Titel:
Glücksspielstaatsvertrag, Feststellungsinteresse, Gewöhnlicher Aufenthalt, Sekundäre Darlegungslast, Rom II-Verordnung, Online-Glücksspiel, Schriftsätze, Hinweisbeschluss, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Informatorische Anhörung, Auslandsaufenthalt, Geltungsbereich, Personenbezogene Daten, Kosten des Berufungsverfahrens, Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, Rechtshängigkeit, Vorabentscheidungsersuchen, Personenbezogenheit, Aussetzung des Verfahrens, Gesetzlicher Richter
Schlagworte:
Online-Glücksspiel, Rückzahlungsansprüche, Auslandsaufenthalte, Verlustfeststellung, sekundäre Darlegungslast, Feststellungsinteresse, Berufung
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 15.09.2025 – 4 U 2137/25 e
LG München I, Endurteil vom 05.06.2025 – 30 O 9871/23
Fundstelle:
BeckRS 2025, 31120
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 05.06.2025, Aktenzeichen 30 O 9871/23, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger macht Rückzahlungsansprüche im Zusammenhang mit Verlusten durch die Teilnahme an Online-Glücksspiel im Zeitraum vom 09.08.2013 bis zum 26.03.2023 auf der zum damaligen Zeitpunkt von der in Malta ansässigen Beklagten betriebenen Webseite „geltend.
2
Der Kläger behauptet zu den im Schriftsatz vom 18.12.2024 genannten Zeiträumen aus den jeweils dort genannten Ländern vom Ausland aus am Online-Glücksspiel der Beklagten teilgenommen und die dort genannten Verluste erlitten zu haben.
3
Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei wegen Spielteilnahme vom Ausland aus, außerhalb des Geltungsbereichs des Glücksspielstaatsvertrags, unschlüssig. Der Umfang der Teilnahme des Klägers an Online-Glücksspielen der Beklagten im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags könne nicht festgestellt werden. Die diesbezüglich erfolgten Darlegungen des Klägers seien erkennbar nicht vollständig.
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Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, an den Kläger 35.746,29 US-Dollar abzüglich 20.113,00 EUR nebst näher bezeichneter Zinsen zu zahlen, hilfsweise, an den Kläger 10.325,73 EUR nebst näher bezeichneter Zinsen zu zahlen.
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Das Landgericht hat nach informatorischer Anhörung des Klägers in den mündlichen Verhandlungen vom 23.05.2024 sowie vom 20.03.2025 die Klage abgewiesen und hierzu insbesondere ausgeführt, die Klage sei unbegründet, weil das Gericht letztlich auch nach Offenlegung diverser Auslandsaufenthalte seitens des Klägers und dessen Anhörung nicht feststellen könne, in welcher Höhe der Kläger tatsächlich Verluste aufgrund von Spielteilnahmen im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags erlitten habe. Die Angaben des Klägers zu einer Teilnahme am Glücksspiel-Angebot der Beklagten vom Ausland aus und zu den damit verbundenen Spieleinsätzen und erlittenen Verlusten erschienen unvollständig und nicht verlässlich, so dass das Gericht sich nicht in der Lage sehe, auch nur einen Mindestsaldo zur Verlustfeststellung auf der Grundlage der klägerseits vorgelegten Unterlagen und Erklärungen des Klägers zu bilden.
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Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung wendet sich der Kläger gegen das landgerichtliche Urteil und beantragt,
Unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 35.746,29 US-Dollar abzüglich 20.113,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte zu verurteilten, an den Kläger 10.325,73 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Klagepartei wurde mit Hinweisbeschluss des Senats vom 15.09.2025, zugestellt am gleichen Tag, darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Hierzu hat sie mit Schriftsatz vom 26.09.2025 und mit Schriftsatz vom 22.10.2025 Stellung genommen.
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Im Schriftsatz vom 26.09.2025 beantragt der Kläger darüber hinaus, das Verfahren im Hinblick auf die zeitnah zu erwartende Entscheidung des europäischen Gerichtshofs in der Sache C 77/24 auszusetzen.
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Im Schriftsatz vom 22.10.2025 beantragt der Kläger ferner, Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihm dadurch entstanden sind, dass er an nicht erlaubten Online-Glücksspielangeboten der Beklagten teilgenommen hat, während er sich in Deutschland aufgehalten hat. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihm dadurch entstanden sind, dass die Beklagte dem Kläger die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten des Klägers im Zusammenhang mit seinen Online-Glücksspielen bei der Beklagten nicht vollständig zur Verfügung gestellt hat. Bezüglich der näheren Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats vom 15.09.2025 sowie auf die Schriftsätze der Klagepartei im Berufungsverfahren verwiesen.
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I. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 05.06.2025, Az. 30 O 9871/23, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussweg als unbegründet zurückzuweisen, da der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass diese offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
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Der Senat hält das Urteil des Landgerichts München I für offensichtlich zutreffend. Er nimmt Bezug auf dieses Urteil. Bezug genommen wird ferner auf die ausführlichen Hinweise des Senats vom 15.09.2025, nach denen, wie dort ausgeführt, die Berufung i.S.v. § 522 Abs. 2 ZPO unbegründet ist.
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II. Die weiteren Schriftsätze der Klagepartei vom 26.09.2025 sowie vom 22.10.2025 ergaben keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung.
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1. Zunächst ist anzumerken, dass die der Klagepartei eingeräumte Frist zur Stellungnahme gemäß § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht etwa eine Art „zweite Berufungsbegründung“ ermöglicht. Soweit daher in dem zuletzt eingereichten Schriftsatz im Berufungsverfahren weitere neue Darlegungen erfolgen und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel enthalten sind, sind diese gemäß §§ 530, 296 Abs. 1 ZPO zwingend zurückzuweisen (vgl. z.B. Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 530 Rnr. 4; Rimmelspacher in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2012, § 522 Rnr. 28).
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2. Entgegen der Auffassung der Berufung trifft die Beklagte keine Pflicht, der unschlüssigen Klage zum Erfolg zu verhelfen und damit auch keine sekundäre Darlegungslast im Hinblick auf die Differenzierung, ob Spielteilnahmen aus dem Ausland oder im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags erfolgten.
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a. Grundsätzlich ist keine Partei verpflichtet, dem Prozessgegner die für den Prozesserfolg erforderlichen Informationen zu verschaffen. Die Auferlegung einer sekundären Beweislast zu Vorgängen, die außerhalb des Wahrnehmungsbereichs der anderen Partei liegen, kommt erst in Betracht, wenn die darlegungs- und beweisbelastete Partei greifbare Anhaltspunkte für die Richtigkeit der von ihr aufgestellten Behauptung liefert (BGH GRUR 2024, 1897, Rn. 35; OLG Dresden BEckRS 2024, 46592, Rn. 28 ausdrücklich zu Spielverlusten). Eine sekundäre Darlegungslast trifft den Prozessgegner zudem nur dann, wenn der Geschädigte keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat (BGH BeckRS 2024, 3262, Rn. 16).
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Dies ist vorliegend nicht der Fall, da selbstverständlich die Auslandsaufenthalte des Klägers nicht außerhalb seines eigenen Wahrnehmungsbereichs liegen, sondern er vielmehr ureigenste Kenntnis zu seinen eigenen Auslandsaufenthalten hat und auch Möglichkeiten zur weiteren Sachaufklärung. Das belegt die Klageseite selbst dadurch, dass sie erstinstanzlich im Schriftsatz vom 24.01.2024 – wozu bereits im Hinweisbeschluss des Senates ausgeführt wurde – noch geltend machte, der Kläger habe nicht im Ausland am Online-Glücksspiel teilgenommen. Im Hinblick auf anderslautenden Vortrag der Beklagten trug der Kläger vor, die Beklagte versuche, das Gericht mit falschen und unvollständigen Daten in die Irre zu führen. Noch mit Schriftsatz vom 17.05.204 stritt die Klageseite ab, dass sich die Angaben der Beklagten aus der Anlage B9 und B9 neu auf den streitgegenständlichen Zeitraum beziehen, ohne zu prüfen, ob ihre eigenen Angaben einer nicht erfolgten Spielteilnahme aus dem Ausland der Wahrheitspflicht des § 138 Abs. 1 ZPO entsprachen. Auch in der mündlichen Verhandlung vom 23.05.2024 gab der Kläger an, er könne sich nicht an Glücksspiel im Ausland erinnern. Erst auf den umfassenden Hinweis des Gerichts vom 25.07.2024, in dem das Landgericht u.a. ausführte, der Kläger sei nicht seiner Darlegungslast zur Spielteilnahme innerhalb Deutschlands nachgekommen, machte sich der Kläger nunmehr die Mühe, Auslandsaufenthalte im eingeklagten Zeitraum zu eruieren, was er zuvor augenscheinlich nicht für erforderlich oder angezeigt hielt. Die sodann erfolgte Recherche belegt, dass die Klageseite durchaus in der Lage ist bzw. war, ggf. eigene Auslandsaufenthalte zu ermitteln, es vorliegend also mitnichten um Tatsachen geht, die außerhalb des eigenen Wahrnehmungsbereichs liegen. Dass die Recherchen zur nachvollziehbaren Überzeugung des Landgerichts nicht zur Schlüssigkeit der Klage genügten, ändert nichts daran, dass die Beklagtenseite keine sekundäre Darlegungs- und Beweislast zu Auslandsaufenthalten des Klägers trifft, sondern mag ggf. daraufhin deuten, dass die klägerische Wahl der Recherche bzw. die Sorgfalt mit der diese betrieben wurde, nicht ausreicht. Weder liegt aber eine Informationsasymmetrie vor, noch kann bzw. konnte die Klageseite die Informationen ohne ihr Verschulden nicht erlangen. Die Beweisschwierigkeiten ergeben sich damit gerade nicht – wie die Berufung meint – aus der Natur der Sache und der Natur des Internets, sondern aus der mangelhaften Sorgfalt der Recherche der Klageseite selbst, für die sie nicht die Beklagte haftbar machen kann; daran vermag auch die Vorlage der Anlage BB4 nichts zu ändern.
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Auch verkürzt der Senat weder die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, noch weicht er der Frage der Nichtigkeit des „per AGB geschlossenen Rahmenvertrages“ aus bzw. der Frage, wie Glücksspielverträge „unter Annahme der Nichtigkeit eines Rahmenvertrages“ wirksam zustande kommen sollten. Vielmehr geht es vorliegend um die klägerseits fehlende Substantiierung der Spielteilnahme im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages, für welche es der Klageseite obliegt, eine schlüssige Klage zu erheben und nicht der Beklagtenseite einer unschlüssigen Klage zur Schlüssigkeit zu verhelfen. Darin ist weder ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör zu sehen, noch ein Verstoß gegen Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten.
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c. Sofern die Klageseite erneut darauf rekurriert, dass auch die Länder, von denen aus Spielteilnahmen des Klägers erfolgten, keine rechtsfreien Zonen seien, ist dies gleichermaßen zutreffend wie unerheblich, ist doch die vorliegend maßgebliche Geltung der Glücksspielstaatsverträge 2012 und 2021 auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland (mit Ausnahme Schleswig-Holsteins) beschränkt und findet folglich außerhalb des Bundesgebietes keine Anwendung. Um Wiederholungen zu vermeiden wird diesbezüglich auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senates vom 15.09.2025 verwiesen.
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c. Sofern die Klageseite eine doppelte Gehörsverletzung dahingehend vorträgt, dass der Senat den unstreitigen Tatsachenvortrag ignoriere, dass die Beklagte personenbezogene IP-Daten besitze, die für den Kläger zur Darlegung seines Vortrages erforderlich seien und nicht berücksichtige, dass die Daten entsprechend Art. 15 Abs. 3 DSGVO dem Kläger herauszugeben gewesen wären, geht diese Argumentation doppelt fehl.
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Weder verkennt der Senat, dass die Beklagte im Besitz der IP-Adressen ist und dies auch personenbezogene Daten des Klägers darstellen, noch vorenthält die Beklagte diese der Klageseite, sondern hat sie mit den Anlagen K1, B9 und B9neu umfassend zur Verfügung gestellt. Über die Mitteilung der personenbezogenen IP-Adressen und der Zeitpunkte der Log-Ins in der Anlage K1 sowie der ausländischen IP-Adressen in den Anlagen B9 und B9neu hinaus muss die Beklagte aber nicht zur Schlüssigkeit der Klage beitragen. In der klägerseits zitierten Entscheidung des EUGH vom 19.10.2016, C-582/14, entschied der EuGH, dass IP-Adressen personenbezogene Daten sind. Danach stellt eine dynamische IP-Adresse, die von einem Anbieter von Online-Mediendiensten beim Zugriff einer Person auf eine Website, die dieser Anbieter allgemein zugänglich macht, gespeichert wird, für den Anbieter ein personenbezogenes Datum im Sinne der genannten Bestimmung dar, wenn er über rechtliche Mittel verfügt, die es ihm erlauben, die betreffende Person anhand der Zusatzinformationen, über die der Internetzugangsanbieter dieser Person verfügt, bestimmen zu lassen (EuGH NJW 2016, 3579 Rn. 49). Jedoch begehrt der Kläger vorliegend nicht die Mitteilung der IP-Adressen, welche er von der Beklagten ebenso wie die dazugehörigen Zeitpunkte der Log-Ins bereits mit der Anlage K1 und der ausländischen IP-Adressen mit den Anlagen B9 und B0 neu erhalten hat, sondern vielmehr eine Zusammenführung der Daten und damit eine Rekonstruktion der Auslandsaufenthalte des Klägers, im Rahmen derer er an Spielen der Beklagten teilgenommen hat. Diese Auslandsaufenhalte kennt die Klageseite selbst bzw. kann sie kennen oder ermitteln. Hierzu ist die Beklagte auch weder nach der zitierten EuGH-Entscheidung verpflichtet, noch nach den allgemeinen, oben dargelegten, zivilprozessualen Darlegungs- und Beweislastregeln.
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3. Die höchsthilfsweise gestellten Anträge aus dem Schriftsatz vom 22.10.2025 verlieren bereits entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung (vgl. nur Klageerweiterung nur BGHZ 198, 315; BGH NJW 2015, 251; zu einem erstmals in der Berufung gestellten Hilfsantrag Heßler in Zöller, 36. Auflage, 2025, § 522, Rn. 37). Auch erfolgten die nunmehr gestellten höchsthilfsweise gestellten Anträge nicht auf die Hinweise des Senates vom 15.09.2025, da bereits das Landgericht und zwar nicht erst in seinem Urteil vom 05.06.2025, sondern bereits in seinem umfangreichen Hinweisbeschluss vom 25.07.2024 auf die mangelnde Substantiierung und Schlüssigkeit der Klage mangels Differenzierung von Spielteilnahmen aus dem Ausland und dem Inland hingewiesen hatte. Eine Entscheidung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO war dem Senat daher nicht verwehrt.
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Im Übrigen wären die höchsthilfsweise, nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist gestellten Anträge unzulässig, da zum einen die fristgerecht vorgetragenen Berufungsgründe die Antragserweiterung nicht decken (vgl. hierzu nur BGH NJW-RR 2017, 1341) und zum anderen nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist keine Umstände eingetreten sind, die eine Abänderungsklage (BGH NJW 1987, 1024), eine Wiedereinsetzung (BGH NJW-RR 1989, 962) oder Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 580 ff) rechtfertigen könnten (Saenger, Zivilprozessordnung, ZPO § 520 Rn. 19).
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Darüber hinaus fehlt das Feststellungsinteresse, sofern der Kläger sein Leistungsziel genau benennen und deshalb auf Leistung oder Unterlassung klagen kann (BGH NJOZ 2023, 815; MüKoZPO/Becker-Eberhard, 7. Aufl. 2025, ZPO § 256 Rn. 54 m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall. Die Klage auf Leistung ist möglich, nur machte sich der Kläger nicht die Mühe, sorgfältig seine Auslandsaufenhalte zu ermitteln. Fehlende Sorgfalt bei der Substantiierung eines Leistungsantrags lässt jedoch kein Feststellungsinteresse entstehen. Auch würde die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu keiner abschließenden sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der strittigen Punkte führen oder ein Ergebnis zeitigen, das (etwa aus Gründen der beschränkten Reichweite der Rechtskraft) mit einer Leistungsklage nicht gleichwertig zu erreichen ist (vgl. hierzu MüKoZPO/Becker-Eberhard, 7. Aufl. 2025, ZPO § 256 Rn. 55). Damit entfällt aber auch ein Feststellungsinteresse hinsichtlich des zweiten höchsthilfsweise gestellten Antrags, der mit einem nun geltend gemachten Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO einen gänzlich anderen Streitgegenstand hat, zu dem nunmehr auch erstmals und damit verspätet gemäß § 531 Abs. 2 ZPO im Schriftsatz vom 22.10.2025 vorgetragen. Letztlich wäre der Antrag auch bereits deshalb unbegründet ist, weil die Beklagte diese mit den Anlagen K1, B9 und B9neu dem Kläger bereits übermittelt hat.
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4. Auch war das Verfahren nicht gemäß § 148 ZPO analog im Hinblick auf das Verfahren C-77/24 vor dem EuGH auszusetzen.
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4.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Gericht ein bei ihm anhängiges Verfahren in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO aussetzen, wenn ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig ist, das eine Rechtsfrage zum Gegenstand hat, die für das Verfahren des nationalen Gerichts entscheidungserheblich ist (BGH Beschluss vom 11.02.2020 – XI ZR 648/18, Rn. 48).
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Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Die in dem Verfahren C-77/24 dem EuGH vorgelegten Fragen sind vorliegend vielmehr nicht entscheidungserheblich.
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a. Das klägerseits in Bezug genommene vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshof (Österreich) betrifft eine zivilrechtliche Haftungsklage, die ein Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich vor österreichischen Gerichten gegen die Geschäftsführer einer in Malta ansässigen Glücksspielgesellschaft erhoben hat. Der Oberste Gerichtshof hatte zu entscheiden, ob das Angebot von Online-Glücksspiel in Österreich durch diese Glücksspielgesellschaft ohne die nach dem Recht dieses Staates erforderliche Konzession dem österreichischen Recht oder dem maltesischen Recht unterliegt (vgl. EuGH Schlussantrag v. 12.6.2025 – C-77/24, BeckRS 2025, 12760 Rn. 1 und 2).
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Aus diesem Grund legte der Oberste Gerichtshof (Österreich) dem EuGH die Frage vor, ob Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Rom-II-Verordnung dahin auszulegen ist, dass er sich auch auf Schadenersatzansprüche gegen ein Organ einer Gesellschaft bezieht, die ein Gesellschaftsgläubiger auf deliktischen Schadenersatz wegen Verletzung von Schutzgesetzen (wie etwa Bestimmungen des Glücksspielrechts) durch das Organ stützt. Und darüber hinaus, sofern die Frage 1 verneint wird, legte der Oberste Gerichtshof die weitere Frage vor, ob Art. 4 Abs. 1 der Rom-II-Verordnung dahin auszulegen ist, dass sich der Ort des Schadenseintritts bei einer deliktischen Schadenersatzklage gegen ein Organ einer konzessionslos Online-Glücksspiel in Österreich anbietenden Gesellschaft wegen erlittener Spielverluste richtet nach a) dem Ort, von dem aus der Spieler Überweisungen von seinem Bankkonto auf das von der Gesellschaft geführte Spielerkonto leistet, b) dem Ort, wo die Gesellschaft das Spielerkonto führt, auf dem Einzahlungen des Spielers, Gewinne, Verluste und Boni gebucht werden, c) dem Ort, von dem aus der Spieler Spieleinsätze über dieses Spielerkonto tätigt, die letztlich zu einem Verlust führen, d) dem Wohnort des Spielers als Belegenheitsort seiner Forderung auf Auszahlung seines Guthabens auf dem Spielerkonto, e) dem Belegenheitsort seines Hauptvermögens (EuGH Schlussantrag v. 12.6.2025 – C-77/24, BeckRS 2025, 12760 Rn. 17).
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b. Sofern die Klageseite meint, diese Beantwortung dieser Fragen sei entscheidungserheblich für das hiesige Verfahren, so verkennt sie, dass im dortigen Verfahren Auslegungsfragen zur Rom-II-Verordnung gestellt werden, und damit Fragen, ob österreichisches oder maltesisches Recht Anwendung findet. Unabhängig davon, dass es dort um Fragen der unerlaubten Handlung geht, während sich die Klageseite vornehmlich auf bereicherungsrechtliche Ansprüche beruft, lässt die Klageseite außer Acht, dass der Senat – ebenso wie das Landgericht – im hiesigen Verfahren deutsches Recht für anwendbar erachtet und nicht maltesisches Recht.
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Jedoch geht es vorliegend – anders als im vom EuGH zu entscheidenden Fall – nicht um die Frage der Anwendbarkeit des deutschen oder des maltesischen Rechts, sondern um die Frage, welche der geltend gemachten Spielverluste aus Spielteilnahmen im Geltungsbereich der Glücksspielstaatsverträge 2012 bzw. 2021 resultieren. Denn die Glücksspielstaatsverträge können Geltung nur erlangen innerhalb des Bundesgebietes (mit Ausnahme Schleswig-Holstein), nicht jedoch in anderen Ländern. Dies folgt bereits aus der Tatsache, dass die Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland untereinander nur Staatsverträge abschließen können, deren Inhalt Gegenstand ihrer eigenen Gesetzgebungskompetenz oder ihrer sonstigen Aufgabenbereiche ist. Gesetzgeberische Befugnisse eines Bundeslandes, den Geltungsbereich eines Landesgesetzes über die Grenzen des Landes hinaus zu erstrecken und hierdurch in das Recht anderer Bundesländer, des Bundes oder gar anderer Staaten einzugreifen, bestehen nicht (vgl. so bereits auch OLG München, Beschluss vom 03.04.2025, 24 U 3358/24 sowie OLG Hamm vom 23.09.2024, 21 U 69/24). Wie bereits im Hinweisbeschluss vom 15.09.2025 ausgeführt sind etwaige im Ausland geltende Bestimmungen weder Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB noch Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Die Nichtigkeit der im Ausland veranstalteten Glücksspiele kann daher nicht aus dem GlückStV folgen.
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Entgegen des Vorbringens der Berufung steht diese Auffassung auch nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des Generalanwalts am EuGH, der im Rahmen seiner Schlussanträge ausdrücklich – und insofern im Einklang mit der Rechtsauffassung des Senats – bestätigt, dass der Anwendungsbereich des österreichischen Glücksspielgesetzes, auf das österreichische Staatsgebiet beschränkt ist und dementsprechend die nach diesem Gesetz geschützten Interessen des Verbrauches nur dann verletzt sein können, wenn ein Verbraucher an konzessionslosen Glücksspielen in Österreich teilgenommen hat (EuGH Schlussantrag v. 12.6.2025 – C-77/24, BeckRS 2025, 12760 Rn. 66).
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c. Dementsprechend hat das Verfahren C-77/24 – anders als vorliegend – auch nicht ein Ausgangsverfahren zum Gegenstand, in dem Spieleinsätze aus einem anderen Land, als dem des gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers erfolgt sind. Demzufolge sind weder die Vorlagefragen des Obersten Gerichtshofs (Österreich) für das hiesige Verfahren entscheidungserheblich noch die Antwort des Generalanwalts auf diese Frage. Die erste Frage verneinend kommt der Generalanwalt zu dem Ergebnis, dass in Fällen, in denen ein Verbraucher geltend macht, Glücksspielverluste erlitten zu haben, weil er von dem Mitgliedsstaat seines gewöhnlichen Aufenthalts aus an Online-Glücksspielen teilgenommen habe, der Schaden in dem Land eintrat, von dem aus die Spieleinsatze getätigt wurden.
33
Dies deckt sich mit der Auffassung des Senates. Allerdings konnte der Kläger vorliegend gerade nicht darlegen, welche Spieleinsätze er von welchem Land aus tätigte und damit nicht, welche Spielteilnahmen – wie im Verfahren C-77/24 – von Deutschland aus und damit im Geltungsbereich des Glücksspielstaatvertrages erfolgten. Vielmehr war die Kläger vorliegend auch nach dessen informatorischer Anhörung nicht in der Lage, zur Überzeugung des Gerichts darzutun, welche Spieleinsätze von Deutschland aus und welche aus dem im Übrigen auch nicht EUAusland erfolgten.
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4.2. Im Hinblick auf den klägerseits zitierten Ausführungen des Generalanwalts im oben genannten Verfahren, das keine im hiesigen Fall entscheidungserheblichen Vorlagefragen enthält, zur Frage der Fiktion, dass alle Spieleinsätze an dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts getätigt worden sind, ungeachtet dessen an welchem Ort der Spieler sich zu dem Zeitpunkt, zu dem er an einem Glücksspiel teilgenommen hat, tatsächlich aufgehalten hat (EuGH Schlussantrag v. 12.6.2025 – C-77/24, BeckRS 2025, 12760 Rn. 69), bleibt zunächst festzuhalten, dass die Schlussanträge des Generalanwalts den Europäischen Gerichtshof nicht binden. Auch wenn der Europäische Gerichtshof ihnen in der Regel folgt, haben die Schlussanträge keinerlei Außenwirkung. Verstärkend kommt hinzu, dass es sich vorliegend nicht um die Beantwortung der Vorlagefragen handelt, sondern um Ausführungen im Rahmen der Argumentation zur Entkräftung einer gegenteiligen Rechtsauffassung.
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Die Vorlagefragen beantwortet der Generalanwalt sodann auch dahingehend, dass er die erste Vorlagefrage verneint und Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 864/2007 (Rom II) dahin auslegt, dass in Fällen, in denen ein Verbraucher geltend macht, Glücksspielverluste erlitten zu haben, weil er von dem Mitgliedstaat seines gewöhnlichen Aufenthalts aus an Online-Glücksspielen teilgenommen habe, die ihm von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Anbieter ohne eine von den Behörden des erstgenannten Staates erteilte Konzession angeboten worden seien, der „Schaden“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung in dem erstgenannten Staat – als demjenigen Land, von dem aus die Spieleinsätze getätigt wurden – eintrat (EuGH Schlussantrag v. 12.6.2025 – C-77/24, BeckRS 2025, 12760, Rn. 77). Diese Beantwortung steht nicht im Widerspruch zu der Rechtsauffassung des Senates, sondern deckt sich vielmehr mit dieser ebenso wie die Rechtsauffassung des Senates, dass der Glücksspielstaatsvertrag keine Geltung über den Bereich der Bundesrepublik hinaus in Anspruch nehmen kann.
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Nach alledem ist das hiesige Verfahren nicht gemäß § 148 ZPO analog im Hinblick auf das Verfahren C-77/24 vor dem EuGH auszusetzen. Ein Entzug des gesetzlichen Richters ist darin nicht zu sehen.
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5. Die Ausführungen zum Entzug des gesetzlichen Richters durch Nichtzulassung der Revision gehen letztlich an der Sache vorbei, da – wie aufgezeigt – die vorliegenden Fragen gerade nicht Gegenstand eines beim EuGH anhängigen Verfahrens sind. Wie bereits ausgeführt, ist Inhalt des EuGH-Verfahrens C-77/24 ein Verfahren, in dem ein österreichischer Staatsbürger ausschließlich Spielteilnahmen vom Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts tätigte und gerade nicht Spieleinsätze aus dem Ausland tätigte. Auch liegt keine divergierende Rechtsprechung der Obergerichte vor. Insofern sei lediglich auf die Entscheidungen des OLG München (BeckRS 2025, 9384), des OLG Bamberg (BeckRS 2025, 11853) sowie des OLG Dresden (BeckRS 2024, 46592), OLG Braunschweig (BeckRS 2024, 45242) verwiesen. Etwas anderes behauptet auch nicht die Klageseite, die sich lediglich auf landgerichtliche Entscheidungen beruft.
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6. Schlüssiger, rechtzeitig vorgebrachter Vortrag zum Schaden und zur Schadenhöhe fehlt. Gleiches gilt im Übrigen bezüglich des nunmehr geltend gemachten Anspruchs aus c.i.c. bzw. § 311 Abs .2 Nr. 1 BGB, Art. 82 DSGVO oder § 138 BGB.
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I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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II. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgt nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
41
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird entsprechend dem bereits erteilten Hinweis gemäß §§ 47, 48 GKG auf bis zu 13.000 € festgesetzt.