Inhalt

VGH München, Beschluss v. 13.11.2025 – 2 CS 25.1851
Titel:

Vorbescheidsverfahren, Verwaltungsgerichte, Baumschutzverordnung, Erteilte Baugenehmigung, Anspruch auf Baugenehmigung, Baugenehmigungsverfahren, Landesrecht, Umweltbezogenheit, Verstoß gegen Rechtsvorschriften, Überbaubare Grundstücksfläche, Keine Bindungswirkung, Umweltrechtsbehelfsgesetz, Bebauungstiefe, Antragsgegner, Anerkannte Naturschutzvereinigungen, Beiladung, Aufschiebende Wirkung, Antragsbefugnis, Fällgenehmigung, Geltendmachung

Schlagworte:
Naturschutzvereinigung, Baugenehmigung, vorläufiger Rechtsschutz, Baumschutzverordnung, Antragsbefugnis, überbaubare Grundstücksfläche
Vorinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 29.09.2025 – 2 CS 25.1851
VG München, Beschluss vom 24.09.2025 – M 8 SN 25.6279
VG München, Beschluss vom 24.09.2025 – M 8 SN 25.6279
Fundstelle:
BeckRS 2025, 31083

Tenor

I. Unter Aufhebung der Nrn. I und II. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 24. September 2025 wird die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 7. März 2025 angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500, – Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller, eine in Bayern landesweit tätige Naturschutzvereinigung, wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die der Beigeladenen auf Basis des Vorbescheids vom 19. Juni 2023 erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 7. März 2025 zum Neubau von drei „Stadthäusern“ im Rückteil des Innenhofes auf dem Grundstücks FlNr. 1... Gemarkung Sektion VI. Im Rahmen der Baugenehmigung erteilte die Antragsgegnerin auch die nach der Baumschutzverordnung der Antragsgegnerin erforderliche Genehmigung zur Fällung des im Baumbestandsplan mit Freiflächengestaltungsplan bezeichneten geschützten Baumbestandes.
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Der Antragsteller hat am 17. September 2025 Klage gegen die Baugenehmigung vom 7. März 2025 erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Mit Beschluss vom 24. September 2025 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Über die Klage wurde noch nicht entschieden.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er macht geltend, das Verwaltungsgericht habe der nach § 3 UmwRG anerkannten Naturschutzvereinigung zu Unrecht die Antragsbefugnis nach § 2 Abs. 1 UmwRG abgesprochen. Es gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass die inzident in § 5 Abs. Nr. 1 Baumschutzverordnung zu prüfenden Anspruchsvoraussetzungen des Art. 68 Abs. 1 BayBO nicht von § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG erfasst seien. Der Beigeladenen stehe kein Anspruch auf eine Baugenehmigung zu.
4
Die Antragstellerin beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 24. September 2025 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. März 2025 erteilte Baugenehmigung für den Neubau von drei Stadthäusern (Reihenbebauung) auf der FlNr. 1... der Gemarkung Sektion VI anzuordnen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie beruft sich auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts. Das Vorhaben sei im Übrigen planungsrechtlich zulässig, da es sich gemäß § 34 BauGB einfüge. Ergänzend verwies sie auf die Bindungswirkung des Vorbescheids vom 19. Juni 2023.
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Die Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im Eil- und Klageverfahren sowie auf die hierzu vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Die zulässige Beschwerde des Antragstellers (§ 146 Abs. 1 VwGO) ist begründet. Der Senat sieht nach einer im Eilverfahren wie diesem angemessenen summarischen Prüfung (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581) im Rahmen der von ihm eigenständig zu treffenden Ermessensentscheidung die Notwendigkeit für eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
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1. Der Antrag (§ 80a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entsprechend) ist zulässig. Der Antragsteller ist insbesondere aus den von ihm dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts antragsbefugt. Er kann geltend machen, dass durch die im Rahmen der Baugenehmigung erteilte baumschutzrechtliche Gestattung umweltbezogene Rechtsvorschriften verletzt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 5 UmwRG).
13
1.1. Der Antragsteller ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG antragsbefugt. Als eine anerkannte, in Bayern landesweit tätige Naturschutzvereinigung gem. § 3 UmwRG i.V.m. § 63 Abs. 2 BNatSchG (Bl. 70 GA des VG), kann sie gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG geltend machen, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG berührt zu sein. Nach § 2 der Vereinssatzung des Antragstellers bezweckt der Verein Umwelt –, Natur- und Artenschutz.
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1.2. Der Antragsteller hat nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG die Verletzung einer umweltbezogenen Rechtsvorschrift geltend gemacht.
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1.2.1. Die Baugenehmigung ist eine rechtsbehelfsfähige Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 UmwRG. Nach dieser Bestimmung, die der Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Konvention, BGBl. 2006 II S. 1251) dient, ist ein Rechtsbehelf auch gegen Verwaltungsakte oder öffentlich-rechtliche Verträge gegeben, durch die andere als die in § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 2b UmwRG genannten Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden. Von § 1 Abs. 1 Nr. 5 UmwRG erfasst werden danach vorrangig Entscheidungen in Form eines Verwaltungsaktes, durch den ein Vorhaben zugelassen bzw. gestattet wird. Erfasst sein kann daher die Errichtung und der Betrieb einer technischen Anlage, der Bau einer anderen Anlage oder die Durchführung einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme sowie jeweils deren Änderung bzw. Erweiterung. Ebenso werden besondere Ausgestaltungen von fachrechtlichen Zulassungsentscheidungen in Form eines Verwaltungsaktes, wie zum Beispiel Teilgenehmigungen oder Vorbescheide, erfasst. Maßgeblich für die Abgrenzung ist jeweils allein, ob für die Zulassungsentscheidung umweltbezogene Vorschriften des Bundes oder Landesrechts anzuwenden sind (BT-Drs. 18/9526, Seite 36). Bei der Baugenehmigung, in der auch die Genehmigung zur Fällung der verfahrensgegenständlichen Bäume geregelt wird, handelt es sich um eine solche in die Natur eingreifende Maßnahme, sodass diese von § 1 Abs. 1 Nr. 5 UmwRG erfasst ist (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2020 – 9 CS 20.892 – juris Rn. 29; SächsOVG, B.v. 27.9.2023 – 1 B 131/23 – juris Rn. 17).
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1.2.2. Das beantragte Bauvorhaben ist auch unter Anwendung einer umweltbezogenen Rechtsvorschrift i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 UmwRG i.V.m. § 1 Abs. 4 UmwRG zugelassen worden.
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Umweltbezogene Rechtsvorschriften sind nach § 1 Abs. 4 UmwRG solche Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 UmwRG) oder auf Faktoren im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG (§ 1 Abs. 4 Nr. 2 UmwRG) beziehen. Im Zweifel ist der Umweltbezug – in Anlehnung an die Spruchpraxis des Compliance Committee der Aarhus-Konvention – weit auszulegen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 1 UmwRG Rn. 31); es genügt, dass sich die betreffende Rechtsvorschrift in irgendeiner Weise auf die Umwelt bezieht (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2018 – 2 CS 18.198 – juris Rn. 8). Erfasst sind alle Normen, die zumindest auch dazu beitragen, dass gegenwärtige und künftige Generationen in einer ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt leben können. Als ausreichend wird angesehen, dass die betreffende Bestimmung wahrscheinlich unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf die Umwelt hat (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.1278 – juris Rn. 32 m.w.N.). Der Anwendungsbereich ist nicht auf Vorschriften beschränkt, in denen ausdrücklich der Begriff Umwelt verwandt wird. Entscheidender Faktor ist allein, ob sich die betreffende Rechtsvorschrift in irgendeiner Weise auf die Umwelt bezieht (vgl. BT-Drs. 18/9526, S. 32).
18
Die Baumschutzverordnung der Antragsgegnerin vom 18. Januar 2013 (im Folgenden BaumSchV), nach der im Rahmen der Baugenehmigung gem. ihres § 5 eine Fällungsgenehmigung erteilt worden ist, ist eine solche Vorschrift. So wird in § 2 BaumSchV ausdrücklich ausgeführt, dass es Schutzzweck der Verordnung ist, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes zu erhalten und zu verbessern (Nr. 3) und schädliche Umwelteinwirkungen zu mindern (Nr. 4). Die §§ 3 und 5 BaumSchV dienen in Umsetzung dieses Schutzzweckes dazu, den Baumbestand innerhalb ihres Geltungsbereichs (§ 1 Abs. 5 BaumSchV) zu schützen und gleichzeitig den Eigentumsrechten der Grundeigentümer nach Art. 14 GG Rechnung zu tragen. Die Baumschutzverordnung beruht zudem auf §§ 20, 22 und 29 BNatSchG i.V.m. Art. 12, 51 und 43 BayNatSchG. Der Umweltbezug liegt damit auf der Hand.
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1.2.3. Schließlich handelt es sich bei der von dem Antragsteller als verletzt gerügten Baumschutzverordnung auch entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts um eine Rechtsvorschrift des Landesrechts.
20
Soweit das Verwaltungsgericht die Auffassung vertritt, dass es sich bei der Baumschutzverordnung, auf deren Verletzung sich der Antragsteller beruft, nicht um eine Rechtsvorschrift des Bundes- oder Landesrechts im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG i.V.m. § 1 Abs. 4 UmwRG handele, überzeugt dies nicht. Der Senat schließt sich insoweit – in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsauffassung (vgl. BayVGH, B.v. 22.8.2018 – 2 CS 18.1126 – juris; B.v. 11.4.2018 – 2 CS 18.198 – juris) – der Auffassung des 9. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs an, wonach auch kommunalrechtliche Vorschriften als Rechtsvorschriften des Landesrechts i.S.d. § 1 Abs. 5 UmwRG anzusehen sind (vgl. BayVGH, B.v. 25.9.2023 – 9 BV 22.481 – Rn. 41; B.v. 10.12.2020 – 9 CS 20.892 – juris Rn. 30 ff.).
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Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anzuwenden auf Verwaltungsakte, durch die Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften u.a. des Bundesrechts oder Landesrechts zugelassen werden. Nach dem allgemeinen staatsrechtlichen Sprachgebrauch wird das Recht der Bundesrepublik Deutschland in zwei Rechtsetzungsebenen, die des Bundes und die der Länder unterteilt (vgl. die amtliche Überschrift vor Art. 20 GG und die folgenden Artikel). Das Landesrecht umfasst danach alle von Landesorganen erzeugten Rechtsnormen: Also die Landesverfassungen, einfache Landesgesetze, Rechtsverordnungen (auch solche, die aufgrund bundesgesetzlicher Ermächtigung erlassen werden), Satzungen der zahlreichen Selbstverwaltungsträger (Körperschaften und zum Teil auch Anstalten des öffentlichen Rechts), namentlich der Gemeinden und Landkreise, die man auch insoweit den Ländern zurechnet (vgl. Dreier in Dreier, GG-Kommentar, 3. Aufl. 2015; Art. 31 Rn. 35; Huber in Sachs, GG, 10. Aufl. 2024, Art. 31 Rn. 13). Landesrecht sind daher Normen eines Normgebers der unteren föderalen Rechtsetzungsebene, auch der Gemeinden (vgl. Korioth in Dürig/Herzog/Scholz, GG, 107 EL März 2025, Art. 31 Rn. 19; Hanschel in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 8. Aufl. 2025, Art. 31 Rn. 27). Es besteht weder im Hinblick auf die Definition der umweltbezogenen Rechtsvorschrift in § 1 Abs. 4 UmwRG noch nach dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG, nämlich Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention (AK) umzusetzen, ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber umweltbezogene Rechtsvorschriften kommunalen Ursprungs aus dem Anwendungsbereich des UmwRG ausnehmen wollte (vgl. BayVGH, B.v. 25.9.2023 – 9 BV 22.481 – Rn. 41; NdsOVG, B.v. 29.12.2020 – 1 ME 68/20 – juris Rn. 33 f.; vgl. auch HessVGH, B.v. 17.3.2021 – 3 B 2000/20 – juris Rn. 22; B.v. 23.11.2022 – 3 B 680/22 – juris Rn. 20). Vielmehr war Ziel des Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29. Mai 2017 (BGBl 2017 I S. 1298) u.a. das Erfordernis Art. 9 Abs. 3 AK vollständig im deutschen Recht umzusetzen (vgl. BT-Drs. 18/9526, S. 32; VGH BW, U.v. 20.11.2018 – 5 S 2138/16 – juris Rn. 160 m.w.N). Mit Blick auf die den mitgliedstaatlichen Gerichten obliegende Verpflichtung, das nationale Recht soweit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 AK als auch mit dem Ziel eines effektiven Rechtsschutzes auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2019 – 7 C 5.18 – juris Rn. 25 m.w.N.), dürfte mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen sein, dass es dem Gesetzgeber des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes bei der Auflistung von Bundes-, Landes- und Unionsrecht anknüpfend an die Terminologie des Art. 9 Abs. 3 AK, der ganz allgemein von „umweltbezogenen Vorschriften“ spricht, nur darum ging, sämtliche in Betracht kommenden Rechtsvorschriften zu erfassen, ohne dass es auf die innerstaatliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ankommt (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2020 – 9 CS 20.892 – Rn. 32 m.w.N.). Eine Beschränkung des in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG enthaltenen Begriffs des Landesrechts auf unmittelbar vom Landesgesetzgeber erlassene Normen lässt sich dem Wortlaut dieser Vorschrift daher nicht entnehmen (vgl. VG Gelsenkirchen, B.v. 20.2.2020 – 6 L 62/20 – juris Rn. 31; a.A. Bunge in Bunge, UmwRG, 2. Aufl., § 1 Rn. 145).
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1.2.4. Der Antragsteller hat sich im Rahmen seines Rechtsbehelfes zudem nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG auf die Verletzung einer umweltbezogenen Rechtsvorschrift berufen.
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Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG muss die Vereinigung bei Rechtsbehelfen gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a bis 6 UmwRG zudem die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen. Vergleichbar mit § 42 Abs. 2 VwGO hat die Vereinigung geltend zu machen, dass die fragliche Rechtsvorschrift eine Bedeutung für die Entscheidung haben kann. Soll die Bedeutung verneint werden, muss offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen sein, dass der Sachverhalt geeignet ist, einen Widerspruch der infrage stehenden Entscheidung zu einer für die Entscheidung bedeutsamen Rechtsvorschrift zu erzeugen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 2 Rn. 4, 9).
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Der Antragsteller beruft sich zur Geltendmachung der Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften auf die Baumschutzverordnung der Antragsgegnerin. Diese ist eine – wie oben unter Nr. 1.2.2. dargelegt – umweltbezogene Rechtsvorschrift.
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(1) Umstritten ist jedoch, ob sich der Antragsteller bei der Rüge der Verletzung der § 5 BaumSchV auch auf den außerhalb der Baumschutzverordnung liegenden Teil des Prüfprogramms berufen kann. Der Antragsteller macht vorliegend geltend, es bestehe bereits kein Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung nach § 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO, weswegen die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Fällungsgenehmigung nicht vorlägen. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BaumSchV regelt, dass das Entfernen, Zerstören oder Verändern geschützter Gehölze (u.a. Bäume, vgl. § 1 Abs. 1 BaumSchV) auf Antrag nur dann genehmigt werden kann, wenn aufgrund anderer Rechtsvorschriften ein Anspruch auf Genehmigung eines Vorhabens besteht, dessen Verwirklichung ohne eine Entfernung, Zerstörung oder Veränderung von Gehölzen nicht möglich ist.
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Das Verwaltungsgericht führt hierzu unter Bezugnahme auf das OVG Berlin (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 20.11.2020 – OVG 10 S 66/20 – NVwZ-RR 2021, 335 = juris Rn. 6) aus, der Antragsteller könne nicht jeden Verstoß gegen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sind, geltend machen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG). Soweit § 5 Abs. 1 Nr. 1 BaumSchV auf den außerhalb der Baumschutzverordnung liegenden Teil des Prüfprogramms verweise, seien die Vorschriften jenes Teils des Prüfprogramms nicht von § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG erfasst, soweit sie nicht – was hier nicht der Fall sei – ihrerseits der Legaldefinition des § 1 Abs. 4 UmwRG entsprächen.
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(2) Diese Auffassung überzeugt nicht. Zwar rügt der Antragsteller die Verletzung von Art. 68 BayBO und hierbei unter anderem die Verletzung von Bauordnungs- und Bauplanungsrecht. Auch wenn es sich bei diesen gerügten Vorschriften per se nicht um Rechtsvorschriften mit umweltrechtlichen Bezug nach § 1 Abs. 4 UmwRG handeln sollte, ist zu bedenken, dass die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung im Rahmen der umweltbezogenen Vorschrift des § 5 BaumSchV zu prüfen ist. Sie ist Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung einer Fällungsgenehmigung. Nur wenn ein – hier baurechtlicher – Anspruch auf Genehmigung des Vorhabens besteht, darf ein von der Baumschutzverordnung geschützter Baum gefällt werden. Aus diesem Grund ist eine Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung im Rahmen der Fällungsgenehmigung erforderlich. Verfahrensgegenständlich ist hier also nicht die Überprüfung einer Baugenehmigung im unbeplanten Innenbereich, wo auf der Ebene der Zulassungsentscheidung eines einzelnen Vorhabens bauplanungsrechtlich ausschließlich geprüft wird, ob sich das Vorhaben nach § 30 Abs. 3 i.V.m. § 34 BauGB in die nähere Umgebung einfügt (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2018 – 2 CS 18.198 – juris Rn. 9). Vielmehr ist vorliegend im Rahmen der Baugenehmigung die Genehmigung zur Fällung der verfahrensgegenständlichen Bäume erteilt worden, da nach Art. 18 Abs. 1 BayNatSchG die baumschutzrechtliche Gestattung durch die Baugenehmigung ersetzt wird. Die unmittelbar anzuwendenden Vorschriften der Baumschutzverordnung selbst sind jedoch – wie oben dargelegt – unstreitig solche mit Umweltbezug. Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des Art. 68 Abs. 1 BayBO ist damit Tatbestandsvoraussetzung des § 5 Abs. Nr. 1 BaumSchV und gehört zum Prüfprogramm der umweltbezogenen Rechtsvorschrift.
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2. Der Antrag ist auch begründet.
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Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 BaumSchV liegen nicht vor, sodass der Beigeladenen kein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für den von ihr beantragten Neubau von drei Stadthäusern an der südlichen Grundstücksgrenze des verfahrensgegenständlichen Grundstücks zusteht. Das beantragte Vorhaben fügt sich nach der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, voraussichtlich nicht gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die nähere Umgebung ein.
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2.1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BaumSchV kann das Entfernen geschützter Gehölze nur genehmigt werden kann, wenn aufgrund anderer Rechtsvorschriften ein Anspruch auf Genehmigung eines Vorhabens besteht. Ein solcher Anspruch auf Baugenehmigung besteht hier nicht.
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2.1.1. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bemisst sich vorliegend nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO i.V.m. § 30 Abs. 3 und § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich auch nach der „Grundstücksfläche, die überbaut werden soll“, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Insoweit kommt es auf die konkrete Größe der Grundfläche des in Frage stehenden Vorhabens und auch auf seine räumliche Lage innerhalb der vorhandenen Bebauung, also auf den Standort des Vorhabens an.
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Maßstabsbildend im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist dabei die Umgebung anzusehen, insoweit sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als sie ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, B.v. 22.9.2016 – 4 B 23.16 – juris Rn. 6; B.v. 20.8.1998 – 4 B 79.98 – juris). Bei der Frage, ob eine rückwärtige Bebauung eines Grundstücks nach der überbaubaren Grundstücksfläche zulässig ist, wird es deshalb regelmäßig darauf ankommen, in welchem Umfang die den Maßstab bildenden umliegenden Grundstücke eine rückwärtige Bebauung aufweisen (vgl. BVerwG, B.v. 6.11.1997 – 4 B 172.97 – juris Rn. 7). Zur näheren Konkretisierung kann insofern auf die Begriffsbestimmungen in § 23 BauNVO „zur überbaubaren Grundstücksfläche“, die wiederum gemäß § 23 Abs. 4 Satz 2 BauNVO auch durch Festsetzung der Bautiefe bestimmt werden kann, zurückgegriffen werden (vgl. BVerwG, B.v. 12.8.2019 – 4 B 1.19 – juris Rn. 6; BVerwG, B.v. 16.6.2009 – 4 B 50.08 – juris Rn. 4). Nach § 23 Abs. 4 Satz 2 BauNVO ist die Bebauungstiefe von der tatsächlichen Straßengrenze aus zu ermitteln (vgl. BVerwG, B.v. 12.8.2019 a.a.O. juris Rn. 6). „Tatsächliche Straßengrenze“ ist die Grenze der als Erschließungsanlage gewählten öffentlichen Straße (vgl. OVG Saarl, U.v. 27.5.2014 – 2 A 2/14 – juris Rn. 42; siehe auch Fickert/Fieseler, BauNVO, 13. Aufl. 2019, § 23 Rn. 17 „öffentliche Verkehrsfläche“). Konsequenz ist daher, dass die Reichweite der näheren Umgebung auf diejenigen Grundstücke beschränkt ist, die durch die gleiche Erschließungsstraße erschlossen sind und in der Regel auch auf der gleichen Straßenseite liegen (vgl. BayVGH, B.v. 10.2.2022 – 2 ZB 21.1560 – juris 6; NdsOVG, B.v. 26.8.2019 – 1 LA 41/19 – juris Rn. 8; B.v. 1.9.2022 – 1 LB 4/21 – juris Rn. 18: Söfker/Hellriegel in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand April 2024, § 34 Rn. 47). Dabei muss die Betrachtung auf das Wesentliche zurückgeführt und alles außer Acht gelassen werden, was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder in ihr als Fremdkörper erscheint. Auszusondern sind zum einen solche baulichen Anlagen, die von ihrem quantitativen Erscheinungsbild (Ausdehnung, Höhe, Zahl usw.) nicht die Kraft haben, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, die der Betrachter also nicht oder nur am Rande wahrnimmt. Bei der Bebauung des Blockinnern ist für die Beurteilung, ob sich ein Vorhaben in Bezug auf die überbaubare Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, zudem entscheidend, ob es sich dabei „um Haupt- oder Nebenanlagen handelt“ (vgl. BVerwG, B.v. 4.2.1986 – 4 B 7.86 – juris Rn. 3). Zum anderen können auch solche Anlagen aus der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung auszusondern sein, die zwar quantitativ die Erheblichkeitsschwelle überschreiten, aber nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen. Das wird namentlich dann anzunehmen sein, wenn eine singuläre Anlage in einem auffälligen Kontrast zur übrigen Bebauung steht. In Betracht kommen insbesondere solche baulichen Anlagen, die nach ihrer – auch äußerlich erkennbaren – Zweckbestimmung in der näheren Umgebung einzigartig sind. Sie erlangen die Stellung eines „Unikats“ umso eher, je einheitlicher die nähere Umgebung im Übrigen baulich genutzt ist. Trotz ihrer deutlich in Erscheinung tretenden Größe und ihres nicht zu übersehenden Gewichts in der näheren Umgebung bestimmen sie nicht deren Eigenart, weil sie wegen ihrer mehr oder weniger ausgeprägt vom übrigen Charakter der Umgebung abweichenden Struktur gleichsam isoliert dastehen. Grundlage für ein solches Ausklammern ist zwar auch das tatsächlich Festgestellte; als Ergebnis beruht es aber auf einer überwiegend wertenden Betrachtung (vgl. BVerwG, U.v. 15.2.1990 – 4 C 23.86 – juris Rn. 13 = BVerwGE 84, 322-335, Rn. 15).
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2.1.2. Gemessen an diesen Grundsätzen sind hier als nähere Umgebung für die Beurteilung der Bebauungstiefe im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB die Grundstücke im Inneren des konkreten Straßengevierts, die, die ebenso wie das verfahrensgegenständliche von der L-straße erschlossen werden, in den Blick zu nehmen. Der danach für die Beurteilung der Bebauungstiefe maßgebliche Rahmen wird somit von den Grundstücken L-straße 21-29a gebildet. Alle diese Grundstücke weisen straßenseitig eine vierstöckige, geschlossene Bebauung auf. Im rückwärtigen südlichen Teil der Grundstücke sind lediglich die östlich und westlich des verfahrensgegenständlichen Grundstücks gelegenen Grundstücke bebaut. Das östlich des Baugrundstücks angrenzende Grundstück ist im rückwärtigen Teil mit einem an drei Seiten grenzständigen, einstöckigen ehemaligen Garagenhaus bebaut, das derzeit zu Wohnzwecken genutzt wird. Auf dem westlich angrenzenden Grundstück steht im rückwärtigen Teil ein etwas tiefer gelegenes Garagengebäude mit fünf Garagenstellplätzen. An der rückwärtigen südlichen Grundstücksgrenze grenzt ebenfalls ein Garagengebäude mit sechs Garagenplätzen an.
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Weder das westlich gelegene Nebengebäude noch das östlich angrenzende ehemalige Garagengebäude prägt nach vorläufiger wertender Betrachtung des Senats die nähere Umgebung in dem Sinne, dass das fragliche Vorhaben sich insoweit einfügen würde. Das westlich gelegene Garagengebäude ist als Nebengebäude zu qualifizieren, das bereits nach seinem quantitativen Erscheinungsbild – geringe Höhe, etwas tiefer gelegen als die Hauptnutzungen – aber auch nach der Art der Nutzung keine maßstabsbildende Kraft besitzt. Doch auch das östlich angrenzende Gebäude prägt nach Wertung des erkennenden Senats den maßgeblichen Bereich nicht so, dass für Hauptgebäude im rückwärtigen Grundstücksbereich das notwendige Vorbild vorhanden wäre. Zum einen stellt es sich nach seinem äußeren Erscheinungsbild wohl nicht als ein Hauptgebäude dar, sondern macht trotz seiner gegenwärtigen Nutzung zum Wohnen eher den Eindruck eines Nebengebäudes. Zum anderen bliebe es, wäre es als Hauptgebäude einzustufen, nach den obigen Maßstäben singulär, ohne prägende Kraft zu entfalten.
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Es ist hier auch nicht auf einen größeren Umgriff, der das ganze Geviert umfasst, abzustellen (vgl. BayVGH, U.v. 17.12.2024 – 2 N 22.2394 – juris Rn. 40). Besonderheiten, die ein Abweichen vom oben dargelegten Ausgangspunkt rechtfertigen würden, sind hier nicht ersichtlich. Aufgrund des dargelegten, für die Beurteilung der Bebauungstiefe enger zu ziehenden Umgriffs hat insbesondere auch das südlich auf dem Grundstück FlNr. 1... errichtete Wohngebäude außer Betracht zu bleiben, weil dieses nicht an derselben Erschließungsstraße wie die hier inmitten stehenden Grundstücke liegen. Ob von dem Grundsatz, dass die nähere Umgebung bei der Bebauungstiefe auf diejenigen Grundstücke beschränkt ist, die durch die gleiche Erschließungsstraße erschlossen sind und in der Regel auch auf der gleichen Straßenseite liegen, eine Ausnahme hin zu einem größeren Umgriff zu machen ist, wenn sich gegenüberliegende Bebauungszeilen „verzahnen“, kann hier offenbleiben, da aus den dem Senat vorliegenden Plänen eine solche „Verzahnung“ hinsichtlich der Bebauungstiefe nicht festgestellt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 10.2.2022 – 2 ZB 21.1560 – juris Rn. 7).
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2.1.3. Das beantragte Bauvorhaben fügt sich auch nicht deshalb in die Eigenart der näheren Umgebung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ein, weil die Überschreitung der vorhandenen Bebauungstiefe ausnahmsweise keine städtebaulichen Spannungen befürchten ließe. Bodenrechtlich beachtliche und bewältigungsbedürftige Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass das Vorhaben die vorhandene Situation in bauplanungsrechtlich relevanter Weise verschlechtert, stört oder belastet und das Bedürfnis hervorruft, die Voraussetzungen für seine Zulassung unter Einsatz der Mittel der Bauleitplanung zu schaffen (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.2010 – 4 C 7.10 – NVwZ 2011, 436; BayVGH, U.v. 17.12.2024 – 2 N 22.2394 – juris Rn. 41). Hierfür reicht die mögliche Vorbildwirkung des Vorhabens, die ein Bedürfnis nach planerischer Gestaltung auslösen kann (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 – BVerwGE 55, 369). Eine solche wäre hier für eine weitere rückwärtige Bebauung auf den von der L-straße erschlossenen Grundstücken gegeben.
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2.2. Der bestandskräftige Vorbescheid vom 19. Juni 2023 entfaltet keine Bindungswirkung für die Baugenehmigung hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
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2.2.1. Grundsätzlich besteht, wenn der Baugenehmigung ein Vorbescheidsverfahren vorausging und der erteilte positive Vorbescheid bestandskräftig geworden ist, nach Art. 71 Abs. 1 Satz 2 BayBO eine bezüglich der im Vorbescheid entschiedenen Einzelfragen eine auf drei Jahre befristete Bindungswirkung. Der im Vorbescheid vorwegentschiedene Teil der Baugenehmigung ist dann im späteren Baugenehmigungsverfahren nicht mehr von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfen. Die nachfolgende Baugenehmigung übernimmt demzufolge den Inhalt eines bestandskräftigen Vorbescheides nur redaktionell oder als Hinweis, aber ohne eine eigene, Dritte beschwerende Regelung (vgl. BVerwG, U.v. 17.3.1989 – 4 C 14/85 – juris Rn. 15; U.v. 9.2.1995 – 4 C 23.94 – juris Rn. 15). Die in der Sache von einem Dritten trotzdem gegen die Baugenehmigung erhobene Klage ist dann zwar nicht unzulässig, wohl aber unbegründet, soweit sich der Dritte auf Feststellungen stützt, die durch den Vorbescheid bereits bestandskräftig geworden sind (vgl. BVerwG, U.v. 17.3.1989 – 4 C 14.85 – juris Rn. 15).
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2.2.2. Vorliegend ist der Vorbescheid – auch gegenüber dem Antragsteller – bestandskräftig geworden. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 UmwRG muss der Antragsteller als Umweltvereinigung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG spätestens binnen zweier Jahre, nachdem der Verwaltungsakt erteilt wurde, Widerspruch oder Klage erheben, sollte ihm die Baugenehmigung nicht zugestellt und auch nicht öffentlich bekannt gemacht worden sein. Der Vorbescheid vom 19. Juni 2023 wurde dem Bauherrn und den Nachbarn am 21. Juni 2023 zugestellt; es erfolgte weder eine öffentliche Zustellung noch eine Zustellung an den Antragsteller. Demnach lief die Zweijahresfrist am 22. Juni 2023 an und endete am 21. Juni 2025 (§§ 57 VwGO i.V.m. § 222 ZPO i.V.m §§ 187, 188 BGB). Im Zeitpunkt des Eingangs der Klage des Antragstellers gegen den Vorbescheid beim Verwaltungsgericht am 18. September 2025 war der Vorbescheid daher bereits bestandskräftig.
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2.2.3. Auch entfällt die Bindungswirkung nach Art. 71 BayBO hinsichtlich der im Vorbescheid entschiedenen Einzelfragen nicht deswegen, weil das beantragte Bauvorhaben mit dem im Vorbescheid skizzierten Bauvorhaben nicht völlig übereinstimmt. Die Bindung des Vorbescheides erstreckt sich nur auf Vorhaben, die inhaltlich dem Vorbescheid vollständig entsprechen oder von diesem ohne Veränderung der Grundkonzeption allenfalls geringfügig abweichen. Das Vorhaben darf nicht derart verändert werden, dass wegen dieser Änderung die Genehmigungsfrage in bodenrechtlicher und/oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht erneut aufgeworfen wird. Wird das Vorhaben derart verändert, dass es in rechtserheblicher Weise von den entschiedenen Punkten abweicht und die Genehmigungsfrage neu aufwirft, entfällt die Bindungswirkung des Vorbescheides (vgl. BayVGH, U.v. 4.11.1996 – 1 B 94.2923 – juris). Weicht dagegen das mit dem Bauantrag eingereichte Vorhaben nur geringfügig vom Vorbescheid ab und wird die Grundkonzeption nicht verändert oder berührt, entfällt die Bindungswirkung nicht (vgl. Decker in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, 158. EL Mai 2025, Art. 71 Rn. 106). So liegt der Fall hier. Das Vorhaben wurde nicht derart verändert, dass wegen dieser Änderung die Genehmigungsfragen in bodenrechtlicher und/oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht erneut aufgeworfen wurde. Vorliegend wurde zwar das Bauvorhaben in seiner Grundflächenzahl, in der Baumassenzahl sowie der Wohnfläche geringfügig verkleinert. Die Grundkonzeption des Bauvorhabens wurde jedoch nicht verändert oder berührt; es wurde – wohl aus abstandsflächenrechtlichen Gründen – lediglich geringfügig verkleinert. Hinsichtlich der im Vorbescheid getroffenen Feststellungen – der Art der baulichen Nutzung, des Maßes der baulichen Nutzung und der Bauweise – hat dieser daher gegenüber der Baugenehmigung Bindungswirkung.
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2.2.4. Der Vorbescheid entfaltet jedoch keine Bindungswirkung hinsichtlich der Frage nach der überbaubaren Grundstücksfläche im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Grundsätzlich nehmen an der Bindungswirkung des Vorbescheides nur die im Vorbescheid ausdrücklich im Sinne einer positiven Entscheidung geklärten Aspekte der Bauvoranfrage teil (vgl. BayVGH, B.v. 2.7.2020 – 15 ZB 19.692 – juris). Auf Fragen, zu denen der Vorbescheid nichts aussagt, erstreckt sich die Bindungswirkung des Vorbescheides nicht (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2018 – 15 C 18.795 – juris). Die Beigeladene hat im Vorbescheidsverfahren abgefragt, ob sich das beantragte Bauvorhaben hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung, dem Maß der baulichen Nutzung und der Bauweise nach § 34 BauGB in die nähere Umgebung einfügt. Weder wurde gefragt, ob das Bauvorhaben sich auch hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche einfügt, noch ist dies den Antworten der Antragsgegnerin zu entnehmen, sodass eine dahingehende Bindungswirkung nicht gegeben ist.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.