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AG München, Endurteil v. 01.04.2025 – 172 C 17342/22
Titel:

Klageabweisung, Reinigungsvorgang, Sachverständigengutachten, Materialfehler, Fleckenbildung, Unvoreingenommenheit, Hauptforderung

Schlagworte:
Klageabweisung, Reinigungsvorgang, Sachverständigengutachten, Materialfehler, Fleckenbildung, Unvoreingenommenheit, Hauptforderung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 30073

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Kosten und Auslagen des Sachverständigen für sein Erscheinen zum Termin vom 03.12.2024 werden nicht erhoben und sind von der Staatskasse zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.200,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Ansprüche der Klageseite gegen die Beklagtenseite wegen einer nach einem Reinigungsvorgang beschädigten Jacke.
2
Am 01.08.2019 brachte der Kläger eine Daunenjacke, Stepp-Anorak beige, Marke „TOD'S“, in die Reinigung der Beklagten zu 1.) in der ... und beauftragte dort eine Reinigung. Die Daunenjacke enthielt die Pflegekennzeichnung nach ISO 3758 mit dem Zusatz „nicht waschen, nicht bleichen, kein Wäschetrockner, bügeln, finishen bei ca. 100° C, keine chemische Reinigung im Lösemittel“. Der Beklagte zu 2.) ist der Subunternehmer der Beklagten zu 1.), welcher die Reinigung durchführte. Als der Kläger seine Jacke nach erfolgter Reinigung abholte, wies diese große schmutzige Flecken auf. Der Kläger monierte diese Flecken noch bei Abholung. Ihm wurde daraufhin mitgeteilt, dass die Entfernung der Flecken, welche bei Übergabe an die Beklagte am 01.08.2019 nicht vorhanden gewesen waren, nicht möglich sei.
3
Mit anwaltlichem Schreiben vom 04.11.2019 forderten die Klägervertreter die Beklagte zu 1.) auf, den Schaden dem Grunde nach anzuerkennen und setzten eine Frist zum 20.11.2019 (für die Einzelheiten wird Bezug genommen auf Anlage K4). Vorgerichtlich wurden dem Kläger vom Klägerverteter Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 € am 07.12.2022 in Rechnung gestellt.
4
Der Assekuradeur der Beklagten wies den Schadenersatzanspruch mit Schreiben vom 13.12.2019 zurück.
5
Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung.
6
Die Klageseite behauptet, die streitgegenständliche Jacke habe der Kläger im Oktober 2018 zum Neupreis von 1.200 € bei TODs in der ... erworben. Die Jacke sei zum Zeitpunkt des 01.08.2019 nur wenige Male getragen und in neuwertigem Zustand gewesen, wie auch der aktuelle Zustand erahnen lasse.
7
Die Beschädigung (Fleckenbildung) der Daunenjacke sei aufgrund mangelhafter, ungeeigneter Reinigung erfolgt. Die Beschädigung bestehe in einer Verfärbung des Oberstoffes. Es handele sich hierbei um eine Verfärbung, welche im Rahmen des Reinigungs- bzw. Trocknungsvorgangs entstanden sei.
8
Gegen die Pflegekennzeichnung und Reinigungsempfehlung der Jacke sei durch die Beklagten – namentlich den Beklagte zu 2.) als Subunternehmer der Beklagten zu 1.) verstoßen worden.
9
Der Schaden an der Jacke sei irreparabel; selbst bei einem Abzug „neu für alt“ sei noch ein Schaden in Höhe von 950,- € zu ersetzen.
10
Die Klageseite ist der Ansicht, dass die Jacke des Klägers pflichtwidrig und fahrlässig entgegen der Pflegekennzeichnung und Reinigungsempfehlung gewaschen worden sei.
11
Für das Eigentum des Klägers spreche die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB, da er Besitzer sei.
12
Auch deliktische Ansprüche seien gegeben, da die Verschmutzung deretwegen die Jacke in die Reinigung gegeben worden sei, eine andere wäre, als die die nach der Reinigung vorliege, so dass keine Stoffgleichheit vorliege und damit nicht das Äquivalenzinteresse, sondern des Integritätsinteresse verletzt sei. Da zu dem Beklagten zu 2.) gar kein Vertragsverhältnis bestünde, sei hier jedenfalls das Integritätsinteresse betroffen.
13
Mangels Abnahme der Reinigungsleistung habe die Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche gar nicht zu laufen begonnen.
14
Die Klageseite beantragt:
I.  Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 1.200,00 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 21.11.2019 zu zahlen.
II.  Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, dem Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 201,71 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten.
15
Die Beklagtenseite beantragt,
die Klage abzuweisen.
16
Die Beklagtenseite behauptet, gemäß Reinigungsetikett sei eine professionelle Lederreinigung zugelassen und durchgeführt worden. Die Flecken seien nicht bei dem Reinigungs- sondern beim anschließenden Trocknungsvorgang entstanden. Der Beklagte zu 2) habe die Reinigung entsprechend der Pflegekennzeichnung durchgeführt. Hierbei habe es tatsächlich Ränder um die Lederbesätze der Jacke gegeben, weil sich Farbstoff von den Lederbesätzen gelöst habe. Hierbei seien die Verfärbungen nicht während des eigentlichen Reinigungsvorgangs entstanden, sondern erst bei dem sich anschließenden Trocknungsvorgang in der Reinigungsmaschine. Ursache hierfür sei, dass das Leder im Gegensatz zum Polyester-Oberstoff deutlich mehr Lösemittel aufnehme und dies während des Trocknungsvorgangs deutlich langsamer abgebe, so dass der Oberstoff, welcher direkt neben dem Leder liege, bereits trocken gewesen sei, das Leder aber noch Lösemittel enthalten habe. Diese Konzentrationsdifferenz habe bewirkt, dass das Leder während des Trocknens kontinuierlich Lösemittel an den Oberstoff abgegeben habe, welches dort dann abgetrocknet sei. Da das austretende Lösemittel abgelösten Farbstoff enthalten habe, sei dieser an der betreffenden Stelle auf den Oberstoff transportiert worden. Ursache sei somit, dass die Lederbesätze eine unzureichende Farbechtheit gegenüber dem in der Reinigung eingesetzten Lösemittel aufgewiesen hätten. Schadensursächlich sei daher nicht eine fehlerhafte Reinigungsbehandlung, sondern eine fehlerhafte Pflegekennzeichnung der Jacke gewesen.
17
Die Jacke sei nicht irreparabel zerstört, da die Flecken unter Verwendung eines farbstoffaffinen Detachiermittels auf der Basis von Pyridin-Derivaten und Tensiden entfernt werden könnten.
18
Die Beklagtenseite ist der Ansicht, dass ein deliktischer Anspruch der Klageseite ausscheide, weil nicht das Integritätsinteresse des Klägers betroffen sei. Gegenüber dem Beklagten zu 2 scheide auch ein vertraglicher Anspruch aus mangels direkter vertraglicher Beziehung zum Kläger.
19
Das Reinigungsunternehmen dürfe und müsse sich darauf verlassen können, dass die vom Hersteller eingenähte Pflegekennzeichnung zutreffend sei und die zulässige Art der Reinigung kennzeichne.
20
Allenfalls sei der Wiederbeschaffungswert zu erstatten oder ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen, was nach der üblichen Berechnungsmethode allenfalls zu einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 830 € führe.
21
Für den weiteren Parteivortrag wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung.
22
Es wurde Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 20.06.2024 (BI. 37 d.A.) und 27.07.2024 (BI. 46 d.A.) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen … nebst ergänzendem Beweisbeschluss vom 23.05.2024 (BI 97/98 d.A.). Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Sachverständigengutachten vom 21.09.2023 (BI. 53 d.A.) nebst Ergänzungsgutachten vom 12.08.2024 (BI. 03/108 d.A.) und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2025 mit ergänzender mündlicher Anhörung des Sachverständigen (BI. 146/147 d.A.).
23
Zum abgesetzten Gerichtstermin vom 03.12.2024 ist der Sachverständige erschienen, weil er vom Gericht nicht ordnungsgemäß abgeladen worden ist.
24
Der Kläger hat der Fa. … mit Schriftsatz vom 04.02.2025 den Streit verkündet. Die Streitverkündung wurde der Streitverkündeten am 21.02.2025 zugestellt. Ein Streitbeitritt erfolgte nicht.

Entscheidungsgründe

25
Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
I.
26
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung in Höhe von 1.200,- € aus dem streitgegenständlichen Reinigungsvorgang.
27
Eine fehlerhafte Reinigungs- oder sonstige Behandlung der Jacke durch die Beklagten liegt nicht vor.
28
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und den dortigen sachverständigen Ausführungen des Sachverständigen ... wurde die streitgegenständlich Jacke vom Beklagten zu 2) aus fachlicher Sicht korrekt und ordnungsgemäß nach Empfehlung des Herstellers gereinigt. Die nach der Reinigung aufgetretenen Flecken im Bereich der Lederapplikationen der Jacke beruhen auf einem latenten Materialfehler des Lederbesatzes, der im Rahmen des Trocknungsprozesses Farbbestandteile in den sonstigen Jackenstoff abgegeben hat.
29
Die Sachkunde des Sachverständigen steht aufgrund seiner öffentlichen Bestellung und Beeidigung fest. Auch im Einzelfall ist das Gericht von seiner Unvoreingenommenheit überzeugt (vgl. Beschluss vom 16.02.2024, BI. 85/86 d.A., und Beschluss des Landgerichts München I vom 27.02.2024, BI. 93 d.A.).
30
Die Ausführungen des Sachverständigen sind in sich schlüssig und logisch nachvollziehbar, so dass das Gericht die Ausführungen vollumfänglich zur Grundlage der gerichtlichen Entscheidung machen konnte. Auch auf die diversen Einwendungen der Klageseite hat der Sachverständigen weiterhin sachlich und objektiv seine Lösung plausibel verteidigt und die Gegenbehauptungen der Klageseite entkräftet.
II.
31
Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
III.
Kosten: §§ 91 ZPO, 21 Abs. 1 S. 1 GKG.
32
Wegen eines Fehlers des Gerichts bei der Ab- bzw. Umladung des Sachverständigen ... ist dieser zum verlegten Termin vom 03.12.2024 erschienen und für sein Erscheinen aus der Staatskasse zu entschädigen. „Die gerichtliche Entscheidung kann […] von Amts wegen getroffen werden […]. Sie kann bereits zusammen mit der Kostengrundentscheidung in der Hauptsache erfolgen“ (BeckOK KostR/Dörndorfer, 48. Ed. 1.2.2025, GKG § 21 Rn. 9, beck-online)
IV.
33
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
V.
Streitwert: § 3 ZPO.