Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 21.10.2025 – W 4 K 23.1424
Titel:

Sondernutzungserlaubnis für Freischankfläche auf öffentlichem Gehweg

Normenketten:
BayStrWG Art. 18 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Im Rahmen der Ausübung des Ermessens hinsichtlich des Anspruchs auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis gem. Art. 18 Abs. 1 BayStrWG hat die Behörde vor allem zu prüfen, ob die straßenfremde Nutzung mit den Belangen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs vereinbar und insoweit gemeinverträglich ist. Daneben können aber auch baugestalterische und städtebauliche Belange wie etwa der Schutz eines bestimmten Straßen- und Ortsbildes berücksichtigt werden, sofern sie einen sachlichen Bezug zur Straße haben und auf einem konkreten Gestaltungskonzept der Straße beruhen. Dagegen ist die straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis nicht dazu bestimmt, als zusätzliches Eingriffsinstruments für andere straßenrechtsfremde öffentliche Belange zu dienen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA) 2002 bzw. der Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06), wonach Gehwege eine Breite von 2,5 m aufweisen sollen, enthalten als Hilfsmittel für die Planung und den Entwurf von Stadtstraßen keine zwingenden Vorschriften, können jedoch bei der Beurteilung der Erfordernisse des Fußgängerverkehrs herangezogen werden. Auch unter Berücksichtigung dieser Regelwerke kann aber ein Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die Nutzung des Gehsteigs als Freischankfläche vor einer Gaststätte bestehen (hier bejaht). (Rn. 26 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Sondernutzungserlaubnis, Freischankfläche auf öffentlichem Gehweg, Sicherheit und Leichtigkeit des Fußgängerverkehrs, Ermessensreduzierung auf Null, öffentlicher Gehweg, Freischankfläche, Ermessen
Fundstelle:
BeckRS 2025, 30895

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 5. September 2023 verpflichtet, der Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 19. Juli 2023 die Erlaubnis für die Sondernutzung des Gehsteigs als Freischankfläche der Gaststätte „******* *****“, *********** *** ***** *************, zu erteilen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für eine Freischankfläche auf dem öffentlichen Gehweg vor dem Grundstück … … … …
2
1. Die Klägerin betreibt seit 2018 auf dem Grundstück … … … … die Gaststätte „… …“. Mit Bescheid vom 2. August 2018 wurde der Klägerin hierfür durch das Landratsamt … die gaststättenrechtliche Erlaubnis für den Betrieb einer Schank- und Imbisswirtschaft mit einem Hauptgastraum von 40,5 m2 und einem Wirtschaftsgarten auf dem eigenen Grundstück von 10 m2 für maximal 25 Gastplätze erteilt.
3
Vor dem Grundstück der Klägerin zur … hin befindet sich ein öffentlicher Gehweg mit einer Breite von 3,47 m bis maximal 3,63 m. Auf dem Gehweg vor dem Grundstück … …, unmittelbar am Straßenrand, befinden sich zwei von der Gemeinde aufgestellte Pflanztröge.
4
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 30. September 2021 die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die Errichtung einer Freischankfläche. Aus dem beigefügten Plan ergab sich diesbezüglich, dass die Klägerin zwei Tische mit einer Größe von 1,2 m x 0,8 m und acht Stühle auf dem Gehweg vor dem Anwesen … … aufstellen wollte. Mit Bescheid vom 22. November 2021 wurde der Antrag abgelehnt. Diese Ablehnung wurde von der Klägerin nicht angefochten.
5
Mit Schreiben vom 19. Juli 2023 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut eine Sondernutzungserlaubnis für die Errichtung einer Freischankfläche auf dem Gehweg vor dem Grundstück … …, diesmal mit drei Tischen mit einer Größe von je 0,7 m x 0,7 m und sechs Stühlen. Der dem Antrag beigelegte Plan sieht hierfür bei einem theoretischen Bedienraum von 0,65 m und einem Streifen für das Aufstellen von Pflanztrögen von 0,55 m Breite eine Restgehwegbreite von mindestens 1,5 m vor.
6
In einer im Rahmen der Antragsprüfung eingeholten Stellungnahme der Polizeiinspektion … am Main vom 12. Oktober 2022 wird zu einer Gehwegbreite von nicht unter 1,5 m geraten; zwei Kinderwägen oder Rollatoren sollten sich begegnen können, ohne auf die Straße ausweichen zu müssen. Eine Abgrenzung sei zudem sinnvoll, damit Tische und Stühle nicht Richtung Fahrbahn verrückt werden würden.
7
2. Mit Bescheid vom 5. September 2023 lehnte die Gemeinde … den Antrag vom 19. Juli 2023 auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für den Gehweg vor der … … ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, ohne die Versagung der Sondernutzung wäre das öffentliche Interesse am Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gefährdet. Durch das Aufstellen der Tische würde eine Restgehwegbreite im Mittel von 2,15 m (einschließlich Bedienraum) entstehen, was geringer sei als die Vorgabe der Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA) 2002 sowie die Vorgaben der Richtlinien für die Anlage von Stadt straße (RASt 06), wonach Gehwege eine Breite von 2,5 m aufweisen sollen. Zudem hätten Servicekräfte nach der RL 110-001 der Deutschen Unfallversicherung einen Anspruch auf einen Bedienraum von 1,2 m, womit nur eine Restgehwegbreite von 0,95 m verbliebe. Weiterhin sei mit einem Verrücken der Stühle durch die Gäste zu rechnen, was die Gehwegbreite weiter verringere. Nach pflichtgemäßer Ermessensausübung müsse demnach das Interesse der Antragstellerin am Betrieb einer Freischankfläche hinter dem öffentlichen Interesse am Schutz der körperlichen Unversehrtheit und der Verkehrssicherheit zurückstehen.
8
Der Bescheid wurde der Klägerin am 7. September 2023 zugestellt.
9
3. Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2023, beim Verwaltungsgericht Würzburg eingegangen am selben Tag, erhob die Klägerin Klage gegen den genannten Bescheid und beantragt,
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 05.09.2023 verpflichtet, der Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 19.07.2023 die Sondernutzung des Gehsteigs als Freischankfläche der Gaststätte „… …“, … … … … zu erlauben;
hilfsweise: über den Antrag der Klägerin vom 19.07.2023 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
10
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte gehe ermessensfehlerhaft von der starren Anwendung einer erforderlichen Restgehwegbreite von 2,5 m nach den Vorgaben der EFA 2002 aus. In der Stellungnahme der Polizeiinspektion … habe diese die Beklagte aber darüber informiert, dass eine Gehwegbreite von 2,5 m auf dem Land kaum einhaltbar sei. Zudem habe das Landratsamt ... auf Nachfrage mit Schreiben vom 22. Juli 2022 mitgeteilt, dass die Vorgaben der EFA 2002 nicht zwingend seien und stets die örtlichen Gegebenheiten maßgeblich seien. Weiterhin habe die Beklagte selbst der Klägerin mit Schreiben vom 26. August 2019 empfohlen, bei der Planung einer Sondernutzung für eine Freischankfläche einen durchgängigen Fußweg von 1,5 m zu berücksichtigen.
11
Der dem Antrag der Klägerin beigefügte Plan sehe eine freie Gehwegfläche mit einer Breite von 1,5 m vor und zusätzlich 1,32 m für Pflanztröge vor, der verbleibende Bedienraum von 0,65 m sei unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten ausreichend. Dem Verrücken der Stühle und Tische könne mit einer Auflage in Form einer Begrenzungslinie begegnet werden. Auch sei mit einem Verrücken der Stühle durch die Gäste in den Gehweg hinein nicht zu rechnen, da die Stühle seitlich an den Tischen entlang der Hauswand aufgestellt werden sollen. Schließlich sei die starre Forderung von 2,5 m Gehwegbreite rechnerisch fehlerhaft, da in dieser Regelbreite Schutzstreifen zur Hauswand und zur Fahrbahn enthalten seien.
12
4. Die Gemeinde … beantragt mit Schriftsatz vom 7. November 2023 die Klage abzuweisen.
13
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, die Gaststätte der Klägerin befinde sich an einer stark frequentierten Stelle der … Die … liege in einem dicht besiedelten Gemeindeteil und sei aufgrund der im dortigen Bereich befindlichen Bank, Apotheke, Gaststätten, Bäckerei, Rathaus und Verkehrsachse für den Kindergarten ein Gebiet mit hohem Verkehrs- und Fußgängeraufkommen. Der Gehsteig würde bei Genehmigung der Außengastronomie so schmal, dass Fußgänger auf die Straße ausweichen müssten. Bei der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis auf Gehwegen sei darauf zu achten, dass auch Platz für Rollstuhlfahrer und Zwillingskinderwägen bestehe. Die örtliche Situation sei zudem identisch mit derjenigen der Verwaltungsstreitsache W 4 K 22.1697, so dass die Beklagte wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes keinen Spielraum zur Erteilung der Genehmigung habe.
14
5. Das Gericht hat am 29. Juli 2025 Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins über die örtlichen und baulichen Verhältnisse im Bereich des Grundstücks … …, … … Im Zuge dessen haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren W 4 K 22.1697 sowie auf die beigezogene Behördenakte und das Protokoll vom 29. Juli 2025 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16
Das Gericht konnte über die Klage ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten dem zugestimmt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
17
Die Klage auf Erteilung der beantragten Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen von Stühlen und Tischen auf dem öffentlichen Gehweg vor dem Grundstück … … … … ist zulässig. Sie ist auch begründet, da die Ablehnung des begehrten Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Darüber hinaus ist die Sache spruchreif (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
18
1. Die Klage ist zulässig; insbesondere ist die Klagefrist nach § 74 Abs. 2 VwGO gewahrt. Nachdem der Bescheid der Klägerin am 7. September 2023 zugestellt wurde, endete die Klagefrist gemäß § 57 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO am Montag, den 9. Oktober 2023. Die Klageerhebung am selben Tag erfolgte daher noch rechtzeitig.
19
2. Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Sondernutzungserlaubnis nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1  BayStrWG zu.
20
2.1 Nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG bedarf die Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) der Erlaubnis, wenn durch die Benutzung der Gemeingebrauch beeinträchtigt werden kann. Das von der Klägerin beabsichtigte Aufstellen von Tischen und Stühlen für die Gäste der Gaststätte auf dem Gehweg vor dem klägerischen Grundstück stellt eine solche erlaubnispflichtige Sondernutzung dar, da sich dies auf den Fußgängerverkehr auf dem Gehweg auswirkt.
21
2.2 Der Gemeinde als zuständiger Straßenbaubehörde i.S.d. Art. 18 Abs. 1 Satz 1, Art. 58 Abs. 2 Nr. 3 BayStrWG steht bei der Entscheidung über die Erlaubniserteilung ein Ermessen zu. Es besteht folglich in der Regel kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer solchen Erlaubnis, sondern nur ein Anspruch auf fehlerfreien Ermessensgebrauch. Der grundsätzlich bestehende Ermessensspielraum kann allerdings ausnahmsweise auf Null reduziert sein, so dass ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Sondernutzungserlaubnis bestehen kann. Eine solche Ermessensreduzierung auf Null können insbesondere grundrechtsrelevante Sachverhalte bewirken (BayVGH, B.v. 3.11.2011 – 8 ZB 11.1457; Zeitler/Wiget, 33. EL Januar 2025, BayStrWG, Art. 18 Rn. 27).
22
Im Rahmen der Ermessensausübung nach Art. 18 Abs. 1 BayStrWG hat die Behörde vor allem zu prüfen, ob die straßenfremde Nutzung mit den Belangen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs vereinbar und insoweit gemeinverträglich ist. Daneben können aber auch baugestalterische und städtebauliche Belange wie etwa der Schutz eines bestimmten Straßen- und Ortsbildes berücksichtigt werden, sofern sie einen sachlichen Bezug zur Straße haben und auf einem konkreten Gestaltungskonzept der Straße beruhen. Dagegen ist die straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis nicht dazu bestimmt, als zusätzliches Eingriffsinstruments für andere straßenrechtsfremde öffentliche Belange zu dienen (BayVGH, B.v. 3.11.2011 – 8 ZB 11.1457 – juris Rn. 20 m.w.N.).
23
Die Belange der Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs werden angesichts der örtlichen Verhältnisse und dem Verkehrsaufkommen im Bereich des Grundstücks Hauptstraße 17, die die Kammer im Rahmen des Verfahrens in Augenschein genommen hat, durch die geplante Sondernutzung nicht beeinträchtigt.
24
Entlang des klägerischen Grundstücks verläuft die mit Geschäften, Gaststätten und Wohnhäusern gesäumte … Der öffentliche Gehweg vor der Gaststätte der Klägerin weist eine Breite von 3,47 m bis maximal 3,63 m auf. Zur Straße hin wird der Gehweg durch von der Gemeinde aufgestellte Pflanztröge von etwa 0,55 m Breite abgegrenzt. Der von der Klägerin dem Antrag zugrunde gelegte Bestuhlungsplan sieht das Aufstellen von Tischen mit einer Fläche von 0,7 x 0,7 m mit jeweils zwei Sitzplätzen entlang der Fensterfront vor; die sich noch vor den Fenstern befindliche Fahrradstange soll entfernt werden. Zwischen dem Mobiliar und den Pflanztrögen würde sich dann noch eine freie Fläche von ca. 2,2 – 2,3 m Breite befinden.
25
2.2.1 Das Ermessen der Beklagten ist nicht bereits aus Gründen der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG wegen der gerichtlichen Entscheidung im Verfahren W 4 K 22.1697 eingeschränkt. Dieses bezog sich auf eine Sondernutzungserlaubnis für Außengastronomie der benachbarten Gaststätte. Zwar hat das Gericht dabei festgestellt, dass der damalige Antrag durch die Beklagte ermessensfehlerfrei abgelehnt wurde; denn die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs wäre durch die Erteilung beeinträchtigt gewesen. Die dortige Gaststätte befindet sich allerdings unmittelbar neben dem unübersichtlichen Kreuzungsbereich der Hauptstraße, aus dem sich ein erhöhtes Unfallrisiko bei Einschränkung der Gehwegfläche ergibt. Zudem war im damaligen Verfahren eine Erlaubnis für Tische der Größe 0,8 x 1,2 m und jeweils vier Sitzplätzen vorgesehen, die erheblich mehr Fläche auf dem Gehweg in Anspruch nehmen als die von der Klägerin vorgesehenen Zweiertische. Die Situation ist derjenigen im vorliegenden Verfahren daher nicht vergleichbar, so dass eine Ermessensausübung zugunsten einer Erlaubniserteilung für die Klägerin hier nicht bereits von vornherein ausgeschlossen ist.
26
2.2.2 Die Beklagte hat zur Begründung ihrer Ablehnung die Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA) 2002 bzw. der Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) herangezogen, wonach Gehwege eine Breite von 2,5 m aufweisen sollen. Diese Regelwerke enthalten als Hilfsmittel für die Planung und den Entwurf von Stadtstraßen zwar keine zwingenden Vorschriften, können jedoch bei der Beurteilung der Erfordernisse des Fußgängerverkehrs herangezogen werden. Auch unter Berücksichtigung der dortigen Empfehlungen lässt die von der Klägerin beantragte Außenbestuhlung jedoch genügend Raum für den Fußgängerverkehr:
27
Dabei ist zu beachten, dass der in den Regelwerken genannte Wert von 2,5 m Breite sich aus drei Bestandteilen zusammensetzt: einem Fortbewegungsraum von 1,8 m Breite für die Begegnung von zwei Fußgängern, einem Distanzstreifen von 0,2 m zur Grundstücksseite und einem Schutzstreifen von 0,5 m zur Fahrbahnseite.
28
Nach dem Aufstellen der Tische und Stühle verbleibt zwischen dem Mobiliar und den Pflanztrögen eine freie Fläche von ca. 2,2 – 2,3 m Breite, was sowohl einen Fortbewegungsraum als auch einen Distanzbereich zu den Tischen abdeckt, damit Passanten beim Vorbeigehen nicht an diese stoßen. In der hier konkret zu beurteilenden Situation ist dann zu berücksichtigen, dass die fahrbahnseitig auf dem Gehweg aufgestellten Pflanztröge die beabsichtigte Funktion eines Schutzstreifens erfüllen. Denn ein Ausweichen auf die Straße bei der Begegnung von mehreren Fußgängern wird bereits durch diese Pflanztröge verhindert; nichts anderes ist auch Zweck des in der Empfehlung enthaltenen Schutzstreifens zur Fahrbahnseite. Sollten die Pflanztröge von der Gemeinde entfernt werden, verbleibt wiederum ein ausreichender Schutzstreifen von mindestens 0,5 m Breite zur Straße. Die Breite und Gestaltung des Gehwegs an der konkreten Stelle genügt daher selbst bei Erteilung der Sondernutzungserlaubnis und Aufstellen des entsprechenden Mobiliars, um die Empfehlungen der von der Gemeinde herangezogenen Regelwerke zu erfüllen.
29
Soweit die Klägerin in ihrem Bestuhlungsplan einen Bedienraum vor den Tischen von 0,65 m Breite vorsieht, erscheint es nicht zwingend, diesen von der verbleibenden Gehbahn abzuziehen. Zwar kann es bei der Gesamtbeurteilung der örtlichen Situation im Hinblick auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Fußgängerverkehrs sinnvoll sein zu berücksichtigen, dass sich vor den Tischen immer wieder Bedienpersonal aufhält. Anders als bei dem aufgestellten Mobiliar ist der dafür vorgesehene Raum dem Fußgängerverkehr aber nicht dauerhaft entzogen. Insbesondere bei Passanten mit größerem Platzbedarf, etwa Kinderwägen und Rollstuhlfahrern, oder Personengruppen, kann das Bedienpersonal kurzzeitig ausweichen und diese Personen vorbeigehen oder -fahren lassen. Der hierfür vorgesehene Raum kann daher, anders als der für Tische und Stühle vorgesehene Raum, für Fußgängerverkehr grundsätzlich weiterhin zur Verfügung stehen. Soweit sich die Beklagte zudem darauf beruft, dass die Vorgaben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung einen Bedienraum von 1,2 m vorsehen, ist dies für die Beurteilung der straßen- und wegerechtlichen Situation nicht von Belang. Denn die Vorgabe ist schon nicht zwingend, stellt vor allem aber eine arbeitsschutzrechtliche Bewertung dar, die im Straßen- und Wegerecht nicht entscheidend ist.
30
Nach Ansicht der Beklagten ist zudem zu berücksichtigen, dass die Zulassung der Außengastronomie zu weiterem Verhalten führen würde, das den Fußgängerverkehr auf dem Gehweg behindert. So sei es wahrscheinlich, dass Passanten stehenbleiben, um mit Gästen an den Tischen vor der Gaststätte ein Gespräch anzufangen, und so den Gehweg zusätzlich einschränken. Eine solche Situation unterscheidet sich allerdings nicht wesentlich von anderen Begegnungen und Unterhaltungen von Passanten im öffentlichen Verkehrsraum, wie sie gerade im Ortszentrum vorkommen. Dergleichen stellt keine erlaubnispflichtige Sondernutzung dar. Darüber hinaus könne es nach Einschätzung der Beklagten dazu kommen, dass Stühle entgegen dem Bestuhlungsplan verrückt werden und die Gehbahn dadurch weiter verengt wird. Nur die vorgesehene Bestuhlung ist jedoch Gegenstand der Erlaubnis und damit auch der hier in Rede stehenden Ermessensausübung; die Klägerin bzw. ihr Bedienpersonal wird dennoch darauf zu achten haben, dass die Bestuhlung nicht verändert wird und nicht mehr Gäste als vorgesehen an den Tischen Platz nehmen.
31
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich der Gehweg ab dem Eingangsbereich und den Treppenstufen der Gaststätte auf schließlich noch ca. 1,5 m Breite nach dem klägerischen Grundstück verengt. Dort befinden sich zur Fahrbahnseite hin gegenüber dem Gehwegniveau abgesenkte Parkbuchten für Autos. Es erscheint widersprüchlich, dass die Beklagte in diesem sich direkt anschließenden Bereich der … eine eingeschränkte Breite für den Fußgängerverkehr ausreichen lässt, im Bereich der klägerischen Gaststätte jedoch auf Einhaltung der Vorgaben der EFA bzw. RASt beharrt – zumal diesen Vorgaben, wie bereits festgestellt, ohnehin entsprochen wird.
32
2.3 Demzufolge wird die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs im Bereich der Hauptstraße 17 durch die Erteilung der beantragten Sondernutzungserlaubnis und das Aufstellen von Tischen und Stühlen entgegen der Einschätzung der Beklagten nicht beeinträchtigt, wovon sich die Kammer nach Inaugenscheinnahme der örtlichen Verhältnisse am klägerischen Grundstück überzeugt hat. Andere als straßenbezogene Belange dürfen bei der Ermessensausübung nach Art. 18 Abs. 1 BayStrWG nicht herangezogen werden (s.o.). Da der Erlaubniserteilung keine solchen Belange entgegenstehen, stellt sich eine Ablehnung der Erlaubnis als ermessensfehlerhaft dar. Als Alternative kommt stattdessen lediglich die Erteilung der beantragten Erlaubnis nach den Vorgaben des Art. 18 Abs. 2 BayStrWG in Betracht. Das Ermessen der Beklagten ist mangels alternativer Entscheidungsmöglichkeiten, die sich ermessensfehlerfrei darstellen würden, in diesem Fall auf Null reduziert (vgl. Schoch/Schneider/Riese, 47. EL Februar 2025, VwGO, § 114 Rn. 40).
33
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.