Inhalt

LG München I, Endurteil v. 20.05.2025 – 13 HK O 7553/22
Titel:

Abtretung von Versicherungsansprüchen, Unmittelbare Inanspruchnahme, Aufschiebende Bedingung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Abgeltungsklausel, Abtretung erfüllungshalber, Unterbrechung der Verjährung, Elektronischer Rechtsverkehr, Zustimmung der Hauptversammlung, Auslegung der Abtretungserklärung, Abtretung der Versicherungsansprüche, Regelmäßige Verjährung, Abtretungsvereinbarung, Abschluss des Mietvertrages, Weitere Pflichtverletzung, Deckungsanspruch, Versicherungsfall, Abtretung von Ansprüchen, Sachverhaltsaufklärung, Abtretung der Ansprüche

Normenkette:
BGB § 364; AktG § 93 Abs. 4 S. 3
Leitsatz:
Tritt ein durch eine D&O-Versicherung versicherter und zugleich gegenüber dem Versicherer alleine anspruchsberechtigter Vorstand einer AG seine Ansprüche gegen den Versicherer an Erfüllungs statt nach § 364 BGB und nicht lediglich erfüllungshalber an die AG ab, so dass damit seitens der AG auf persönliche Ansprüche gegen den Vorstand wegen behaupteter Pflichtverletzungen verzichtet wird, bedarf ein solcher Anspruchsverzicht gemäß § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG der Zustimmung der Hauptversammlung. Fehlt eine solche Zustimmung, ist die Vereinbarung zwischen Vorstand und AG nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG nichtig, so dass es der AG gegenüber dem Versicherer an der Aktivlegitimation fehlt. (Leitsatz der Redaktion) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klageabweisung, Abtretungsvereinbarung, persönliche Inanspruchnahme, Deckungsanspruch, Nichtigkeit, Hauptversammlung, Präambel
Fundstelle:
BeckRS 2025, 30818

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 8.800.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte als … für den ehemaligen Vorstand der Klägerin Schadensersatzansprüche wegen behaupteter Pflichtverletzungen des Vorstands in Höhe von 8,8 Millionen € geltend.
2
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Projektentwicklungsgesellschaft, welche in der Freizeit- und Tourismuswirtschaft tätig ist und bis zum 11.09.2018 als AG firmierte. Inzwischen handelt es sich um eine GmbH.
3
Die Beklagte ist ein Versicherungsunternehmen für Spezial- und Managementhaftpflichtversicherungen.
4
Herr … war vom 17.3.11 bis 03.09.2018 Vorstandsmitglied der Klägerin und von Juli 2013 bis August 2018 deren Vorstandsvorsitzender.
5
Zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten besteht ein … vom 01.06.2008, welcher nach dem Brexit auf die Beklagte übergegangen ist. Die Versicherungssumme beträgt 7,5 Millionen € je Versicherungsfall (ab 01.06.2021 reduziert auf 4 Millionen €) und je Versicherungsperiode. Der Versicherungsvertrag gewährt Versicherungsschutz im Wege der Konditionen- oder Summendifferenzdeckung, wenn über einen weiteren D&O-Versicherungsvertrag Deckungsschutz besteht. Der Versicherungsfall tritt ein, sobald eine versicherte Person wegen Pflichtverletzungen erstmals für einen Schaden in Textform in Anspruch genommen wird.
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… gehört als ehemaliger Vorstand zu den versicherten Personen. Vereinbart ist eine Selbstbeteiligung von 10%.
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Mit Vertrag vom 10.07.2018 (Anlage K 9) trat … seine Ansprüche gegen die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag an die Klägerin ab. Ebenfalls am 10.07.2018 schlossen die Parteien einen Vertrag über die Beendigung eines Anstellungsvertrags zwischen … und der …) sowie über die Niederlegung des Amtes als Vorstand der Klägerin.
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§ 7 dieses Vertrages enthält folgende Abgeltungsklausel:
„1.Mit Erfüllung der vorstehenden Verpflichtungen sind alle gegenseitigen, finanziellen Ansprüche von … und … aus dem Anstellungsverhältnis und anlässlich seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt und unabhängig vom Zeitpunkt des Entstehens, erledigt.
2. Ebenfalls erledigt sind Ansprüche gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt und unabhängig vom Zeitpunkt des Entstehens, von … gegen … Ansprüche von … gegen … sollen grundsätzlich ebenfalls erledigt sein, allerdings nur soweit diese Ansprüche nicht mit den in Rede stehenden vermeintlichen Pflichtverletzungen von im Zusammenhang stehen.
3. Ansprüche aufgrund der in Rede stehenden etwaigen Pflichtverletzungen von … als Vorstand der … wird die … im Rahmen eines Direktprozesses gegen die … gerichtlich verfolgen. … ist bekannt, dass er in diesem Verfahren gegebenenfalls als Zeuge vernommen wird und gesetzlich zu einer wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet ist. Ferner bestehen für Obliegenheiten zur Auskunftserteilung gegenüber den …. WL verpflichtet sich, den Direktprozess zu fördern und gegenüber alle Obliegenheiten zu erfüllen, um den Deckungsanspruch nicht zu gefährden. Soweit WL diesen Pflichten nachkommt, verpflichtet sich … gegenüber … ausschließlich den Deckungsanspruch gegen die … zu verfolgen und von einer persönlichen Inanspruchnahme von abzusehen. … und … – che Zugriff auf den Deckungsanspruch entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Ureil vom 13.04.2016 – IV ZR 304/13 weder treuwidrig noch sittenwidrig oder in sonstiger Weise gesetzeswidrig ist.
4. Von der in diesem Paragraphen geregelten Abgeltung sind Ansprüche aufgrund vorsätzlicher Schädigung oder aufgrund persönlicher Bereicherung ausgenommen, sowie solche Ansprüche, auf die von Gesetzes wegen nicht verzichtet werden kann.“
9
Eine Zustimmung der Hauptversammlung der Klägerin (vormals AG) nach § 93 IV Satz 3 AktG zu dem Abtretungsvertrag wurde nicht eingeholt.
10
Die Klägerin wirft Herrn … Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit zwei verschiedenen Großprojekten der Klägerin, der …) und der J… , vor. Nach § 9 der Geschäftsordnung (Anlage K 4) der Klägerin war der Vorstandsvorsitzende ressortverantwortlich für die Bereiche Projektentwicklung, Budget- und Kostenmanagement sowie für die Entwicklung von Erlebniskonzepten und deren operative Vorbereitung.
1. Projekt MoS
11
Für das Projekt MoS, welches die Errichtung und den Betrieb einer stehenden künstlichen Surfwelle mit daran angeschlossenem Gastronomiebetrieb umfasste, schloss die Klägerin als zukünftige Mieterin am 20.12.2013 mit der Vermieterin einen Letter of Intent (LoI, Anlage K 19) über die für das Projekt vorgesehene Fläche in einem Einkaufszentrum ab. In dem LoI wurde vereinbart, dass die Klägerin als Mieterin für den Ausbau der Mietfläche zuständig ist, die Vermieterin sollte hierfür einen einmaligen Ausbaukostenzuschuss zwischen 1,3 bis 1,5 Millionen CHF übernehmen.
12
Am 24./25.04.2014 wurde der Mietvertrag (Anlage K 20) entsprechend dem LoI abgeschlossen mit einer festen Mietdauer von 10 Jahren, zwei Verlängerungsoptionen von jeweils 5 Jahren und einer Gebrauchspflicht der Klägerin. Als Mindestnettomiete wurde eine jährliche Zahlung in Höhe von 300.000,00 CHF vereinbart, zusätzlich sollte die Vermieterin eine Umsatzmiete erhalten.
13
Für den Fall der Notwendigkeit eines weiteren Ausbaukostenzuschusses sollte eine Erhöhung der Miete erfolgen.
14
Im Jahr 2015 erfolgte der Baubeginn durch die Vermieterin, Ende 2016/Anfang 2017 der Mieterausbau.
15
Ab dem Schreiben der Klägerin vom 11.10.2015 verhandelte … mit der Vermieterin über einen Nachtrag zum Mietvertrag, welcher unter anderem einen höheren Ausbaukostenzuschuss vorsah.
16
Im Jahr 2019 gründete die Klägerin eine schweizerische Gesellschaft, die … (SAKL, Anlage K 24), welche das Projekt MoS realisieren und den Mietvertrag für die Klägerin übernehmen sollte. Eine Übertragung des Mietvertrages von der Klägerin erfolgte jedoch nicht.
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Im März/April 2018 entschloss sich die Klägerin, das Projekt MoS vorzeitig und im Einvernehmen mit der Vermieterin zu beenden. Hierzu schlossen die Mietparteien am 27.04.2018 (Anlage K 44) eine Aufhebungsvereinbarung unter Verzicht auf alle gegenseitigen Ansprüche.
18
Mit Schreiben vom 28.05.2020 (Anlage K 12) wurde der Versicherungsfall der Beklagten gemeldet. Mit Schreiben vom 21.09.2020 (Anlage K 7) bestätigte die Beklagte, dass es sich bei Herrn … um eine versicherte Person handele und grundsätzlich Deckungsschutz bestehe. Mit e-mail vom 06.11.2020 bat die Beklagte um Übermittlung weiterer Unterlagen und wies darauf hin, dass die Ansprüche nicht schlüssig dargelegt seien.
2. Projekt Arena
19
Das Projekt Arena umfasst die Umsetzung einer Multisport- und Erlebniswelt, welche in Zusammenarbeit mit dem Projektpartner …), einer Tochtergesellschaft der …, erfolgen sollte.
20
Zu diesem Zweck schloss die Klägerin am 15.11.2013 mit dem Projektpartner … eine Kooperationsvereinbarung (Anlage K 52), in welcher von Gesamtkosten in Höhe von 11 Millionen € ausgegangen wird. Im Rahmen der Kooperation sollte die Klägerin eine Besitzgesellschaft (… und eine Betriebsgesellschaft (Erlebniswelt M… Betriebsgesellschaft mbH, heute: J… gründen. Gesellschafter der Besitzgesellschaft sind die Klägerin und …. Bei der Betriebsgesellschaft ist die Klägerin Alleingesellschafterin. Der Vorstand … war im Zeitraum 22.10.2012 bis 18.02.2014 einer von zunächst drei Geschäftsführern der Besitzgesellschaft. Für die Betriebsgesellschaft war er neben … vom 02.05.2017 bis 24.07.2017 als Geschäftsführer bestellt.
21
Am 13.05.2015 (Anlage K 55) wurde ein erster Nachtrag zu der Kooperationsvereinbarung geschlossen, in welchem die Klägerin die Verpflichtung übernahm, alle über den ursprünglich angesetzten Betrag von 11 Millionen € hinausgehende Mehrkosten zu finanzieren.
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Der Baubeginn erfolgte im Juni 2015, im März 2017 wurde die Arena eröffnet und bis heute betrieben.
23
Wegen weiter gestiegener Projektkosten schloss die Klägerin am 16.11.2017 (Anlage K 56) einen zweiten Nachtrag, in welchem von einer aktuellen Budgetplanung von 18,377 Millionen € ausgegangen wird.
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Mit Schreiben vom 09.11.2020 (Anlage K 17) wurde dieser Versicherungsfall der Beklagten gemeldet. Die Beklagte lehnte eine Regulierung des Schadens am 17.12.2021 ab (Anlage K 18).
25
Die Klägerin behauptet zu dem Projekt MoS, … sei vor Abschluss des LoI und des Mietvertrages von Ausbaukosten in Höhe von 1,5 Millionen CHF ausgegangen, obwohl er schon zu diesem Zeitpunkt höhere Kosten hätte erkennen können. Er habe keine ausreichende Budget- und Kostenplanung vorgenommen. Der Wirtschaftsprüfer sei in den entscheidenden Kennzahlen von den Annahmen des Vorstands abgewichen. Aufgrund fehlender finanzieller Mittel der Klägerin habe festgestanden, dass der Mieterausbau durch den Ausbaukostenzuschuss ermöglicht werden musste. Bei einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung vom 16.10.2013 (Anlage K 25) sei bereits von Kosten zwischen 2,1 und 2,9 Millionen € ausgegangen worden. In einer e-mail-Korrespondenz vom 11.03.2014 (Anlage K 22, 26, 27) mit einer Mitarbeiterin sei Herr … auf seine falsche Berechnungsgrundlage hingewiesen worden. Darüber hinaus sei … am 12.03.2014 (Anlage K 28, 29) durch einen Mitarbeiter der … auf die deutlich höheren Kosten hingewiesen worden.
26
Nach Abschluss des Mietvertrages vom 24./25.04.2014 unterscheidet die Klägerin drei Kategorien von Pflichtverletzungen: Die Verletzung von Sorgfalts-, Kontroll- und Organisationspflichten, die Verletzung von Sorgfaltspflichten bei der Schadensbegrenzung und die Verletzung von Aufklärungspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat.
27
Diese Pflichtverletzungen sieht die Klägerin bei vier Aspekten:
28
… habe es unterlassen, die eigene Kostenschätzung trotz mehrfacher Hinweise auf höhere Kosten zu überprüfen.
29
Bereits am 12.06.2015 (Anlage K 30) habe die Architekturgesellschaft (OSA) schon eine Kostenschätzung mit Ausbaukosten von mindestens 2.683.483,40 € netto erstellt. Mit e-mail vom 15.07.2015 (Anlage K 31) sei die Mitarbeiterin von … die …, von Kosten in Höhe von über 3,6 Millionen € ausgegangen. Weitere Kostenschätzungen seien durch die OSA am 29./30.2015 (Anlage K 33) und am 06.04.2016 (Anlage K 38) erfolgt, ohne dass hierauf eine Reaktion des Vorstands erfolgt sei. Vielmehr seien in den Jahren 2016 bis 2018 die Kosten für den Mieterausbau weiter gestiegen. Herr … hätte zu diesem Zeitpunkt erkennen müssen, dass die Kostenschätzungen der … nicht belastbar waren. Herr … habe mit unrealistischen Vorschlägen nur erfolglose Versuche zur Kostensenkung unternommen. Die Verhandlungen zu Mietvertragsnachträgen seien aus Sicht der Firmengruppe wegen höherer Pachtzinsen gescheitert gewesen. Zur Vermeidung weiterer Kosten sei die Klägerin letztendlich aus dem Projekt ausgestiegen.
30
Weitere Pflichtverletzungen sieht die Klägerin in dem Abschluss der Darlehensverträge und der Aufstellung von fehlerhaften und nicht belastbaren Businessplänen im Juli 2013 (Anlage B 12) und im Juni 2017 (Anlagen B 26, K 26).
31
Schließlich sei auch der Aufsichtsrat in den jeweiligen Aufsichtsratssitzungen zwischen dem 16.05.2014 und dem 17.06.2017 sowie in den Board Meetings nicht bzw. fehlerhaft unterrichtet worden. Auch die Genehmigung des Mietvertrages durch den Aufsichtsrat sei nicht in Kenntnis aller Einzelheiten erfolgt.
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Aus den in den Hauptversammlungen für 2014 und 2015 erfolgten Entlastungsbeschlüsse ergebe sich keine Enthaftung, da auch die Versammlung nicht ausreichend informiert gewesen sei.
33
Der Klägerin sei durch den Abschluss des Mietvertrages im Zusammenhang mit dem Projekt MoS ein Schaden in Höhe von mindestens 1.306.288,32 € entstanden. Dieser setze sich aus Kosten für die Gründung und Finanzierung der SAKL, direkten Investitionen der Klägerin für Planungs- und Bauleistungen, Rechts- und Steuerberatung, Personalkosten sowie Aufklärungs- und Rechtsverfolgungskosten und einem entgangenen Gewinn, welcher derzeit noch nicht bezifferbar sei, zusammen. Hiervon seien schadensmindernde Rückflüsse abzuziehen. Bei weiterem Vollzug der verhandelten Verträge wäre die Klägerin insolvent gegangen.
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Die Klägerin … für das Projekt Arena eine fehlerhafte Ausgangsplanung vor. So habe er die Kooperationsvereinbarung auf der Grundlage einer unvollständigen und veralteten Kostenschätzung der Architekturgesellschaft … vom 04.02.2013 abgeschlossen, welche ohne konkrete Objektbeschreibung erfolgt sei. Zudem sei keine Regelung für den Fall einer Kostenüberschreitung getroffen worden. Herr … sei vor Abschluss der Kooperationsvereinbarung von verschiedenen Seiten mehrfach auf die Notwendigkeit einer Überprüfung der Kostenschätzung hingewiesen worden. Offene Kostenpositionen seien pflichtwidrig der Betriebsanstelle der Besitzgesellschaft zugewiesen worden. Mit Abschluss der Kooperationsvereinbarung sei Herr … als Projektleiter auf Seiten der Klägerin ernannt worden, er sei auch Mitglied des „Steering Committee“ gewesen. Das sog. „Board“ sei nur eine informelle Zusammenkunft gewesen.
35
Die Businesspläne für die Betriebs- und Besitzgesellschaft seien auf Grundlage einer Fehlkalkulation und nicht belastbarer Annahmen erstellt worden. In den ersten Jahren seien deutlich größere Verluste als prognostiziert erwirtschaftet worden.
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Herr … habe es zudem versäumt, in ausreichendem Maße fachkundigen Rat einzuholen. Weder die voraussichtlichen Baukosten noch das Ertragspotential seien durch einen externen Gutachter geprüft worden. Herr … habe zudem auf einen professionellen Projektsteuerer, einen professionellen Fachplaner für Gebäudetechnik bei Schwimmbädern sowie einen professionellen Fachplaner für Eventflächen verzichtet. Auch habe keine ausreichende Abstimmung mit dem Controlling der Klägerin stattgefunden.
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Spätestens seit April 2014 hätte Herr … die deutliche Überschreitung des veranschlagten Budgets erkennen müssen. Der Projektpartner sei nicht zur Übernahme von Mehrkosten bereit gewesen. Dennoch sei im weiteren Verlauf nicht geprüft worden, ob eine Fortführung des Projekts im Vergleich zu einem Ausstieg aus dem Projekt wirtschaftlich sinnvoll sei. Es sei vielmehr an dem Projekt festgehalten worden.
38
Auch vor Abschluss des 1. Nachtrages sei kein aktualisierter Businessplan erstellt worden. Durch den Abschluss des 2. Nachtrages habe sich der finanzielle Einsatz der Klägerin weiter erhöht. Der Aufsichtsratsbeschluss vom 23.12.2017 sei ohne Thematisierung der vorhandenen Refinanzierungslücke erfolgt.
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Die Klägerin geht derzeit von einem Schaden in Höhe von mindestens 21.746.363,10 € im Zusammenhang mit dem Projekt Arena aus. Dieser setze sich aus den bisherigen Investitionen der Klägerin in das Projekt, dem entgangenen Gewinn und Aufklärungs- und Rechtsverfolgungskosten zusammen. Die Arena sei zwar im März 2017 in Betrieb gegangen, erwirtschafte seitdem aber ausschließlich operative Verluste.
40
Insgesamt sieht die Klägerin Ansprüche gegen ihren ehemaligen Vorstand gemäß § 93 II AktG als gegeben an. Die in § 93 II Satz 2 AktG normierte Beweislastumkehr komme auch in dem vorliegenden Fall zur Anwendung. Für die geltend gemachten Ansprüche bestehe ein Versicherungsschutz des Vorstandes bei der Beklagten, welcher wirksam an die Klägerin abgetreten worden sei. Der Vorstand habe mehrfach gegen Sorgfaltspflichten verstoßen. Die Voraussetzungen des Business Judgement Rule lägen nicht vor und der Vorstand habe jeweils schuldhaft gehandelt. Die Pflichtverletzungen seien ursächlich für den der Klägerin entstandenen Schaden.
41
Die Entscheidungen seien auch nicht durch den Gründer und Namensgeber der Firmengruppe getroffen worden, sondern durch den Vorstand. Der Gründer habe lediglich Impulse gegeben und sich bei Fehlern mehr eingebracht. In aller Regel habe er keine Einzelheiten gekannt.
42
Die Ansprüche der Klägerin seien nicht verjährt. Die Anzeige der Versicherungsfälle löse nach § 15 VVG bis zu einer endgültigen Deckungsablehnung eine Hemmung aus.
43
Der ehemalige Vorstand habe am 22.10.2018 und am 12.09.2019 Verjährungsverzichtserklärungen abgegeben. Eine Inanspruchnahme des Vorstands sei am 10.07.2018 nicht erfolgt, er sei von der Klägerin erst mit Schreiben vom 27.05.2020 und 09.11.2020 in Anspruch genommen worden.
44
Mit der Vereinbarung vom 10.07.2018 habe die Klägerin nicht auf Ansprüche gegen den Vorstand … verzichtet, sondern nur von dessen persönlicher Inanspruchnahme vorerst abgesehen. Die Klägerin geht deshalb bei der Abtretungsvereinbarung vom 10.07.2018 von einer Abtretung erfüllungshalber und nicht an Erfüllung statt aus und verweist hierzu auf ein in ihrem Auftrag erstelltes Gutachten (Anlage K 38) sowie die Entscheidung des OLG Köln (Az. 9 U 206/22, Anlage K 99). Darüber hinaus sei der korrespondierende Wille der Klägerin und des Zeugen … darauf gerichtet gewesen, dass der Zeuge seine Deckungsansprüche gegen die Beklagte lediglich erfüllungshalber an die Klägerin abgetreten habe. Ein unmittelbares und endgültiges Erlöschen der Haftungsansprüche gegen den Zeugen … sei nicht zur Sprache gebracht worden und hätte nicht dem Willen der Parteien entsprochen. Zudem würde eine Abtretung an Erfüllung statt weder der Grundsatzentscheidung des BGH vom 13.04.2016 noch der Auslegungsregel des § 364 Abs. 2 BGB entsprechen.
45
Darüber hinaus sei die Abtretungserklärung durch die Verjährungsverzichtserklärungen bestätigt worden, so dass ein etwaiger Verstoß gegen § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG geheilt worden wäre.
46
Durch die Abtretung des Anspruchs sei deshalb ein Stillhalteabkommen zustande gekommen, welches die Verjährung gemäß § 205 BGB bis zur Entscheidung über den Deckungsanspruch hemme. In der Zeit vom 04.06.2018 bis 17.01.2020 habe die Klägerin den Sachverhalt mit Herrn … aufgeklärt, auch in dieser Zeit sei die Verjährung demnach gehemmt worden.
47
Die Anspruchsentstehung gemäß §§ 93 VI AktG, 200 BGB setze den Eintritt eines Schadens voraus, eine bloße Vermögensgefährdung reiche nicht. Für das Projekt MoS beginne die Verjährung daher frühestens ab dem 01.07.2017 mit dem Abschluss des ersten Darlehensvertrages.
48
Für das Projekt Arena beginne die Verjährung erst am 20.10.2014.
49
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 8.800.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
50
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
51
Die Beklagte trägt vor, es habe keine alleinige Entscheidungsbefugnis des Vorstands … gegeben, dies ergebe sich auch aus § 5 der Geschäftsordnung der Klägerin.
52
Das Projekt MoS sei zudem nicht losgelöst, sondern im Gesamtkonstrukt der Firmengruppe zu betrachten.
53
Vor Abschluss des Mietvertrages habe eine angemessene Kosten- und Budgetplanung vorgelegen. Im Juli 2013 habe Herr … eine erste Wirtschaftlichkeitsbetrachtung erstellt, welche durch einen Wirtschaftsprüfer für tragfähig erachtet worden sei (Anlage B 12, K 25). Ein kostendeckender Ausbaukostenzuschuss sei nicht eingeplant gewesen. Dem Abschluss des LoI sei ein persönliches Gespräch mit dem Firmengründer vorangegangen. Mit dem Architekturbüro … sei ein externer Dienstleister mit der Prüfung der Kalkulation beauftragt worden. Dessen Einschätzung vom 12.03.2014 sei bei dem Ausbaukostenzuschuss fälschlicherweise von einem Bruttobetrag ausgegangen und deshalb am 13.03.2014 (Anlage K 29) berichtigt worden.
54
Der in dem Mietvertrag vereinbarte Mietzins betrage im Vergleich zu vergleichbaren Flächen des Einzelhandels nur die Hälfte bis zu 1/3. Die Regelungen zu den Ausbauverpflichtungen seien für entsprechende Projekte üblich. Der Mietvertrag enthalte zudem gegenüber dem LoI eine Öffnungsklausel bezüglich des Ausbaukostenzuschusses ohne eine Obergrenze. Der Mietvertrag sei unter der Bedingung der Eintragung und Zustimmung eines Investors als neuer Eigentümer des Grundstücks und der Erteilung der Zustimmung des Aufsichtsrates bis 30.05.2014 gestanden. Am 16.05.2014 (Anlage B 14) habe der Aufsichtsrat den Mietvertrag in Kenntnis aller bis dahin bestehenden Informationen genehmigt.
55
In den Board-Meetings habe der Vorstand … zudem alle 14 Tage über den Stand der Projektentwicklung berichtet.
56
Zu den behaupteten Pflichtverletzungen nach Mietvertragsabschluss ist die Beklagte der Ansicht, dass der Vortrag der Klägerin selbst eine fortschreitende Präzisierung der Kosten zeige. Eine endgültige Planung habe noch nicht vorgelegen, die Finanzierung sei aber gesichert gewesen.
57
Die im Jahr 2015 aktualisierte höhere Kostenschätzung sei unter anderem auf eine notwendige Planungsänderung und gestiegene Kosten des Grundausbaus zurückzuführen. Eine exakte Kostenberechnung sei auch zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen. Im weiteren Verlauf habe der Vorstand … sich darum bemüht, das Konzept zu optimieren und Einsparmöglichkeiten zu realisieren. Er habe hierzu die … beauftragt, welche am 29.10.2015 eine Übersicht über Einsparmöglichkeiten erstellt habe. In Zusammenarbeit mit dem Controller sei am 29.03.2016 ein aktualisierter Businessplan erstellt worden. Mit der Vermieterin habe er ab Dezember 2015 über eine Erhöhung des Ausbaukostenzuschusses verhandelt, der Mietvertragsnachtrag vom 09.02.2016 (Anlage B 21) sei von der Vermieterin auch unterzeichnet worden.
58
Aufgrund der erneut nach oben korrigierten Kostenberechnung durch die OSA vom 12.12.2016 (Anlage B 22) habe der Vorstand mit der Vermieterin einen weiteren Nachtrag zu dem Mietvertrag mit einer weiteren Erhöhung des Ausbaukostenzuschusses ausgehandelt (Anlage B 24).
59
Der Ausstieg der Klägerin aus dem Projekt sei dann aufgrund der Exit-Entscheidung ihres Gründers erfolgt. Dieser habe im Juni/Juli 2017 die faktische Geschäftsleitung für das Projekt übernommen.
60
Die Darlehensverträge seien ohne Beteiligung des Vorstandes … unterzeichnet worden, eine Pflichtverletzung könne ihm diesbezüglich nicht vorgeworfen werden.
61
Die Businesspläne aus den Jahren 2013 und 2017 seien zutreffend gewesen, regelmäßig überprüft und aktualisiert worden.
62
Gegenüber dem Aufsichtsrat habe eine fortlaufende Informationspflicht bestanden, diese sei nicht auf die Aufsichtsratssitzungen beschränkt gewesen. Eine solche habe auch, insbesondere in den 14-tägigen Board-Meetings stattgefunden.
63
Die Entlastungen durch die Hauptversammlung seien jeweils einstimmig und nach umfassender Information erfolgt und durch den Aufsichtsrat gebilligt worden.
64
Die Darstellung des behaupteten Schadens hält die Beklagte für unsubstantiiert. Bei Fortführung des Projekts wäre der Klägerin kein Schaden entstanden. Im Hinblick auf die weiteren behaupteten Pflichtverletzungen nach Mietvertragsabschluss beruft sich die Beklagte auf den vom BGH aufgestellten Grundsatz der Schadenseinheit. Der behauptete Schaden sei bereits durch den Abschluss des Mietvertrages entstanden. Die Klagepartei trage keine weiteren selbständigen Handlungen und keine eigenständigen, abgrenzbaren Schäden vor.
65
Zu dem Projekt Arena trägt die Beklagte vor, dass der Vorstand … keinesfalls allein für dieses Projekt verantwortlich gewesen sei, was sich schon aus dem Organisationshandbuch (Anlage K 77) ergebe. In dem Organisationshandbuch seien mehrere fachkundige Personen aufgelistet und auch der Projektpartner habe über die notwendige Expertise verfügt. Bauherrin für das Projekt sei zudem nicht die Klägerin, sondern die Besitzgesellschaft gewesen. Für den Bau einer Welle sei ein Spezialunternehmen für Wellentechnik beauftragt worden. Für die Zusammenarbeit mit dem Projektpartner sei das sog. „Steering Commitee“ als gemeinsames Gremium geschaffen worden, dessen Leitung bei dem Geschäftsführer der Besitzgesellschaft, Herrn … , lag. Für die Projektleitung der Klägerin seien gesonderte Personen bestimmt worden. Aus § 11 der Geschäftsordnung ergebe sich für den Vorstand ein Zustimmungsvorbehalt durch den Markeninhaber. Der Firmengründer sei in 14tägigen Board-Meetings umfassend über das Projekt informiert worden. Dieser habe das Projekt auf jeden Fall umsetzen wollen und selbst Entscheidungen z.B. im Hinblick auf die Beauftragung eines Generalunternehmers getroffen.
66
Zu dem Zustandekommen der Kooperationsvereinbarung trägt die Beklagte vor, dieser seien längere Planungen seit Anfang 2011 vorausgegangen. Die Kostenschätzung der … vom 04.02.2013 sei nicht unvollständig oder veraltet gewesen, sondern beziehe sich nur auf den ursprünglich geplanten Teilausbau der Arena und sei in einer Kostenschätzung der … mit Stand Dezember 2013 (Anlage B 37) bestätigt worden.
67
Den Vorwurf der Pflichtverletzungen des ehemaligen Vorstands weist die Beklagte von sich. Die Klägerin habe lediglich einen Satz aus dem 20-seitigen Rahmenvertrag herausgegriffen. Hinsichtlich der aufgeführten Gesamtkosten habe es sich nur um ein Ziel gehandelt, welches hauptsächlich die Interessen des Projektpartners wiedergegeben habe. Auch sei in der Rahmenvereinbarung die Entstehung weiterer Kosten erfasst worden. Die Planungen konnten zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht abgeschlossen sein. Die Zuordnung von Kostenpositionen zu dem Budget der Betriebsgesellschaft sei zutreffend erfolgt.
68
Der aufgestellte Businessplan sei nicht mit den anschließenden Bilanzen vergleichbar, da er lediglich ein mit Unsicherheiten verbundenes Konzept darstelle. Er sei auch nicht der alleinentscheidende Faktor für die Durchführung des Projekts Arena gewesen. Der Businessplan sei nicht von falschen Grundlagen ausgegangen.
69
Den Vortrag der Klägerin zu einer unzureichenden Abstimmung mit dem Controlling hält die Beklagte für unsubstantiiert.
70
Die Klägerin lege auch nicht dar, welche Handlungsalternativen bestanden hätten. Der Firmengründer sei ebenfalls gegen einen Abbruch gewesen. Mit dem Bau sei erst auf Basis des 1.
71
Nachtrags vom Mai 2015 begonnen worden. Dem 1. Nachtrag des Rahmenvertrages sei ein Aufsichtsratsbeschluss der Klägerin vom 23.12.2014 (Anlage B 40) unter Beteiligung des Firmengründers vorausgegangen.
72
Der zweite Nachtrag dagegen sei erst nach Beendigung der Bauphase und Inbetriebnahme der Arena geschlossen worden.
73
Den von der Klägerin behaupteten Schaden bestreitet die Beklagte in vollem Umfang. Er beruhe beispielsweise auf einer fehlerhaften Einbeziehung von Buchwerten und Nichtberücksichtigung des Wertes der Werbeflächen. Die Investitionskosten seien unzutreffend erfasst, weitere Werte seien gegenzurechnen.
74
Die Beklagte hält die Klage deshalb insgesamt für unschlüssig und unbegründet. Die Klägerin treffe insoweit die volle Darlegungs- und Beweislast, die Beweislastumkehr des § 93 II Satz 2 AktG greife nicht. Es handele sich bei der Klage um den Versuch, die … für die Verwirklichung allgemeiner unternehmerischer Risiken zu missbrauchen. Die Geschicke der Klägerin seien schlussendlich von den Ansichten und Entscheidungen ihres Gründers bestimmt worden. Dieser habe im Januar 2016 die Planung seines Exits mitgeteilt. Im Juni 2017 sei deshalb das gesamte Gutscheingeschäft der hinter der Klägerin stehenden Firmengruppe verkauft worden, was eine wirtschaftsstrategische Fehlentscheidung gewesen sei und sich nachteilig auf das gesamte Erlebnisgeschäft ausgewirkt habe.
75
Der ehemalige Vorstand … sei seit ca. 20 Jahren in geschäftsführender Position erfolgreich in den Branchen und Geschäftsbereichen der Freizeit- und Tourismuswirtschaft tätig. Unter dessen Mitwirkung habe sich der Umsatz der Gruppe von 46 Millionen € im Jahr 2011 auf 85 Millionen € im Jahr 2017 verdoppelt.
76
Im übrigen sei dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte ein weiter Handlungsspielraum zuzubilligen. Er habe das Business Judgement Rule eingehalten und sei deshalb nach § 93 I Satz 1 AktG entlastet. Ein Verschulden des Vorstands liege ebenso wenig vor wie eine Kausalität zwischen den behaupteten Pflichtverletzungen und den behaupteten Schäden. Hinsichtlich beider Projekte beruft sich die Beklagte auf den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens. Der Abschluss des Mietvertrages für das Projekt MoS wäre auch in Kenntnis der zu erwartenden Kosten verwirklicht und abgeschlossen worden. Das Projekt Arena sollte auf jeden Fall durchgeführt werden.
77
Die Inanspruchnahme des Vorstands sei nicht erst mit Schreiben vom 27.05.2020 und 09.11.2020, sondern spätestens mit der Vereinbarung über die Abtretung der Ansprüche vom 10.07.2018 erfolgt. Es handele sich dabei um einen einheitlichen Versicherungsfall. Die Haftung durch die Beklagte sei mit e-mail vom 21.09.2020 abgelehnt worden.
78
Die Beklagte erhebt zudem die Einrede der Verjährung. Hierfür sei zwischen dem Deckungs- und dem Haftungsanspruch zu unterscheiden. Der versicherungsrechtliche Deckungsanspruch unterliege der regelmäßigen Verjährung und sei mit der Erhebung der Ansprüche am 10.07.2018 entstanden.
79
Die Verjährung des Haftungsanspruchs richte sich nach § 93 Abs. 6 AktG und beginne nach § 93 II AktG iVm § 200 BGB nach rein objektiven Maßstäben mit der Entstehung des Anspruchs und somit spätestens mit Abschluss des LoI am 20.12.2013 bzw. der Kooperationsvereinbarung vom 15.11.2013. Auf eine Kenntniserlangung komme es nicht an. Ein Abschluss der Schadensentwicklung sei nicht erforderlich, auch spätere Schadenseintritte seien von dem vorgelagerten Ereignis umfasst. Durch den Abschluss der Darlehensverträge habe sich keine Verschlechterung der Vermögenslage ergeben. Die Ansprüche seien deshalb mit Ablauf des 25.04.2019 bzw. 15.11.2018 verjährt.
80
Die Verjährungsverzichtserklärungen hätten keine Bedeutung, da sie nach Abtretung der Ansprüche durch den Vorstand erklärt worden seien. Die Erklärung vom 22.10.2018 sei bis 30.06.2019 befristet gewesen. Die Erklärung vom 12.09.2019 habe sich nur auf zu diesem Zeitpunkt nicht verjährte Ansprüche bezogen.
81
Zu einer Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung sei es nicht gekommen. Bei der Abtretungsvereinbarung handele es sich sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Willen der Vertragsparteien um eine Abtretung an Erfüllung statt, so dass diese nicht als Stillhalteabkommen zu werten sei. Das von der Klägerin zu dieser Frage vorgelegte Gutachten vom 26.08.2023 (Anlage K 98) sei als reiner Parteivortrag zu werten und im Ergebnis nicht zutreffend. Die Auslegung der Abtretungsvereinbarung sei unvollständig erfolgt. Es sei allen Beteiligten bekannt und bewusst gewesen, dass der Zeuge … nur zu einer Abtretung bereit gewesen sei, wenn im Gegenzug sichergestellt war, dass er keiner Inanspruchnahme durch die Klägerin mehr ausgesetzt sein würde.
82
Die Einordnung der Vereinbarung vom 10.07.2018 als Abtretung an Erfüllung statt führt nach Auffassung der Beklagten zu deren Unwirksamkeit nach § 93 IV Satz 3 AktG, da eine Zustimmung der Hauptversammlung der Klägerin nicht vorlag. Eine Heilung des Verstoßes komme nicht in Betracht, auch eine spätere Bestätigung sei nicht erfolgt. Aufgrund der Unwirksamkeit der Abtretungsvereinbarung könne durch diese die Verjährung auch nicht gehemmt oder unterbrochen worden sein.
83
Zu einer sonstigen Hemmung durch Verhandlungen der Parteien habe die Klagepartei nicht näher vorgetragen.
84
Zuletzt ist die Beklagte der Auffassung, dass einem etwaigen Anspruch die Einrede der Treuwidrigkeit entgegen stünde, da sie sich aufgrund des Informationsstandes und Einfluss ihres Gründers widersprüchlich verhalte. Jedenfalls müsse sich die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen.
85
Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 26.03.2024 (Bl. 556ff d.Akten) Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen …, und …. Des weiteren hat das Gericht gemäß Beweisbeschluss vom 12.11.2024 (Bl. 618f d.Akten) Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen …. Diesbezüglich wird auf die Protokolle der Beweisaufnahmen vom 02.07.2024 (Bl. 568ff d.Akten) und vom 18.03.2025 (Bl. 625ff d.Akten) Bezug genommen.
86
Im übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 11.07.2023 (Bl. 403ff d.Akten), vom 05.12.2023 (Bl. 507ff d.Akten), vom 02.07.2024 (Bl. 568ff d.Akten) und vom 18.03.2025 (Bl. 625ff d.Akten) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
87
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht München I örtlich nach § 17 ZPO und sachlich nach §§ 23, 71 GVG zuständig.
88
Die funktionelle Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen ergibt sich aus § 95 I Nr. 1 GVG. Geltend gemacht wird ein abgetretener Anspruch aus einem Versicherungsverhältnis zwischen der Beklagten und dem ehemaligen Vorstand der Rechtsvorgängerin der Klägerin. Das Versicherungsverhältnis war für den ehemaligen Vorstand zwar kein Handelsgeschäft gemäß § 343 HGB, da es sich bei diesem nicht um einen Kaufmann handelt und er kein eigenes Handelsgewerbe betrieben hat (vgl. Baumbach/Hopt, 40. Auflage 2021, § 1 HGB, Rdnr. 31). Das Versicherungsverhältnis besteht jedoch zwischen den Parteien selbst, da die D&O Versicherung durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin und nicht durch den Vorstand selbst abgeschlossen worden war (vgl. BeckOGK, § 93 AktG, Rdnr. 282), bei dem Vorstand handelt es sich lediglich um die versicherte Person. Insofern soll auch nur der zugunsten des Vorstands bestehende Anspruch aus dem Versicherungsvertrag an die Klägerin abgetreten worden sein. Vertragspartnerin des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages ist jedoch die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der ….
II.
89
Die Klage erweist sich jedoch als unbegründet.
90
Der Klägerin steht weder ein eigener noch ein abgetretener Anspruch auf Zahlung gegen die Beklagte zu.
91
1. Ein eigener Zahlungsanspruch gegen die Beklagte steht der Klägerin nicht zu. Zwar wurde das Versicherungsverhältnis zwischen den Parteien abgeschlossen. Versicherte Person und damit Anspruchsberechtigter gegenüber der Beklagten ist jedoch allein der ehemalige Vorstand der Rechtsvorgängerin der Klägerin.
92
2. Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus abgetretenem Recht zu.
93
Dieser setzt zum einen das Bestehen eines Haftungsanspruches gegen den ehemaligen Vorstand … voraus, zum anderen das Bestehen eines darauf bezogenen Deckungsanspruches gegen die Beklagte als Versicherung und zuletzt eine wirksame Abtretung dieses Deckungsanspruches an die Klägerin.
94
a) Eine wirksame Abtretung des Deckungsanspruches ist nicht gegeben, da die Abtretungsvereinbarung vom 10.07.2018 mangels Zustimmung der Hauptversammlung nach § 93 IV Satz 3 AktG nichtig ist.
95
Nach Auffassung der Kammer stellt die Abtretungsvereinbarung vom 10.07.2018 eine Abtretung an Erfüllungs statt und keine Abtretung lediglich erfüllungshalber dar.
96
Eine Leistung an Erfüllungs statt nach § 364 I BGB liegt vor, wenn der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs statt annimmt. Dabei müssen beide Seiten einverstanden sein, dass die andere Leistung als Erfüllung akzeptiert wird (vgl. Münchner Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2022, § 364 BGB, Rdnr. 1). Sodann führt die Leistung an Erfüllungs statt unmittelbar zum Erlöschen der ursprünglichen Schuld (vgl. aaO Rdnr. 5).
97
Bei einer Leistung erfüllungshalber bleibt dagegen der ursprüngliche Anspruch zunächst bestehen und ist lediglich nicht durchsetzbar. Das Erlöschen des Schuldverhältnisses soll erst eintreten, wenn sich der Gläubiger aus dem Ersatzgegenstand befriedigt hat (vgl. aaO Rdnr. 6), er erhält damit eine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit (Grüneberg, 83. Auflage 2024, § 364 BGB, Rdnr. 7).
98
Die Abgrenzung richtet sich nach der jeweiligen Parteivereinbarung und muss durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ermittelt werden (Grüneberg, aaO, § 364 BGB, Rdnr. 5), soweit der Wortlaut und Zweck der Vereinbarung keinen eindeutigen Inhalt haben.
aa) Wortlaut
99
Nach dem Wortlaut der Vereinbarung vom 10.07.2018 ist nach Auffassung der Kammer von einer Abtretung an Erfüllung statt und damit einem Verzicht auf eine Inanspruchnahme des Zeugen … auszugehen.
100
Der Vertrag vom 10.07.20218 über die Beendigung eines Anstellungsvertrags und über die Abtretung von Ansprüchen besteht aus insgesamt drei Teilen. Teil 1 betrifft die Beendigung des Anstellungsverhältnisses und der Organstellungen, Teil 2 regelt die Abtretung der Ansprüche gegen die D& O-Versicherer und Teil 3 enthält allgemeine Regelungen.
101
Aus der Abtretungsvereinbarung selbst in Teil 2 des Vertrages lässt sich vom Wortlaut her nicht entnehmen, ob es sich bei dieser Abtretung um eine Abtretung erfüllungshalber oder an Erfüllung Statt handeln soll. Damit wäre bei einer Abtretung von Versicherungsansprüchen grundsätzlich von einer Abtretung erfüllungshalber auszugehen (vgl. Grüneberg, 83. Auflage 2024, § 364 BGB, Rdnr. 5f, so auch OLG Köln, Az. 9 U 206/22, Anlage K 99).
102
Die Abtretungsvereinbarung in Teil 2 ist jedoch zusammen mit der Abgeltungsklausel in Teil 1 § 7 des Vertrages zu lesen.
103
Diese Abgeltungsklausel regelt unter Nummer 1 die vollständige Erledigung aller Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis zwischen dem Zeugen … und der …, welche nicht streitgegenständlich sind.
104
Unter Nummer 2 findet sich ebenfalls eine vollständige Erledigung aller Ansprüche zwischen dem Zeugen … und der …), mithin der Klägerin. Von der Abgeltung nicht umfasst sollen jedoch Ansprüche sein, welche mit den streitgegenständlichen Pflichtverletzungen des Zeugen … im Zusammenhang stehen. Für diese findet sich in Nummer 3 eine eigene Regelung.
105
Nummer 3 hält zunächst eine Reihe von Pflichten und Obliegenheiten des Zeugen … für den beabsichtigten Direktprozess gegen die … fest und schließt mit der Verpflichtung der ausschließlich den Deckungsanspruch gegen die … zu verfolgen und von einer persönlichen Inanspruchnahme von …) abzusehen, soweit seinen zuvor genannten Pflichten nachkommt.
106
Damit hängt die Verpflichtung der Klagepartei, von einer persönlichen Inanspruchnahme des Versicherten abzusehen, nach dem Wortlaut der Erklärung zwar von der Erfüllung der Obliegenheiten durch den Versicherten ab, nicht aber von dem Erfolg des Prozesses gegen die …. Nach dem Wortlaut erhält die Klagepartei durch die erfolgte Abtretung deshalb keine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit, sondern nur noch (“ausschließlich“) die Möglichkeit, etwaige Ansprüche gegenüber der … geltend zu machen. Des weiteren verpflichtet sie sich bereits mit dieser Vereinbarung ausdrücklich, von einer persönlichen Inanspruchnahme von WL abzusehen. Gegenüber dem Zeugen … werden gleichzeitig neue Obliegenheiten zur Förderung des Prozesses gegen die D & O-Versicherung begründet. Eine Regelung für den Fall, dass diese neuen Obliegenheiten nicht erfüllt werden, wurde nicht getroffen.
bb) Wille und Interessenlage der Vertragsparteien
107
Etwas anderes ergibt sich nach der durchgeführten Beweisaufnahme auch nicht aus dem Willen und der Interessenlage der Vertragsparteien. Auch danach ist nach Einschätzung der Kammer von einer Abtretung an Erfüllungs statt auszugehen.
108
Die Kammer hat zu dieser Frage die Zeugen …, und … vernommen.
109
Zeuge …, der zum damaligen Zeitpunkt als anwaltlicher Berater über die Rechtsanwaltsgesellschaft … für die Klagepartei tätig war, gab hierzu an, der Vertrag Anlage K 9 sei von ihm vorbereitet worden, nachdem durch eine kurz zuvor ergangene BGH-Entscheidung die Abtretung des Direktanspruches gegen die … als zulässig angesehen worden war. Hintergrund sei gewesen, dass dadurch die Klägerin auf die Versicherung zugreifen konnte, der Zeuge … der Gesellschaft aber erhalten bleiben sollte, da … zwar mit dem Zeugen … unzufrieden gewesen sei, aber immer noch große Stücke auf ihn gehalten habe, ihn aber auch nicht habe von der Kette lassen wollen.
110
Nach seinem Verständnis sei die Formulierung in der Klausel § 7 Nr. 3 so zu verstehen gewesen, dass der Anspruch gegen Herrn … erst erloschen sei, wenn die Klagepartei von der … befriedigt worden sei. Auch bei einer Pflichtverletzung von Herrn … wäre dieser nach dem Verständnis des Zeugen selbst in Anspruch genommen worden. Die Frage, was passiert wäre, wenn von der Versicherung trotz pflichtgemäßen Verhaltens des Zeugen … nicht beantworten, vermutete sodann aber das Risiko hierfür bei Herrn ….
111
Die Thematik einer Abtretung erfüllungshalber oder an Erfüllungs Statt sei weder mit der Klagepartei noch mit Herrn … oder seinem anwaltlichen Berater besprochen worden, es sei jedoch mit der Klagepartei darüber gesprochen worden, dass zu einem späteren Zeitpunkt die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich sein würde. Wann diese Frage genau angesprochen worden sei, könne er aber nicht mehr angeben.
112
Zu der Thematik der Auslegung der Klausel sei er selbst erst Anfang des Jahres kontaktiert worden, da er als Zeuge benannt werden sollte. Nach der Vereinbarung vom 10.07.2018 dagegen sei er diesbezüglich nicht kontaktiert worden, er sei von der Klagepartei auch nicht wegen der Formulierung der Klausel kritisiert worden.
113
Aus Sicht des Zeugen würden für das Verständnis einer Abtretung erfüllungshalber die BGH-Rechtsprechung, die für den Fall einer Abtretung an Erfüllungs Statt erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung und die Formulierung selbst sprechen.
114
Zu einem Anlass für die Verjährungsverzichtserklärungen konnte der Zeuge keine Angaben machen, die Erklärung vom 22.10.2018 sei vermutlich von ihm formuliert worden, die Erklärung vom 12.09.2019 stamme nicht von ihm.
115
Der Zeuge … führte aus, er habe sich damals sofort nach Aufkommen der Vorwürfe gegen ihn von seinem Rechtsanwalt beraten lassen und habe mit ihm auch alle Klauseln der Vereinbarung besprochen. Der in § 7 Nr. 3 enthaltene Satz „Soweit … diesen Pflichten nachkommt…“ sei seit dem ersten Entwurf nicht geändert worden. Nach seinem Verständnis habe er bedeutet, dass er nicht persönlich in Anspruch genommen würde, falls er seine Pflicht erfüllen würde. Nach der Unterzeichnung habe ihm sein Rechtsanwalt erklärt, dass er jetzt wieder ruhig schlafen könne. Über die Frage, was passieren würde, wenn er seinen Pflichten aus der Vereinbarung nicht nachkäme, habe er nicht nachgedacht, da dies für ihn alternativlos gewesen sei. Er habe im Nachgang zu der Vereinbarung sofort eine Terminserie mit Rechtsanwalt … ausgemacht und sich ab August bis Weihnachten 2018 jeden Freitag zu einer 4-6stündigen Besprechung mit diesem getroffen sowie einen Datenraum aufgebaut. Er habe auch über den gesamten Zeitraum signalisiert, dass er immer für alle Fragen zur Verfügung stehen würde. Er gehe dann auch davon aus, dass er nicht persönlich in Anspruch genommen werde, sondern lediglich seine Obliegenheiten aus der Abgeltungsklausel erfüllen müsse.
116
Die ursprünglichen Vorwürfe seien durch … an ihn herangetragen worden, dieser habe ihm mitgeteilt, dass … nichts von ihm persönlich wolle, sondern seinen Geldverlust nur bei der Versicherung geltend machen wolle. Ihn selbst verbinde auch eine persönliche Bekanntschaft zu …
117
Die Vokabeln erfüllungshalber oder an Erfüllungs Statt seien in seinem Wortschatz nicht vorgekommen und nach seiner Erinnerung seien diese zum damaligen Zeitpunkt nicht Gesprächsgegenstand gewesen, sie seien ihm erst vor maximal einem Jahr durch den Beklagtenvertreter erklärt worden. Er könne sich nicht daran erinnern, dass thematisiert worden sei, dass die Vereinbarung der Hauptversammlung vorgelegt werden müsse, das Thema sei nicht auf der Agenda der Hauptversammlung gewesen.
118
Zu den Verjährungsverzichtserklärungen gab der Zeuge an, dass die Dokumente hierzu jeweils von der Klagepartei gekommen seien, er diese an seinen Rechtsanwalt weitergeleitet und soweit kein Risiko einer persönlichen Inanspruchnahme für ihn bestanden habe, diese unterzeichnet habe.
119
Der Zeuge … erklärte, er sei am 05.06.2018 mandatiert worden und habe bereits einen Tag später den Entwurf für die Vereinbarung vom 10.07.2018 erhalten, welche von den Kollegen aus der Rechtsanwaltsgesellschaft … formuliert worden sei und welche er mit Herrn … besprochen habe. Der Wortlaut der Abgeltungsklausel sei unverändert geblieben. Die Regelung in § 7 Nr. 3, welche sich zunächst in § 6 befunden habe, sei bei der Vertragsbesprechung nur kurz von Rechtsanwalt … für Herrn … als Laien erläutert worden. Für die Klagepartei sei es wichtig gewesen, Informationen von Herrn … zu erhalten, um den Prozess gegen die D & O Versicherung erfolgreich führen zu können. Im Gegenzug sollte Herr … nicht persönlich in Anspruch genommen werden. An den genauen Wortlaut der Erläuterung gegenüber Herrn … konnte sich der Zeuge nicht erinnern, der Inhalt sei gewesen, dass Herr … von jeglicher Haftung frei sein sollte. Die Fachbegriffe hierzu seien nicht gefallen. Aus seiner Sicht wäre Herr … jedoch in Haftung genommen worden, wenn er seinen Obliegenheiten aus der Abgeltungsklausel nicht nachgekommen wäre. Wenn der Prozess gegen die … trotzdem nicht erfolgreich gewesen wäre, wäre Herr dagegen nicht persönlich in Anspruch genommen worden. Der Erfolg der Klage gegen die Versicherung sei für ihn nicht wesentlich gewesen, sondern nur, dass die Sache für Herrn … bei guter Zuarbeit erledigt war. Wenn das Risiko einer persönlichen Inanspruchnahme weiterhin bestanden hätte, hätte Herr … das Dokument nicht unterschrieben.
120
Ab August 2018 habe dann die Zuarbeit durch Herrn … stattgefunden, dieser habe hierzu Termine mit Rechtsanwalt … vereinbart und er selbst habe sich von Rechtsanwalt die Zuarbeit durch Herrn … telefonisch, zuletzt am 12.12.2018 bestätigen lassen. Es sei ursprünglich angedacht gewesen, dass die Zuarbeiten bis Jahresende erledigt sein sollte, wann diese tatsächlich beendet wurden, konnte der Zeuge nicht angeben.
121
Nach Beendigung des Mandats zwischen der Klagepartei und Rechtsanwalt … habe es am 14.03.2019 eine Besprechung in der Kanzlei von Rechtsanwalt … gegeben, deren Thema die Aufhebung der Vereinbarung vom 10.07.2018, insbesondere der in § 7 Nr. 3 enthaltenen Abgeltungsklausel gewesen sei. Dies sei für seine Seite jedoch nicht in Frage gekommen. Dabei sei auch erstmals ein Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung diskutiert und § 93 AktG zitiert worden.
122
Anfang September 2019 sei ihm dann eine entsprechende Vereinbarung vorgelegt worden, in welcher auch die Begriffe erfüllungshalber und Stillhalteabkommen enthalten gewesen seien. Er habe deshalb am 10.09.2019 hierzu nochmals mit Rechtsanwalt Dr. … telefoniert, welcher hierbei sein Verständnis, dass Herr … bei einer perfekten Zuarbeit in Ruhe gelassen würde, bestätigt habe. In diesem Telefonat seien auch die Begriffe erfüllungshalber und an Erfüllungs statt erörtert worden, auch die Auffassung von Rechtsanwalt Dr. … sei gewesen, dass es sich um eine Abtretung an Erfüllungs statt handeln sollte.
123
Zu den Verjährungsverzichtserklärungen gab der Zeuge an, dass diese rein vorsorglich erfolgt seien und er darin keine Problematik für Herrn … gesehen habe. Im Nachgang seien durch Rechtsanwalt … noch weitere Verjährungsverzichtserklärungen übersandt worden, welche dann aber nicht mehr unterzeichnet worden seien.
124
Der Zeuge J… führte zunächst aus, dass er damals über die Vereinbarung vom 10.07.2018 und deren Einzelheiten sehr gut informiert gewesen sei, der genaue Wortlaut sei ihm jedoch nicht bekannt. Er sei hier von seinen Rechtsanwälten beraten gewesen.
125
Herr … hätte für Pflichtverletzungen, die zu hohen Schäden in seinen Unternehmen geführt hatten, auf Schadensersatz verklagt werden sollen. Er sei aber dahingehend beraten worden, dass zunächst die … in Anspruch genommen wird und auf die Inanspruchnahme von Herrn … vorübergehend verzichtet und dieser nur zur Not verklagt werden sollte. Die Gründe hierfür seien sowohl sozialer als auch finanzieller Natur gewesen, es sei um Effizienz und Sozialverträglichkeit gegangen. Herr … sollte aber auf keinen Fall aus der Verantwortung entlassen werden, dies habe er ihm gegenüber auch deutlich gemacht. Zu der Vereinbarung vom 10.07.2018 habe es mehrere Besprechungen gegeben, ob er selbst dabei gewesen sei, könne er nicht mehr genau sagen. Er habe sich aber auch für die Sachverhaltsaufklärung interessiert, bei welcher sich Herr … sehr engagiert habe. Dessen Motivation habe er darin gesehen, dass er selbst bei einer Inanspruchnahme der Versicherung vor einer persönlichen Inanspruchnahme gerettet sei. Warum die Sachverhaltsaufklärung durch Herrn … erforderlich gewesen sei, begründete der Zeuge mit der Komplexität der Sachverhalte und den von Herrn aufgebauten Luftschlössen, konnte dies jedoch nicht endgültig beantworten, sondern verwies hierzu auf seine Rechtsanwälte.
126
Der Zeuge erklärte weiter, dass ihm die Durchsetzung der Schadensersatzansprüche wichtiger sei als die Rücksichtnahme auf Herrn … Von seinen Anwälten sei ihm immer wieder bestätigt worden, dass Herr … mit der Vereinbarung nicht aus seiner Pflicht entlassen würde. Den Vorteil der Vereinbarung für Herrn … sah der Zeuge darin, dass dieser dadurch eine Klage seines ehemaligen Arbeitgebers und einen damit verbundenen Reputationsverlust verhindern konnte.
127
Nachdem dem Zeugen der genaue Wortlaut von § 7 Nr. 3 der Vereinbarung vom 10.07.2018 vorgehalten und ihm Gelegenheit gegeben worden war, diese durchzulesen, erklärte er, dass die dort enthaltene Regelung den Besprechungen mit seinen Anwälten und seinem Verständnis davon vollständig widersprechen würde. Einer vollständigen Haftungsentlassung von Herrn … hätte er niemals zugestimmt.
128
Der Zeuge … gab zunächst zu seiner Funktion in der Unternehmensgruppe der Klägerin an, dass er etwa im Zeitraum 2016 bis 2017/2018 interimsweise als CEO tätig gewesen sei und in dieser Zeit eine Bestandsaufnahme über die Firmengruppen durchgeführt werden sollte. Zudem sei er Aufsichtsratsvorsitzender der … gewesen.
129
An die Vereinbarung vom 10.07.2018 konnte sich der Zeuge erinnern und bestätigte, dass er diese mit unterzeichnet hatte. Über eine Inanspruchnahme von Herrn … sei nicht gesprochen worden, man sei relativ sicher davon ausgegangen, dass die Versicherung den Schaden decke und es nicht zu einer Inanspruchnahme von Herrn … kommen werde.
130
Der Zeuge vermutete, dass … einer Enthaftung von Herrn … nicht zugestimmt hätte bzw. diese nicht intendiert gewesen wäre, sondern dass keine Rücksicht auf jemanden genommen würde. In einem Gespräch sei hierzu aber nichts gesagt worden und auch ein Plan B sei ihm gegenüber nicht angesprochen worden.
131
Insgesamt habe es relativ lange gedauert, bis die Trennungsvereinbarung zustande gebracht worden sei und diese sei auch nur dadurch erfolgt, dass die Versicherung in Anspruch genommen werden sollte. Für die genauen Formulierungen sei ein Anwaltsteam engagiert worden. … sei in die finale Entscheidung mit eingebunden gewesen und habe hier gravierend Einfluss genommen. Es habe sich um einen längeren Prozess gehandelt. Es sei klar gewesen, dass der schon seit längerem bestehende Schwebezustand nur mit einer Vereinbarung zur Objektivierung und Aufklärung der Sachverhalte habe beendet werden können. Möglicherweise habe J… jedenfalls in Teilen auch eine andere Erwartungshaltung gehabt. Die Vereinbarung gebe jedoch das wieder, was letztendlich vereinbart worden sei.
132
Zu der Klausel in § 7 Ziffer 3 der Vereinbarung vom 10.07.2018 war der Zeuge der Auffassung, dass dort alles geregelt sei. An eine Diskussion dazu könne er sich nicht erinnern und eine Interpretation nach heutigem Stand mache für ihn keinen Sinn.
133
Im übrigen bestätigte der Zeuge, dass er zu dem Thema … mit Herrn … geführt habe, konnte sich jedoch weder an Details erinnern noch einordnen, wann genau diese zeitlich stattgefunden hatten. Man habe zunächst versucht, eine Objektivierung der Sachverhalte durch die Wirtschaftsprüfer zu erreichen, da die Lage der … damals nahe am Abgrund gewesen sei. Der Konflikt sollte nicht in das Persönliche hineingezogen werden und es könne durchaus sein, dass die Hoffnung vermittelt wurde, dass man von Herrn … persönlich nichts wolle. Als Aufsichtsratsvorsitzender oder in Vertretung von … habe er selbst diesbezüglich sicherlich keine Aussage getroffen, dass auf irgendwelche Ansprüche gegen … verzichtet würde. Persönlich habe er keinen Konflikt mit gewollt.
134
Zu den Angaben der einzelnen Zeugen ist festzuhalten, dass der Zeuge … in Bezug auf die entscheidende Klausel als einziger Zeuge angab, dass es sich bei der Regelung aus seiner Sicht um eine Abtretung erfüllungshalber handelt. Er gab damit erkennbar aber lediglich sein eigenes Verständnis von der Regelung wieder. Demgegenüber bestätigte er, dass diese Klausel zwischen den Parteien nicht näher diskutiert und von ihm vorformuliert worden sei. Entsprechend unsicher war sich der Zeuge auch bei der Frage, ob Herr … weiterhin hätte haften sollen, wenn er seinen Pflichten aus der Vereinbarung nachgekommen wäre, von der … aber dennoch kein Geld geflossen wäre.
135
Für die beiden Zeugen … und … dagegen war es bei Abschluss der Vereinbarung entscheidend und eindeutig, dass mit der Abtretung der Ansprüche und Erfüllung der Obliegenheiten durch den Zeugen … dessen persönliche Inanspruchnahme nicht mehr in Betracht kam. Im Gegenzug wollte die Klagepartei vollständige und wahrheitsgemäße Informationen für einen Prozeß gegen die Versicherung erhalten. Die Angaben der Zeugen … waren insoweit auch in sich schlüssig, frei von Widersprüchen und für die Kammer gut nachvollziehbar.
136
Dabei wird nicht verkannt, dass der Zeuge …, um dessen persönliche Inanspruchnahme es bei der Auslegung der Klausel geht, nach wie vor ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens und insbesondere am Ergebnis dieser Fragestellung hat. Gleiches gilt aber auch für die Zeugen … un…, welche zum damaligen Zeitpunkt jeweils als anwaltliche Berater der Vertragsparteien involviert waren und welchen damit entsprechende Aufklärungs- und Beratungspflichten oblagen. Für den Zeugen … gilt dies umso mehr, als er die Vereinbarung vorgeschlagen und vorbereitet hatte.
137
Soweit der Zeuge … nunmehr noch zu dem Inhalt des Telefonats vom 10.09.2019 mit Rechtsanwalt … angeboten wird, ist diesem Beweisangebot nicht mehr nachzugehen. Der Zeuge war bei seiner Vernehmung ausdrücklich durch den Beklagtenvertrerter danach gefragt worden, ob er wegen der Auslegung der Klausel nach dem 20.07.2018 kontaktiert worden sei. Hierzu hatte der Zeuge angegeben, dass dies erst Anfang des Jahres (2024) gewesen sei. Von einem Telefonat vom 10.09.2019 hatte er nichts erwähnt.
138
Soweit der Zeuge … angab, dass der Zeuge … auf keinen Fall aus der Verantwortung entlassen werden sollte, ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Zeuge … die Vereinbarung vom 10.07.2018 nicht mitunterzeichnet hatte und die Klagepartei diesbezüglich auch nicht vertreten hat. Zum anderen musste er selbst beim Durchlesen der entscheidenden Klausel feststellen, dass deren Wortlaut nicht seinem damaligen Verständnis und Willen entsprach. Hinzu kommt, dass es widersprüchlich erscheint, wenn der Zeuge einerseits angibt, über die Vereinbarung vom 10.07.2018 genau Bescheid gewusst zu haben und über alle Einzelheiten informiert gewesen zu sein, andererseits aber deren Wortlaut offensichtlich nicht kannte und diesen erstmals während seiner Vernehmung durchlas. Die Vorstellung des Zeugen … kann deshalb für die Auslegung der streitgegenständlichen Vereinbarung keine Rolle spielen.
139
Eine erneute Einvernahme des Zeugen … zu der persönlichen Haftung des Zeugen … ist daher nicht mehr erforderlich.
140
Auch aus der Einvernahme des erstmals mit Schriftsatz vom 30.09.2024 angebotenen und im Nachgang vernommenen Zeugen … ergibt sich – entgegen der Auffassung der Klagepartei – gerade nicht, dass eine Abtretung erfüllungshalber vereinbart werden sollte und worden wäre. Zwar bestätigte der Zeuge die möglicherweise hiervon abweichende Erwartungshaltung des Zeugen …, erläuterte jedoch auch den langwierigen Prozess bis zum Abschluss der Vereinbarung und dass diese letztendlich die vereinbarten Regelungen zutreffend wiedergebe. Auch der von dem Zeugen dargelegte Umstand, dass die Beendigung des Schwebezustandes und Aufklärung der Sachverhalte im Vordergrund gestanden habe und man sich relativ sicher gewesen sei, dass die Versicherung in Anspruch genommen werden könne, sprechen nicht gegen, sondern für einen Haftungsverzicht gegenüber dem Zeugen …
141
Der von dem Zeugen – in Übereinstimmung auch mit den übrigen Zeugen – geschilderte Ablauf, wonach keine ausdrücklichen Verhandlungen über eine endgültige Abgeltung der Ansprüche gegenüber dem Zeugen … stattfanden, bestätigt lediglich, dass es hierzu offensichtlich keinen Diskussionsbedarf gab. Eine ausdrückliche Erklärung, dass der Zeuge … persönlich nicht aus der Haftung entlassen würde und die … lediglich vorrangig in Anspruch genommen würde, war nach den Angaben des Zeugen … ebenfalls nicht erfolgt.
142
Auch für den Zeugen … enthielt der Wortlaut der Ziffer hierzu eine eindeutige Regelung und es sollte vorrangig sichergestellt werden, dass der Zeuge … zur Objektivierung und Aufklärung der Sachverhalte beiträgt.
143
Die Angaben des Zeugen … erscheinen der Kammer sowohl glaubhaft als auch glaubwürdig. Er schilderte das Zustandekommen der Vereinbarung – soweit er sich noch an Details erinnern konnte – in sich schlüssig und frei von Widersprüchen. Auch seine persönliche Stellung zwischen … auf der einen Seite und … auf der anderen Seite räumte er offen ein, verwies aber auch auf seine damalige gesellschaftliche Verpflichtung und zeigte keinerlei eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens.
cc) Begleitumstände und allgemeine Interessenlage
144
Die zu berücksichtigenden Begleitumstände sprechen nach Auffassung der Kammer ebenfalls dafür, dass die Parteien eine Abtretung an Erfüllungs statt vereinbart haben.
145
Ausgangspunkt und Ziel der Abtretungserklärung vom 10.07.2018 war gemäß deren Präambel, dass sowohl das Anstellungsverhältnis zwischen der … und dem Zeugen … als auch seine Organstellungen einvernehmlich beendet werden sollten und die Klägerin die … für die aus ihrer Sicht bestehenden Pflichtverletzungen des Zeugen … in Anspruch nehmen wollte. Sodann sollte ein neues Anstellungsverhältnis zwischen dem Zeugen … und der … geregelt werden.
146
Aus der Präambel ergibt sich deshalb, dass sich die … nicht vollständig von dem Zeugen … trennen wollte, sondern weiterhin ein Interesse an dessen Mitarbeit bestand. Diese sollte zwar nicht mehr unmittelbar für die Klägerin erfolgen, aber für eines ihrer Tochterunternehmen. Aufgrund der Abtretung sollte eine Inanspruchnahme der Versicherung auf eigene Kosten der Klägerin erfolgen.
147
Des weiteren ergibt sich aus der Präambel auch das Interesse des Zeugen …, welcher von Anfang an ein Fehlverhalten seinerseits zurückgewiesen hat, einer Abtretung von Ansprüchen gegen die Versicherung jedoch zustimmen wollte.
148
Aus der Interessenlage beider Vertragsparteien ergibt sich damit, dass keine dieser Parteien zum damaligen Zeitpunkt ein Interesse daran hatte, dass etwaige Ansprüche auch noch gegen den Zeugen … persönlich geltend gemacht werden. Ansonsten wäre nicht nachvollziehbar, dass der Zeuge … dem Unternehmen weiterhin als Mitarbeiter zur Verfügung stehen sollte.
149
Auch die in § 7 Nr. 3 der Abtretungsvereinbarung ausdrücklich festgehaltene Verpflichtung des Zeugen … zur Förderung des Direktprozesses gegen die Versicherung und wahrheitsgemäßen Tatsachenaufarbeitung würde in Widerspruch dazu stehen, dass eine Inanspruchnahme des Zeugen … weiterhin geplant gewesen wäre. Wenn dem so wäre, hätte der Zeuge … durch seine Mitwirkungsverpflichtung selbst die Grundlagen für seine eigene Inanspruchnahme an die Klägerin liefern müssen und damit mittelbar einen Prozess gegen sich selbst vorbereitet. Es erscheint abwegig, dass der Zeuge … unter einer solchen Prämisse die ihm auferlegten Mitwirkungspflichten eingegangen wäre, die zudem nach den übereinstimmenden Angaben der Zeugen mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden waren.
150
Die dem Zeugen … vorgeworfenen Pflichtverletzungen scheinen zudem zum damaligen Zeitpunkt für die Klägerin nicht so eindeutig und offensichtlich gewesen zu sein, dass eine sofortige Kündigung und Abberufung des Zeugen und dessen unmittelbare Inanspruchnahme möglich gewesen wäre. Vielmehr sollten die behaupteten Pflichtverletzungen zunächst geprüft und insbesondere objektiviert werden, wozu die Klägerin die Aufklärung und Zuarbeit des Zeugen … selbst benötigte. Dies war nur möglich, indem eine Inanspruchnahme des Zeugen … persönlich nicht mehr im Raum stand.
151
Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Tatsache, dass die Abtretungserklärung zeitlich nach der Grundsatzentscheidung des BGH vom 13.04.2016 (Az. IV ZR 304/13) erfolgte und auf diese Entscheidung in § 7 Nr. 3 der Vereinbarung ausdrücklich Bezug genommen wurde. Wesentlicher Aspekt dieser Grundsatzentscheidung war nicht die Frage, ob eine Abtretung erfüllungshalber oder an Erfüllung statt erfolgen würde, sondern vielmehr die Fragen, ob das geschädigte Unternehmen Dritter im Sinne des § 108 VVG sein könne, ob eine bedingungsgemäße Inanspruchnahme der versicherten Person vorliege und ob der nach einer Abtretung erfolgende Zugriff auf den Deckungsanspruch treuwidrig, sittenwidrig oder in sonstiger Weise gesetzeswidrig sei.
152
Lediglich in einem Nebensatz (unter Rdnr. 26) erwähnt der BGH, dass die Abtretung in der Regel erfüllungshalber erfolge. Dies ergibt sich auch aus § 364 II BGB, bedeutet aber trotzdem, dass die Frage, ob eine Abtretung erfüllungshalber oder an Erfüllung statt erfolgt ist, für jeden Einzelfall geprüft werden muss.
153
Die weiteren, in der Abtretungsvereinbarung und dem Vertrag über die Beendigung des Anstellungsvertrages enthaltenen Regelungen sprechen ebenfalls nicht gegen eine Einordnung der Abtretung an Erfüllung statt. Die in Teil 2 § 1 festgehaltene Abtretung der Ansprüche gegen die … erfolgte ohne jeglichen Vorbehalt, in Teil 3 § 2 ist festgehalten, dass keine weiteren, insbesondere keine mündlichen Absprachen zwischen den Parteien getroffen wurden. Es verbleibt daher bei der Regelung in Teil 1 § 7 Nr. 3, wonach sich die Klägerin verpflichtet, ausschließlich den Deckungsansproch gegen die … zu verfolgen und von einer persönlichen Inanspruchnahme abzusehen. Es ist gerade nicht festgehalten, dass nur vorerst von einer Inanspruchnahme des Zeugen … abgesehen werden soll. Ausgenommen von der Abgeltung wurden nach Nr. 4 lediglich Ansprüche aufgrund vorsätzlicher Schädigung oder aufgrund persönlicher Bereicherung sowie Ansprüche, auf die von Gesetzes wegen nicht verzichtet werden kann. Solche Ansprüche werden im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht. § 93 IV Satz 3 AktG schließt den Verzicht auf Ansprüche nicht aus, sondern stellt diesen lediglich unter den Vorbehalt der Zustimmung der Hauptversammlung.
154
Eine weitere Einigung über eine Inanspruchnahme (oder keine) des Zeugen … sowie darüber, ob tatsächlich Ansprüche gegen ihn bestehen, war deshalb auch nicht nötig. Sowohl nach den Angaben des Zeugen … war mit der Ziffer § 7 Nr. 3 alles Erforderliche geregelt als auch nach dem Verständnis des Zeugen … Selbst aus der Reaktion von J… nach dem vollständigen Durchlesen von § 7 Nr. 3 ergibt sich, dass auch dieser in der Regelung einen vollständigen Verzicht auf die Inanspruchnahme des Zeugen … erkannt hat, wenn auch ein solcher nach seinen Angaben damals nicht so gewollt gewesen wäre.
155
Die von dem Zeugen … abgegebenen Verjährungsverzichtserklärungen ändern ebenfalls nichts an der Einschätzung der Kammer.
156
Hierzu konnte keiner der vernommenen Zeugen angeben, dass es für die Verzichtserklärungen einen besonderen Anlass gegeben hätte. Auch nach den Angaben der Zeugen … und … waren diese lediglich vorsorglich angefordert worden, wie dies in der e-mail des Zeugen … vom 08.10.2018 zum Ausdruck gebracht worden war. Nach den Angaben des Zeugen … ging es ihm lediglich darum, ob mit der Unterzeichnung ein Risiko für eine persönliche Inanspruchnahme bestand. Ein solches hatte er nach Rücksprache mit seinem Anwalt nicht gesehen. Auch dies spricht sogar für einen endgültigen Verzicht auf eine persönliche Inanspruchnahme.
157
Darüber hinaus spricht nach Auffassung der Kammer das Verhalten der Klagepartei im Nachgang zu der Vereinbarung für die Auslegung der Abtretungserklärung als Abtretung an Erfüllung statt. Unstreitig ist hierbei, dass nach einem Wechsel der anwaltlichen Beratung auf Klägerseite im März 2019 versucht wurde, die Vereinbarung vom 10.07.2018 aufzuheben, weil diese einer persönlichen Inanspruchnahme des Zeugen … entgegenstand. Hierin sollten eindeutige Begrifflichkeiten wie Stillhaltekommen und Abtretung erfüllungshalber enthalten sein, welche sich in der ursprünglichen Vereinbarung gerade nicht befanden.
dd) Auslegungsregeln
158
Zuletzt führen auch die allgemeinen Auslegungsregeln (vgl. Grüneberg, 83. Auflage 2024, § 133 BGB, Rdnr. 22ff) nicht zu einem anderen Ergebnis.
159
Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass im Zweifel eine Nichtigkeit der Abtretungserklärung nicht gewünscht, sondern eine gesetzeskonforme Auslegung beabsichtigt war.
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Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass sich die Nichtigkeit der Abtretungsvereinbarung im vorliegenden Fall nicht unmittelbar aus der getroffenen Vereinbarung selbst ergibt. Die Vereinbarung selbst enthält gesetzeskonforme Regelungen. Sie hätte lediglich in ihrer Umsetzung der Zustimmung der Hauptversammlung nach § 93 IV Satz 3 AktG bedurft. Diese Zustimmung hätte bereits aufgrund des unter § 7 Absatz 2 der Vereinbarung enthaltenen Anspruchsverzichts eingeholt werden müssen.
ee) Rechtsfolge: Nichtigkeit, § 93 AktG
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Mit dem Abschluss der Abtretungsvereinbarung vom 10.07.2018 erfolgte bereits ein Verzicht der Klägerin auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Zeugen …
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Bei den unter § 7 Nr. 3 vereinbarten Pflichten des Zeugen … handelt es sich weder um eine auflösende Bedingung nach § 158 II BGB für die getroffene Vereinbarung, noch um eine aufschiebende Bedingung nach § 158 I BGB. Vielmehr wurden mit den aufgezählten Obliegenheiten die beiderseitigen Rechte und Pflichten der Parteien festgelegt (vgl. Grüneberg, 83. Auflage 2024, Einführung vor § 158 BGB, Rdnr. 3ff). Dabei musste der Zeuge … auf der einen Seite den Direktprozess fördern und zur Aufklärung beitragen, während die Klägerin auf der anderen Seite von einer persönlichen Inanspruchnahme des Zeugen … Die Abtretungsvereinbarung selbst war von der Erfüllung dieser Pflichte – schiebend noch auflösend bedingt abhängig, sondern erfolgte nach Teil 2 § 1 der arung direkt und unmittelbar.
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Selbst wenn man jedoch die Pflichterfüllung des Zeugen … als aufschiebende Bedingung für den Verzicht auf dessen persönliche Inanspruchnahme einordnen würde, wäre dieser Verzicht bereits mit dem Abschluss der Vereinbarung vollendet und gültig, lediglich die Rechtswirkungen würden sich bis zu dem Eintritt der Bedingung noch in der Schwebe befinden. Dies ändert aber nichts daran, dass sämtliche Gültigkeitsvoraussetzungen bereits im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts und damit zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vorliegen mussten (vgl. Grüneberg, aaO, Einführung vor § 158 BGB, Rdnr. 8).
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Eine Zustimmung der Hauptversammlung der Klägerin zu dem in der Abtretungsvereinbarung enthaltenen Verzicht lag und liegt nicht vor. Mit der Vereinbarung wurde deshalb gegen die Vorschrift des § 93 IV Satz 3 AktG verstoßen. Dieser Verstoß führt zu einer Nichtigkeit des Verzichts und damit der gesamten Abtretungserklärung, da der Verzicht gleichzeitig mit der Abtretung des Deckungsanspruchs erfolgte (vgl. Münchner Kommentar, 6. Auflage 2023, § 93 AktG, Rdnr. 314, 319).
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Auf die von der Beklagtenseite aufgeworfene Frage, ob die Zustimmung der Hauptversammlung nach § 93 IV Satz 3 AktG auch bei einer Qualifikation der Abtretung lediglich als erfüllungshalber anwendbar wäre, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an.
ff) keine Heilung durch Bestätigungen
166
Eine Heilung des Zustimmungserfordernisses nach erfolgtem Formwechsel der Klagepartei ist nicht, insbesondere nicht durch die Verjährungsverzichtserklärungen des Zeugen … vom 22.10.2018 oder 12.09.2019 erfolgt. Bei beiden Erklärungen handelt es sich um einseitige Erklärungen des Zeugen …, welche weder eine Bestätigung der Klagepartei im Hinblick auf den in der Abtretungsvereinbarung enthaltenen Anspruchsverzicht enthalten noch inhaltlich überhaupt auf die Abtretungsvereinbarung Bezug nehmen.
167
gg) Nachdem keine wirksame Abtretungserklärung vorliegt und damit die Aktivlegitimation der Klägerin nicht besteht, kommt es auch auf die weiteren Fragen, ob ein Anspruch aus § 93 II AktG gegen den Zeugen wegen Pflichtverletzungen als ehemaliger Vorstand der Klägerin gegeben und durchsetzbar ist, sowie ob der Deckungsanspruch gegen die Versicherung verjährt ist, nicht mehr entscheidungserheblich an.
III.
168
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
169
Der Streitwert war entsprechend dem bezifferten Klageantrag festzusetzen.