oder Geschwister des Klägers noch ob er überhaupt Geschwister hat. Auch bezüglich des Zusammenlebens ergaben sich einige Unstimmigkeiten. So gab die Ehefrau an, die gemeinsame Wohnung befinde sich im ersten Stock, dabei ist diese im dritten. Welcher Boden sich in der Wohnung befindet und wo die Waschmaschine steht, konnte die Ehefrau allerdings beantworten. Weder hinsichtlich der Frage, auf welcher Seite des Bettes sie jeweils schlafen, noch im Hinblick darauf, wie das letzte Wochenende verbracht wurde, ergaben sich Übereinstimmungen. Während die Ehefrau angab, dass es in der Wohnung weder eine Küche noch einen Kühlschrank gebe, deshalb nicht gekocht werde und die Ehegatten gestern bei McDonalds gegessen hätten, erzählte der Kläger, er habe gestern für beide „Mixed Vegetables“ (indisches Gericht) gekocht. Auch die Antworten bezüglich der Geburtstagsgeschenke stimmten nicht überein. Während der Kläger behauptete, dass weder er ihr noch sie ihm etwas schenke, gab die Ehefrau an, dass sie vom Kläger ein Handy bekommen habe und er ihr immer kaufe, was sie sich gerade wünsche. Sie habe ihm ein T-Shirt geschenkt. Auch zum letzten Silvester wurden unterschiedliche Angaben gemacht. Laut Ehefrau seien beide zu Hause (in …*) gewesen und nur zum Feuerwerk vor die Tür gegangen. Laut Kläger seien sie nach der Arbeit gemeinsam in die Stadt (* …*) gegangen und hätten das Feuerwerk angeschaut. Bei der Befragung trugen die Ehegatten keine Eheringe. Die Ehefrau erklärte, dass beide diesen grundsätzlich tragen würden, sie habe ihn heute zum Duschen abgenommen und vergessen, ihn wieder anzuziehen. Der Kläger hingegen gab an, er trage den Ehering nie, da er es nicht gewohnt sei. Weitere Abweichungen bestanden auch hinsichtlich der gemeinsamen Zukunftspläne, des gemeinsamen Kinderwunsches, gemeinsamer Interessen und einer gemeinsamen Reise.
75
Nicht zuletzt aufgrund der in wesentlichen Punkten widersprüchlichen Angaben der Ehegatten im Rahmen der Ehegattenbefragung steht für die Kammer fest, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau weder besteht noch jemals bestanden hat oder überhaupt beabsichtigt war. Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Ehe zu einem anderen Zweck – namentlich der Verschaffung eines Freizügigkeitsrechts des Klägers – geschlossen wurde. Dabei ist zunächst anzumerken, dass die Eheleute bis zum heutigen Tag über keine gemeinsame Sprache verfügen. Auch wenn der Kläger nach eigenen Angaben ein „bisschen“ Rumänisch und Spanisch, die Ehefrau wiederum ebenfalls ein „bisschen“ Spanisch beherrsche, ist eine wirkliche Kommunikation wohl nicht möglich. Jedenfalls gab die Ehefrau des Klägers an, sie würden sich auch „mit Händen und Füßen“ verständigen. Es ist für die Kammer schon nicht wirklich nachvollziehbar, wie die Verständigung beim Kennenlernen am Bahnhof in … abgelaufen sein soll, konkret wie der Kläger seine Ehefrau überhaupt auf einen Kaffee einladen konnte. Mag dies auf Basis einer Verständigung mit – laut Angaben der Eheleute – „Händen und Füßen“ noch irgendwie möglich sein, so gilt dies jedenfalls nicht für die folgenden Geschehnisse. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die gesamte weitere Lebensplanung samt Zusammenzug und Hochzeit, was im Normalfall bedeutende Schritte in einer Beziehung und im Leben sind, tatsächlich zum einen in einer derart kurzen zeitlichen Abfolge und zum anderen ohne jedenfalls rudimentäre Kenntnisse einer gemeinsamen Sprache erfolgt ist. Unter diesen Umständen erscheint es fraglich, auf welcher gemeinsamen Basis die eheliche Lebensgemeinschaft des Klägers und seiner Ehefrau gründet. Dass der Kläger und seine Ehefrau nicht einmal kleine alltägliche Dinge voneinander wussten (Frühstücks- und Rauchgewohnheiten, Schlafsituation, etc.), obwohl sie zum Zeitpunkt der Ehegattenbefragung bereits mehr als zwei Jahre verheiratet waren, wirft ebenfalls Zweifel an der ehelichen Lebensgemeinschaft auf. Schwer wiegt auch, dass die Eheleute de facto nichts über die jeweilige Familie des Partners wussten. Die Aussagen der Ehegatten erwecken den Eindruck, die beiden hätten eine fremde Person geheiratet. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass die Ehefrau nicht einmal den Ort, Tag oder gar Monat ihrer eigenen Eheschließung wusste. Insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es sich bei einem solchen Lebensereignis in der Regel um einen besonders eindrücklichen Moment handelt, der im vorliegenden Fall noch nicht lange zurücklag, wäre zu erwarten gewesen, dass die Angaben der Ehegatten bis auf wenige kleine Details übereinstimmen. Eine solche Kenntnis der Ehefrau ist trotz ihrer beschriebenen Einfachheit bzw. ihres Analphabetismus zu erwarten. Der Einwand, das Ergebnis der zeitgleichen Ehegattenbefragung sei in formaler Hinsicht wertlos, weil eine Verständigung zwischen den Ausländern und Befragern aufgrund nicht nachgewiesener Qualifikation der hinzugezogenen Sprachmittler nicht rechtssicher möglich gewesen sei, überzeugt nicht und stellt sich als reine Schutzbehauptung dar. So waren die Übersetzer zum einen vom Kläger selbst ausgesucht, zum anderen äußerte weder Kläger noch Ehefrau während des gesamten Gesprächs in irgendeiner Weise Probleme bezüglich der Verständigung. In der Gesamtschau sind die Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Ehe, die nur zum Zwecke der Inanspruchnahme des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts geschlossen wurde, so gravierend, dass das Gericht vom Vorliegen einer Scheinehe überzeugt ist. Hierfür sprechen auch die unregelmäßigen Aufenthalts- und Beschäftigungszeiten der Ehefrau des Klägers im Bundesgebiet. So konnte sie im Rahmen von Ermittlungen nur schwer angetroffen werden und hielt sich auffallend häufig in Rumänien auf. Wie auch der Beklagten drängt sich dem Gericht hier der Verdacht auf, dass die Ehefrau sich lediglich ab und an zur Wahrung des Scheins einer ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet aufhielt, insbesondere um den Kläger gegebenenfalls zu Behördengängen zu begleiten und so die Aufrechterhaltung des vermeintlichen Freizügigkeitsrechts zu bewirken.
76
An der Einschätzung des Bestehens einer Scheinehe ändert auch die am … in … geborene Tochter der Ehefrau des Klägers und der in den mündlichen Verhandlungen vorgebrachte Einwand, es gebe zwar eine Scheinehe aber keine „Scheinkinder“, nichts. Zwar mag der Kläger nach rumänischem Personenstandsrecht der rechtliche Vater des Kindes sein. Das Gericht hat allerdings schon Zweifel daran, ob der Kläger tatsächlich auch der leibliche Vater des Kindes ist. Diese Zweifel ergeben sich daraus, dass der Kläger – nochmals bestätigt durch Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 1. April 2025 – das Kind noch nie in Person gesehen hat. Selbst wenn dies dem Umstand geschuldet sein mag, dass er aufgrund seines Aufenthaltsstatus das Bundesgebiet nicht verlassen durfte, so gab es auch im Übrigen nur einen sehr spärlichen Kontakt zwischen dem Kläger und dem Kind. Dieser beschränkte sich vielmehr auf ein oder zwei Videocalls, welche bzw. welcher laut Angaben des Klägers in den mündlichen Verhandlungen ca. im Jahr 2021 stattfand(en). Zur Ehefrau und zum Kind bestehe laut Kläger seit 2021 kein Kontakt mehr. Das Facebook-Profil der Mutter mit Bildern aus der Zeit von 2017 bis 2019, auf welchen sie sich in vertrauter Zweisamkeit mit einem anderen Mann zeigt, der dort seinerseits ebenfalls in vertrauter Zweisamkeit mit dem Kind gezeigt wird, erweckt den Eindruck, dass gegebenenfalls dieser der Vater des Kindes ist und nicht der Kläger.
77
Selbst wenn es allerdings zuträfe, dass der Kläger sowohl der rechtliche als auch der leibliche Vater des Kindes ist, so wäre dies auch nur ein Indiz für das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft, welches aber das erhebliche Gewicht der nach Aktenlage dagegensprechenden Umstände nur unwesentlich mindern kann. Wenn zuträfe, dass die Ehe tatsächlich geführt und sogar ein gemeinsames Kind gezeugt wurde, so wäre es gänzlich unverständlich, dass die Ehefrau im gerichtlichen Verfahren nicht versucht hat, die aus dem streitgegenständlichen Bescheid sowie aus der Ehegattenbefragung resultierenden Unstimmigkeiten und Widersprüche aufzuklären. Damit hat die Ehefrau des Klägers ihr Desinteresse am vorliegenden Verfahren und damit im Ergebnis am weiteren Verbleib ihres Ehemanns im Bundesgebiet bzw. im Gebiet der Europäischen Union zum Ausdruck gebracht. Auch wenn die Ehe nach aktuellem Kenntnisstand des Klägers noch besteht und kein Scheidungsverfahren anhängig ist, hat der Kläger nach eigenen Angaben schon seit ca. 2021 keinen Kontakt mehr zur Ehefrau.
78
Gegen die Annahme einer Scheinehe spricht auch nicht, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Erschleichens einer Aufenthaltskarte durch falsche Angaben nach § 153 StPO wegen Geringfügigkeit eingestellt wurde. Schon § 2 Abs. 4 Satz 1 AufenthG setzt weder die Einleitung eines Strafverfahrens noch eine strafgerichtliche Verurteilung voraus (vgl. Hailbronner in Hailbronner, Ausländerrecht, Stand August 2024, § 2 FreizügG/EU Rn. 173). Die für die Feststellung des Nichtbestehens eines Freizügigkeitsrechts zuständigen Behörden haben in eigener Verantwortung zu entscheiden, ob eine Vortäuschung i.S.d. Norm vorliegt. Ebenso wenig spielen die strafgerichtlichen Erwägungen nach Ansicht der Kammer i.R.d. Beurteilung des § 2 Abs. 4 Satz 2 FreizügG/EU eine Rolle. Dafür spricht schon, dass im Bereich des Gefahren- und Ordnungsrechts im Hinblick auf die Gefahrenabwehr ein anderer Bewertungsmaßstab gilt als im Strafrecht. Zweck des Feststellungsverfahrens nach § 2 Abs. 4 FreizügG/EU ist zudem nicht die Sanktionierung betrügerischen oder rechtsmissbräuchlichen Handelns, sondern eine im Interesse der Rechtssicherheit notwendige Klarstellung über das Nichtbestehen eines behaupteten unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts (vgl. Hailbronner, a.a.O., § 2 FreizügG/EU Rn. 173).
79
c. Der Nichtbestehensfeststellung nach § 2 Abs. 4 FreizügG/EU steht auch kein etwaiges Daueraufenthaltsrecht des Klägers nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU entgegen.
80
Zwar darf in bereits rechtmäßig erworbene Rechte – beispielsweise nach § 4a oder § 3 Abs. 3 bis 5 FreizügG/EU – nicht eingegriffen werden (vgl. Oberhäuser in Hofmann, Ausländerrecht, 3. Aufl. 2023, § 2 FreizügG/EU Rn. 58 m.V.a. EuGH, U.v. 8.11. 2012 – C-268/11; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 15. Aufl. 2025, § 2 FreizügG/EU Rn. 143). Das Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts setzt jedoch einen fünfjährigen, auf Unionsrecht beruhenden rechtmäßigen Aufenthalt voraus. Neben dem tatsächlichen Aufenthalt ist insoweit das Bestehen einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung entscheidend (vgl. NdsOVG, B.v. 1.9.2023 – 13 ME 131/23 – juris Rn. 28; OVG Berlin-Bbg, B.v. 15.10.2019 – OVG 3 S 64.19 – juris Rn. 9, jeweils m.w.N.). Dem Kläger fehlte indes für die gesamte Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet die materielle Freizügigkeitsberechtigung. Er hat das Bestehen der einzig in Betracht kommenden Berechtigung nach § 2 Abs. 1 und 2 Nr. 6, § 3 FreizügG/EU nur vorgetäuscht (s.o.). Ein aufgrund unrichtiger Angaben über das Bestehen einer Ehe erlangter Aufenthaltstitel begründet keinen ordnungsgemäßen Aufenthalt (vgl. EuGH, U.v. 5.6.1997 – C-285/95 – juris). Daraus folgt, dass die Feststellung des Bestehens einer Scheinehe die Entstehung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ex tunc ausschließt (vgl. Hailbronner in Hailbronner, Ausländerrecht, Stand August 2024, § 2 FreizügG/EU Rn. 146; so wohl auch Dienelt in Bermann/Dienelt, a.a.O., § 2 FreizügG/EU Rn. 143).
81
d. Bei Vorliegen des Tatbestands räumt § 2 Abs. 4 FreizügG/EU der Ausländerbehörde ein Ermessen ein („kann“). Die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung lässt im Rahmen der nach § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingeschränkten Überprüfung keine Fehler erkennen. Das Ermessen nach § 2 Abs. 4 FreizügG/EU stellt einen Fall intendierten Ermessens dar. Nur in besonderen Ausnahmefällen darf die Ausländerbehörde von der Nichtbestehensfeststellung absehen (vgl. Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 15. Aufl. 2025, § 2 FreizügG/EU Rn. 145 m.w.N.).
82
Die Beklagte ist im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall ein entsprechender Ausnahmefall nicht vorliegt. Insbesondere hat sie dabei berücksichtigt, dass sich ein Ausnahmefall nicht bereits daraus ergibt, dass der Kläger laut vorgelegter Geburtsurkunde Vater eines rumänischen minderjährigen Kindes ist. Das eventuell bestehende Umgangsrecht des Klägers mit dem Kind bzw. das Umgangsrecht des Kindes mit dem Kläger wird durch die Verlustfeststellung nicht beeinträchtigt. Es ist bereits fraglich, ob überhaupt eine schützenswerte Bindung zwischen dem Kläger und dem Kind besteht, da dieses sich seit seiner Geburt ausschließlich in Rumänien aufhält, wohingegen der Kläger durchgehend in Deutschland gelebt hat. Es fanden weder Besuche statt noch bestand im Übrigen über ein bis zwei Videocalls im Jahr 2021 hinausgehend Kontakt zwischen dem Kläger und dem Kind. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung, welche in der mündlichen Verhandlung vom 1. April 2025 nochmals konkretisiert wurde, auch die nunmehr lange Aufenthaltsdauer von zehn Jahren sowie die durchgehende Beschäftigung des Klägers, zuletzt auch in leitender Position, berücksichtigt. Sie ist dabei jedoch in ermessensfehlerfreier Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass auch dies auf Grundlage eines erschlichenen Aufenthaltstitels beruht und deshalb nicht von der Nichtbestehensfeststellung abgesehen werde. Bezüglich der rückwirkenden Verlustfeststellung zum 15. Dezember 2015 bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken.
83
2. Die Untersagung, vor Ablauf von fünf Jahren ab Verlassen des Bundesgebiets erneut nach Deutschland einzureisen und sich darin aufzuhalten (Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids), ist rechtmäßig.
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Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU. Hiernach kann Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, bei denen das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts nach § 2 Abs. 4 FreizügG/EU festgestellt wurde, untersagt werden, erneut in das Bundesgebiet einzureisen und sich darin aufzuhalten. Das Verbot wird von Amts wegen befristet; die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles aufgrund der auf Tatsachen gestützten Annahme der künftig von einem Aufenthalt der Person innerhalb der Europäischen Union und der Schengen-Staaten ausgehenden Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit festzusetzen und darf fünf Jahre nur in den Fällen des § 6 Abs. 1 FreizügG/EU überschreiten (§ 7 Abs. 2 Satz 5 und 6 FreizügG/EU). Die durch die Beklagte im Rahmen einer Interessensabwägung getroffene Befristung der Wirkungen der Verlustfeststellung auf fünf Jahre erweist sich als angemessen und insbesondere verhältnismäßig.
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3. Auch die in Ziffer 3 des Bescheids verfügte Ausreiseaufforderung sowie die Abschiebungsandrohung nach Ziffer 4 begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
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Die Ausreiseaufforderung findet ihre Grundlage in § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU. Rechtsgrundlage für die Abschiebungsandrohung ist § 7 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU. Die gesetzte Ausreisefrist von einem Monat entspricht der gesetzgeberischen Mindestfrist nach § 7 Abs. 1 Satz 3 FreizügG/EU. Die Frist ist auch angemessen, da kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich ist, dass der Kläger einen längeren Zeitraum zur Vorbereitung seiner Ausreise und der Regelung entsprechender Angelegenheiten benötigt.
III.
87
Die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist unbegründet. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weder einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis noch auf ermessensfehlerfreie Neuverbescheidung, da die jeweiligen Erteilungsvoraussetzungen nicht vorliegen (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
88
Zunächst ist festzuhalten, dass der Kläger – wie oben bereits erörtert – kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU erworben hat.
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Da der Kläger zudem nach eigenen Angaben seit ca. 2021 keinen Kontakt mehr zu seiner Ehefrau hat und diese sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhält, besteht auch kein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht des Klägers aus § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 FreizügG/EU mehr.
90
Ein Aufenthaltsrecht nach § 3 Abs. 4 FreizügG/EU scheidet aus, da es sich bei der zwischen dem Kläger und der rumänischen Staatsangehörigen Frau … geschlossenen Ehe von Anfang an um eine Scheinehe gehandelt hat und aus dieser somit keine Ansprüche abgeleitet werden können (s.o.). Darüber hinaus ist die Ehe nach Kenntnis des Klägers weder bereits geschieden noch ein Scheidungsverfahren anhängig. Die Ehefrau des Klägers hat das Bundesgebiet jedoch bereits ca. 2021 verlassen und befindet sich wieder in Rumänien. Hat der Unionsbürger bereits vor der Einleitung des Scheidungsverfahrens den Aufenthaltsmitgliedstaat verlassen, in dem sich der verbleibende (Noch-)Ehegatte aufhält, kann letzterer jedoch kein Verbleiberecht von ersterem ableiten (vgl. EuGH, U.v. 16.7.2015 – C-218/14 – juris).
91
Auf Grund der Feststellung des Nichtbestehens des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU findet gemäß § 11 Abs. 14 Satz 2 FreizügG/EU das Aufenthaltsgesetz Anwendung, sofern das Freizügigkeitsgesetz keine besonderen Regelungen trifft.
92
Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG kommt nicht in Betracht, da aufgrund der Scheinehe schon von vorneherein keine eheliche Lebensgemeinschaft zwischen den Ehegatten bestanden hat (s.o.). Zudem scheitert ein Anspruch auf Verlängerung nach § 31 Abs. 1 AufenthG daran, dass der Kläger nie im Besitz eines Aufenthaltstitels war, der hätte verlängert werden können. Dass ein solcher notwendig ist, macht schon der Gesetzeswortlaut („Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten … wird verlängert“) deutlich. Erforderlich ist eine Situation, die die schutzwürdige Verfestigung des Aufenthalts rechtfertigt (vgl. Hailbronner in Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2025, § 31 AufenthG Rn. 14). Die Erlaubnis zum Aufenthalt für den besonderen Zweck der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgt erst mit der Erteilung eines entsprechenden Titels (vgl. Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 15. Aufl. 2025, § 31 AufenthG Rn. 38). Der Kläger hatte aber tatsächlich zu keinem Zeitpunkt einen Aufenthaltstitel, der hätte verlängert werden können.
93
Für ein Aufenthaltsrecht nach § 19d, § 25b oder § 104c AufenthG fehlt es jeweils schon an der Voraussetzung eines „geduldeten Ausländers“. Für einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung ist auch nichts vorgetragen oder ersichtlich.
IV.
94
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.