Titel:
Antragsgegner, Nachprüfungsverfahren, Vergabeverfahren, Nachprüfungsantrag, Verfahren vor der Vergabekammer, Entscheidungen der Vergabekammer, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Ölspurbeseitigung, Leistungsbeschreibung, Zweckentsprechende Rechtsverfolgung, Rechtswidrigkeit, Zuschlagskriterien, Vergabeunterlagen, Antragstellers, Sofortige Beschwerde, Kostenvorschuss, Maßgeblicher Schwellenwert, Sachentscheidungsvoraussetzung, Höchstmenge, Obergerichtliche Rechtsprechung
Schlagworte:
Nachprüfungsverfahren, Vergaberecht, Öffentliche Ausschreibung, Rahmenvereinbarung, Eignungskriterien, Leistungsbeschreibung, Verfahrenserledigung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2990
Tenor
1. Das Nachprüfungsverfahren wird eingestellt.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von 790,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen. Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühr befreit.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
Gründe
1
Mit nationalen Auftragsbekanntmachungen schrieb der Antragsgegner unter den Vergabenummern 24-058834 (Ölspurbeseitigung Nord) und 24-058829 (Ölspurbeseitigung Süd) Rahmenvereinbarungen über Ölspurbeseitigungen im Wege öffentlicher Ausschreibungen nach der UVgO aus. Zuschlagskriterium war jeweils gemäß Ziffer 9 der Aufforderungen zur Abgabe eines Angebots (Formblatt L 611) der Preis.
2
Mit drei Schreiben vom 28.10.2024 sprach die Antragstellerin Rügen gegenüber dem Antragsgegner aus. Sie rügte, dass sie bei der Sichtung und Prüfung der Vergabeunterlagen festgestellt habe, dass die Ausgestaltung der Vergabe Vergaberechtsverstöße enthalte. Es werde keine Gewichtung der Leistungsfähigkeit der Reinigungsmaschinen vorgenommen, also kein Zuschlagskriterium „Leistung“ angesetzt, gleichwohl würden in der Leistungsbeschreibung statische Kenngrößen (Stunden/Mengen) angegeben werden. Zudem sei die Leitungsbeschreibung widersprüchlich, da eine zertifizierte Reinigungsmaschine, wie sie der Antragsgegner fordere, erst ab einem Betriebsdruck von rund 200 bar zertifiziert würden, der Antragsgegner aber einen maximal zulässigen Reinigungsdruck von 120 bar vorschreibe. Ferner sei die Anfahrt zur Auftragsstelle im Ansatz einer Pauschale zur Baustelleneinrichtung nicht kalkulierbar, da sich die Auftragsstelle nicht im Vorhinein bestimmen lasse. Eine Pauschale zu einer in der Größe und Umfang nicht vorab definierbaren Leistung sei widersinnig.
3
Mit Schreiben vom 30.10.2024 rügte die Antragstellerin erneut. Es sei EU-Vergaberecht anwendbar, da der Auftragswert den hier gegenständlichen Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungsaufträge in Höhe von 221.000 Euro überschreite. Sie nahm zudem Bezug auf die mit Schreiben vom 28.10.2024 ausgesprochenen Rügen und rügte zudem die fehlerhaft bekannt gemachten Eignungskriterien, dass in den Vergabeunterlagen keine Mindestabnahmemengen vorgesehen seien und dass weder Schätzmengen noch der Schätzwert oder eine Höchstmenge angegeben worden seien. Zudem werden die in der Ausgangslage unter Nr. 1.3 dargestellten Preisregelungen als rechtswidrig gerügt. Es seien drei Verlängerungsoptionen vorgesehen, die nicht in die Preisbewertung einbezogen wurden. Die Nichtbewertung einer Option bzw. Vertragsverlängerung werde in der obergerichtlichen Rechtsprechung aber für rechtswidrig erachtet. Es wurde zudem gerügt, dass nicht sämtliche Unterlagen, auf die sich der Antragsgegner beziehe, vorgelegt worden seien. Das Vergabeverfahren leide zudem auch allgemein an Verfahrensfehlern. Insbesondere die fehlerhafte Ermittlung des Gesamtauftragswertes zeige auf, dass die Dokumentation unzureichend sei.
4
Mit Schreiben vom 31.10.2024 teilte der Antragsgegner mit, dass der Submissionstermin auf den 15.11.2024, 9.00 Uhr verlegt werde. Die Bindefrist ende am 13.12.2024. Weiterhin seien die Ausführungstermine angepasst worden.
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Mit Schreiben vom 13.11.2024 teilte der Antragsgegner mit, dass der Submissionstermin nun auf den 21.11.2024, 9.00 Uhr verlegt werde. Zudem sei die Position 01.01.0001 mit einer Kalkulationshilfe bezogen auf einen nachträglich eingefügten Bezugspunkt ergänzt worden und die Leistungsangaben in den Positionen 01.01.0002 bis 01.01.0005 seien von Stundenabrechnung in Flächenangaben (Quadratmeter) geändert worden. Die in der ursprünglichen Fassung der Leistungsbeschreibung angegebenen Positionen 01.01.003 bis 01.01.005 seien gelöscht und in die aktuelle Position 01.01.0002 aufgenommen worden. Zudem gab der Antragsgegner das geschätzte Auftragsvorlumen für die Ölspurbeseitigung Nord mit ca. 27.600 Euro/Jahr und für die Ölspurbeseitigung Süd mit ca. 27.600 Euro/Jahr an.
6
Mit Schreiben vom 20.11.2024 rügte die Antragstellerin, dass das national bekanntgemachte Verfahren nach GWB und VgV durchgeführt werden hätte müssen. Zudem rügte sie die fehlende Bestimmbarkeit und fehlende Möglichkeit zu einer ordnungsgemäßen Preiskalkulation. Quadratmeter-Leistungen für eine Ölspur-/Betriebsstoffbeseitigung seien in der aufgrund fehlender Differenzierung in der Ausführungsbeschreibung daliegenden Pauschalisierung nicht kalkulierbar. Hinsichtlich der unter Position 1.1.2 angegebenen Mengeneinheit von 2.000 m2 werde nicht definiert, ob es sich bei dieser Mengenangabe um die jeweilige Abrufmenge, Mindest- oder Höchstmenge handele. Weiter werde nicht definiert, ob und wie sich die 2.000m² in wie vielen Auftragsfällen wie aufteilen. In der Ausführungsbeschreibung werde unter „Abrechnung“ keine Definition der Abrechnung der Reinigungsleistung vorgenommen. Es erschließe sich nicht, wie die Position 1.1.1 zu kalkulieren sei. Der Mengenansatz von 2.000 m2 sei zu gering. Die bereits gerügte Vorgabe, im Normalfall mit 120bar Wasserdruck zu reinigen, sei weiterhin enthalten. Keine HochdruckTechnik des regulären Marktes führe die Zertifizierung mit derartigem Druck durch. Die Vorgabe sorge dafür, dass durch die Vorgabe die Reinigung außerhalb der Zertifizierung erfolgen müsse. Die Antragstellerin trug weitere Punkte vor, die eine ordnungsgemäße Preiskalkulation nicht möglich machen würden.
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Die Antragstellerin gab innerhalb der Angebotsfrist kein Angebot ab. Für die Ausschreibung Ölspurbeseitigung Süd gingen zwei Angebote ein. Für die Ausschreibung Ölspurbeseitigung Nord gingen drei Angebote ein.
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Die Antragstellerin stellte mit Schreiben vom 26.11.2024 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.
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Die Antragstellerin trägt vor, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Der einschlägige Schwellenwert sei deutlich überschritten und der Antragsgegner habe die Vorgaben des § 3 VgV nicht beachtet. Objektive Gründe, die eine Unterteilung rechtfertigen würden, seien nicht ersichtlich, daher hätte der Antragsgegner die von ihm veröffentlichten Aufträge in einem Auftrag mit zwei Losen veröffentlichen müssen und den Auftragswert addieren müssen. Auch sei die Auftragswertschätzung des Antragsgegners rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren Rechten. Die Antragstellerin gehe von ca. 45.600 EUR/netto pro Jahr und Ausschreibung aus. Bei Berücksichtigung der möglichen Vertragsverlängerungen belaufe sich der geschätzte Auftragswert also auf 368.000 EUR/netto (für beide Lose bzw. Ausschreibungen zusammen) und überschreite den maßgeblichen Schwellenwert damit deutlich. Die Antragstellerin sei ferner auch antragsbefugt, sie habe ihr Interesse am Auftrag durch ihre Rügen sowie dem Nachprüfungsantrag zweifellos dargelegt.
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Auch die weiteren Sachentscheidungsvoraussetzungen erfülle die Antragstellerin.
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Weiter trägt die Antragstellerin vor, dass der Nachprüfungsantrag auch begründet sei. Der Antragsgegner habe nur national ausgeschrieben und damit gegen die unionsweite Ausschreibungspflicht verstoßen. Auch habe der Antragsgegner keine Eignungskriterien nach § 122 Abs. 4 S. 2 GWB ordnungsgemäß bekannt gemacht. Denn in den Auftragsbekanntmachungen für beide Verfahren seien unter Nr. 13 „Beurteilung der Eignung“ keine konkreten Eignungskriterien genannt worden, sondern nur auf das Formblatt L 124 „Eigenerklärung zur Eignung“ verwiesen worden. Weiter seien in den Vergabeunterlagen rechtswidrig keine Mindestabnahmemengen vorgesehen. Dadurch komme es zu einer rechtswidrigen Verlagerung von Vertragsrisiken. Zudem würden die Leistungsbeschreibung bzw. das Leistungsverzeichnis nicht den Anforderungen des § 121 Abs. 1 GWB genügen. Dies führe zu einer fehlenden Bestimmbarkeit und habe eine ordnungsgemäße Preiskalkulation unmöglich gemacht. Die Angebote seien daher auch nicht vergleichbar. Der Antragsgegner habe zudem rechtswidrig keine Schätzmengen bzw. Schätzwerte sowie keine Höchstmenge angegeben. Auch werde die Nichtbewertung einer Option bzw. Vertragsverlängerung in der obergerichtlichen Rechtsprechung für rechtswidrig erachtet. Eine gleichmäßige Gewichtung der Preise sei bei Optionen fehlerhaft, vielmehr müsse durch einen Abschlag berücksichtigt werden, dass es nicht sicher sei, ob die Option bzw. Verlängerung zum Tragen komme. Auch habe der Antragsgegner nicht alle Unterlagen, auf die er sich beziehe, vorgelegt, was rechtswidrig sei. Ferner habe der Antragsgegner seine Verpflichtung verletzt, die gestellten Fragen und Rügen zu beantworten. Antworten auf die Rügeschreiben seien nicht erfolgt. Zudem leide das Vergabeverfahren auch an Verfahrensfehlern. Die Dokumentation des Antragsgegners sei fehlerhaft.
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Die Antragstellerin beantragt
1. Ein Nachprüfungsverfahren wird gemäß § 160 Abs. 1 GWB gegen die rechtswidrigen De-Facto-Vergaben „24-058829 Ölspurbeseitigung Süd“ und „24-058834 Ölspurbeseitigung Nord“ eingeleitet.
2. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch die von dem Antragsgegner durchgeführten Vergabeverfahren in ihren Rechten verletzt ist.
3. Der Antragsgegner wird verpflichtet, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht Dienstleistungen in dem o.g. Bereich nur nach einem vergaberechtskonformen Vergabeverfahren nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu vergeben.
4. Höchsthilfsweise: Die Kammer wirkt unabhängig auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens hin (vgl. § 168 Abs. 1 S. 2 GWB).
5. Der Nachprüfungsantrag wird dem Antragsgegner – notfalls per Telefax – unverzüglich zugestellt.
6. Die Vergabeakten des Antragsgegners werden hinzugezogen.
7. Der Antragstellerin wird Einsicht in die Vergabeakten des Antragsgegners gewährt (§ 165 Abs. 1 GWB).
8. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
9. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen.
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Der Antragsgegner beantragt
1. Der Vergabenachprüfungsantrag vom 26.11.2024 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung des Antragsgegners entstandenen Aufwendungen zu tragen.
3. Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten für den Antragsgegner wird für erforderlich erklärt.
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Zur Begründung trägt der Antragsgegner vor, dass der Nachprüfungsantrag nicht statthaft sei, weil der Antragstellerin für die vorliegende Ausschreibung der Weg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen nicht offenstehe. Dies gelte unabhängig davon, ob die Ausschreibung der Leistungen für Ölspurbeseitigung als getrennte Aufträge und Beschaffungsvorhaben anzusehen seien oder ob eine zusammengefasste Beurteilung erfolgen hätte müssen. Die Trennung der Aufträge sei jedoch rechtmäßig erfolgt. Selbst wenn jedoch die Aufträge zur Ölspurbeseitigung Nord und Ölspurbeseitigung Süd als Teile eines Gesamtauftrags angesehen werden müssten, würden auch weder die addierten Kosten der geschätzten Auftragswerte noch die Kosten aus den eingereichten Angeboten den maßgeblichen Schwellenwert für die Einschlägigkeit der europaweit geltenden Bestimmungen über die Ausschreibung von Liefer- und Dienstleistungen erreichen. Die Antragstellerin könne sich daher auch nicht auf den Rechtsschutz nach § 97 Abs. 6 GWB berufen. Weiter trägt der Antragsgegner vor, dass selbst wenn die von der Antragstellerin behauptete de-facto-Vergabe vorliegen würde, es an einer Rechtsverletzung fehlen würde. Die fehlende Rechtsverletzung folge schon daraus, dass die Antragstellerin mit der jetzt behaupteten Höhe ihrer angeblichen Kalkulation keine Aussicht auf den Zuschlag gehabt hätte. Auch der angebliche Verstoß gegen § 122 Abs. 4 GWB führe nicht zu einer Rechtsverletzung der Antragstellerin. Weiter sei eine Mindestabnahmemenge auch nicht anzugeben gewesen. Aus welchem Grund die Antragstellerin die Rüge aufrechterhalte, es seien keine Schätz- und Höchstmengen vorgesehen worden, sei nicht nachvollziehbar. Es könne vom Antragsgegner nicht verlangt werden, Angaben zu machen, für deren inhaltliche Eingrenzung ihm selbst jegliche Anhaltspunkte fehlen würden. Eine Angabe auf der Basis bloßer ins Blaue hinein geäußerter Vermutung müsse die Vergabestelle nicht machen. Unzutreffend sei auch die Behauptung es läge eine intransparente Leistungsbeschreibung vor, die keine ordnungsgemäße Kalkulation erlaubt hätte. Die Antragstellerin könne nicht verlangen, dass der Antragsgegner eine weitergehende Schätzung mit größerer Genauigkeit vornehme, als seine Erkenntnismöglichkeiten erlauben würden. Ferner liege auch eine rechtswidrige Optionsberechnung nicht vor. Die Rüge der angeblich nicht rechtzeitig vorgelegten Unterlagen sei erstmals mit dem Nachprüfungsantrag erhoben worden und sei daher präkludiert. Unabhängig davon hätte es der Antragstellerin als fachkundige Unternehmerin freigestanden, entsprechende Bieterfragen an die Vergabestelle zu richten. Im Übrigen reiche die Bezugnahme auf das in einschlägigen Bieterkreisen bekannte Merkblatt für die Reinigungsarbeiten der vorliegend spezifizierten Leistung jedoch aus. Die Beanstandung der angeblich verletzten Antwortpflicht bleibe ohne konkreten Vorwurf, inwieweit die Antragstellerin dadurch in eigenen Rechten verletzt worden sein solle, sei nicht erkennbar. Auch sei die Dokumentation des Vergabeverfahrens nicht fehlerhaft. Der Nachprüfungsantrag sei daher zurückzuweisen.
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Mit rechtlichem Hinweis vom 15.01.2025 erklärte die Vergabekammer, dass sie zu der vorläufigen Einschätzung komme, dass der Nachprüfungsantrag vom 26.11.2024 zulässig und begründet sei. Der Nachprüfungsantrag sei zulässig, da insbesondere der geschätzte Gesamtauftragswert nach Ansicht der Vergabekammer den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert überschreite. Die Vergabekammer gehe zum gegenwärtigen Stand des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Vortrags und der vorgelegten Vergabedokumentation davon aus, dass der Antragsgegner bei der Entscheidung, ob die streitgegenständlichen Verfahren national oder europaweit ausgeschrieben werden sollten, gegen das in § 3 Abs. 2 VgV gesetzlich verankerte Umgehungsverbot verstoßen habe. Zudem sei die vom Antragsgegner vorgenommene Auftragswertschätzung nicht ordnungsgemäß erstellt worden. Die Antragstellerin verfüge auch über die erforderliche Antragsbefugnis, sie habe ihr Interesse am Auftrag durch die erhobenen Rügen und den nachfolgenden Nachprüfungsantrag nachgewiesen. Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet, da die Antragstellerin durch die unterbliebene gebotene europaweite Ausschreibung in ihren Rechten verletzt sei. Ein Nachteil in der nur nationalen Ausschreibung liege für die Antragstellerin vorliegend darin, dass soweit bei Ausschreibungen von Rahmenvereinbarungen im Oberschwellenbereich die Angabe einer Höchstmenge bzw. eines Höchstwertes unterblieben ist, der öffentliche Auftraggeber nach Ansicht der Vergabekammer Südbayern den Anspruch des Bieters auf ein transparentes, alle Bieter gleich behandelndes Vergabeverfahren verletzt habe. Bei zulässigen Ausschreibungen im Unterschwellenbereich nach UVgO gebe es eine vergleichbare Regelung zur Angabe von Höchstmengen nicht, sodass auch eine fehlende Angabe der Höchstmenge nicht problematisch sei. Daraus folge, dass bei Unterlassen der Angabe einer Höchstmenge bei einer EUweiten Ausschreibung das Verfahren zurückzuversetzen sei mit der Folge, dass die Antragstellerin in diesem Fall bessere Zuschlagschancen gehabt hätte, denn sie hätte dann die Möglichkeit gehabt, ein Angebot abzugeben, was ihr hingegen bei einer Ausschreibung auf nationaler Ebene verwehrt bliebe. Vorliegend habe der Antragsgegner keine Höchstmenge bzw. Höchstwert im Rahmen der Ausschreibungen angegeben. Damit sei durch die nur national ausgeschriebenen Verfahren ein Verfahrensregime zur Anwendung gekommen, dass sich der Antragstellerin gegenüber als nachteilig im Vergleich zur korrekterweise anzuwendenden Norm darstelle. Sie sei hierdurch in ihren Rechten verletzt.
16
Mit Schriftsatz vom 24.01.2025 teilte der Antragsgegner mit, dass er die streitgegenständlichen Ausschreibungen am 23.01.2025 aufgehoben habe.
17
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
18
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
19
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.
20
Durch die Erklärung des Antragsgegners, das er die Verfahren aufgehoben hat, hat sich das Nachprüfungsverfahren erledigt.
21
Die Erledigung des Nachprüfungsantrags hat zur Folge, dass das Verfahren einzustellen und nur noch über die Kosten zu entscheiden ist.
22
Nach § 182 Abs. 3 S. 4, 5 GWB trifft den Antragsgegner aus Gründen der Billigkeit insoweit die Kostenlast, weil er durch die Aufhebung der Vergabeverfahren dem Nachprüfungsverfahren die Grundlage entzogen hat und aus den im rechtlichen Hinweis sich ergebenden Gründen voraussichtlich im Nachprüfungsverfahren unterlegen wäre.
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Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag von 100.000 Euro erhöht werden kann.
24
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Bei der Bemessung der Ausgangsgebühr wurde aus Gründen der Billigkeit erniedrigend berücksichtigt, dass sich das Nachprüfungsverfahren in einem frühen Stadium erledigt hat, sodass keine Akteneinsicht durchgeführt werden musste und auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben konnte. Da sich der Antrag vor der Entscheidung der Vergabekammer erledigt hat, reduziert sich die Gebühr zudem auf die Hälfte, § 182 Abs. 3 S. 4 GWB. Der Antragsgegner ist als Bundesland von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.
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Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft erstattet.
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Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 3 1. HS GWB. Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S. 1 und 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da das Vergaberecht eine Rechtsmaterie darstellt, die aufgrund vielfältiger europarechtlicher Überlagerungen wenig übersichtlich und stetigen Anforderungen unterworfen ist. Insbesondere die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kostenschätzung gehören nicht zum üblichen Aufgabenbereich eines fachkundigen Bieters. Zudem ist das Verfahren vor der Vergabekammer gerichtsähnlich ausgestaltet und verlangt auch prozessrechtliche Kenntnisse.