Titel:
30 EUR als Wertgrenze für eine geringwertigen Sache iSv § 248a StGB
Normenkette:
StGB § 46 Abs. 3, § 230, § 248a
Leitsätze:
Das Zusammentreffen mehrerer Straftaten in Tateinheit wirkt sich in der Regel zu Lasten des Täters aus. (Rn. 4)
1. Eine Sache ist geringwertig iSv § 248a StGB, wenn sie einen objektiven Wert von nicht mehr als etwa 25–30 EUR hat. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Zusammentreffen mehrerer Straftaten in Tateinheit wirkt sich in der Regel zulasten des Täters aus. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Fehlen von Verfahrenshindernissen ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und zu beachten. Die Feststellung der tatsächlichen Grundlagen hierfür erfolgt im Freibeweisverfahren (hier: Bejahung des öffentlichen Interesses durch die Staatsanwaltschaft gem. § 230 StGB). Gesonderter Feststellungen im Urteil bedarf es dazu nicht. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
geringwertige Sache, Strafzumessung, Tateinheit, Strafantrag, öffentliches Interesse
Vorinstanz:
LG Regensburg, Urteil vom 22.04.2025 – 3 NBs 708 Js 15133/24
Fundstelle:
BeckRS 2025, 31229
Tenor
I. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 22. April 2025 wird als unbegründet verworfen.
II. Die Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
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Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Zur Begründung wird auf die zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft M. in ihrer Antragsschrift Bezug genommen. Ergänzend bemerkt der Senat:
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1. Der rechtsirrtümlich als Verfahrensrüge erhobene Einwand der Angeklagten, es mangele an einem nach § 230 StGB erforderlichen Strafantrag und an einer Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung bezüglich der tateinheitlich erkannten vorsätzlichen Körperverletzung, geht fehl. Es besteht insoweit kein Verfahrenshindernis. Die Revision übersieht, dass die Staatsanwaltschaft Regensburg nach der Niederschrift der Hauptverhandlung am 13. November 2024 das besondere öffentliche Interesse an der Verfolgung der Körperverletzung ausdrücklich erklärt hat (SA S. 56 R.). Gesonderter Feststellungen im Urteil bedurfte es dazu nicht. Vielmehr ist das Vorhandensein der Prozessvoraussetzungen, also das Fehlen von Verfahrenshindernissen, in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und zu beachten. Die Feststellung der tatsächlichen Grundlagen hierfür erfolgt im Freibeweisverfahren (Stuckenberg in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 206a StPO Rn. 35). Auf die Erklärung der Generalstaatsanwaltschaft M. , die auch in der Revisionsinstanz noch möglich ist, kommt es daher nicht an.
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2. Nachdem sich der Diebstahl der Angeklagten nach den vom Tatgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht auf eine geringwertige Sache, das heißt eine Sache mit einem objektiven Wert von nicht mehr als etwa 25 – 30 EUR (vgl. Fischer/Fischer, StGB, 72. Aufl., § 248a Rn. 3a m.w.N.; BGH, Beschluss vom 12. August 2025 – 5 StR 293/25 –, juris Rn. 6) bezog, sind die von der Revision vermissten Ausführungen zur Geringwertigkeit bei der Strafzumessung obsolet.
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3. Der von der Revision besorgte Verstoß gegen das Verbot der Doppelverwertung liegt nicht vor. Das Zusammentreffen mehrerer Straftaten in Tateinheit wirkt sich in der Regel zu Lasten des Täters aus (vgl. Fischer a.a.O. § 46 Rn. 58). Die Revision verwechselt insoweit den Regelungsgehalt von § 52 mit dem von § 46 Abs. 3 StGB. Der Auffassung der Revision, die Körperverletzungsfolge sei „Bestandteil“ des Diebstahls, ist mit Blick auf die inkongruenten Tatbestandsmerkmale der beiden unterschiedliche Rechtsgüter schützenden Straftatbestände nicht zu folgen.
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4. Auch die Einwände der Revision gegen die Ausführungen der Strafkammer im Rahmen von deren Entscheidung zur Versagung der Bewährung können der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Die Strafkammer hat die Entscheidungen zur Strafhöhe und zu der Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung getrennt und sorgfältig begründet. Die von der Revision als bedeutend erachteten persönlichen Lebensumstände der Angeklagten hat das Landgericht in den Urteilsgründen bedacht und eingehend behandelt. Wenngleich die Angeklagte – erneut – ihre Aussichten für eine Zukunft ohne Straftaten optimistisch würdigt, steht die Prognose nach dem Gesetz nicht ihr, sondern alleine dem Tatrichter zu. Dass das Landgericht bei der Bewertung einen wesentlichen Umstand außer Acht gelassen hätte, behauptet auch die Angeklagte nicht.
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5. Den von der Revision gerügten Verstoß gegen das Übermaßverbot kann der Senat ausschließen. Denn die Angeklagte übergeht in ihren Ausführungen, dass sie im engen situativen Zusammenhang mit dem Diebstahl mit Gewalt gegen eine Zeugin vorgegangen ist und diese dabei auch verletzt hat. Die Tat, die sich nicht nur als Diebstahl und vorsätzliche Körperverletzung darstellt, sondern auch die Nötigungsmerkmale aufweist, liegt im Schuldgehalt nahe an einem Verbrechen nach § 252 StGB. Mit Blick auf die in ihren Vorstrafen zum Ausdruck kommende Unbelehrbarkeit – weder mit der Verhängung von Geldstrafen noch mit dem Ausspruch einer Bewährungsstrafe konnte bislang auf die Angeklagte nachhaltig eingewirkt werden – erachtet der Senat die ausgesprochene Strafe als maßvoll.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.