Titel:
Unbegründete Klage, Internationale Zuständigkeit, Prozessführungsbefugnis, Glücksspielstaatsvertrag, Verlustfeststellung, Währungsumrechnung, Nebenforderungen
Schlagworte:
Unbegründete Klage, Internationale Zuständigkeit, Prozessführungsbefugnis, Glücksspielstaatsvertrag, Verlustfeststellung, Währungsumrechnung, Nebenforderungen
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 15.09.2025 – 4 U 2137/25 e
OLG München, Beschluss vom 28.10.2025 – 8 U 2137/25 e
Fundstelle:
BeckRS 2025, 31121
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 12.884,40 Euro festgesetzt.
Tatbestand
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Der in ... München wohnhafte Kläger macht Rückzahlungsansprüche im Zusammenhang mit Verlusten durch die Teilnahme an Online-Glücksspiel im Zeitraum vom 09.08.2013 bis zum 26.03.2023 auf der zum damaligen Zeitpunkt von der Beklagten betriebenen Webseite „...“ geltend.
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Die Beklagte, die ihren Sitz in Malta hat, bot die genannte Webseite deutschsprachig an. Auf dieser veranstaltete sie öffentlich Online-Glücksspiel einschließlich Online-Casinospielen und virtuellen Automatenspiele, Online-Poker und Sportwetten. Die Teilnahme war von Deutschland aus möglich.
3
Die Holdinggesellschaft der Beklagten, die „...“ mit Sitz in Malta, verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum zwar über eine maltesische Glücksspiellizenz, nicht aber über eine Erlaubnis im Sinne des § 4 des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV), um in Bayern Sportwetten zu betreiben. Schließlich erhielt diese am 22.03.2023 für die Internetseiten „..." und „...“ eine Erlaubnis der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder für Online-Poker und für virtuelle Automatenspiele.
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Das Angebot auf der Internetseite „...“ ist mittlerweile in Deutschland eingestellt.
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Der Kläger nahm nach seiner Registrierung, die allen Volljährigen mit Wohnsitz in Deutschland möglich war, ausschließlich privat auf der Internetdomain der Beklagten an Online-Glücksspiel teil und tätigte vom 09.08.2014 bis 26.03.2023 unter dem Kontonamen „...“ und seiner persönlichen E-Mail-Adresse “ zahlreiche Transaktionen. Die Einzahlungen wurden bei der Beklagten (zunächst) als Guthaben geführt. Für die jeweiligen Spieleinsätze flossen sodann die entsprechenden Beträge ab. Gewinne zahlte die Beklagte aus. Einzahlungen erfolgten stets in der Währung Euro.
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Der Kläger nahm sowohl an Online-Casinospielen als auch am Online-Poker gegen andere (menschliche) Spieler teil.
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Bei diesem Online-Poker nahm die Beklagte selbst nicht auf Spielerseite teil, sondern stellte die Beklagte die Infrastruktur zur Verfügung und verwaltete die Spieleinsätze weisungsgemäß, wofür sie einen bestimmten Prozentsatz als Entgelt (den sogenannten „Rake“) erhielt.
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Auf der gegenständliche Internetdomain "...“ führte die Beklagte ihre maltesische Glücksspiellizenz auf und wies auf ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen hin.
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Der Kläger trägt vor, er habe im Vertrauen auf die Legalität das Angebot der Beklagten genutzt. Die Illegalität sei ihm erst durch eine Werbung seiner Prozessvertreter bekannt geworden, um Juni 2023. Nach seiner Ansicht sind ihm die hier klageweise geltend gemachten erlittenen Verluste zu erstatten. Er sei aktivlegitimiert zur vollständigen und alleinigen Geltendmachung der hier gegenständlichen Ansprüche. Diese seien zwar an einen Prozessfinanzierer, nämlich die luxemburgische Aktiengesellschaft für Umsatzfinanzierung S.A., Compartment „OCS1“, abgetreten, der Prozessfinanzierer habe ihn jedoch schriftlich ermächtigt, die Ansprüche einzuziehen (Anlage K 9). Seitens des Klägers wird eingeräumt, dass er teilweise vom Ausland aus am Online-Glücksspiel teilgenommen hat. Wegen der Zeiträume und der betroffenen Länder sowie der erlittenen Verluste – nach dem Vortrag des Klägers – wird auf den Schriftsatz vom 18.12.2024 Bezug genommen (ab Bl. 175 d.A.). Den Hilfsantrag stellt der Kläger vor dem Hintergrund der Rüge der Beklagten, der Klageantrag könne nicht in US-Dollar beziffert werden, weil unstreitig sämtliche Einzahlungen in Euro getätigt worden seien. Vorsorglich widerruft der Kläger sämtliche mit der Beklagten abgeschlossenen Spielverträge.
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Ursprünglich hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 13.648,14 US-Dollar nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen (Klageschrift vom 09.08.2023).
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Der Kläger beantragt zuletzt,
an den Kläger 35.746,29 US-Dollar abzüglich 20.113,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.325,73 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt
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Die Beklagte stellt bereits die Aktivlegitimation bzw. Prozessführungsbefugnis des Klägers in Frage und erachtet die Klage schon als unzulässig. Ungeachtet dessen sei die Klagesumme wegen Spielteilnahme vom Ausland aus, außerhalb des Geltungsbereichs des Glücksspielstaatsvertrags, unschlüssig. Der Umfang der Teilnahme des Klägers an Online-Glücksspielen der Beklagten im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags könne nicht festgestellt werden. Die zwischenzeitlich erfolgten Darlegungen des Klägers seien erkennbar nicht vollständig. Die Unschlüssigkeit ergebe sich auch daraus, dass der Kläger nicht bezüglich der Spielteilnahme zwischen Online-Casinopsielen und Online-Poker unterschieden habe. Bei Online-Poker bestehe kein Anspruch auf Rückerstattung von Verlusten, denn die Beklagte habe lediglich das sogenannte „Rake“ in Höhe von ca. 5% des jeweiligen Spieleinsatzes erhalten. Die klägerseits berechnete Verlusthöhe wird bestritten. Die Klageforderung sei unsubstantiiert und widersprüchlich. Unstreitig seien die Einzahlungen in Euro erfolgt, weshalb eine Bezifferung des Klageantrags und US-Dollar unzutreffend sei. Auch seien die Voraussetzungen der §§ 812 Abs. 1 bzw. § 823 Abs. 2 BGB nicht erfüllt bzw. seien Ausschlusstatbestände gegeben. Insbesondere sei davon auszugehen, dass der Kläger positive Kenntnis von der Illegalität hatte oder sich dieser Kenntnis zumindest leichtfertig verschlossen habe. Zudem habe die Beklagte ab 22.03.2023 über eine Lizenz in Deutschland verfügt. Darüber hinaus erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.
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Das Gericht hat in den mündlichen Verhandlungen vom 23.05.2024 sowie vom 20.03.2025 den Kläger angehört. Auf die entsprechenden Sitzungsprotokolle (Bl. 101 ff. bzw. Bl. 202 ff.) wird verwiesen.
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Hinsichtlich der Einzelheiten des jeweiligen (umfangreichen) Vorbringens und zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die Protokolle vom 23.05.2024 und 20.03.2025 und den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Das Gericht erachtet sich insbesondere als international zuständig gemäß Art. 18 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1 c VO (EU) 1215/2012 (Brüssel Ia-VO/EuGVVO). Ungeachtet der Abtretung an einen Prozessfinanzierer macht der zur Geltendmachung ermächtigte Kläger einen Anspruch geltend, der nicht seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzuordnen ist. Vorliegend ist der Kläger als Verbraucher auch nach Art. 18 EuGVVO persönliche Partei in dem Rechtsstreit. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 7 Nr. 1 a) und b) EuGVVO. Veranstaltet und vermittelt wird ein Glücksspiel dort, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird, hier eben auch am Wohnsitz des Klägers.
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Auch erachtet das Gericht Anlage K 9 als hinreichenden Beleg für die Prozessführungsbefugnis des Klägers.
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Indes ist die Klage allein schon deshalb unbegründet, weil das Gericht letztlich auch nach Offenlegung diverser Auslandsaufenthalte seitens des Klägers und dessen Anhörung nicht feststellen kann, in welcher Höhe der Kläger nun tatsächlich Verluste aufgrund von Spielteilnahmen gerade im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags erlitten hat, ungeachtet eines Rückerstattungsanspruchs auch nach österreichischem Recht für Spielteilnahmen von Österreich aus.
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Die Angaben des Klägers zu einer Teilnahme am Glücksspiel-Angebot der Beklagten vom Ausland aus und zu den damit verbundenen Spieleinsätzen und erlittenen Verlusten erscheinen unvollständig und nicht verlässlich, so dass das Gericht sich nicht in der Lage sieht, auch nur einen Mindestsaldo zur Verlustfeststellung auf der Grundlage der klägerseits vorgelegten Unterlagen und Erklärungen des Klägers selbst zu bilden. Die zusätzlich gegebene Problematik der Währungsumrechnung kann in diesem Zusammenhang unberücksichtigt bleiben; hierin sieht das Gericht ein weiteres Problem im Hinblick auf die Schlüssigkeit der Klage.
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Das Gericht kann dem Kläger kein Vertrauen dahingehend entgegenbringen, dass er seine Spielteilnahmen vom Ausland aus vollständig offenbart hat – und überhaupt zu einer solchen Offenlegung imstande war. In der mündlichen Verhandlung vom 23.05.2024 ist der Kläger dazu befragt worden. Er teilte seinerzeit noch mit, er könne sich „nicht bewusst“ an Glücksspiele aus dem Ausland erinnern. In der mündlichen Verhandlung vom 20.03.2025 befragte das Gericht den Kläger, auf welcher Grundlage die Angaben zu seinen Auslandsspielteilnahmen im zwischenzeitlich eingereichten Schriftsatz vom 18.12.2024 zustande kamen. Der Kläger erklärte dazu, er habe die Zeit- und Ortsangaben dadurch rekonstruiert, dass er auf seinem Mobiltelefon seine Urlaubsfotos durchgegangen sei, woraus das Land und die Region, in welchen er sich aufgehalten habe, ersichtlich gewesen seien. So habe er die Daten aus Anlage B9 (neu) mit den aus der Bildauswertung gewonnenen Daten zusammenführen können. Eine Gewähr für die Lückenlosigkeit seiner Darlegungen wollte er mit Verweis darauf, dass die Vorgänge bis in das Jahr 2013 zurückreichten, nicht übernehmen. Dies ist objektiv durchaus nachvollziehbar. Der methodische Ansatz des Klägers ist äußerst problembehaftet aus dem Grund, weil die Zuverlässigkeit und Vollständigkeit der Daten von der Zufälligkeit abhängt, ob er an dem betreffenden Tag bzw. in dem betreffenden Zeitraum und über den jeweiligen gesamten betreffenden Zeitraum im Ausland an jedem betroffenen Tag ein digitales Lichtbild gefertigt hat und dieses noch vorhanden ist. Diese von Grund auf bestehenden Bedenken hinsichtlich des vom Kläger verfolgten Ansatzes werden dadurch bestätigt, dass sich aus Anlage B 9 (neu) herauslesen lässt, dass der Kläger sich im Dezember 2014 in der Schweiz aufgehalten hat, woran er selbst sich aber nicht mehr erinnert hat und augenscheinlich auch nicht durch digitale Lichtbilder daran erinnert wurde. Auch der generelle Ausschluss seitens des Klägers hinsichtlich eines Spieleinsatzes bei erfassten Login-Zeiten von 15 Sekunden vermag dem Gericht nicht eine Überzeugung dahingehend zu vermitteln, dass er in diesen Zeiten tatsächlich nicht zumindest gelegentlich einen Spieleinsatz platziert haben kann. Alles in allem erachtet es das Gericht als nicht mehr nachvollziehbar, welche Spieleinsätze in welchem Umfang bzw. in welcher Höhe vom Ausland aus getätigt wurden. Es gibt auch keinerlei allgemeingültigen Erfahrungssatz hinsichtlich der Höhe von im Ausland, sei es im Urlaub oder auf Geschäftsreise, erbrachten Spieleinsätzen, sei es in Bezug auf passionierte Spieler oder in Bezug auf Gelegenheitsspieler; die Höhe eines Spieleinsatzes im Ausland kann vielmehr von Einzelfall zu Einzelfall äußerst stark variieren.
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Allein schon deshalb war die Klage abzuweisen.
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Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckung basiert auf § 709 S. 1, 2 ZPO.
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Zur Festsetzung des Streitwerts wurde der eingeklagte Betrag in US-Dollar zum EZB-Referenzkurs am 20.03.2025, am Tage des Schlusses der mündlichen Verhandlung, in Euro umgerechnet (1 US-Dollar = 0,9231 Euro), abzüglich des im Antrag aufgeführten Euro-Betrages. Dies ergibt den Betrag in Höhe von 12.884,40 Euro.