Inhalt

SG München, Urteil v. 23.01.2025 – S 28 KA 5003/20
Titel:

Verzugszinsen, Zinsanspruch, Doppelte Rechtshängigkeit, Gerichtsbescheid, vertragszahnärztliche Versorgung, Klageabweisung, Telefax, Prozesszinsen, Kostenentscheidung, Rechtsprechung des BSG, Honorarzahlung, Klageerhebung, Prozeßstandschaft, Sozialgerichte, Berufungszulassung, Honorarforderungen, Zahlungsaufforderung, Entscheidungsgründe, Eintritt der Rechtskraft, Überweisung

Schlagworte:
Klageabweisung, Prozessstandschaft, Rechtshängigkeit, Zinsanspruch, Verzugszinsen, Vertragszahnarzt, Kostenentscheidung
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Beschluss vom 15.04.2025 – L 12 KA 5001/25
BSG Kassel, Beschluss vom 21.08.2025 – B 6 KA 4/25 BH
Fundstelle:
BeckRS 2025, 29397

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Zahlung von Verzugszinsen nach dem Eintritt der Rechtskraft eines Gerichtsbescheids.
2
Der Kläger war vom 01.06.1993 bis zum 15.06.1999 zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.
3
Er erhob Klage zum Sozialgericht München gegen den Bescheid der Widerspruchsstelle der Beklagten (Sitzung vom 15. Mai 2002), mit dem dem Widerspruch der DAK N-Stadt in den Behandlungsfällen M. und G. stattgegeben wurde (Kieferbruchabrechnung in zwei Behandlungsfällen 06/1998 über DM 15.221,86 = 7.782,83 €) (Az. S 38 KA 5029/12). Mit Gerichtsbescheid vom 05.08.2013 entschied das Sozialgericht München wie folgt:
„Der Widerspruchsbescheid der Beklagten (Sitzung vom 15.05.2002) wird aufgehoben. Soweit in den Behandlungsfällen M. und G. Vergütungsberichtigungen vorgenommen wurden, ist die Beklagte verpflichtet, die abgesetzten Leistungen anzuerkennen und nachzuvergüten.“
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Die Beklagte legte gegen den Gerichtsbescheid Berufung ein (Az. L 12 KA 5004/17). Mit am 14.10.2019 beim BayLSG eingegangenen Schriftsatz nahm die Beklagte die Berufung zurück.
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Mit Telefax vom 04.12.2019 (Eingang bei der Beklagten am 09.12.2019) forderte die Ehefrau des Klägers die Beklagte auf, den Betrag von 7.782,83 Euro nebst Verzugszinsen ab 09.10.2019 unverzüglich, spätestens bis 10.12.2019, auf ihr Konto zu überweisen. Sie wies darauf hin, dass der Beklagten bekannt sei, dass die Forderungen ihres Mannes gegen die Beklagte seit 1993 an sie abgetreten seien. Auf die bisherigen Abwicklungen durch den früheren Rechtsanwalt des Klägers wies sie hin.
6
Mit Telefax vom 10.12.2019 forderte auch die Kanzlei des Klägerbevollmächtigten die Beklagte auf, den Betrag in Höhe von 7.782,83 € bis spätestens 23.12.2019 auf eines der genannten Kanzleikonten zu überweisen.
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Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 16.12.2019 an die Ehefrau des Klägers, dass eine Auszahlung an sie derzeit nicht in Betracht komme. Stattdessen werde die Beklagte den Betrag beim zuständigen Amtsgericht mit befreiender Wirkung hinterlegen, sollte keine Klarheit über den Gläubiger dieser Forderung bestehen.
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Mit Telefax vom 27.12.2019 verlangte die Ehefrau des Klägers, ihr den Hinterlegungsschein und die Zahlung nachzuweisen.
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Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 02.01.2020, dass sie dem Telefax entnehme, dass sie weiter die Auszahlung an sich verlange. Sollte ebenfalls die Zahlungsaufforderung der Klägerbevollmächtigten aufrechterhalten bleiben, werde die Hinterlegung erfolgen.
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Mit Telefax vom 03.01.2020 bat die Ehefrau des Klägers um Überweisung des Betrags auf das Konto der Klägerbevollmächtigten, einschließlich Verzugszinsen.
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Die Beklagte bat daraufhin mit Schreiben vom 07.01.2020 nochmals um Bestätigung der Ehefrau des Klägers, dass sie nicht mehr einer Zahlung an sich forderte, sondern an die Kanzlei des Klägerbevollmächtigten. Eine Hinterlegung wäre dann nicht mehr notwendig.
12
Mit Telefax vom 09.01.2020 bestätigte die Ehefrau des Klägers, dass auf das Konto des Klägerbevollmächtigten das Geld überwiesen werden solle.
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Die Beklagte zahlte daraufhin am 14.01.2020 den Betrag von 7.782,83 € auf das Konto des Klägerbevollmächtigten.
14
Der Kläger hat am 31.01.2020 Klage zum Sozialgericht München erhoben und begehrt die Zahlung von 174,68 € Verzugszinsen zuzüglich weiterer Zinsen an seine Ehefrau. Zur Klagebegründung hat er ausgeführt, dass der sozialrechtliche Rechtsstreit S 38 KA 5029/12 abgeschlossen sei und sozialrechtliche gegenseitige Ansprüche der Streitparteien nicht mehr tangiert seien. Der Vorgang und die Zinsforderung beträfen einen davon losgelösten allgemeinen Geschäftsbereich und ein normales SchuldnerGläubigerverhältnis. Es ginge um Verzugszinsen für den Zeitraum 10.10.2019 bis 14.01.2020. Mit Datum 09.10.2019 (Rechtskraft des Gerichtsbescheids) sei die Fälligkeit eingetreten. Als Anspruchsnormen kämen die §§ 286ff. BGB in Betracht.
15
Der Kläger beantragt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Zessionarin H1. 174,68 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klageerhebung zu zahlen.
2.
Die Berufung wird im Falle der Klageabweisung zugelassen.
16
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
17
Sie hat ausgeführt, dass der vom Kläger behauptete Zinsanspruch im Hinblick auf die Rechtsprechung des 6. Senats des BSG nicht bestehe. Erst mit dem am 09.01.2020 bei der Beklagten eingegangen Telefax sei klargestellt worden, dass der Anspruch der Ehefrau nicht mehr aufrechterhalten werde. Der Kläger sei zudem nicht Inhaber des geltend gemachten Zinsanspruches.
18
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch im Verfahren S 38 KA 5029/12, und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 174,68 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klageerhebung an die Zessionarin, H1..
20
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der als echte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) erhobenen Klage liegen allesamt vor.
21
Die Voraussetzungen der sog. gewillkürten Prozessstandschaft sind vorliegend gegeben. Das Gericht schließt sich – bei insoweit vergleichbarer Sachlage – der Bewertung des LG München I, Urteil vom 08.03.2023, Az. 15 O 2493/20 (näher vgl. Umdruck, S. 6) an. Der Kläger macht in Kenntnis seiner Ehefrau und mit ihrer Zustimmung den abgetretenen Anspruch gegen die Beklagte geltend. Sie hat den Kläger mit der Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruchs konkludent ermächtigt.
22
Soweit ersichtlich, liegt auch keine doppelte Rechtshängigkeit vor. Ausweislich der von Klägerseite vorgelegten Schriftsätze vom 19.10.2021 aus dem beim LG München I geführten Rechtsstreit (Az. 15 O 2493/20) waren im dortigen Rechtsstreit lediglich Schadenersatzansprüche betreffend den Zeitraum bis 09.10.2019 streitgegenständlich. Da der vorliegende Rechtsstreit Zinsansprüche ab 10.10.2019 (vgl. § 187 Abs. 1 BGB) betrifft, ist die Frage einer doppelten Rechtshängigkeit zu verneinen.
23
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
24
Eine Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Zinsanspruch besteht nicht.
25
In Betracht käme lediglich ein Anspruch auf Verzugszinsen gem. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. §§ 288, 286 BGB.
26
Die dem Gerichtsbescheid vom 05.08.2013 (Az. S 38 KA 5029/12) unter Auslegung von Tenor und Entscheidungsgründen zu entnehmende klägerische Forderung i.H.v. 7.782,83 € ist zwar mit Rechtskraft des Gerichtsbescheids am 09.10.2019 fällig geworden. Auch bedarf es in einer solchen Konstellation gem. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB keiner weiteren Mahnung, um in Verzug zu geraten.
27
Nach der ständigen Rechtsprechung des 6. Senats des BSG haben Vertrags(zahn)ärzte jedoch keinen Anspruch auf Verzinsung rückständiger Honorarzahlungen. Vertrags(zahn)ärzten stehen für Ansprüche gegen ihre K(Z)ÄVen weder Verzugszinsen noch Prozesszinsen zu (BSG, Urteil vom 08.02.2012, Az. B 6 KA 12/11 R, Rn. 52; BSG, Beschluss vom 27.06.2012, Az. B 6 KA 65/11 B, Rn. 8).
28
Diese Rechtsprechung ist entgegen der Auffassung des Klägers auch auf den vorliegenden Fall übertragbar. Denn auch vorliegend geht es um die Zahlung von Verzugszinsen; darauf, ob zuvor bereits ein rechtskräftig ergangenes Urteil/Gerichtsbescheid ergangen ist, kommt es nicht an.
29
Infolgedessen kommt es nicht (mehr) auf die Frage an, ob die Klägerseite für den Zeitraum vom 09.12.2019 bis 09.01.2020 den Einwand des § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 242 BGB gegen sich gelten lassen müsste, weil sie gegenüber der Beklagten nicht eindeutig und klar zum Ausdruck gebracht hat, an wen (Ehefrau oder Klägerbevollmächtigten) die offene Forderung zu zahlen gewesen ist.
30
Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
31
Gründe i. S.v. § 144 Abs. 2 SGG, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor. Aus Sicht der Kammer ist die oben zitierte Rechtsprechung des 6. Senats des BSG eindeutig.