Titel:
Nachlasspfleger, Stundensatzerhöhung, Geschäftswert, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Nachlaßpflegschaft, Vergütung für Nachlaßpfleger, Höhe der Vergütung, Vergütung des Nachlaßpflegers, Vergütungsfestsetzung, Erhöhung der Betriebskosten, Anwaltschaft, Beschwerdesumme, Kostenentscheidung, Beschlüsse des Amtsgerichts, Beschwerdeführer, Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, Verwaltung des Nachlasses, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Zulassung der Rechtsbeschwerde, Sofortige Beschwerde
Normenkette:
BGB § 1888 Abs. 2 S. 2
Leitsatz:
Für einen anwaltschaftlichen Nachlasspfleger ist bei vermögenden Nachlässen ab dem 01.01.2024 ein Stundensatz von 130,00 € netto für eine Tätigkeit mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad als angemessen anzusehen.
Schlagworte:
Nachlasspflegschaft, Ermittlung der Erben, Sicherung des Nachlasses, Berufsmäßige Führung, Vergütungsantrag, Inflationsrate, Stundensatzanpassung
Vorinstanz:
AG Nürnberg, Beschluss vom 01.04.2025 – 32 VI 4386/23
Fundstelle:
BeckRS 2025, 30317
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Nachlasspflegers wird der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 01.04.2025, Az. 32 VI 4386/23, wie folgt abgeändert:
Dem Nachlasspfleger Herrn Rechtsanwalt ... wird für seine Tätigkeit in der Zeit vom 29.12.2023 bis 28.12.2024 eine Vergütung aus dem Nachlass in Höhe von 6.051,34 € festgesetzt.
2. Von der Erhebung der Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen; Auslagen werden nicht erstattet.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 930,97 €.
Gründe
1
Das Amtsgericht Nürnberg hat mit Beschluss vom 18.12.2023 Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben des Erblassers angeordnet, und zwar für die Wirkungskreise Ermittlung der Erben und Sicherung und Verwaltung des Nachlasses. Zur Nachlasspfleger wurde der hiesige Beschwerdeführer bestimmt. Des Weiteren wurde angeordnet, dass dieser die Pflegschaft berufsmäßig führt (Bl. 28/29 d.A.).
2
Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom 21.01.2025 eine Vergütung für den Zeitraum vom 29.12.2023 bis 28.12.2024 in Höhe von insgesamt 6.051,34 € brutto, dies unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 130 € netto für 39 Stunden und 7 Minuten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Antrag und die beigefügten Anlagen Bezug genommen (Bl. 85/89 d.A.).
3
Nach Anhörung der Miterben hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 01.04.2025 für die Tätigkeit des Nachlasspflegers in der Zeit vom 29.12.2023 bis 28.12.2024 eine Vergütung aus dem Nachlass in Höhe von 5.120,37 € brutto festgesetzt. Zur Begründung der Herabsetzung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Nürnberg (Beschluss vom 07.01.2021 – 1 W 3353/20) für einen anwaltschaftlichen Berufsnachlasspfleger bei nicht mittellosem Nachlass und durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad – wie hier – ein Stundensatz in Höhe von 110 € netto angemessen sei. Eine Erhöhung sei auch unter Berücksichtigung der seitdem eingetretenen Inflation hier nicht gerechtfertigt. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss (Bl. 122/123 d.A.) Bezug genommen.
4
Gegen die teilweise Zurückweisung seines Antrags in dem am 04.04.2025 zugestellten Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit „Rechtsbeschwerde“ vom 08.04.2025, eingegangen am selben Tag. Er beruft sich im Wesentlichen darauf, dass es in den Jahren nach der vom Erstgericht in Bezug genommenen Entscheidung zu einer „überdimensionalen und außergewöhnlich hohen Inflation“ gekommen sei, die insbesondere auch die Betriebskosten seines zur Erbringung der Leistung erforderlichen Büros wesentlich erhöht habe. Die vom Statistischen Bundesamt festgestellte allgemeine Inflationsrate habe von 2020 – 2023 16,7% betragen. Andere Oberlandesgericht hätten daher in Entscheidungen aus dem Jahr 2024 die Erhöhung der Stundensatzvergütung anerkannt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Beschwerdeschreiben (Bl. 125/126 d.A.) Bezug genommen.
5
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 09.04.2025 nicht abgeholfen (Bl. 127 d.A.).
6
Die nach § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 63, 64 FamFG). Die Beschwerdesumme des § 61 Abs. 1 FamFG ist erreicht und der Nachlasspfleger ist auch beschwerdebefugt, da die Vergütung in geringerer Höhe als von ihm beantragt festgesetzt wurde (BeckOGK/Heinemann, 1.9.2024, BGB § 1960 Rn. 514, m.w.N., beck-online).
7
Die Beschwerde hat in der Sache auch Erfolg und führt zur Abänderung der Vergütungsfestsetzung, da ein Stundensatz von 130 € netto für eine Tätigkeit eines anwaltschaftlichen Nachlasspflegers mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad ab dem 01.01.2024 als angemessen anzusehen ist.
8
Grundsätzlich bestimmt sich die Höhe der Vergütung des Nachlasspflegers nach § 1888 Abs. 2 S. 2 BGB dabei abweichend von § 3 VBVG „nach den für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte“. Die Höhe der Stundensätze ist nicht starr festgelegt, sondern den Tatsachengerichten steht nach allgemeiner Ansicht ein weiter Ermessensspielraum bei deren Bemessung zu (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 02.09.2014 – 5 W 44/14, NJW-RR 2015, 844, Rn. 14, beck-online; OLG Köln, Beschluss vom 10.02.2021 – 2 Wx 294/20, FGPrax 2021, 88, beck-online; je m.w.N.).
9
Zwar ist hier die vom Beschwerdeführer berufsmäßig geführte Nachlasspflegschaft bei nicht mittellosem Nachlass als Normalfall eines mittleren Schwierigkeitsgrads einzustufen. Dafür wurden im hiesigen Bezirk, wie das Erstgericht zutreffend ausführt, in der Vergangenheit 110 € netto für angemessen erachtet (OLG Nürnberg, Beschluss vom 07.01.2021 – 1 W 3353/20; OLG Hamm, Beschluss vom 13.01.2011 – 15 W 632/10, NJW-RR 2011, 1091, beck-online).
10
Gleichwohl führt das Rechtsmittel zu einem Erfolg, weil die Höhe des als angemessenen anzusehenden Stundensatzes einer Anpassung bedarf. Bei den der Vergütung zugrunde gelegten Beträgen handelt es sich nämlich nicht um vollkommen starre, keinerlei Veränderungen unterliegende Werte. Vielmehr bedarf die Angemessenheit in großzügig bemessenen Zeitabständen einer generellen Überprüfung bzw. bei Vorliegen besonderer Umstände einer Überprüfung und Anpassung im Einzelfall (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 22.08.2024 – 21 W 61/24, NJW-RR 2025, 328, Rn. 23, beck-online; OLG Köln, Beschluss vom 26.06.2024 – 2 Wx 94/24, FGPrax 2024, 176, beck-online; BeckOK BGB/Bettin, 75. Ed. 1.8.2025, BGB § 1811 Rn. 14, beck-online).
11
Daher erscheint die im vorliegenden Fall vorgenommene Beschränkung auf 110 € ermessensfehlerhaft. Der Beschwerdeführer hat nämlich zum einen zutreffend auf die sehr hohe vom Statistischen Bundesamt festgestellten Inflationsrate von 16,7% seit der vom Erstgericht in Bezug genommenen Entscheidung des OLG Nürnberg bis Ende des Jahres 2023 hingewiesen, von der er durch die Erhöhung der Betriebskosten für sein Büro im hiesigen großstädtischen Ballungsraum jedenfalls stark betroffen ist (anders ggf. in strukturschwachen Regionen). Bereits diese Erhöhung würde rechnerisch eine Stundensatzerhöhung von 110 € auf 128,37 € netto rechtfertigen.
12
Hinzu kommen zum anderen aber auch die in jüngerer Zeit vorgenommenen Anpassungen des Gesetzgebers bei anderen Vergütungen. Insbesondere wurden nämlich mit Wirkung zum 01.01.2023 die Stundensätze für Vormünder nach § 3 VBVG in einem Bereich zwischen 15% – 18% angehoben, die auch für die Vergütungen für Nachlasspfleger in Fällen eines mittellosen Nachlasses maßgeblich sind. Aber auch die Stundensätze für gerichtliche Sachverständige der Honorargruppe M 3 gem. Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG, die das hiesige Gericht im Beschluss vom 07.01.2021 als Vergleichswert herangezogen hatte, wurden schon ab 01.01.2021 um 20% auf 120 € und ab 01.06.2025 nochmals um weitere 9% auf 131 € erhöht.
13
Angesichts dessen erscheint eine vergleichbare Erhöhung des Stundensatzes für den Nachlasspfleger um etwas über 18% auf 130 € netto, wie vom Beschwerdeführer beantragt, bei durchschnittlich schweren Abwicklungen als vollkommen angemessen. Seine Tätigkeit hat laut der dem Antrag beigefügten Aufstellung tatsächlich auch erst am 04.01.2024 begonnen, so dass die Zugrundelegung dieses für die Zeit ab dem 01.01.2024 geltenden erhöhten Satzes insgesamt gerechtfertigt ist. Die Vergütung war daher antragsgemäß auf 5.085,16 € netto, d.h. 6.051,34 € brutto, festzusetzen.
14
Die Kostenentscheidung für die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG, nachdem die Beschwerde insgesamt erfolgreich war.
15
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren richtet sich nach der Differenz zwischen beantragter und festgesetzter Vergütung.
16
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern. Es handelt sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung, die über die hier konkret zu beurteilende Frage hinaus keine Bedeutung hat.