Inhalt

SG München, Urteil v. 23.09.2025 – S 49 KA 119/23
Titel:

Weitere Pflichtverletzung, Rückvergütung, Disziplinarmaßnahme, Disziplinarausschuss, Ermittlungsakte, Vertragsarztrecht, Disziplinarbescheid, Verjährungsfrist, Bestechung im Gesundheitswesen, Einstellung des Ermittlungsverfahrens, Beginn der Ausschlussfrist, Geldbuße, Zeugenaussagen, Transportkosten, Kassenärztliche Vereinigung, Ausschlußfrist, Beihilfe, Kostenerstattung, Aufwandsentschädigung, Gesamtgeldstrafe

Schlagworte:
Anfechtungsklage, Disziplinarmaßnahme, Pflichtverletzung, Bescheid, Vertragsarzt, Rückvergütungen, Betrug
Fundstelle:
BeckRS 2025, 29373

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Disziplinarmaßnahme.
2
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.10.2022 sprach der Disziplinarausschuss der Beklagten gegen den seit dem Jahr 2000 als Frauenarzt in W-Stadt vertragsärztlich tätigen Kläger wegen Verletzung vertragsärztlicher Pflichten eine Geldbuße in Höhe von 5.000 Euro aus. In der Begründung des Bescheids, dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 10.01.2023, wurde auf den Antrag des Vorstands der Beklagten vom 18.07.2022 Bezug genommen. Danach habe P., ein im Bereich der KV Saarland vertragsärztlich tätiger Facharzt für Pathologie und Rechtsmedizin bei niedergelassenen Fachärzten im Bundesgebiet um eine Zusammenarbeit im Rahmen pathologischer Befundungen geworben. P. habe finanzielle Vergütungen für die Übersendung histologischer und zytologischer Proben angeboten und zwar für Proben privat versicherter Patienten 10% des Umsatzvolumens, bei Kassenpatienten je Probe einen pauschalen Betrag von 2,56 Euro. Dieses Angebot habe der Kläger angenommen und ab dem 1. Quartal 2015 regelmäßig Proben an P. übersandt. Für die vom Kläger in den Quartalen 1/2015 bis 4/2017übersandten Proben habe P. Abrechnungen gegenüber der KV Saarland im Umfang von insg. 204.671,45 Euro vorgenommen. Dies stehe fest aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts S-Stadt vom 29.06.2020, Az. 2 KLs 33 Js 677/19 (5/20). Der Kläger habe für die Übersendung der Proben in den Quartalen 1/2015 bis 4/2017 von P. Zahlungen in Höhe von insg. 23.551,97 Euro erhalten. Die Zahlungen seien als Transportkosten deklariert worden, obwohl dem Kläger wissentlich keine Transportkosten entstanden seien. Gegen den Kläger sei vom Amtsgericht S-Stadt am 05.03.2021 ein Strafbefehl erlassen worden, in dem der Kläger wegen Bestechlichkeit im Gesundheitswesen in sechs Fällen in den Quartalen 3/2016 bis 4/2017 zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 200 Euro verurteilt werden sollte, mithin zu einer Gesamtgeldstrafe von 18.000 Euro. Nach Einspruch des Klägers gegen den Strafbefehl sei das Verfahren gegen Zahlung einer Summe von 40.000 Euro nach § 153a Abs. 2 StPO am 07.02.2022 endgültig eingestellt worden. Der Klägerbevollmächtigte habe zu dem Antrag Stellung genommen und die Auffassung vertreten, es sei unrichtig, dass der Sachverhalt aufgrund des Strafurteils gegen P. feststehe. Dieses Urteil entfalte keine Rechtskraft im Hinblick auf den Kläger. Gegen den vom Amtsgericht S-Stadt am 05.03.2021 erlassenen Strafbefehl habe der Kläger Einspruch erhoben mit der Folge, dass es noch vor Durchführung der Hauptverhandlung zu einer Einstellung gegen eine Auflage in Höhe von 40.000 Euro gekommen sei. Im Strafverfahren habe der Kläger den Vorwurf, er habe nach Inkrafttreten des § 299a StGB zum 04.06.2016 gegen Entgelt Proben an das Labor H. eingesandt, ausdrücklich bestritten. Vielmehr habe er es nach einem Telefonat mit P1. ausdrücklich abgelehnt, Zahlungen zu erhalten und in der Folge auch keine mehr erhalten. Die Zeugin S., eine frühere Mitarbeiterin von P. habe außerdem bekundet, dass Zahlungen an den Kläger zu einem ihr nicht mehr genau erinnerlichen Zeitpunkt eingestellt worden seien. Auch P1. habe in einer Zeugeneinvernahme am 12.08.2020 angegeben, dass der Kläger keine Barzahlungen erhalten habe. Der Kläger habe daher keinesfalls den Straftatbestand des § 299a StGB verwirklicht. Er bestreite nicht, dass ihm für die Quartale 1/2015-4/2015 eine Kostenerstattung von 2,56 € für jede übersandte Probe bei kassenärztlichen Leistungen zugeflossen sei. Durch das Labor sei ihm mitgeteilt worden, dass die Aufwandserstattung im Rahmen einer entsprechenden Kooperationsvereinbarung nicht zu beanstanden sei. Erst durch das Ermittlungsverfahren sei ihm bewusstgeworden, dass seine dahingehende Annahme unrichtig gewesen sei. Auch seien die in den Praxisunterlagen des Labors H. dokumentierten Einsendungen des Klägers offensichtlich jedenfalls in Bezug auf die ab dem Quartal 3/2016 geführten Einsenderstatistiken unrichtig gewesen ebenso wie die genannten Vergütungen, da der Kläger die letzte Zahlung für das Quartal 4/2015 erhalten habe. Der Kläger habe keinen Straftatbestand verwirklicht und wegen der erfüllten Auflage einen erheblichen Vermögensverlust erlitten. Er habe wie viele andere Ärzte auch gutgläubig angenommen, die Aufwandsentschädigung sei nicht zu beanstanden. Er hätte sich rechtlich informieren müssen, was er aus heutiger Sicht auch einsehe. Der Klägerbevollmächtigte vertrat die Auffassung, auch wegen des seit Beendigung der letzten Tat eingetretenen Zeitablaufs, währenddessen der Kläger nicht weiter aufgefallen sei, erscheine eine Disziplinarmaßnahme nicht erforderlich. Der Disziplinarausschuss hielt den Antrag des Vorstands der Beklagten für zulässig und auch begründet. Der Kläger habe in den Quartalen 3/2016 bis 4/2017 gegen das Verbot aus § 73 Abs. 7 SGB V, für die Zuweisung von Versicherten oder für die Vergabe und Dokumentation von Diagnosen ein Entgelt sich gewähren zu lassen, verstoßen. Ausweislich der Ermittlungsakte, die auszugsweise Bestandteil der Verwaltungsakte sei, habe der Kläger vom Labor H. für diese Quartale insgesamt den Betrag von 14.025,72 Euro als Entgelt für die Einsendung von zu befundendem Material erhalten. Davon seien 11.563,52 Euro auf Zahlungen für Proben GKV-Versicherter entfallen. Diese Feststellung lege der Disziplinarausschuss seiner Einschätzung des Sachverhalts zugrunde. Dadurch habe der Kläger zugleich einen berufs-und vertragsärztlichen Pflichtverstoß begangen, indem er entgegen § 31 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns (BOÄ) in Verbindung mit § 4 Abs. 2 S.1 der Satzung der Beklagten für die Zuweisung von Untersuchungsmaterial ein Entgelt sich habe gewähren lassen. Gesetzesverstöße, die im Zusammenhang mit der vertragsärztlichen Tätigkeitsausübung begangen werden, seien als disziplinarrechtlich relevante Pflichtverletzungen zu werten. Es gehöre zur Pflicht des Vertragsarztes, bei Ausübung seiner Tätigkeit keinerlei Gesetzesverstöße zu begehen. Seit dem 04.06.2016 sei die Bestechlichkeit im Gesundheitswesen gem. § 299a StGB strafbar. Entsprechend seien die Ermittlungen gegen den Kläger wegen sechs Fällen der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen geführt worden. Aus Sicht des Disziplinarausschusses habe der Kläger ab dem 3. Quartal 2016 auch gegen diese Regelung objektiv verstoßen, indem er Geld von P. für die Zusendung von Untersuchungsmaterial erhalten habe. Anders als von Klägerseite behauptet, habe der Kläger auch noch nach Inkrafttreten des § 299a StGB Proben an das Labor H. versandt und dafür Entgelt erhalten. Es bestehe kein Anlass, dieses Ermittlungsergebnis anzuzweifeln mit dem Argument, der Kläger habe letztmalig am 25.01.2016 eine Zahlung für das Quartal 4/2015 erhalten und das Angebot von Barzahlungen nicht angenommen. Aus den Ermittlungsakten sei ersichtlich, dass die Zeugin S. sich zwar nicht exakt an einen Zeitpunkt erinnern konnte, zu dem die Zahlungen an den Kläger endeten. Jedoch habe sie gemeint, dass dies im Jahr 2017 oder 2018 gewesen sei. Es spreche somit einiges dafür, dass der Kläger auch noch 2016 und später, also nach Inkrafttreten des § 299a StGB, Zahlungen des Labors H. entgegennahm. Demgegenüber genüge die bloße Behauptung, es sei unrichtig, dass der Kläger noch nach Inkrafttreten des § 299a StGB Zahlungen des Labors H. in bar entgegennahm nicht, um die Überzeugung des Disziplinarausschusses von der Entgegennahme von Geldern bis 4/2017 zu erschüttern. Die Äußerungen der Zeugin P1. vom 12.08.2020 seien nicht glaubhaft, da diese mit Urteil des Amtsgerichts S-Stadt vom 29.06.2020 rechtskräftig verurteilt und in diesem Urteil die Zahlung von Rückvergütungen an den Kläger für die Quartale 3/2016 bis 4/2017 rechtskräftig festgestellt worden sei. Dadurch, dass der Kläger dem Labor H. in den Quartalen 1/2015 bis 4/2017 Untersuchungsmaterial zur Befundung überließ und im Gegenzug Geldbeträge von dem Labor vereinnahmte, habe er zudem tatbestandlich Beihilfe zum Betrug geleistet. P. habe seine Leistungen an den vom Kläger überlassenen Proben, obwohl wegen des Verstoßes gegen das Zuweisungsgebot nicht abrechnungsfähig, gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung des Saarlandes abgerechnet. Hinsichtlich dieser Pflichtverstöße werde auf die Feststellungen in der Ermittlungsakte verwiesen, die auszugsweise Bestandteil der Verwaltungsakte sei. Der Disziplinarausschuss mache sich diese Feststellungen ausdrücklich zu eigen. Dem Kläger sei hinsichtlich der Verstöße gegen § 73 Abs. 7 SGB V und § 31 BOA mindestens grob fahrlässiges Handeln vorzuwerfen. Er sei bereits seit dem Jahr 2000 vertragsärztlich tätig, ihm hätten diese Regelungen seit langer Zeit bekannt sein müssen. Von jedem Arzt könne die Kenntnis verlangt werden, dass ein Entgelt für Zuweisungen grundsätzlich unzulässig ist. Was die Festsetzung einer der in § 18 der Satzung der Beklagten vorgesehenen Maßnahmen betreffe, sei die Schwere der Verfehlung entscheidend. Im Rahmen der Abwägung der Gesamtumstände spreche zu Lasten des Klägers, dass er gegen einen Grundsatz des Vertragsarztrechts und auch gegen Berufsrecht verstoßen habe. Nicht zugute gehalten werden könne ihm, dass er zumindest bis zum Inkrafttreten des § 299a StGB im Jahr 2016 von der Zulässigkeit der Zusammenarbeit mit dem Labor H. überzeugt gewesen sei. Die sogenannte Zuweisung gegen Entgelt sei vertragsarztrechtlich schon seit langer Zeit nicht zulässig und auch nicht berufsrechtlich. Zu Gunsten des Klägers werte der Ausschuss, dass dieser bislang nicht disziplinarisch in Erscheinung getreten sei. Auf die Verhängung einer Maßnahme könne nicht verzichtet werden, da dem Vertragsarzt deutlich vor Augen geführt werden müsse, dass er auf die Einhaltung seiner Pflichten achten muss. Um ihn für die Zukunft zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten, würden weder eine Verwarnung noch ein Verweis als ausreichend erscheinen, weil mehrere erhebliche Pflichtverstöße über einen längeren Zeitraum vorlägen. Vielmehr sei hier eine Geldbuße die angemessene und verhältnismäßige Maßnahme. Diese werde im Hinblick auf die fortgesetzten vorsätzlichen Verstöße gegen elementare Pflichten im mittleren Bereich angesetzt. Eine Geldbuße in Höhe von 5.000 Euro sei aus Sicht des Gremiums erforderlich, aber wegen der erheblichen Geldauflage auch ausreichend, um den Kläger in Zukunft zur strikten Einhaltung aller vertragsärztlichen Pflichten anzuhalten.
3
Am 06.02.2023 erhob der Klägerbevollmächtigte Klage. Zur Begründung vertrat er die Auffassung, dass der dem Bescheid der Beklagten zugrunde gelegte Sachverhalt nicht als feststehend hätte behandelt werden dürfen und sich auch nicht so zugetragen habe wie angenommen. Es bestehe keine unmittelbare Bindungswirkung des im Verfahren gegen P. ergangenen Urteils. Auch die Ermittlungsakten seien kritisch zu werten, der Kläger habe erhebliche Zweifel geltend machen können. Er bestreite ausdrücklich den Vorwurf, nach Inkrafttreten des § 299a StGB zum 4.6.2016 gegen Entgelt Proben an den gesondert verfolgten P. eingesendet zu haben. Er habe es nach einem mit P1. geführten Telefonat, in dem diese den Kläger darauf hingewiesen hatte, dass ein neues Gesetz Rückerstattungen verbiete, ausdrücklich abgelehnt, Zahlungen zu erhalten und deshalb nachfolgend auch tatsächlich keine Zahlungen mehr erhalten, was diese Zeugin in ihrer Zeugeneinvernahme vom 12.08.2020 auch bekundet habe. Die Zeugin S.., eine Mitarbeiterin von P. habe ausgesagt, dass Zahlungen an den Kläger zu einem ihr allerdings nicht mehr genau erinnerlichen Zeitpunkt eingestellt worden seien. Dieser Zeitpunkt indessen habe tatsächlich den Zeitraum nach dem Inkrafttreten des § 299a StGB betroffen, weil sich der Kläger nach der Information, die er in dem Telefonat von P1. erhalten hatte, selbstverständlich habe gesetzestreu verhalten wollen und den Erhalt weiterer Zahlungen abgelehnt habe. Vor dem Hintergrund dieser Zeugenaussagen hätte die Beklagte entweder eigene weiteren Ermittlungen veranlassen müssen oder bei der Entscheidung die vorläufigen Erkenntnisse aus der Ermittlungsakte nicht berücksichtigen dürfen, weil der Kläger ausreichende Anhaltspunkte dafür aufgezeigt habe, dass die Ermittlungsergebnisse unrichtig seien. Auch sei es zu der Verurteilung des P. aufgrund einer sogenannten Verständigung im Strafprozess gekommen, bei der es dem Angeklagten nur auf das Ergebnis und nicht auf die einzelnen Feststellungen ankomme, was bei Bewertung der Feststellungen im Urteil und auch der Zeugenaussagen berücksichtigten werden müsse. Der angefochtene Bescheid sei schließlich auch nicht ordnungsgemäß ausgefertigt worden. In der Satzung der Beklagten sei eine Vertretung durch den stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses, der vorliegend den Bescheid unterschrieben habe oder ein anderes Mitglied des Ausschusses nicht vorgesehen. Zu berücksichtigen sei weiter, dass der Kläger in seiner Stellungnahme vom 4.10.2022 ausdrücklich eingeräumt habe, dass ihm für die Quartale 1/2015 bis einschließlich 4/2015 (mit letztem Zahlungseingang vom 25.1.2016) Kostenerstattungen für jede übersandte Probe bei kassenärztlichen Leistungen zugeflossen waren, die er ordnungsgemäß über das Praxiskonto vereinnahmt und versteuert habe. Dem habe die Mitteilung der Praxis P. zugrunde gelegen, aus der folgte, dass die Aufwandserstattung im Rahmen einer entsprechenden Kooperationsvereinbarung nicht zu beanstanden und in gleicher Weise mit einer großen Vielzahl anderer Praxen vereinbart worden sei. Ein,,Unrechtsbewusstsein“ habe bis zur Eröffnung des Ermittlungsverfahrens weder bei dem Kläger noch bei den anderen Einsendern bestanden. Soweit die Entgegennahme einer Aufwandsentschädigung für die Quartale 1 bis 4/2015 – wie im Antrag des Vorstandes der Beklagten vom 12.7.2022 ausgeführt wird – als Beihilfe zum Abrechnungsbetrug zu werten wäre, habe gegen den Kläger keine Disziplinarmaßnahme mehr verhängt werden dürfen. Diesbezüglich sei die Verjährungsfrist nach § 78 Abs. 3 Nummer 4 StGB in Bezug auf die Verfolgung einer solchen Beihilfe zum Zeitpunkt der Stellung des Antrages vom 12.7.2022 abgelaufen gewesen, sodass eine Maßnahme nicht mehr hätte verhängt werden dürfen. Zudem sei die disziplinarrechtliche,,Bewährungszeit“ von 5 Jahren zu diesem Zeitpunkt ebenfalls bereits abgelaufen gewesen.
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Der Klägerbevollmächtigte stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 06.02.2023 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
5
Die Beklagte wies in ihrer Klageerwiderung darauf hin, dass bestandskräftige Entscheidungen anderer Gerichte und auch die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft von der Beklagten verwertet werden dürften. Aus der Einsendestatistik des P. sei ersichtlich, dass der Kläger in den Quartalen 1/2015 – 4/2017 Einsendungen an P. vorgenommen habe. Ebenso seien in den genannten Quartalen Beträge in Summe von 23.551‚97 € an den Kläger zurückbezahlt worden. Die Aussage von P1. sei seitens der Beklagten vor ihrer Entscheidung analysiert und bewertet worden und als äußerst kritisch zu bewerten. Auch dürfte offensichtlich sein, dass die Aussage der Zeugin S. diesbezüglich nicht dienlich sei, da sie von einem nicht genau erinnerlichen Zeitpunkt des Endes der Einsendungen spreche. Hieraus lasse sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf ein Einstellen der Zahlungen vor dem Inkrafttreten des § 299 a StGB schließen. Nach der Rechtsprechung dürften auch die Tatsachen aus dem Urteil des Landgerichts S-Stadt verwertet werden. Dieses habe auf Seite 15 festgestellt, dass ab dem 3. Quartal 2016 bis zum 4. Quartal 2017 Rückzahlungen in Höhe von 14.025,72 Euro an den Kläger geflossen seien. Das Landgericht S-Stadt habe dies einer kritischen Würdigung unterzogen und hieraus auf die Verurteilung des Angeklagten geschlossen. Diese Tatsachen (nicht die rechtliche Würdigung) dürfe die Beklagte nun rechtsfehlerfrei verwerten. Daher stehe nach alledem fest, dass der Kläger über den Zeitpunkt Juni 2016 hinaus weitere Einsendungen vorgenommen und Geldrückerstattungen hierfür erhalten habe. Mithin stehe für die Quartale 1/2015 bis 4/2017 das Fehlverhalten des Klägers fest. Entgegen der Ansicht des Klägers sei es für die feststehenden Tatsachen des Urteils nicht schädlich, dass diesem eine Verständigung voranging. Wie das Urteil des Landgerichts S-Stadt darlege, beruhten die Feststellungen auf den Angaben des Zeugen KOK Z., wonach die Berechnungen, die zur Schadensfeststellung führten, anhand des von P. verwendeten Computerprogramms angestellt worden seien. Hiernach sei eine quartalsweise Aufstellung derjenigen Leistungsziffern erstellt worden, die auf der Grundlage von Probeeinsendungen erbracht worden waren, für die ein Arzt eine Gegenleistung erhalten habe. So habe jedem Einsender, mithin auch dem Kläger, für jedes Abrechnungsquartal mittels der Leistungsziffern des EBM eine Gesamtpunktmenge zugeordnet werden können. Alle Punkte seien anschließend mit dem Punktwert multipliziert worden. Zuletzt seien die Vergütungsquoten der jeweiligen Quartale in Ansatz gebracht worden. Die Addition sämtlicher Honoraranteile, die P. quartalsweise erhalten hatte, hätten den pro Quartal durch die Kammer festgestellten Schaden der Kassenärztlichen Vereinigung gebildet. Dies bestätige, dass das Gericht nicht nur infolge einer Verständigung zu einer Verurteilung kam, sondern die Tatsachen und Aussagen kritisch gewürdigt habe. Diese Tatsachen dürfe sich der Beklagte zu eigen machen. Auch die Ausführungen der Klägerseite, dass der Bescheid nicht formgerecht unterschrieben wurde, seien unzutreffend. Nach § 18 Abs. 2 Satz 2 der Satzung der KVB seien für den Vorsitzenden sowie für die Beisitzer Stellvertreter zu berufen. Diese Stellvertreter müssten denknotwendig mit den gleichen Befugnissen wie der Vorsitzenden selbst ausgestattet werden. Wenn der Kläger schließlich vortragen lasse, dass ihm das Unrechtsbewusstsein gefehlt habe, handle es sich um einen im strafrechtlichen Sinne vermeidbaren Verbotsirrtum, da dem Kläger als Arzt zugemutet werden könne, dass ihm sein unrechtes Handeln bewusst ist. Als Vertragsarzt habe er sich an die entsprechenden Regeln zu halten und insbesondere Kenntnis von ihnen zu haben. Nach § 95 Abs. 3 SGB V sei jeder Vertragsarzt an die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung gebunden. Überdies sei hilfsweise erwähnt, dass der Kläger gewusst habe, dass ihm keine Transportkosten entstanden sind, er aber die Zahlungen als Transportkosten erhalten habe. Spätestens ab diesem Augenblick hätte er sich über das Vorgehen wundern müssen. Da das Fehlverhalten sich über alle vorgeworfenen Quartale erstrecke (1/2015- 4/2017) komme es auf die am Ende der Klage aufgeführte Frage der Verjährung nicht mehr an. Bei Taten, die in einem Zusammenhang stehen, komme es auf die letzte Tat an, ab der „die Verjährung“ zu laufen beginne. Die letzte vorgeworfene Tat sei im Quartal 4/2017 erfolgt und das Disziplinarverfahren daher fristgerecht erfolgt. Darüber hinaus habe die Beklagte erst Mitte 2021 Kenntnis von diesem Sachverhalt erhalten, sodass auch die. zweijährige Frist zweifelsfrei gewahrt sei.
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Aus der vom Gericht beigezogenen Ermittlungsakte der S1. () ist zu entnehmen, dass mit Schreiben vom 09.04.2020 ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Beihilfe zum Betrug ab dem Quartal 1/2015 eingeleitet worden war. Seitens des Klägers wurde in diesem Verfahren eingeräumt, dass er bereits im Jahr 2008 auf das Angebot des P. eingegangen sei und bis zur Schließung des von P. geführten Instituts im Jahr 2019 sämtliche in seiner Praxis genommenen Proben zur Befundung an P. geschickt habe. Irgendwann habe P. die Praxis des Klägers aufgefordert, für die erstatteten Beträge Rechnungen über Transportkosten zu stellen, der Bitte sei man nachgekommen. Sämtliche Beträge seien auf dem Geschäftskonto des Klägers eingegangen und ordnungsgemäß versteuert worden. Ab dem Zeitpunkt, ab dem von P. keine Gelder mehr überwiesen wurden, sondern Barzahlungen in seiner Praxis eingingen, habe der Kläger weitere Zahlungen des P. an ihn abgelehnt. Als eine Zahlung in bar in der Praxis einging, habe sich der Kläger gewundert und im Anschluss mit der Praxis des P. telefoniert und in der Folge die Annahme weitere Zahlungen abgelehnt. Er habe allerdings weiterhin Proben an das Labor zur Untersuchung gesandt.
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Die in der Ermittlungsakte enthaltenen Einlieferungsbelegte der Post enthalten keine Nachweise über Geldsendungen in bar an den Kläger. Einem in der Akte enthaltenen Email-Verkehr zwischen P1. und S. vom 13.07.2016 lässt sich allerdings entnehmen, dass für die Quartale 1/16 und 2/16 Zahlungen an den Kläger („1. Quartal: 1112,33 Ä_ (nicht halbiert) . 2. Quartal: 1.372,45 Ä _ (schon halbiert))“ geleistet wurden (S. 97/98 der Ermittlungsakte).
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Im Urteil des Landgerichts S-Stadt vom 29.06.2020, auf das die Beklagte in ihrem Bescheid Bezug nahm und mit dem P. wegen Betrugs in 17 Fällen sowie wegen Bestechung im Gesundheitswesen in 97 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten sowie seine Ehefrau wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt wurden, wird im Tatbestand ausgeführt, dass die Gelder ab Jahreswende 2015/2016 per DHL-Expressbrief in bar versandt oder persönlich übergeben worden seien. Der Kläger wurde in dem Urteil als einsendender Arzt ausgewiesen bis zum Quartal 1/2019. Weiter wird in dem Urteil ausgeführt, dass der Kläger von P. in den Quartalen 3/16 bis 4/17 Rückvergütungen in Höhe von insg. 12.135,72 Euro erhalten habe. Diese Feststellungen zur Höhe der geflossenen Bestechungsgelder beruhten auf Zeugenaussagen von zwei Polizeibeamten. Aus der Ermittlungsakte ergibt sich wiederum, dass die Feststellungen zu den Rückvergütungen betreffend den Kläger auf Hochrechnungen der Polizeibeamten anhand der eingesandten Proben beruhten. Belege für die an den Kläger bezahlten Rückvergütungen lagen nach der Aufstellung der Polizeibeamten nur bis zum Quartal 4/2015 vor.
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Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte sowie die vom Gericht beigezogene Akte des Ermittlungsverfahrens der S1. gegen den Kläger unter dem Aktenzeichen 33 JS 154/20. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die nach Zustellung des Bescheids am 10.01.2023 am 06.02.2023 als Anfechtungsklage statthafte Klage wurden fristgerecht erhoben und ist auch im Übrigen zulässig. Ein Vorverfahren musste nicht durchgeführt werden (§ 81 Abs. 5 S. 4 SGB V).
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In der Sache erweist die Klage sich aber als unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 05.10.2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
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Die Beklagte kann nach § 81 Abs. 5 SGB V iVm § 18 Abs. 1 ihrer Satzung in der vorliegend maßgeblichen, bis zum 23.07.2020 gültigen Fassung gegenüber Mitgliedern, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen, je nach Schwere der Verfehlung eine Verwarnung, einen Verweis oder eine Geldbuße bis zu 10.000 Euro aussprechen oder das Ruhen der Zulassung bis zu zwei Jahren anordnen.
13
Die formalrechtlichen Anforderungen an den Erlass eines Disziplinarbescheids nach § 18 der Satzung der Beklagten wurden vorliegend eingehalten. Der Kläger wurde § 18 Abs. 4 S. 4 der Satzung entsprechend informiert und angehört. Die Entscheidung wurde ausweislich der Beklagtenakte gemäß § 18 Abs. 5 S. 2 der Satzung schriftlich zu den Akten niedergelegt und von den Ausschussmitgliedern unterschrieben. Der Bescheid wurde außerdem mit Begründung und einer § 18 Abs. 5 S. 4 der Satzung entsprechenden Belehrung ausgefertigt und dem Klägerbevollmächtigten zugestellt. Anders als von Klägerseite vertreten führt die Tatsache, dass der Bescheid von S2., „stv. Vorsitzender des Ausschusses nach § 18 der Satzung der KVB“, der ausweislich der Niederschrift der Sitzung am 05.10.2022 vorsaß unterschrieben wurde, nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids. Nach § 18 Abs. 2 S.2 der Satzung sind für den Vorsitzenden sowie für die Beisitzer des Disziplinarausschusses Stellvertreter zu berufen. Zweck und auch Folge der Regelung einer Stellvertretung ist die Möglichkeit der Wahrnehmung der Geschäfte des Vertretenen durch den Stellvertreter. Die Satzung der Beklagten enthält insoweit keine Einschränkung der Befugnisse des Stellvertreters des Vorsitzenden des Disziplinarausschusses. Entsprechend dem Erfordernis der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Disziplinarausschusses erstreckt sich daher, wie von der Beklagten näher ausgeführt, die Befugnis des Stellvertreters des Vorsitzenden des Disziplinarausschusses auch auf die Ausfertigung des Disziplinarbescheids.
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Der streitgegenständliche Bescheid ist im Ergebnis auch materiell rechtmäßig. Es liegt eine schuldhafte Verletzung vertragsärztlicher Pflichten durch den Kläger vor, die die von der Beklagten verhängte Disziplinarmaßnahme rechtfertigt.
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Nach der vom Gericht vorzunehmenden vollumfänglichen Überprüfung des Vorliegens einer Pflichtverletzung durch den Kläger kann der vom Beklagten erhobene Vorwurf einer Pflichtverletzung nur betreffend den Zeitraum bis einschließlich Quartal 2/2016 aufrechterhalten werden.
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Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass der Kläger in den Quartalen 1/2015 bis 2/2016 sich von dem rechtskräftig unter anderem wegen Betrugs verurteilten P. die Übersendung von Proben in dessen Labor hat bezahlen lassen. Der Kläger hat eingeräumt, bis zum Quartal 4/2015 Rückvergütungen von P. für die Einsendung von Proben in dessen Labor erhalten zu haben, was auch durch die dem Gericht vorliegenden Ermittlungsakten gestützt wird. Für die Quartale 1/2016 und 2/2016 wiederum wurde der Erhalt von Zahlungen für die Einsendung von Proben seitens des Klägers einerseits indirekt eingeräumt, wenn mehrfach ausgeführt wurde, nach Einführung des § 299a StGB im Juni 2016 keine Zahlungen mehr angenommen zu haben. Daneben lässt sich dies auch aus dem in der Ermittlungsakte enthaltenen Emailverkehr zwischen Praxismitarbeitern des P. entnehmen sowie deren von Klägerseite angeführten Aussagen, wonach an den Kläger „nach“ Einführung des § 299a StGB und damit nach dem Quartal 2/2016, keine Zahlungen mehr getätigt wurden. Wie von der Beklagten ausführlich dargelegt, worauf seitens des Gerichts Bezug genommen wird, stellt dieses Verhalten eine Verletzung von vertragsärztlichen Pflichten dar. Die Tätigkeit als Vertragsarzt bringt es mit sich, dass der Kläger, wie auch in § 4 Abs. 2 der Satzung der Beklagten ausdrücklich festgehalten, an die Gesetze, insbesondere das SGB V gebunden und deshalb verpflichtet ist, bei Ausübung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit keine Gesetzesverstöße zu begehen (vgl. Hesral in in Ehlers, Disziplinarrecht für Ärzte und Zahnärzte, 2. Auflage 2013, Rn. 76). Wie im Disziplinarbescheid ausführlich dargelegt, hat der Kläger mit seinem Verhalten Beihilfe zum Betrug des P., der dafür rechtskräftig verurteilt wurde, geleistet. Der Kläger hat außerdem gegen seine Pflicht nach § 73 Abs. 7 SGB V, für die Zuweisung von Versicherten kein Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vorteile sich versprechen oder sich gewähren zu lassen sowie seine berufsrechtlichen Pflichten (§ 31 BOÄ) verstoßen.
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Wenn seitens der Beklagten weiter davon ausgegangen wurde, dass feststehe, dass der Kläger auch in den Quartalen 3/2016 bis 4/2017 (weiter) Rückvergütungen von P. für seine Einsendungen an dessen Labor erhalten hat, so kann dem nicht gefolgt werden. Dieser Sachverhalt wird vom Kläger bestritten und lässt sich nach Ansicht der Kammer auch aus dem Urteil des Landgerichts S-Stadt in Zusammenschau mit der beigezogenen Ermittlungsakte nicht zweifelsfrei entnehmen. Nach der von den Beteiligten zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung darf der Disziplinarausschuss seiner Entscheidung bei der Feststellung einer Pflichtverletzung staatsanwaltschaftliche Feststellungen oder die Feststellungen in Urteilen anderer Gerichte zugrunde legen, ist aber ebenso wie das Gericht gehalten, diese Erkenntnisse zu werten und kritisch zu würdigen. Vorliegend ist zu beachten, dass das von der Beklagten in Bezug genommene Urteil nicht gegenüber dem Kläger erging, diesem die Rechtskraft des Urteils also nicht per se entgegengehalten werden kann. Soweit im Tatbestand des gegen P. ergangenen Urteils ausgeführt wird, dass der Kläger in den Quartalen 3/16 bis 4/17 von P. Rückvergütungen in Höhe von insgesamt 12.135,72 Euro erhalten habe ist zu berücksichtigen, dass den Ermittlungsakten zu entnehmen ist, dass es sich insoweit um reine Hochrechnungen des mit den Ermittlungen befassten Polizeibeamten auf Grundlage der Einsendungen des Klägers handelt. Belege sowohl über die Höhe der berechneten Zahlungen als auch zur Frage, ob nach Quartal 2/16 überhaupt Zahlungen geflossen sind, lagen der Polizei auch nach Sichtung der bei den Durchsuchungen der Praxis und der Wohnräume des P. erlangten Unterlagen ausweislich der Ermittlungsakte nicht vor. Die von den Beteiligten zitierten Zeugenaussagen der P1. sowie der früheren Praxismitarbeiterin S. widerlegen Zahlungen nach dem Quartal 3/16 zwar nicht eindeutig, belegen diese aber auch nicht. In Ansehung dieser Beweislage sowie der Tatsache, dass ab dem Jahr 2016 Rückvergütungen nur noch in bar erfolgt sind und auch des Zeitablaufs ist auch dem Gericht eine Aufklärung der Frage, ob der Kläger in den Quartalen 3/16 bis 4/17 Rückvergütungen von P. in bar erhalten hat nicht mehr möglich. Auch wenn es Fragen aufwirft, warum der Kläger trotz des nach seiner Aussage im Jahr 2016 geweckten Unrechtsbewusstseins weiter Proben an das weit entfernte Labor im Saarland übersandt und außerdem eine Einstellung des Strafverfahrens gegen eine Auflage in doppelter Höhe wie die ursprünglich im Strafbefehlt ausgewiesene Geldstrafe akzeptiert hat, durfte die dem Kläger von der Beklagten für den Zeitraum nach dem Quartal 2/16 zur Last gelegte Pflichtverletzung und insbesondere die Begehung einer Straftat nach § 299a StGB der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme nicht zu Grunde gelegt werden.
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Die von der Beklagten festgestellte Pflichtverletzung in den Quartalen 1/2015 bis 2/2016 hat der Kläger auch vorwerfbar schuldhaft, zumindest fahrlässig begangen. Das von Klägerseite geltend gemachte Unrechtsbewusstsein führt, unabhängig von der Frage der Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens, grundsätzlich nicht dazu, dass dem Kläger die vertragsärztliche Pflichtverletzung nicht vorzuwerfen wäre. Nach langjähriger Rechtsprechung verliert ein vertragsärztlicher Pflichtverstoß nicht dadurch an Gewicht, dass der Betroffene in Unkenntnis war oder sich in einem Irrtum über die Rechtslage befand (BSG vom 14.03.2001, B 6 KA 67/00 R). Schließlich kann von einem Vertragsarzt erwartet werden, dass er die wesentlichen Pflichten kennt, da ansonsten seine Eignung fraglich wäre (so Hesral, aaO, Rn. 220 mwN). Die vom Kläger in den Quartalen 1/15 bis 2/16 zweifelsohne begangene Pflichtverletzung stellt einerseits ein strafbares Verhalten dar, der Kläger leistete Beihilfe zum Betrug des P. und andererseits einen Verstoß gegen wesentliche Vorschriften des Vertragsarztrechts (§ 73 Abs. 7 SGB V, § 31 BÄO iVm § 4 der Satzung der Beklagten). Von dem seit dem Jahr 2000 als Vertragsarzt tätigen Kläger konnte erwartet werden, dass er das grundlegende Verbot sowohl des Vertragsarztrechts als auch des von Vertragsärzten zu beachtenden Berufsrechts, sich für Zuweisungen kein Entgelt bezahlen zu lassen, kannte. Wie von der Beklagten angeführt, hätte sich der Kläger jedenfalls spätestens ab dem Zeitpunkt, als er Rechnungen über nicht entstandene Transportkosten ausstellte, informieren müssen.
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Der Ahndung dieser bis zum Quartal 2/2016 anhaltenden Pflichtverletzung steht auch nicht der Ablauf der in der Satzung der Beklagten enthaltenen Ausschlussfrist für die Beantragung einer Maßnahme entgegen. Nach § 18 Abs. 3 der Satzung können Disziplinarmaßnahmen nicht mehr beantragt werden, wenn seit dem Bekanntwerden der Verfehlung bei der Beklagten zwei Jahre oder seit der Verfehlung fünf Jahre vergangen sind. Bei Verfehlungen, die eine nach allgemeinem Strafrecht strafbare Handlung darstellen oder mit einer solchen im Zusammenhang stehen, kann der Antrag darüber hinaus solange gestellt werden, als die Strafverfolgung noch nicht verjährt ist. Ausweislich der Ermittlungsakten erfuhr die Beklagte am 09.09.2020, dass gegen den Kläger ermittelt wird. Im Mai 2020 hat sie erstmals Akteneinsicht in die Akten der Staatsanwaltschaft erhalten. Die Zweijahresfrist nach Bekanntwerden der Verfehlung wurde somit durch den Antrag des Vorstands der Beklagten am 18.07.2022 offensichtlich gewahrt. Soweit nach dem oben Ausgeführten dem Kläger eine Pflichtverletzung nur bis zum Quartal 2/2016 nachzuweisen ist, ist gilt weiter, dass es sich bei der Entgegennahme von Zahlungen in den Quartalen 1/2015 bis 2/2016 um eine einheitliche Pflichtverletzungshandlung handelte, unabhängig davon, ob sich diese in mehreren zeitlich zusammenhängenden Einzelakten immer wieder erneut manifestierte (Bayerisches LSG vom 25.11.2015, L 12 KA 120/14), so dass maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Ausschlussfrist das Ende des Quartal 2/2016 wäre. Die Antragstellung im Juli 2022 lag danach zwar mehr als fünf Jahre nach der Verfehlung. Dies steht einer Ahnung dieser Pflichtverletzung aber deshalb nicht entgegen, weil die dem Kläger vorgeworfene Pflichtverletzung wie oben ausgeführt eine Beihilfe zum Betrug und damit eine strafbare Handlung darstellt und außerdem im Zusammenhang mit dem Betrug des P. und damit einer strafbaren Handlung stand. Zwar gilt für die dem Kläger bzw. P. vorgeworfene Straftat nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB eine Verjährungsfrist von ebenfalls „nur“ fünf Jahren. Da nach den Ermittlungsakten mit Schreiben der S1. vom 09.04.2020 aber ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger unter anderem wegen Beihilfe zum Betrug ab dem Quartal 1/15 eingeleitet wurde, hat dies zur Folge, dass die Verjährung gem. § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB unterbrochen wurde und nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens im Februar 2022 gem. § 78c Abs. 3 StGB erneut begann. Die Ausschlussfrist des § 18 Abs. 3 der Satzung der Beklagten wurde damit durch den Antrag des Vorstands der Beklagten am 18.07.2022 gewahrt.
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Die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 5.000 Euro gegen den Kläger stellt sich schließlich auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nach gerichtlicher Prüfung nur ein Teil der dem Kläger im Disziplinarbescheid zur Last gelegten Pflichtverletzungen Bestand hat, als gerechtfertigt und damit als rechtmäßig dar. Was die Auswahl der Disziplinarmaßnahme betrifft, hat die Beklagte sowohl hinsichtlich der Art als auch des Umfangs ein Ermessen, das gerichtlich nur eingeschränkt auf das Vorliegen von Ermessensfehlern überprüfbar ist. Das Gericht hat dabei zu prüfen, ob die Behörde von einem richtigen und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und sich von sachgerechten Gründen hat leiten lassen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung folgt daraus aber nicht zwingend, dass eine Disziplinarmaßnahme aufgehoben werden müsste, weil einige der Pflichtverstöße, von denen der Disziplinarausschuss ausgegangen ist, wegfallen. Dies wird damit begründet, dass bei Disziplinarentscheidungen der Pflichtverstoß und die Rechtsfolge besonders eng verknüpft sind, was bedeutet, dass die Entscheidung über die Art der Maßnahme und über ihre Höhe durch Art, Schwere und Häufigkeit der Pflichtverstöße geprägt und der Spielraum nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erheblich eingeengt wird. Eine weitere Einengung ergibt sich aus der Funktion der Disziplinarmaßnahme, die die auf die Gegenwart und Zukunft gerichtete Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung bezweckt. Auch sonstige rechtsstaatliche Erwägungen sprechen für eine weitgehende gerichtliche Nachprüfbarkeit und erhebliche Verengung des Ermessensspielraums (ausführlich und grundlegend BSG vom 03.09.1987, 6 RKa 30/86). Nach dieser Rechtsprechung wird das Gericht, wenn von mehreren dem Disziplinarbescheid zugrundeliegenden Vorwürfen einige wegfallen möglicherweise aufgrund der bestehenbleibenden Vorwürfe die Rechtmäßigkeit des Bescheids bestätigen können. Dabei darf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit freilich nicht im Widerspruch zu den dargelegten Ermessenserwägungen des Disziplinarausschusses stehen (BSG aaO). Das Gericht hat danach das gesamte objektive und subjektive Verhalten im Rahmen der Verhältnismäßigkeitskontrolle zu würdigen und die Schwere der Verletzung in Beziehung zu Auswahl und Höhe der Maßnahme zu setzen (näher dazu Hesral, aaO, Rn. 362).
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Vor diesem Hintergrund war der Bescheid des Disziplinarausschusses nicht aufzuheben, auch wenn der verhängten Maßnahme nur die dem Kläger bis zum Quartal 2/2016 nachgewiesenen Pflichtverletzungen zugrunde gelegt werden durften. Die Beklagte hat eine Geldbuße im mittleren Bereich gewählt und zu Lasten des Klägers berücksichtigt, dass er gegen einen Grundsatz des Vertragsarztrechts und auch gegen Berufsrecht verstoßen hat. Ihm könne nicht zugute gehalten werden, dass er zumindest bis zum Inkrafttreten des § 99a StGB im Jahr 2016 von der Zulässigkeit der Zusammenarbeit mit dem Labor H. überzeugt gewesen sei, denn die sog. „Zuweisung gegen Entgelt“ sei vertragsarztrechtlich schon seit langer Zeit nicht zulässig und auch nicht berufsrechtlich. Zugunsten des Klägers wurde berücksichtigt, dass er bislang disziplinarisch nicht in Erscheinung getreten war. Wenn die Beklagte danach „im Hinblick auf die fortgesetzten vorsätzlichen Verstöße gegen elementare Pflichten“ eine Geldstrafe im mittleren Bereich ansetzte, dann rechtfertigen diese Erwägungen die Aufrechterhaltung des Bescheids und damit der verhängten Geldbuße. Auch der noch verbleibende Vorwurf der Zuweisung von Proben an das Labor H. gegen Entgelt über einen langen Zeitraum bis Mitte des Jahres 2016 stellt, auch wenn dieses Vorgehen bis zum Juni 2016 strafrechtlich noch nicht als Bestechlichkeit geahndet wurde, eine derart gravierende Verletzung von elementaren Pflichten eines Vertragsarztes dar, dass eine Geldbuße im mittleren Bereich in jeder Hinsicht gerechtfertigt erscheint. Dies auch in Ansehung der durch das Verbot des § 73 Abs. 7 SGB V geschützten, für das Arzt-Patientenverhältnis grundlegenden Rechtsgüter der therapeutischen Unabhängigkeit der Vertragsärzte bei der Behandlung Versicherter sowie der freien Arztwahl. Die verhängte Maßnahme liegt auch weder im oberen Bereich noch wird die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG berührt. Im Gegenteil erscheint sie vor dem Hintergrund, dass es sich bei der verbleibenden Pflichtverletzung um strafbares Verhalten handelte, das außerdem einen vorsätzlichen Verstoß gegen elementare Pflichten des Vertragsarztrechts darstellte, auf keinen Fall unverhältnismäßig.
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Die Entscheidung über die Kosten basiert auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.