Inhalt

OLG München, Beschluss v. 30.10.2025 – 33 Wx 174/25 e
Titel:

Unterschrift als Wirksamkeitsvoraussetzung für Nottestament

Normenkette:
BGB § 2250 Abs. 2, Abs. 3 S. 2
Leitsätze:
1. Für die Wirksamkeit eines Dreizeugentestaments ist die Unterschrift des Erblassers auf der von ihm genehmigten Erklärung zwingend erforderlich. Insoweit handelt es sich um eine unabdingbare materiell-rechtliche Voraussetzung des Errichtungsakts (Anschluss an OLG München, 31 Wx 81/15, NJW-RR 2015, 1034). (Rn. 8)
2. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn der Erblasser nicht mehr in der Lage ist, zu schreiben. An einen derartigen Nachweis sind hohe Anforderungen zu stellen (Anschluss an BayObLGZ 1979, 232). (Rn. 8)
Schlagworte:
Dreizeugentestament, Unterschrift des Erblassers, Beweiswürdigung, Nachlassgericht, Ermittlungen des Nachlassgerichts, Notar
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 26.02.2025 – 623 VI 5480/20
Fundstellen:
FGPrax 2025, 280
FDErbR 2025, 029398
BeckRS 2025, 29398

Tenor

1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts München – Nachlassgericht – vom 26.02.2025, Az. 623 VI 5480/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer trägt die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 3.323.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die verwitwete und kinderlose Erblasserin ist am ... 2020 verstorben. Am 13.03.2020, einem Freitag, wurde gegen 17:00 Uhr ein sog. 3-Zeugen-Testament errichtet, in dem der Beschwerdeführer als Alleinerbe der Erblasserin eingesetzt ist.
2
Der Errichtung ging Folgendes voraus: Der Allgemeinzustand der Erblasserin hatte sich im Laufe des 13.03.2020 verschlechtert. Gegen 15:25 Uhr wurde die Erblasserin in der Wohnung von einem Notarzt versorgt, der einen schlechten Allgemeinzustand bei der Erblasserin attestierte. Eine Einweisung ins Krankenhaus lehnte die Erblasserin ab, eine Belehrung über die damit möglicherweise einhergehenden Konsequenzen unterschrieb die Erblasserin selbst. Später wurde die Erblasserin von einer Bereitschaftsärztin aufgesucht und versorgt. Auch diese hat sie darauf hingewiesen, dass Lebensgefahr besteht, wenn sich die Erblasserin nicht ins Krankenhaus einweisen lassen würde.
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Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers habe sich die Erblasserin gegen 15:45 Uhr entschlossen, ein Testament zu errichteten. Der Beschwerdeführer habe daraufhin seinen Rechtsanwalt kontaktiert (15:50 Uhr) und anschließend versucht, Notare zu kontaktieren. Dies sei erfolglos geblieben, es sei lediglich der Anrufbeantworter erreicht worden. Gegen 16:30 Uhr habe der Beschwerdeführer die späteren Zeugen (1), (2) und (3) aufgesucht und diese gebeten, bei der Errichtung eines Nottestament zu helfen. Dieses wurde gegen 17:00 Uhr errichtet und von den 3 Zeugen unterschrieben, nicht jedoch von der Erblasserin.
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Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 26.02.2025 die Erteilung eines Alleinerbscheins zugunsten des Beschwerdeführers abgelehnt. Es stützt sich im Wesentlichen darauf, dass die Unterschrift der Erblasserin unter dem Nottestament als zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung fehlt. Zudem sei nicht ausreichend versucht worden, einen Notar zu erreichen.
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Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 28.02.2025, die am 24.04.2025 begründet wurde. Mit Beschluss vom 11.07.2025 half das Nachlassgericht der Beschwerde nicht ab und legte die Akten dem Senat zur Entscheidung vor.
II.
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Die Beschwerde ist zulässig, bleibt im Ergebnis aber ohne Erfolg. Zu Recht ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Testament vom 13.03.2020 kein wirksames Nottestament im Sinne des § 2250 Abs. 2 BGB darstellt und deswegen für die Erbrechtslage nicht maßgeblich ist.
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1. Gemäß § 2250 Abs. 2 BGB ist diese Testamentsform zulässig, wenn der Erblasser sich objektiv oder nach übereinstimmender (subjektiver) Überzeugung aller drei Zeugen in so naher Todesgefahr befindet, dass eine Errichtung vor dem Bürgermeister oder Notar nicht mehr möglich erscheint (OLG München, 31 Wx 81/15, NJW-RR 2015, 1034; Krätzschel/Falkner/Döbereiner, NachlassR, 12. Aufl. 2022, § 8 Rn. 73).
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Zu den zwingenden Erfordernissen eines wirksamen Nottestaments gehört die Unterschrift des unterschriftsfähigen Erblassers, § 2250 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 BGB. Fehlt sie, liegt ein wirksames Nottestament auch dann nicht vor, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Erblasser die Erklärung abgegeben hat (BGH, Beschluss vom 18.09.1991, IV ZB 14/90, BGHZ 115, 169; Staudinger/Baumann, BGB, § 2250 Rn. 42). Die Unterschrift des Erblassers ist nur dann entbehrlich, wenn er nach eigenen Angaben oder nach der Überzeugung der drei Zeugen nicht schreiben kann (BayObLG, Beschluss vom 20.07.1979, BReg 1 Z 119/78, BayObLGZ 1979, 232; Krätzschel/Falkner/Döbereiner, NachlassR, 12. Aufl. 2022, § 8 Rn. 73).
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Die Feststellungslast für die wirksame Errichtung des Nottestaments trägt derjenige, der aus diesem Rechte herleiten will (Burandt/Rojahn/Lauck, 4. Aufl. 2022, BGB, § 2250 Rn. 19).
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2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Testament vom 13.03.2020 unwirksam. Zum einen fehlt es an der zwingend erforderlichen Unterschrift der Erblasserin, zum anderen kann nicht hinreichend sicher festgestellt werden, dass eine Beurkundung durch einen Notar nicht möglich gewesen wäre.
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a) Das Testament vom 13.03.2020 ist schon deswegen unwirksam, weil die zwingend erforderliche Unterschrift der Erblasserin fehlt.
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aa) Zu Recht durfte das Nachlassgericht auf der Grundlage der von ihm durchgeführten Ermittlungen davon ausgehen, dass die Erblasserin am Errichtungstag in der Lage war, ein Testament zu unterschreiben. Das folgt schon aus dem Umstand, dass sie an besagtem Tag die Belehrung über die Folgen einer Nichteinweisung ins Krankenhaus unterschrieben hat. Deshalb ist der Vortrag der Beschwerde, wonach die Erblasserin einen Stift nicht habe ergreifen können, widerlegt. Dass der Stift „für sie gehalten“ wurde, steht als Behauptung substanzlos im Raum. Soweit die Beschwerde meint, es handele sich bei der Unterschrift um „Gekritzel“, trifft dies schon im Tatsächlichen nicht zu. Im Gegenteil: Es handelt sich um eine ausgeprägte, wenn auch schwer leserliche Unterschrift. Im Übrigen wären auch insoweit die für die Unterschriftsleistung ansonsten geltenden Grundsätze heranzuziehen, wonach jede Unterzeichnung, die eindeutig auf die Urheberschaft einer bestimmten Person schließen lässt, genügt (BeckOKBGB/Litzenburger, § 2247 Rn. 23). Vor diesem Hintergrund bestehen am Vorliegen einer Unterschrift auf dem Belehrungsformular des Notarztes keine Zweifel.
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bb) Das Nachlassgericht durfte ferner aus den Aussagen der Zeugen (1) und (2), die aussagten, die Erblasserin sitzend in der Wohnung angetroffen zu haben, den Schluss ziehen, dass die Erblasserin auch zum Zeitpunkt der Errichtung des Nottestaments noch in der Lage war, eine Unterschrift zu leisten. Die Zeugen gaben an, vom Beschwerdeführer gegen 16:30 Uhr abgeholt worden zu sein; das Nottestament wurde um 17:00 Uhr errichtet. Konnte die Erblasserin mithin in dieser Zeitspanne noch sitzen und hatte sie ca. 1,5 Stunden zuvor noch eine Unterschrift geleistet, kann davon ausgegangen werden, dass sie auch um 17:00 Uhr noch eine Unterschrift hätte leisten können. Dass die Zeugen davon ausgegangen wären, die Erblasserin habe nicht mehr schreiben können, haben sie gerade nicht ausgesagt. Hinzu kommt, dass der Zeuge (2) angab, gar nicht gewusst zu haben, ob/dass die Erblasserin das von ihm verfasste Protokoll auch hätte unterschreiben müssen. Das legt nahe, dass er sich über die Schreibfähigkeit der Erblasserin gar keine Gedanken gemacht hat und jedenfalls nicht positiv davon ausgegangen ist, dass sie nicht mehr unterschreiben könne.
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cc) Auch die Einwände des Beschwerdeführers gegen die Beweiswürdigung durch das Nachlassgericht führen nicht zum Erfolg der Beschwerde. Es kann dahinstehen, ob die Erblasserin in den Tagen und Wochen vor der Errichtung der Verfügung für bestimmte Verrichtungen zu schwach war. Für den 13.03.2020 ist sicher, dass sie um ca. 15:30 Uhr eine Unterschrift leisten konnte, so dass Gleiches für 17:00 Uhr anzunehmen ist, da auch die Zeugen nicht von einer gravierenden Änderung der Konstitution der Erblasserin berichteten. Ein Ausnahmefall, wie er der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (Beschluss vom 20.07.1979, BReg 1 Z 119/78, BayObLGZ 1979, 232) zugrunde lag, in dem der Erblasser erblindet war und eine Infusion erhielt, lag ersichtlich nicht vor.
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dd) Weitere Ermittlungen musste das Nachlassgericht bei dieser Sachlage nicht durchführen. Was mit dem Vortrag, die Zeugen hätten die Erblasserin „passiv sitzend“ angetroffen, belegt werden soll, bleibt schon deswegen im Dunkeln, weil Sitzen in der Regel passiv ist. Dass sie durch Kissen unterstützt werden musste, kann unterstellt werden, belegt aber ebenfalls nicht, dass sie keine Unterschrift mehr leisten konnte. Dass die Erblasserin in den letzten Wochen vor ihrem Tod einen Stift schon „nach kurzer Zeit“ wieder verlor, belegt gerade nicht, dass sie ihn für eine Unterschrift am 13.03.2020 nicht hätte halten können.
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ee) Schließlich liegt auch nicht nur ein – grundsätzlich unschädlicher – Protokollierungsmangel vor. Dass die Erblasserin schreibunfähig gewesen wäre, ist gerade nicht festgestellt worden. Nur in diesem Falle wäre aber der fehlende Hinweis in der Niederschrift unbeachtlich. Auf eine Anhörung des Beschwerdeführers zu dieser Frage kam es schon deswegen nicht an, weil die Zeugen (zu denen der Beschwerdeführer nicht gehört) davon überzeugt gewesen hätten sein müssen, dass die Erblasserin nicht mehr schreiben kann.
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b) Darüber hinaus ist auch nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar gegen 17:00 Uhr am Nachmittag des 13.03.2020 nicht möglich gewesen wäre. Auch hier gehen die verbleibenden Zweifel zu Lasten des Beschwerdeführers.
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aa) Dabei kann zugunsten der Beschwerde unterstellt werden, dass es an einem Freitagnachmittag grundsätzlich schwieriger ist, einen Notar zu erreichen als an anderen Wochentagen. Gleichwohl hätten auch um 17:00 Uhr weitere Notare kontaktiert werden müssen und können, bevor das Nottestament aufgenommen wurde. Zwar trifft der Vortrag der Beschwerde zu, wonach es für die Frage, ob ein Notar erreichbar gewesen wäre, auf den Zeitpunkt der Errichtung des Nottestaments ankommt, es bestehen allerdings keine durchgreifenden Bedenken, dass ein Notar an einem Freitag um 17:00 Uhr in München erreichbar gewesen wäre.
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bb) Die Ermittlungen des Nachlassgerichts haben ergeben, dass am 13.03.2020 zur fraglichen Zeit mehrere der angefragten Notariate erreichbar waren. Die stichprobenartige Recherche der Landesnotarkammer vom 20.11.2023 belegt ebenfalls, dass in München mindestens 12 Notariate an einem Freitag bis 17:00 Uhr bzw. 18:00 Uhr erreichbar sind.
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Allein diese Umstände sprechen dafür, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar durch mündliche Erklärung möglich gewesen wäre. Aus der Tatsache, dass einzelne Notare auf die Anfrage des Nachlassgerichts erklärt haben, dass sie an dem fraglichen Nachmittag Termine gehabt hätten, kann im Übrigen schon nicht geschlossen werden, dass sie für eine Beurkundung nicht zur Verfügung gestanden hätten. So kann unterstellt werden, dass die Notare Termine verschoben bzw. zurückgestellt hätten, wenn ihnen mitgeteilt worden wäre, dass aufgrund bestehender Lebensgefahr die Errichtung eines Testaments in der Wohnung eines Erblassers erforderlich ist. Zumindest aber ist ohne weitere Ermittlungen davon auszugehen, dass sie auf eine entsprechende Nachfrage bei der Suche nach einem Notar, der die Beurkundung vornehmen kann, behilflich gewesen wären.
21
cc) Soweit sich die Beschwerde gegen diese Beweiswürdigung bzw. die Ermittlungen des Nachlassgerichts wendet, erkennt der Senat dafür keine Grundlage. Letztlich vermag dies aber auch dahinzustehen, da die unheilbare Nichtigkeit des Testaments bereits aus der fehlenden Unterschrift der Erblasserin (s.o.) resultiert.
III.
22
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beschwerdeverfahrens sieht der Senat keine Veranlassung.
23
Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 61 GNotKG. Da der Beschwerdeführer die Erteilung eines Alleinerbscheins anstrebt, ist der volle Nachlasswert anzusetzen. Insoweit konnte auf die Erkenntnisse des Nachlasspflegers in seinem vorläufigen Nachlassverzeichnis zurückgegriffen werden.
24
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.