Titel:
Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe, Bewährung in der Probezeit, materielle Beweislast, „non liquet“, Mitwirkungspflicht bei der Feststellung der gesundheitlichen Eignung, Beweisvereitelung, Verweigerung einer Psychotherapie
Normenketten:
BeamtStG § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
ZPO § 444
Schlagworte:
Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe, Bewährung in der Probezeit, materielle Beweislast, „non liquet“, Mitwirkungspflicht bei der Feststellung der gesundheitlichen Eignung, Beweisvereitelung, Verweigerung einer Psychotherapie
Fundstelle:
BeckRS 2025, 31384
Tenor
1. Der Bescheid des Landesamtes für Steuern vom 10. Mai 2023 und der Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Steuern vom 13. September 2023 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe.
2
1. Der Kläger steht als Beamter auf Probe im Dienste des Beklagten. Zuletzt wurde der Kläger als Steuersekretär (Besoldungsgruppe A 6, Stufe 4) im Finanzamt … eingesetzt.
3
Vor seinem Eintritt in den Dienst des Beklagten wurde der Kläger am 21. Januar 2015 amtsärztlich untersucht. Durch amtsärztliches Zeugnis des Gesundheitsamtes der Stadt … (Gesundheitsamt) vom 28. Januar 2015 wurde ihm die gesundheitliche Eignung als Steuersekretäranwärter bescheinigt.
4
Mit Wirkung vom … wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Steuersekretäranwärter ernannt.
5
Im Zeitraum vom 1. September 2015 bis zum 10. Juli 2017 blieb der Kläger dem Dienst an insgesamt 41 Tagen krankheitsbedingt fern. Dabei entfielen 13 Krankheitstage auf das Kalenderjahr 2015, 23 Krankheitstage auf das Kalenderjahr 2016 und fünf Krankheitstage auf das Kalenderjahr 2017. Aufgrund von Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung wurde vor der Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe eine erneute amtsärztliche Untersuchung veranlasst.
6
Der Kläger wurde am 18. August 2017 erneut amtsärztlich untersucht. Zusätzlich erfolgte am 11. September 2017 eine fachärztlich psychiatrische Begutachtung durch … Auf den Inhalt dieser Stellungnahme wird Bezug genommen. Im amtsärztlichen Zeugnis des Gesundheitsamtes vom 26. Oktober 2017 wird ausgeführt, es bestehe keine uneingeschränkte gesundheitliche Eignung. Aus medizinischer Sicht seien eine nervenärztliche Behandlung, eine medikamentöse Therapie und eine langfristige Psychotherapie erforderlich. Die Frage einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit könne derzeit nicht abschließend beantwortet werden, da es sich um eine bisher fachärztlich nicht behandelte Erkrankung handele. Zum jetzigen Zeitpunkt würden sich allerdings aus medizinischer Sicht Hinweise darauf ergeben, dass es auch in Zukunft zu krankheitsbedingten Fehlzeiten kommen werde.
7
In einer durch den Beklagten veranlassten ergänzenden Stellungnahme vom 7. Dezember 2017 führte das Gesundheitsamt aus, es könne derzeit nicht abschließend Stellung genommen werden, wie sich eine eventuell durchgeführte Behandlung auswirken würde.
8
Am 28. November 2017 fand ein Personalgespräch mit dem Kläger statt. Der Kläger führte aus, er stimme dem Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung nicht zu. Seines Erachtens leide er nicht an einer längerfristigen behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung. Der Beklagte legte dem Kläger nahe, die angesprochenen Behandlungen durchzuführen. Eine entsprechende Weisung werde nicht ergehen. Im Falle einer Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe werde auch während der Probezeit eine amtsärztliche Untersuchung erforderlich sein. Für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit müsse die entsprechende gesundheitliche Eignung vorhanden sein. Trotz Übernahme in das Probebeamtenverhältnis könnte es daher, gegebenenfalls nach einer bis zu fünfjährigen Probezeit, zur Entlassung aus dem Beamtenverhältnis kommen.
9
Mit Schreiben vom 11. Dezember 2017 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er mit beiliegender Urkunde in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen werde. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass die gesundheitliche Eignung zur Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit noch nicht abschließend geklärt sei. Eine endgültige Aussage müsse vor Ablauf der Probezeit getroffen werden. Es werde empfohlen, die durch das Gesundheitsamt als erforderlich erachteten Therapie- und Behandlungsmaßnahmen eigenverantwortlich zu ergreifen.
10
Mit Wirkung vom … wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Steuersekretär ernannt.
11
Durch Bescheid vom 17. Dezember 2019 wurde die Probezeit um 36 Monate bis zum 10. Dezember 2022 verlängert. In einem vorangegangenen Anhörungsschreiben wurde ausgeführt, es bestünden Zweifel an der gesundheitlichen Eignung. In den Gesundheitszeugnissen vom 26. Oktober 2017 und vom 7. Dezember 2017 habe keine Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit festgestellt werden können. Aufgrund der amtsärztlichen Aussagen sei eine Verlängerung der Probezeit um 36 Monate zu veranlassen.
12
Im Zeitraum vom 7. Dezember 2017 bis zum 24. Mai 2022 blieb der Kläger dem Dienst an insgesamt 49 Tagen krankheitsbedingt fern. Dabei entfielen vier Krankheitstage auf das Kalenderjahr 2018, neun Krankheitstage auf das Kalenderjahr 2019, 29 Krankheitstage auf das Kalenderjahr 2020 und sieben Krankheitstage auf das Kalenderjahr 2021. Aufgrund der weiteren Zweifel an der gesundheitlichen Eignung wurde vor der Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe eine erneute amtsärztliche Untersuchung veranlasst.
13
Der Kläger wurde am 25. August 2022 erneut amtsärztlich untersucht. Im amtsärztlichen Zeugnis des Gesundheitsamtes vom 27. September 2022 wird ausgeführt, es bestehe zum jetzigen Zeitpunkt keine uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für eine Übernahme auf Lebenszeit. Aufgrund der nicht erfolgten Therapie könne man zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend Stellung nehmen, ob tatsächliche Anhaltspunkte für eine vorzeitige dauernde Dienstunfähigkeit bestünden. Aus demselben Grund könne man zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit regelmäßige Ausfallzeiten und damit eine erheblich geringere Lebensdienstzeit ausschließen. Dem Gesundheitszeugnis vom 27. September 2022 lag neben den bisherigen amtsärztlichen Zeugnissen ein Arztbrief von … vom 16. September 2022 zugrunde. Auf den Inhalt dieses Schreibens wird Bezug genommen.
14
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2022 wurde der Kläger zur beabsichtigten Entlassung wegen Nichtbewährens in der Probezeit angehört. Auf die Möglichkeit der Beteiligung der Personalvertretung und der Gleichstellungsbeauftragten werde hingewiesen. Die Beteiligung sei bis spätestens 18. November 2022 zu beantragen.
15
Durch Schreiben vom 15. November 2022 nahm der Kläger zu seiner beabsichtigten Entlassung Stellung. Der Kläger führte aus, am 26. Oktober 2017 sei erstmalig eine solche Diagnose (medikamentöse Therapie und Psychotherapie) gestellt worden. Er sei sofort einsichtig gewesen und habe den ganzen Körper untersuchen lassen (MRT, EEG, Blutbild etc.). Alles sei in bester Ordnung. In dem Gespräch mit der Amtsärztin sei es unter anderem darum gegangen, ob er seine Wäsche noch bei seinen Eltern wasche und, dass er ab und zu Diskussionen mit seiner Mutter habe. Am Ende des Gesprächs sei von der Ärztin festgestellt worden, dass er zu sehr an seine Mutter gebunden sei. Dies liege jedoch hauptsächlich daran, dass er aufgrund der schlechten Bezahlung in seinen bisherigen Berufen nicht aus seiner Wohnung in der Nähe seiner Eltern ausgezogen sei. Es bestehe zwischen dieser Diagnose und den Fehltagen während seiner Ausbildung kein Zusammenhang. Er werde eine Psychotherapie beginnen, sobald die finanziellen Voraussetzungen dafür gegeben seien. Sollte er demnächst eine Freundin haben, wären diese Umstände möglicherweise auch ohne Therapie zu beheben. Das eigentliche Problem sei das starke Zigarettenrauchverhalten. Dies habe im Jahr 2012 begonnen, nachdem er sich von seiner Freundin getrennt habe. Er habe etwa acht Jahre lang über eine Schachtel pro Tag geraucht. Folgeschäden seien nicht ausgeblieben, aber mittlerweile sei er wieder fast vollständig regeneriert. Ihm sei dahingehend auch medikamentös geholfen worden. Die Psychotherapie, die ihm von … wegen seiner Angst vor vielen Leuten zu sprechen, Prüfungsangst und im Allgemeinen starker Angst während der Ausbildung empfohlen worden sei, habe er bisher nicht angetreten, da ihm gesagt worden sei, dass die Therapie nicht in der Praxis dieser Ärztin durchgeführt werden könne und Termine anderweitig schwer zu bekommen seien. Eine Therapie werde definitiv in Zukunft stattfinden, allerdings müsse diese zielführend sein und zusätzlich zu seiner eigenen Anstrengung eine Verbesserung bewirken. Sein Rauchverhalten sei inzwischen bei fast null Zigaretten am Tag angekommen.
16
Das Gesundheitsamt nahm auf Veranlassung des Beklagten durch amtsärztliches Zeugnis vom 27. Januar 2023 erneut Stellung. Es wurde ausgeführt, aufgrund der fehlenden abgeschlossenen fachärztlichen Diagnostik und Behandlung könne keine Aussage über die gesundheitliche Eignung getroffen werden. Aufgrund nicht erfolgter Diagnostik und Therapie könne nicht abschließend Stellung genommen werden, ob tatsächliche Anhaltspunkte für eine vorzeitige Dienstunfähigkeit bestünden. Aus demselben Grund könnten regelmäßige krankheitsbedingte Ausfallzeiten und eine erheblich geringere Lebensdienstzeit nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
17
Durch E-Mails vom 11. Februar 2023 und vom 13. Februar 2023 nahm der Kläger zur beabsichtigten Entlassung erneut Stellung. Der Kläger führte im Wesentlichen aus, eine Therapie, wie im Gutachten vom 26. Oktober 2017 angeraten, habe er nicht angetreten, weil … als behandelnde Ärztin ausschließlich auf eine soziale Phobie eingegangen sei, aber für die Sucht als solche keine Empfehlung gehabt habe. Kliniken, die Süchte behandelten, seien rar. Er habe auch beim Klinikum … angefragt, ob eine stationäre Behandlungsmöglichkeit bestehe, dies sei jedoch verneint worden. Er habe bei vielen Ärzten sein Problem geschildert, allerdings sei kein Arzt tätig geworden. Sein behandelnder Allgemeinmediziner … habe gesagt, dass er eine allergische Reaktion habe. Auf einen Vorschlag zur Überweisung an einen Facharzt mit Schwerpunkt „Suchttherapie“ sei … nicht eingegangen. Ohne eine solche Überweisung würde seine Krankenversicherung die Kosten für eine Behandlung in einer Fachklinik nicht übernehmen. Die fehlende Mitwirkung seiner Ärzte habe schließlich dazu geführt, dass er seinen Entzug erfolgreich eigenständig in die Hand genommen habe. Die leicht ausgeprägten Ängste habe er schon immer gehabt, sie seien jedoch durch die Sucht stärker hervorgetreten. Es gebe keine fehlende Mitwirkung seinerseits. Er hätte sich einer Therapie unterzogen, wenn ein Arzt dies konkret in die Wege geleitet hätte. Von Anfang an seien Einsicht und Mitwirkungsbereitschaft bei ihm vorhanden gewesen. Eine objektive Diagnose sei nie gestellt worden, es habe ausschließlich subjektive Vermutungen gegeben.
18
Nach einem Vermerk zu einem Telefongespräch zwischen dem Beklagten und dem Gesundheitsamt am 27. Februar 2023 führte … vom Gesundheitsamt aus, es handele sich bei der vom Kläger in den E-Mails vom 11. und 13. Februar 2023 angesprochenen Sucht um eine Nikotinsucht. Diesbezüglich sei weder eine Diagnose nach ICD Standard möglich noch gebe es hierzu eine ärztlich verordnete Therapie. Rauchen sei keine Krankheit. Eine Krankschreibung von drei Monaten für eine Rauchentwöhnung sei jedoch ungewöhnlich. Eine Diagnose sei bei psychischen Erkrankungen nur in einer akuten Phase der Erkrankung möglich. Rückwirkend sei dies nicht mehr möglich. Bei psychischen Erkrankungen laufe dann die Therapie und dazu begleitend die Diagnostik. Eine psychische Erkrankung sei in der Diagnostik aufwändig und häufig nicht eindeutig bzw. nur über Ausschluss anderer Erkrankungen möglich. Hätte der Beamte die angeregte Therapie gemacht, hätte begleitend die Diagnostik erfolgen können. Dabei hätte festgestellt werden können, ob eine Erkrankung vorliege, die möglicherweise zur Nichteignung führe. Die Formulierungen im Gesundheitszeugnis seien bewusst so getroffen worden. Es lägen keinerlei verwertbare Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beamte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Eintritt in den Ruhestand über Jahre hinweg regelmäßig ausfallen und eine geringere Lebensdienstzeit aufweisen werde.
19
Wiederum auf Veranlassung des Beklagten nahm das Gesundheitsamt durch amtsärztliches Zeugnis vom 16. März 2023 erneut Stellung. Es wurde ausgeführt, eine genaue diagnostische Einordnung erfolge üblicherweise im Verlauf einer langfristigen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung. Aufgrund der fehlenden abgeschlossen fachärztlichen Diagnostik und Behandlung könne keine Aussage über die gesundheitliche Eignung getroffen werden. Bei nicht erfolgter abgeschlossener Diagnostik und Therapie könne nicht abschließend Stellung genommen werden, ob tatsächliche Anhaltspunkte für eine vorzeitige dauernde Dienstunfähigkeit bestünden. Aus demselben Grund könnten regelmäßige krankheitsbedingte Ausfallzeiten und eine erheblich geringere Lebensdienstzeit nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
20
Durch Bescheid vom 10. Mai 2023 entließ der Beklagte den Kläger mit Ablauf des … wegen Nichtbewährens in der Probezeit aus dem Beamtenverhältnis auf Probe.
21
Zur Begründung wurde im Wesentlichen aufgeführt, Beamte auf Probe seien zu entlassen, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt hätten. Die Frage der Bewährung beziehe sich auf die Merkmale Eignung, Befähigung und Leistung. Grundlage für die Feststellung des Dienstherrn zur gesundheitlichen Eignung sei die amtsärztliche Einschätzung. Diese setze die Mitwirkung des Beamten auf Probe voraus. Der Beamte habe innerhalb der Probezeit alles Geeignete und Zumutbare zu unternehmen, um eine amtsärztliche Einschätzung bezüglich der gesundheitlichen Eignung zu ermöglichen. Dem Kläger sei mehrmals nahegelegt worden, die bereits im Gesundheitszeugnis vom 26. Oktober 2017 amtsärztlich empfohlenen Behandlungen und Therapien zur Ermöglichung einer abschließenden Stellungnahme hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung durchzuführen. Die ebenfalls von der Fachärztin des Klägers angeratenen Behandlungsmaßnahmen habe der Kläger jedoch bis zuletzt nicht ergriffen. Der Kläger sei hierdurch die ihm obliegenden zumutbaren Mitwirkungspflichten verletzt. Eine abschließende Aussage über die gesundheitliche Eignung habe mangels durchgeführter psychotherapeutischer Behandlung und daraus folgend mangels Diagnostik nicht getroffen werden können. Eine Nachholung der angeratenen Therapie helfe darüber nicht hinweg, da die seit 10. Dezember 2017 bestehende Probezeit nicht weiter verlängert werden könne. Das ohne hinreichenden Grund erfolgte Unterlassen der Mitwirkung stelle ein schuldhaft vereitelndes Verhalten dar, das bei der Beweisführung zu Lasten des Klägers gewertet werden dürfe. Aufgrund der Verweigerung könne davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger während der Probezeit in gesundheitlicher Hinsicht nicht bewährt habe. Eine Ruhestandsversetzung sowie eine anderweitige Verwendung kämen nicht in Betracht.
22
Durch Schriftsatz vom 20. Mai 2023 ließ der Kläger durch seine vormals bevollmächtigte Vertreterin Widerspruch einlegen.
23
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Inhalt des amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses sowie die Schlussfolgerungen des Beklagten hieraus könnten eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis nicht begründen. Nach geänderter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne die gesundheitliche Eignung nur verneint werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigten, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintreten werde. Die zu treffende Prognoseentscheidung setze eine hinreichende Tatsachenbasis voraus, die in aller Regel eine fundierte medizinische Einschätzung erfordere. Bloße Zweifel des Dienstherrn an der gesundheitlichen Eignung seien nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unerheblich. Ließen sich eine vorzeitige dauernde Dienstunfähigkeit oder krankheitsbedingte erhebliche und regelmäßige Ausfallzeiten nach Ausschöpfen der zugänglichen Beweisquellen weder feststellen noch ausschließen (sog. „non liquet“), so gehe dies zu Lasten des Dienstherrn. Gemessen an diesen Grundsätzen könne der Bescheid keinen Bestand haben. Ausweislich des Inhalts der amtsärztlichen Zeugnisse könne gerade keine abschließende Stellungnahme abgegeben werden, ob tatsächliche Anhaltspunkte für eine vorzeitige dauernde Dienstunfähigkeit bestünden. Eine gesicherte medizinische Grundlage liege gerade nicht vor. Auch die Anzahl der Krankheitstage lasse keine Zweifel an der gesundheitlichen Eignung erkennen. Der Kläger sei nach den Angaben des Beklagten seit der Untersuchung im Jahr 2017 an insgesamt 49 Tagen krankheitsbedingt ausgefallen. Im Durchschnitt lägen damit jährlich 8,2 Krankheitstage vor. Beamte seien allgemein im Durchschnitt jedoch bundesweit 20,77 Tage und bayernweit 10 Tage krankheitsbedingt dienstunfähig. Der Kläger liege somit sowohl unter dem bundesweiten als auch unter dem bayernweiten Durchschnitt. Eine Verletzung von Mitwirkungspflichten liege nicht vor. Der Kläger sei starker Raucher gewesen. Die Fehlzeiten im Jahr 2017 seien auf den Nikotinentzug zurückzuführen. Eine vom Amtsarzt angeratene Psychotherapie sei durch die Fachärztin … nicht bestätigt worden. Vielmehr habe diese nach Kenntnis des Inhalts des amtsärztlichen Zeugnisses aus dem Jahr die medizinische Auffassung, dass der Kläger unter Entzugserscheinungen leide, geteilt. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass ohne konkrete Diagnose nur schwer Medikamente verschrieben oder überhaupt eine Therapie eingeleitet werden könne. Die Mitwirkungspflicht des Klägers beziehe sich lediglich darauf, sich von einem Amtsarzt untersuchen zu lassen, und erschöpfe sich in der Mitwirkung der Feststellung der gesundheitlichen Eignung. Weitergehende Mitwirkungspflichten bestünden nicht, unter anderem deshalb, weil der behandelnde Amtsarzt nicht zur Anordnung etwaiger Therapiemaßnahmen befugt sei. Es wäre Aufgabe und Pflicht des Dienstherrn gewesen, den Kläger hierzu rechtlich zu bewegen. Eine förmliche Weisung sei jedoch nicht ergangen. Insofern könne sich der Dienstherr nunmehr nicht darauf berufen, der Beamte habe seine Mitwirkungspflicht verletzt.
24
Durch Widerspruchsbescheid vom 13. September 2023 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Entlassungsverfügung sei rechtmäßig. Die amtsärztliche Einschätzung als Grundlage für die Feststellung der gesundheitlichen Eignung setze die Mitwirkung des Beamten voraus. Diese Mitwirkungspflicht erschöpfe sich nicht im physischen Erscheinen zur Untersuchung beim Amtsarzt. Der Beamte habe vielmehr alles Geeignete und Zumutbare zu unternehmen, um eine amtsärztliche Einschätzung der gesundheitlichen Eignung zu ermöglichen. Dies umfasse auch die Bereitschaft des Beamten, sich einer ärztlich angeratenen Therapie zu unterziehen, wenn dies für die Eignungsfeststellung erforderlich sei. Dem Kläger sei sowohl von amts- und fachärztlicher Seite als auch vom Dienstherrn mehrmals nahegelegt worden, die bereits im Gesundheitszeugnis vom 26. Oktober 2017 empfohlenen Behandlungen und Therapien durchzuführen. Eine förmliche Weisung sei hingegen keine Voraussetzung für die Begründung von Mitwirkungspflichten. Ergreife der Beamte die notwendigen Maßnahmen nicht eigenverantwortlich, gehe dies zu seinen Lasten. Die angeratenen Behandlungsmaßnahmen habe der Kläger nicht ergriffen. Eine abschließende Aussage zur gesundheitlichen Eignung habe mangels durchgeführter psychotherapeutischer Behandlung und daraus folgend mangels Diagnostik nicht getroffen werden können. Die ohne hinreichenden Grund erfolgte fehlende Mitwirkung an der Feststellung der gesundheitlichen Eignung stelle ein schuldhaft vereitelndes Verhalten dar, dass bei der Beweiswürdigung zu Lasten des Klägers gewertet werden dürfe. Aufgrund der beharrlichen Verweigerung des Klägers zur Mitwirkung müsse davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger in gesundheitlicher Hinsicht nicht bewährt habe. Die mangelnde Bewährung könne nicht durch den Verweis auf eine leicht unterdurchschnittliche Anzahl an Krankheitstagen geheilt werden. Die Feststellung der gesundheitlichen Eignung sei eine positive Voraussetzung für die Lebenszeitverbeamtung und könne nicht etwa durch unterdurchschnittliche Krankheitstage ersetzt werden.
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Der Widerspruchsbescheid wurde der vormals bevollmächtigten Vertreterin des Klägers am 16. September 2023 gegen Postzustellungsurkunde zustellt.
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Durch E-Mails vom 19. und 20. September 2023 nahm der Kläger persönlich erneut Stellung. Der Kläger führte aus, eine Psychotherapie und eine medikamentöse Therapie seien im Jahr 2017 ohne jegliche Basis in den Raum gestellt worden. Er sei bei verschiedenen Ärzten vorstellig gewesen. Keiner der Ärzte habe nach langen Gesprächen und Untersuchungen feststellen können, dass eine nervenärztliche Krankheit vorliege. Man habe lediglich gemeint, dass sein Körper bei der Regeneration nach dem langen Zigarettenrauchen etwas länger brauche als bei anderen Personen. Ohne genaue Diagnose gewähre die Krankenkasse keine individuelle Therapie. Er hätte das gemacht, was die Ärzte gewollt hätten, wenn man ihm etwas Konkretes gesagt hätte. Die Kosten für eine Psychotherapie würden von Krankenkassen nur mit einer eindeutigen Diagnose übernommen.
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3. Durch Schriftsatz vom 12. Oktober 2023, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erheben lassen.
29
Zur Begründung lässt der Kläger über seinen Vortrag im Vorverfahren hinaus im Wesentlichen vorbringen, die Entlassung sei ermessensfehlerhaft gewesen. Der Beklagte habe sich nicht des Instruments des betrieblichen Eingliederungsmanagements bedient. Zudem bestreite der Kläger die Richtigkeit der amtsärztlich empfohlenen Therapiemaßnahmen. Eine nervenärztliche Behandlung, medikamentöse Therapie und langfristige Psychotherapie seien nicht indiziert gewesen. Der Kläger sei der Auffassung, nicht an einer psychischen Störung im engeren Sinne, sondern an schwerwiegenden körperlich-organischen Veränderungen in Form struktureller Veränderungen des Gewebes im Oberkörper, veränderter Muskulatur, toxischer Belastung sowie möglicher Zellschäden bis in den Kopfbereich gelitten zu haben. Diese Einschränkungen seien physisch begründet und damit einer verhaltenstherapeutischen Behandlung nicht zugänglich. Die mangelnde Teilnahme könne daher nicht gegen den Kläger gewertet werden. Vorrangig zu einer Entlassung hätte außerdem nach § 28 BeamtStG eine Versetzung in den Ruhestand erfolgen müssen.
30
Des Weiteren legte die Klägerseite einen Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales – Region Mittelfranken – Versorgungsamt vom 13. Februar 2024 vor, durch den beim Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 ab dem 1. Januar 2018 festgestellt worden ist. Zur Begründung wurde in dem Bescheid ausgeführt, nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen lägen beim Kläger eine geschwürige Dickdarmerkrankung (Colitis ulcerosa) und eine depressive Verstimmung vor, die jeweils zu einem GdB 20 führten. In einer Gesamtwürdigung ergebe sich daraus ein GdB 30. Es seien Unterlagen der Stadt … berücksichtigt und ausgewertet worden.
31
Außerdem legte die Klägerseite einen Bescheid der Bundesagentur für Arbeit … vom 25. April 2024 vor, durch den der Kläger ab dem 26. Februar 2024 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden ist.
- 1.
-
Der Bescheid des Landesamtes für Steuern vom 10. Mai 2023 und der Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Steuern vom 13. September 2023 werden aufgehoben.
- 2.
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Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
33
Der Beklagte beantragt,
34
Zur Begründung verweist der Beklagte auf sein Vorbringen im Vorverfahren. Auf den Vortrag des Klägers erwidert der Beklagte im Wesentlichen, die Zuerkennung eines Grades der Behinderung von 30 und die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen seien für das streitgegenständliche Verfahren nicht von Bedeutung, da die vorgebrachten Feststellungen nach Ablauf der Probezeit am 10. Dezember 2022 beantragt und getroffen worden seien. Soweit der Kläger auf § 167 Abs. 2 SGB IX verweise, werde darauf hingewiesen, dass die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für beamtenrechtliche Maßnahmen sei. Im Übrigen lägen aus Sicht des Beklagten keine Anhaltspunkte dafür vor, an der Richtigkeit der amtsärztlichen Zeugnisse und der Notwendigkeit der angesprochenen Therapien zu zweifeln. Der Vortrag über eine Ruhestandsversetzung nach § 28 BeamtStG entbehre jeder Grundlage, da keine dauernde Dienstfähigkeit im Sinne des § 26 BeamtStG vorliege.
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4. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten in diesem Verfahren sowie auf die über die mündliche Verhandlung am 19. Mai 2025 gefertigte Niederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und begründet.
37
Der Bescheid des Landesamtes für Steuern vom 10. Mai 2023 und der Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Steuern vom 13. September 2023 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
38
Die Rechtsgrundlage für die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe ergibt sich aus § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG, Art. 12 Abs. 5 LlbG, Art. 56 BayBG. Danach können Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben. Der Entlassungstatbestand steht im Zusammenhang mit § 10 Satz 1 BeamtStG, wonach in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nur berufen werden darf, wer sich in der Probezeit hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bewährt hat. Der Begriff der Eignung umfasst insbesondere auch die gesundheitliche Eignung. Steht die fehlende Bewährung fest, ist der Beamte zu entlassen, Art. 12 Abs. 5 LlbG.
39
Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufs der Probezeit (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.2013 – 2 C 16.12 – juris Rn. 12) ergaben sich keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine fehlende gesundheitliche Eignung des Klägers (1.). Der Beklagte durfte auch nicht aufgrund einer Verletzung von Mitwirkungspflichten auf die fehlende gesundheitliche Eignung schließen (2.).
40
1. Eine Nichtbewährung des Klägers in Bezug auf seine gesundheitliche Eignung ist für das Gericht nicht ersichtlich. Eine fehlende gesundheitliche Eignung des Klägers stand zum Zeitpunkt des Ablaufs der Probezeit nicht fest.
41
Einem Beamten auf Probe fehlt die gesundheitliche Eignung, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, er werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt oder er werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bis zur Pensionierung über Jahre hinweg regelmäßig krankheitsbedingt ausfallen und deshalb eine erheblich geringere Lebensdienstzeit aufweisen (BVerwG, U.v. 30.10.2013 – 2 C 16.12 – juris Rn. 26). Für die Prognose über die voraussichtliche Entwicklung des Gesundheitszustandes des Bewerbers muss in aller Regel ein Mediziner eine fundierte medizinische Tatsachenbasis auf der Grundlage allgemeiner medizinischer Erkenntnisse und der Verfassung des Beamten erstellen. Der Arzt muss das Ausmaß der Einschränkungen feststellen und deren voraussichtliche Bedeutung für die Leistungsfähigkeit sowie für die Erfüllung der dienstlichen Anforderungen medizinisch fundiert einschätzen. Er muss in seiner Stellungnahme Anknüpfungs- und Befundtatsachen darstellen, seine Untersuchungsmethoden erläutern und seine Hypothesen sowie deren Grundlage offenlegen. Auf dieser Grundlage hat er unter Ausschöpfung der vorhandenen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand des Bewerbers eine Aussage über die voraussichtliche Entwicklung des Leistungsvermögens zu treffen, die den Dienstherrn in die Lage versetzt, die Rechtsfrage der gesundheitlichen Eignung eigenverantwortlich zu beantworten. Als Grundlage für die vom Dienstherrn oder vom Gericht zu treffende Entscheidung über die gesundheitliche Eignung eines Bewerbers reicht die nicht näher belegte Einschätzung eines Mediziners über den voraussichtlichen Verlauf der beim Bewerber bestehenden Erkrankung nicht aus. Sofern statistische Erkenntnisse über die gewöhnlich zu erwartende Entwicklung einer Erkrankung herangezogen werden sollen, sind diese nur verwertbar, wenn sie auf einer belastbaren Basis beruhen. Dafür muss über einen längeren Zeitraum hinweg eine signifikante Anzahl von Personen beobachtet worden sein. Zudem ist es bei der medizinischen Bewertung zu berücksichtigen, wenn der individuelle Krankheitsverlauf des Betroffenen Besonderheiten gegenüber den statistischen Erkenntnissen aufweist (BVerwG, U.v. 30.10.2013 – 2 C 16.12 – juris Rn. 31 und 32). Der Dienstherr hat bei der Bewertung der gesundheitlichen Eignung keinen Beurteilungsspielraum (BVerwG, U.v. 25.7.2013 – 2 C 12.11 – juris Rn. 24). Lassen sich vorzeitige dauernde Dienstunfähigkeit oder krankheitsbedingte erhebliche und regelmäßige Ausfallzeiten nach Ausschöpfen der zugänglichen Beweisquellen weder feststellen noch ausschließen („non liquet“), so geht dies zu Lasten des Dienstherrn (BVerwG, U.v. 30.10.2013 – 2 C 16.12 – juris Rn. 28). Soweit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bloße nachhaltige Zweifel des Dienstherrn an der gesundheitlichen Eignung für ausreichend gehalten wurden, wurde diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben (BVerwG, U.v. 30.10.2013 – 2 C 16.12 – juris Rn. 29). Im Ergebnis trägt damit jedenfalls bei Beamten auf Probe der Dienstherr die materielle Beweislast für die Feststellung der fehlenden gesundheitlichen Eignung (so auch BayVGH, U.v. 9.8.2019 – 3 B 17.538 – juris Rn. 18). Weiter ist zu berücksichtigen, dass in die Entscheidung des Dienstherrn über die gesundheitliche Bewährung des Probebeamten nur solche Umstände Eingang finden dürfen, die während der Probezeit bekannt geworden sind oder die zwar nach Ablauf dieser Zeit eingetreten sind, aber Rückschlüsse auf die Bewährung des Beamten in der laufbahnrechtlichen Probezeit zulassen. War die Erkrankung eines Probebeamten bereits vor der Begründung dieses Beamtenverhältnisses bekannt, so darf der Dienstherr die gesundheitliche Eignung des Beamten bei der anstehenden Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit nur dann im Hinblick auf diese Erkrankung verneinen, wenn sich die Grundlagen ihrer Bewertung inzwischen geändert haben. Bei unveränderter Sachlage ist der Dienstherr an seine Bewertung der gesundheitlichen Eignung vor Begründung des Probebeamtenverhältnisses gebunden (BVerwG, U.v. 30.10.2013 – 2 C 16.12 – juris Rn. 14 und 15).
42
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe konnte eine Nichtbewährung in gesundheitlicher Hinsicht vorliegend nicht festgestellt werden. Den amtsärztlichen Zeugnissen lässt sich entnehmen, dass aufgrund fehlender abgeschlossener fachärztlicher Diagnostik und Behandlung keine eindeutige Aussage über die gesundheitliche Eignung des Klägers getroffen werden konnte. Eine abschließende Stellungnahme, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt tatsächliche Anhaltspunkte bestanden, die auf eine vorzeitige dauernde Dienstunfähigkeit oder eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für regelmäßige krankheitsbedingte Ausfallzeiten hindeuteten, war dem Gesundheitsamt trotz mehrfacher Untersuchungen und Einholung zusätzlicher fachärztlicher Stellungnahmen nicht möglich (vgl. zuletzt das amtsärztliche Zeugnis vom 16. März 2023). Soweit das Gesundheitsamt vor der Ernennung des Klägers auf Probe in seinem amtsärztlichen Zeugnis ausführte, es bestehe keine uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis aus Lebenszeit (vgl. amtsärztliches Zeugnis vom 26. Oktober 2017), wurde diese Feststellung durch die weiteren Aussagen wieder in Zweifel gezogen. Unmittelbar anschließend führte das Gesundheitsamt aus, dass die Frage einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit derzeit nicht abschließend beantwortet werden könne. Zwar traf die Amtsärztin damals noch die Aussage, mangels Behandlung ergäben sich aus medizinischer Sicht Hinweise, dass es auch in Zukunft zu krankheitsbedingten Fehlzeiten kommen werde. Nähere Ausführungen zum prognostizierten Umfang der Fehlzeiten wurden jedoch nicht gemacht. In einer ergänzenden Stellungnahme am 7. Dezember 2017 wurde zudem klargestellt, dass auch zur Frage regelmäßiger krankheitsbedingter Ausfälle derzeit nicht abschließend Stellung genommen werden könne. Vergleichbares gilt für die amtsärztlichen Zeugnisse vom 27. September 2022, vom 27. Januar 2023 und vom 16. März 2023, die im Zusammenhang mit der anstehenden Entscheidung über eine Übernahme auf Lebenszeit erstellt wurden. Soweit darin darauf abgestellt wird, dass regelmäßige krankheitsbedingte Ausfallzeiten nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könnten, entspricht dies nicht dem Maßstab zur Feststellung der fehlenden gesundheitlichen Eignung, nach dem die überwiegende Wahrscheinlichkeit regelmäßiger Ausfallzeiten positiv festgestellt werden muss. Das Gesundheitsamt bestätigte in dem Telefongespräch mit dem Beklagten am 27. Februar 2023, dass die Formulierungen bewusst so getroffen worden seien, da keinerlei verwertbare Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Kläger regelmäßig ausfallen werde. Auf dieser Grundlage konnte die fehlende gesundheitliche Eignung nicht festgestellt werden.
43
Im Übrigen genügen die amtsärztlichen Zeugnisse auch nicht den oben beschriebenen Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht an ärztliche Stellungnahmen im Zusammenhang mit der Prognose vorzeitiger Dienstunfähigkeit stellt. In den Stellungnahmen finden sich insbesondere keinerlei Ausführungen dazu, wie sich der Gesundheitszustand des Klägers mit bzw. ohne die empfohlene Behandlung und Therapie voraussichtlich entwickelt hätte. Auch das Ausmaß der Erkrankungen lässt sich anhand der vorliegenden Stellungnahmen nicht nachvollziehen. Dies mag damit zusammenhängen, dass eine genaue Diagnose bei psychischen Erkrankungen nur im Rahmen einer langfristigen Begleitung des Patienten erfolgen kann, jedoch reichte diese unsichere Tatsachengrundlage jedenfalls nicht aus, um dem Kläger bereits bei Ablauf der Probezeit die Prognose zu stellen, er werde voraussichtlich vorzeitig dienstunfähig bzw. regelmäßig krankheitsbedingt ausfallen.
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Ergänzend ist auszuführen, dass die gesundheitliche Situation des Klägers dem Beklagten auch bereits vor Begründung des Probebeamtenverhältnisses bekannt gewesen ist. Durch die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe dokumentierte der Beklagte, dass er, wenngleich er gewisse Zweifel gehabt haben mag, grundsätzlich von der gesundheitlichen Eignung ausging. Denn ein gesundheitlich nicht geeigneter Bewerber darf nicht in ein Beamtenverhältnis auf Probe übernommen werden. Wie bereits dargestellt ist der Beklagte an die Bewertung der gesundheitlichen Eignung des Klägers, die er vor der Übernahme des Klägers in ein Probebeamtenverhältnis getroffen hat, grundsätzlich gebunden, wenn sich keine erhebliche Veränderung der Sachlage ergibt. Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers während der Probezeit ist jedoch nicht zu erkennen, vielmehr hat der Kläger seinen Dienst soweit ersichtlich weitestgehend beanstandungsfrei verrichtet. Nach einem Aktenvermerk hat der Kläger während der Probezeit, konkret im Zeitraum vom 11. Dezember 2017 bis zum 24. Mai 2022, an 49 Tagen krankheitsbedingt gefehlt. Im Vergleich dazu hatte der Kläger während seiner Ausbildung in einem wesentlich kürzeren Zeitraum, konkret im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 10. Juli 2017, 41 Krankheitstage. Wenn überhaupt lässt sich daran eine leicht positive Tendenz erkennen. Dies lässt jedenfalls nicht darauf schließen, dass sich der Kläger in der immerhin fünf Jahre andauernden Probezeit in gesundheitlicher Hinsicht nicht bewährt hat.
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Eine weitere Aufklärung des Gesundheitszustandes des Klägers hat das Gericht nicht für erforderlich gehalten, da insbesondere eine erneute Untersuchung nach Ansicht der Kammer nicht zu einem weiteren Erkenntnisgewinn geführt hätte. Dahingehend äußerte sich auch der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 12. Mai 2025. Dieser hat zudem auch in der mündlichen Verhandlung von der Beantragung einer weiteren Beweiserhebung abgesehen.
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2. Der Beklagte durfte nach Ansicht des Gerichts auch nicht wegen fehlender Mitwirkung auf die Nichtbewährung in gesundheitlicher Hinsicht schließen.
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Das Vorgehen des Beklagten zielt auf die allgemeinen Grundsätze zur Beweisvereitelung ab. In Literatur und Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Dienstherr bei fehlender Mitwirkung in bestimmten Konstellationen auf das (Nicht-)Vorliegen von Tatbestandsmerkmalen schließen darf. Entschieden wurde dies etwa für die Weigerung, sich im Rahmen eines Reaktivierungsverfahrens einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Das Bundesverwaltungsgericht führte insoweit aus, der Behörde obliege zwar die materielle Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis, also auch hinsichtlich der zu erwartenden Dienstfähigkeit des Ruhestandsbeamten. Den Ruhestandsbeamten treffe bei der Feststellung seiner Dienstfähigkeit jedoch eine Mitwirkungspflicht. Der Beamte sei nach den gesetzlichen Vorgaben verpflichtet, sich zur Nachprüfung der Dienstfähigkeit nach Weisung der Behörde amtsärztlich untersuchen zu lassen. Zwar bewirke ein Verstoß gegen diese Mitwirkungspflicht keine Umkehr der Beweislastverteilung. Sie sei jedoch bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Im Zusammenhang mit der Würdigung aller einschlägigen Umstände stelle die unberechtigte Weigerung, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, ein erhebliches Indiz für die Dienstfähigkeit des Beamten dar. Dies entspreche einem aus § 444 ZPO abzuleitenden und auch im Verwaltungsverfahren Geltung beanspruchenden allgemeinen Rechtsgrundsatz. Nach diesem Grundsatz könne das die Benutzung eines bestimmten Beweismittels schuldhaft vereitelnde Verhalten einer Partei als ein Umstand gewertet werden, der – wenn auch nicht notwendig – für die Richtigkeit des Vorbringens des Gegners spreche (BVerwG, B.v. 19.6.2000 – 1 DB 13.00 – juris Rn. 16). Weitere Beispiele für die Annahme einer Beweisvereitelung sind etwa die Verweigerung einer amtsärztlichen Untersuchung im Rahmen der Feststellung dauernder Dienstunfähigkeit (BVerwG, U.v. 26.1.2012 – 2 C 7.11 – juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 18.12.2019 – 3 B 19.2054 – Rn. 32 ff.; OVG NW, B.v. 17.6.2010 – 6 A 2903.09 – juris Rn. 6), die Verweigerung ärztliche Atteste vorzulegen, um feststellen zu können, ob der Beamte unerlaubt dem Dienst ferngeblieben ist (BVerwG, U.v. 15.1.2007 – 2 A 3.05 – juris Rn. 34) oder die Verweigerung einer Schweigepflichtentbindung (BVerwG, B.v. 12.12.2023 – 2 B 10.23 – juris Rn. 10; VG München, U.v. 10.7.2019 – M 5 K 17.1047 – juris Rn. 28). Es handelt sich bei diesen Aussagen zur Beweisvereitelung um verallgemeinerungsfähige Grundsätze, die auch auf andere Konstellationen übertragbar sind.
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Eine Übertragbarkeit auf den vorliegenden Fall sieht das Gericht jedoch nicht. Die Annahme einer Beweisvereitelung scheitert nach Ansicht der Kammer bereits daran, dass der Beklagte keine konkrete (weitere) Beweisführung veranlasst hat. Eine konkrete Anordnung an den Kläger, sich einer Psychotherapie zu unterziehen, ist nicht ergangen. Der Beklagte hat unter anderem im Rahmen des Personalgesprächs vom 28. November 2017 ausdrücklich klargestellt, dass eine förmliche Weisung nicht ergehen werde, sondern die Psychotherapie in die Eigenverantwortung des Klägers gestellt werde. Für die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Anordnung spricht, dass der Dienstherr im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes bestimmt, welcher Beweismittel er sich bedient (vgl. Art. 26 BayVwVfG). Die Pflicht des Beamten beschränkt sich darauf, dass er in bestimmtem Umfang an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken hat. Diese Mitwirkungspflicht geht nach Ansicht der Kammer jedoch nicht so weit, dass der Beamte von sich aus weitere Schritte unternehmen muss, die darauf abzielen, seinen Gesundheitszustand weiter aufzuklären und gegebenenfalls seine eigene gesundheitliche Nichteignung nachzuweisen. Für das Erfordernis einer ausdrücklichen Anordnung spricht auch, dass diese gerade dazu dient, zu konkretisieren, was genau vom Beamten verlangt wird. Der Beamte erhält so zudem die Möglichkeit, gegebenenfalls Rechtsschutz gegen die Anordnung zu ersuchen, wenn er diese als zu weitgehend empfindet. Auch in den bislang entschiedenen Fällen zur Beweisvereitelung wurde die Verletzung einer Mitwirkungspflicht, soweit für die Kammer ersichtlich, stets auf die Missachtung einer konkreten Anordnung gestützt. In einer Entscheidung stellte das Bundesverwaltungsgericht etwa klar, dass die Anwendung des Rechtsgedankens der §§ 427, 444 und 446 ZPO bei Beweisvereitelung voraussetze, dass die konkrete Anordnung des Dienstherrn zur Klärung des Gesundheitszustandes ihrerseits rechtmäßig sei. Denn nur die Verweigerung einer rechtmäßigen Anordnung könne dem betroffenen Beamten angelastet werden (BVerwG, B.v. 12.12.2023 – 2 B 10.23 – juris Rn. 10). Dies setzt aus Sicht der Kammer denklogisch voraus, dass zunächst überhaupt eine entsprechende Anordnung ergangen ist.
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Im Übrigen kann das Gericht jedenfalls im vorliegenden Einzelfall nicht erkennen, dass der Kläger etwaige Mitwirkungspflichten schuldhaft verletzt hat. Der Kläger hat sich allen amts- und fachärztlichen Untersuchungen unterzogen, die vom Beklagten veranlasst wurden. Dem Beklagten mag zuzugeben sein, dass dem Kläger sowohl von ärztlicher Seite als auch von Seiten des Beklagten dringend zur Durchführung einer Psychotherapie geraten wurde. Gerade der Beklagte betonte dabei jedoch die Eigenverantwortlichkeit und führte etwa im Begleitschreiben zur Übersendung der Ernennungsurkunde vom … aus, dass die Empfehlung vorrangig im Interesse des Klägers ausgesprochen werde. Dem Kläger kann die Missachtung einer Maßnahme, die der Beklagte ausdrücklich in das Belieben des Klägers gestellt hat, nicht vorgeworfen werden. Der Kläger musste auch unabhängig von den Aussagen des Beklagten nicht damit rechnen, dass die Durchführung einer Psychotherapie eine unbedingte Voraussetzung für eine Übernahme auf Lebenszeit ist. Vielmehr durfte der Kläger davon ausgehen, dass es maßgeblich darauf ankommt, wie sich sein Gesundheitszustand bei Ablauf der Probezeit darstellt, und nicht darauf, ob eine Psychotherapie durchgeführt wurde oder nicht. Sollte der Beklagte davon ausgegangen sein, dass eine Übernahme auf Lebenszeit nur in Betracht kommt, nachdem sämtliche Zweifel an der gesundheitlichen Eignung durch eine Psychotherapie ausgeräumt worden sind, hätte er dadurch die oben beschriebenen Maßstäbe verkannt, nach denen selbst nachhaltige Zweifel nicht mehr ausreichen, solange keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine vorzeitige Dienstunfähigkeit bzw. für erhebliche krankheitsbedingte Ausfallzeiten bestehen.
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Überdies wäre die Verweigerung der Psychotherapie aus Sicht des Gerichts aus einem sachlichen Grund erfolgt. Der Kläger teilte dem Beklagten bereits im Personalgespräch am 28. November 2017 mit, dass er den Befunden des Gesundheitsamtes nicht uneingeschränkt zustimme. In seinen weiteren Stellungnahmen (vgl. etwa die E-Mail vom 11. Februar 2023) präzisierte der Kläger, dass er hinsichtlich eines gewissen Behandlungsbedarfs grundsätzlich einsichtig gewesen sei, jedoch insbesondere die Diagnosen Depression und Angststörung bzw. soziale Phobie nicht habe nachvollziehen können. Einer Psychotherapie hätte er sich unterzogen, wenn dies von ärztlicher Seite konkret in die Wege geleitet worden wäre. Es sei jedoch kein Arzt tätig geworden. Ohne eine entsprechende ärztliche Verordnung übernehme die Krankenkasse auch die Kosten für eine Behandlung nicht. Aus seiner Sicht liege der Schwerpunkt seiner gesundheitlichen Einschränkungen ohnehin eher in seiner Nikotinsucht. In der fachärztlichen Stellungnahme von … vom 16. September 2022 wurde ebenfalls maßgeblich die Nikotinsucht des Klägers thematisiert. Auch das Gesundheitsamt ging im Telefonat am 27. Februar 2023 ausdrücklich auf eine Nikotinsucht ein. Es wurde ausgeführt, dass Rauchen keine Krankheit sei. Eine verordnete Therapie gebe es hierzu nicht. Hinsichtlich der übrigen psychischen Einschränkungen wurde ausgeführt, bei psychischen Erkrankungen erfolge eine genaue Diagnose üblicherweise im Rahmen einer Therapie. Hätte der Kläger die angeregte Therapie gemacht, hätte begleitend die Diagnostik erfolgen können. Dabei hätte festgestellt werden können, ob eine Erkrankung vorliege, die zur Nichteignung führe, oder eben nicht. Vor diesem Hintergrund ergeben sich auch für das Gericht erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich des konkreten Ausmaßes der psychischen Beeinträchtigungen und des konkreten Therapiebedarfs. Aufgrund dieser Unsicherheiten erscheint es im Ergebnis berechtigt, dass sich der Kläger nicht eigenverantwortlich um einen Therapieplatz bemüht hat.
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Der Klage war daher stattzugeben.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war antragsgemäß gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, da es dem Kläger angesichts der Komplexität des Rechtsstreits und der Bedeutung der Sache nicht zumutbar war, das Vorverfahren selbst durchzuführen. Der Kläger hat sich im Vorverfahren auch bereits anwaltlich vertreten lassen (vgl. Widerspruchsschreiben vom 20. Mai 2023 und Vollmacht vom 9. November 2022).