Titel:
Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters – Berücksichtigung von Maßnahmen der Verwaltung einer mit Aus- oder Absonderungsrechten belasteten Immobilie
Normenkette:
InsVV § 11 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Die Erhöhung- und Kürzungstatbestände bei der Bemessung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters lassen sich anhand von quantitativen und qualitativen Kriterien und Merkmalen unterscheiden. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der vorläufige Insolvenzverwalter kann keinen weiteren Zuschlag für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verwaltung einer mit einem Aus- oder Absonderungsrecht belasteten Immobilie bzw. der Vorbereitung ihrer Veräußerung geltend machen, wenn die angeführten Umstände bereits iRv § 11 Abs. 1 S. 2 InsVV berücksichtigt wurden. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
vorläufiger Insolvenzverwalter, Vergütung, Aus- und Absonderungsrecht, Immobilie, Verwaltung, weiterer Zuschlag
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 08.07.2025 – 1509 IN 2728/23
Fundstellen:
FDInsR 2025, 031067
BeckRS 2025, 31067
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des vorläufigen Insolvenzverwalters gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 08.07.2025, Az. 1509 IN 2728/23, wird zurückgewiesen.
2. Der vorläufige Insolvenzverwalter trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 99.595,34 € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde vom 16.07.2025 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München – Insolvenzgericht vom 08.07.2025, mit welchem die Festsetzung seiner Vergütung und der ihm zu erstattenden Auslagen (insgesamt 65.631,14 €) als vorläufiger Insolvenzverwalter erfolgt ist.
2
Mit der sofortigen Beschwerde wird eine Erhöhung der Vergütung um 99.595,34 € begehrt.
3
Das Erstgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 13.08.2025 nicht abgeholfen und die Aktenvorlage bei dem Beschwerdegericht verfügt.
4
Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
5
Der angefochtene Vergütungsbeschluss vom 08.07.2025 begegnet keinen rechtlichen Bedenken, die eine Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung rechtfertigen würden. Die ermittelte Berechnungsgrundlage ist korrekt, was von der sofortigen Beschwerde auch nicht in Abrede gestellt wird. Auch der Ansatz der Regelvergütung sowie die Ablehnung der beantragten Zuschläge von 35% und 15% bzw. des beantragten Gesamtzuschlags in Höhe von 40% ist nicht zu beanstanden.
1. In Bezug auf Zu- und Abschläge gilt im Allgemeinen:
Die Höhe angenommener Zu- bzw. Abschläge unterliegt letztlich der tatrichterlichen Würdigung.
Dabei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Insolvenz- und Beschwerdegericht müssen in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung von Überschneidungen und einer aufs Ganze bezogenen Angemessenheitsbetrachtung den Gesamtzuschlag oder den Gesamtabschlag festlegen. Die Bestimmung einzelner Zu- und Abschläge ist nicht zu beanstanden, aber auch nicht erforderlich. Soweit das Insolvenz- oder das Beschwerdegericht einzelne Zu- oder Abschläge festlegen, bereiten diese die danach immer noch erforderliche, notwendig auf den Einzelfall bezogene Gesamtbetrachtung nur vor (BGH, Beschluss vom 14.02.2008 – IX ZB 181/04, ZInsO 2008, 373 f.).
§ 3 InsVV – anwendbar über § 10 InsVV – kommt die Aufgabe zu, eine einzelfallbezogene Anpassung durch konkrete Zu- oder Abschläge vorzunehmen. Sie ermöglicht als zentrale Norm des Vergütungsrechts die Umsetzung des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs aus Art. 12 Abs. 1 GG auf eine angemessene Vergütung (BVerfG ZIP 1989, 382 m. Anm. Eickmann; dazu Onusseit EWiR 1989, 391; HK-InsO/Keller § 63 InsO Rn. 16 ff.; BeckOK InsO/Budnik, § 3 InsVV Rn. 1). Die Zu- und Abschläge sollen dem gestiegenen Umfang und den größeren Schwierigkeiten bei der Geschäftsführung des (vorläufigen) Verwalters im konkreten Einzelfall Rechnung tragen, was durch § 2 InsVV aufgrund dessen pauschaler Prozentsatzregelung allein nicht möglich ist (BeckOK InsO/Budnik, a.a.O.; HambK-InsO/Büttner § 3 InsVV Rn. 3 ff.).
Eine Erhöhung oder Kürzung der Vergütung nach pauschalierenden Tatbeständen ist unzulässig. Zu berücksichtigen ist der gegenüber einem Normalverfahren tatsächlich gestiegene Arbeitsaufwand des Verwalters in dem konkreten Einzelfall (amtl. Begründung zu § 3, abgedruckt in HWF InsVerw-HdB 54; vgl. BGH ZIP 2018, 1553; ZInsO 2017, 1694; BGH ZInsO 2016, 1637 [1643] m.w.Nachw.); BeckOK InsO/Budnik, a.a.O. Rn. 2; BGH ZInsO 2015, 765; 2012, 7533 [7534]; 2010, 2409; NZI 2006 m. Anm. Nowak). Insofern können auch auf Regelaufgaben Zuschläge gewährt werden, wenn diese den Verwalter außergewöhnlich belasten (BGH ZInsO 2007, 1268). Zulässig ist auch die Bildung typisierender Fallgruppen, die regelmäßig eine Erschwernis oder eine Erleichterung für den Verwalter darstellen (BeckOK InsO/Budnik, a.a.O. Rn. 2).
Wie beim Normalverfahren lassen sich die Erhöhungs- und Kürzungstatbestände anhand von quantitativen (erhebliche, umfangreiche Arbeitsbelastung) und qualitativen Kriterien und Merkmalen (besondere rechtliche Schwierigkeiten) unterscheiden (BeckOK InsO/Budnik, a.a.O. Rn. 2).
Diesen Grundsätzen ist vorliegend genügt.
2. Was die konkrete Verneinung der beantragten Zuschläge angeht, ist diese erstgerichtlich in nicht zu beanstandender Weise erfolgt.
Insoweit wird zunächst auf die gut vertretbaren Gründe der angefochtenen Entscheidung (dort S. 4 ff., Bl. 176 ff. d.A.) verwiesen. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Gründe der Nichtabhilfeentscheidung vom 13.08.2025.
a) Nicht zu monieren ist zunächst die Verneinung eines Zuschlags in Höhe von 35% für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verwaltung der verfahrensgegenständlichen Immobilie bzw. der Vorbereitung ihrer Veräußerung.
Insoweit ist seitens des Erstgerichts zu Recht darauf abgestellt worden, dass letztlich sämtliche relevanten Umstände, die seitens des Beschwerdeführers namentlich zur Begründung seiner erheblichen Befassung angeführt wurden, kausal auf die vollständig belastete Immobilie zurückzuführen und dementsprechend bereits im Rahmen der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen seien (Verneinung einer doppelten Berücksichtigung vergütungsrelevanter Umstände nach der InsVV).
Auch nach Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts sind die diesbezüglichen Vorgaben des BGH gem. Beschluss vom 10.06.2021 – IX ZB 51/19, NZI 2021, 838 korrekt auf den vorliegenden Fall übertragen und angewendet worden. Soweit das Erstgericht die seitens des Beschwerdeführers geschilderten Tätigkeiten als solche ansieht, die zwar eine Erhöhung wegen erheblicher zeitlicher Befassung nach § 11 Abs. 1 S. 2 InsVV rechtfertigten, nicht jedoch eine weitergehende Zuschlagsgewährung, bewegt sich die erstgerichtliche Einschätzung in einem Bereich, der seitens des Beschwerdegerichts nicht zu beanstanden und damit auch nicht anzutasten ist. Die seitens der sofortigen Beschwerde geforderte zwingende Zuschlagsgewährung vermag daher auch seitens des Beschwerdegerichts nicht gesehen zu werden.
b) Der Zuschlag in Höhe von 15% für Konzernangelegenheiten (Intercompany-Vereinbarung mit der E. GmbH i.L.) brauchte hier seitens des Erstgerichts ebenfalls nicht gewährt zu werden. Die diesbezüglichen Erwägungen des Erstgerichts – und dabei v.a. der Verweis auf die aus den Parallelverfahren resultierenden „Synergieeffekte“ – tragen durchaus die erstgerichtlich vertretene Ablehnung eines Zuschlags. Jedenfalls brauchte in der Tat keine signifikante Abweichung angenommen zu werden, was hier ebenfalls gegen die Gewährung eines Zuschlags streitet.
6
Nach alledem sieht das Beschwerdegericht vorliegend keine hinreichende Veranlassung, die jedenfalls gut vertretbare Entscheidung des Erstgerichts anzutasten.
7
Der sofortigen Beschwerde ist daher kein Erfolg beschieden.
8
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 4 InsO, 97 ZPO.
9
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde, §§ 4 InsO, 574 ZPO, bestehen nicht. Die Bemessung vorzunehmender Zu- und Abschläge ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Sie kann in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur darauf überprüft werden, ob sie die Gefahr der Verschiebung von Maßstäben mit sich bringt. Eine solche ist nicht zu besorgen. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung waren in dem entschiedenen Einzelfall nicht zu klären. Insoweit liegt bereits ausreichende Klärung – namentlich durch die zitierte Entscheidung des BGH – vor.