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OLG München, Beschluss v. 27.10.2025 – 33 Wx 219/25 e
Titel:

Erbschaft, Nachlasspflegschaft, Erbquote, Testament, Erbenfeststellungsklage, Zugewinnausgleich, Miterben

Normenkette:
BGB § 1960
Leitsatz:
Sind zwischen den im Einzelnen bekannten Erben lediglich die Erbquoten streitig, ist de Erbe nicht unbekannt im Sinne des § 1960 BGB, so dass die Anordnung eine Nachlasspflegschaft grundsätzlich nicht in Betracht kommt.
Schlagworte:
Erbschaft, Nachlasspflegschaft, Erbquote, Testament, Erbenfeststellungsklage, Zugewinnausgleich, Miterben
Vorinstanz:
AG Fürstenfeldbruck, Beschluss vom 05.08.2025 – 5 VI 531/25
Fundstellen:
FDErbR 2025, 029401
BeckRS 2025, 29401

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Beschluss des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck – Nachlassgericht – vom 05.08.2025, Az. 5 VI 531/25, aufgehoben.

Gründe

I.
1
Der in zweiter Ehe verheiratete deutsche Erblasser ist am ... 2025 in F. verstorben. Er hinterließ eine Verfügung von Todes wegen vom ... 2024 mit der er seine Ehefrau (Beteiligte zu 1) sowie seine drei Kinder aus erster Ehe (Beteiligte zu 2, 3 und 4) als Erben eingesetzt hat. Die Beteiligten zu 2 bis 4 haben die Erbschaft mit Schreiben vom xx.04.2025 angenommen. Eine ausdrückliche Erklärung zur Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft ist durch die Beteiligte zu 1 nicht erfolgt.
2
Zwischen den Beteiligten ist streitig, mit welcher Quote die jeweiligen Beteiligten den Erblasser aufgrund der testamentarischen Verfügung vom ... 2024 beerbt haben. Während die Beteiligten zu 2 bis 4 von einer Erbquote aller Beteiligten von jeweils 1/4 ausgehen, nimmt die Beteiligte zu 1 wegen des noch vorzunehmenden Zugewinnausgleichs eine Erbquote von 1/2 für sich in Anspruch. Sie hat insoweit eine Erbenfeststellungsklage beim Landgericht München II angestrebt. Ihr Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss des Landgerichts München II vom ... 2025 abgewiesen. Ein Erbscheinsantrag wurde bislang von keinem der Beteiligten gestellt.
3
Zum Nachlass gehören Immobilien, Konten und eine Speditionsfirma. Die Beteiligte zu 1 trägt vor, dass eine von dem Erblasser erteilte postmortale Vollmacht von den Kindern des Erblassers einseitig widerrufen worden sei. Die Kinder verfügten ohne Rücksprache mit ihr über den Gesamtnachlass.
4
Das Nachlassgericht hat auf Antrag der Beteiligten zu 1 vom xx.07.2025 mit Beschluss vom 05.08.2025 eine Nachlasspflegschaft für den Nachlass des Erblassers zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses angeordnet. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2 bis 4 vom 06.08.2025.
5
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 11.08.2025 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
6
Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Unabhängig von der Frage, ob vorliegend überhaupt ein Sicherungsbedürfnis für den Nachlass besteht, sind die Erben jedenfalls nicht unbekannt, so dass eine Nachlasspflegschaft nicht anzuordnen war.
7
1. Ein Erbe ist „unbekannt“ im Sinne des § 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn das Nachlassgericht keine Kenntnis hat, wer als Erbe berufen ist und es sich auch nicht ohne weitere Ermittlungen davon überzeugen kann, wer Erbe ist (BGH, Beschluss vom 13.09.2012, IV ZB 23/11, NJW-RR 2013, 72; Krätzschel in: Krätzschel/Falkner/Döbereiner, Nachlassrecht, 12. Aufl. 2022, § 41 Rn. 8). Um den Erben als bekannt anzusehen, ist nicht letzte Gewissheit erforderlich, allerdings muss für das Nachlassgericht bei klaren tatsächlichen Verhältnissen jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit feststehen, wer Erbe geworden ist (OLG München, 31 Wx 68/05, NJW-RR 2006, 80). Besteht eine Ungewissheit, ob der Erbe die Erbschaft angenommen hat, kann das Nachlassgericht die Nachlasspflegschaft ebenfalls anordnen.
8
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft hier nicht vor.
9
a) Maßgeblich für Frage der Erbfolge ist das handschriftliche Testament des Erblassers vom 26.10.2024, in dem er die Beteiligten zu 1 bis 4 als Erben eingesetzt hat. Zweifel an der Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung bestehen nicht. Die Erbschaft wurde von den Beteiligten zu 2 bis 4 ausdrücklich, von der Beteiligten zu 1 jedenfalls konkludent angenommen.
10
b) Entgegen ihrem Vortrag ist vorliegend nicht streitig, ob die Beteiligte zu 1 neben den Kindern des Erblassers Miterbin geworden ist. Im Gegenteil gehen die Beteiligten zu 2 bis 4 schriftsätzlich von einer Erbengemeinschaft aller Beteiligter mit Erbquoten zu jeweils 1/4 aus. Die Stellung der Beteiligten zu 1 als Miterbin wird dabei nicht in Zweifel gezogen, wie sich nochmals aus der Stellungnahme vom 18.09.2025 ergibt. Ob es sich bei den weiteren Anordnungen des Erblassers um Teilungsanordnungen oder Vorausvermächtnisse handelt, berührt die Frage, wer zu welchem Anteil Erbe geworden ist, nicht. Auch eine Feststellungsklage der Beteiligten zu 1, die ohnehin nur der Klärung der Höhe der Erbquoten gedient hätte, ist nach Ablehnung des Antrags auf Prozesskostenhilfe nicht anhängig.
11
c) Stehen demnach die Erben nach dem Erblasser fest, sind sie – auch wenn Streit über die Höhe der jeweiligen Quoten besteht – nicht unbekannt im Sinne des § 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB. Soweit das Nachlassgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss auf die Kommentierung von Leipold im Münchener Kommentar verweist, dürfte die – hier nicht erfolgte – Anordnung einer Teilnachlasspflegschaft allenfalls für den Fall in Betracht zu ziehen sein, dass die Erbquoten aufgrund noch zu erfolgender Ermittlungen (weiterer) Erben oder wegen Unklarheit über die Frage, ob alle Erben die Erbschaft angenommen haben, noch nicht abschließend festgestellt werden können. Ist zwischen den Erben hingegen lediglich noch die jeweilige Erbquote strittig, berührt dies nicht die Verwaltung des Nachlasses, sondern nur die Auseinandersetzung. Die Bestellung eines Nachlasspflegers kommt insoweit nicht in Betracht (vgl. Krätzschel, a.a.O., § 41 Rn. 55b).
III.
12
Eine Kostenentscheidung ist bei der erfolgreichen Beschwerde nicht veranlasst. Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten sieht der Senat keine Veranlassung.
13
Die Voraussetzung für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
14
Sind zwischen den im Einzelnen bekannten Erben lediglich die Erbquoten streitig, ist der Erbe nicht unbekannt im Sinne des § 1960 BGB, so dass die Anordnung einer Nachlasspflegschaft grundsätzlich nicht in Betracht kommt.