Titel:
Prozessuale Tat bei Geschwindigkeitsüberschreitung – Berechnung des Toleranzwerts bei standardisiertem Messverfahren
Normenketten:
OWiG § 46 Abs. 1
StPO § 264
StVG § 24
StVO § 41 Abs. 1, § 49 Abs. 3 Nr. 4
Leitsätze:
1. Bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren bei anschließendem Anhalten bestimmt sich die prozessuale Tat nach § 264 StPO in erster Linie nach dem einem Betroffenen vorgeworfenen Fahrverhalten vor seiner Anhaltung. Exakte Tatzeit und exakter Tatort spielen eine untergeordnete Rolle. (Rn. 6)
2. Bei einer im standardisierten Messverfahren durchgeführten Geschwindigkeitsmessung ist der die technischen Unsicherheitsfaktoren abbildende Toleranzwert im Falle eines rechnerisch ermittelten Zwischenwerts immer auf den nächsthöheren ganzzahligen Wert aufzurunden. (Rn. 17)
Eine Tat im verfahrensrechtlichen Sinn liegt im Rahmen einer einheitlichen Fahrt dann vor, wenn mehrere Verstöße zu einem einheitlichen historischen Vorgang zusammengefasst werden können, wobei von besonderer Bedeutung ist, ob die Einzelverstöße räumlich und insbesondere zeitlich eng aufeinander folgen. Eine andere Tat im verfahrensrechtlichen Sinne ist regelmäßig erst dann gegeben, wenn das Fahrzeug des Betroffenen nicht nur verkehrsbedingt zum Stillstand gekommen und die Fahrt danach wieder fortgesetzt worden ist. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abrundung, Anhalten, Anknüpfungstatsache, Aufrundung, Beweiswürdigung, Billigkeit, Darlegungspflicht, eigene Sachentscheidung, einheitlicher historischer Vorgang, ergänzende Weisungen, Fahrlässigkeit, Fahrverbot, Fehleinschätzung, Gefahrenstelle, Gefahrzeichen, Geschwindigkeitsmessung, Geschwindigkeitsüberschreitung, historischer Geschehensablauf, Grenzwert, Höchstgeschwindigkeit, Irrtum, Kognitionspflicht, Kosten, Messung, Nachfahren, ProVida 2000 Modular, prozessuale Tat, Sachverständigengutachten, Schlussfolgerung, standardisiertes Messverfahren, Tatbestandsirrtum, Toleranz, Toleranzabzug, Unschärfe, Verfahrenshindernis, Verkehrslage, Vorsatz, VÜR, Wechselverkehrszeichenanlage, Zweifelsgrundsatz, zwischenzahlige Toleranzwerte, einheitliche Fahrt, mehrere Verstöße, Stillstand, Fortsetzung der Fahrt, Fahrverhalten
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2923
Tenor
I. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 24.10.2024 wird mit der Maßgabe verworfen, dass
a) der Betroffene des fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 50 km/h (anstatt 55 km/h) schuldig ist,
b) er deswegen zu einer Geldbuße von 320 Euro (anstatt 480 Euro) verurteilt wird und
c) dem Betroffenen für die Dauer von einem Monat verboten wird, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen, wobei das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
II. Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
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Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen mit Urteil vom 24.10.2024 wegen einer am 30.07.2023 erfolgten fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 55 km/h zu einer Geldbuße von 480 Euro und verhängte ein mit der Vollstreckungserleichterung nach § 25 Abs. 2a StVG versehenes Fahrverbot für die Dauer von einem Monat.
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Mit der gegen diese Entscheidung geführten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.
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Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 OWiG statthafte und im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
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1. Ein Verfahrenshindernis liegt allerdings nicht vor. Der Betroffene wurde wegen der im Bußgeldbescheid beschriebenen Tat i.S.d. § 264 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG verurteilt.
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a) Zwar können unterschiedliche Taten im verfahrensrechtlichen Sinn im Rahmen einer einheitlichen Fahrt u.U. auch dann angenommen werden, wenn dabei in unterschiedlichen Verkehrslagen mehrfach gegen Verkehrsvorschriften verstoßen wurde (BayObLG, Beschluss vom 26.10.2001 – 2 ObOWi 407/01 = BayObLGSt 2001, 134 m.w.N). Eine Tat liegt jedoch vor, wenn mehrere Verstöße zu einem einheitlichen historischen Vorgang zusammengefasst werden können, wobei von besonderer Bedeutung ist, ob die Einzelverstöße räumlich und insbesondere zeitlich eng aufeinander folgen (BayObLG a.a.O.). Eine andere Tat im verfahrensrechtlichen Sinne wäre regelmäßig erst dann gegeben, wenn das Fahrzeug des Betroffenen nicht nur verkehrsbedingt zum Stillstand gekommen und die Fahrt danach wieder fortgesetzt worden wäre (BayObLG, Beschluss vom 16.01.1997 – 1 ObOWi 801/96 bei juris Rn. 7 = BayObLGSt 1997, 17 m.w.N.). Denn unter Berücksichtigung normaler Verhältnisse im Straßenverkehr ist ein Verkehrsvorgang, der für sich allein betrachtet noch als einheitlicher historischer Geschehensablauf anzusehen ist, erst mit dem Abstellen des Fahrzeugs beendet (BayObLG, Beschluss vom 16.01.1997 a.a.O.). Selbst bei genauer zeitlicher Konkretisierung mehrerer Geschwindigkeitsüberschreitungen würde in diesem Fall der Kognition des Gerichts in verfahrensrechtlicher Hinsicht der Zeitraum zwischen zwei nicht verkehrsbedingten Anhaltevorgängen unterliegen (BayObLG, Beschluss vom 25.02.1997 – 2 ObOWi 65/97 bei juris = BayObLGSt 1997, 40).
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Bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren handelt es sich zudem naturgemäß um einen Vorgang, der in örtlicher und zeitlicher Hinsicht gegenüber einer stationären Geschwindigkeitskontrolle eine gewisse Unschärfe aufweist. Somit kommt weniger der Tatzeit und dem Tatort, sondern in erster Linie dem Tatbild, also dem Fahrverhalten eines Betroffenen vor seiner Anhaltung und der Eröffnung des Tatvorwurfs die entscheidende Bedeutung bei der Beurteilung des Begriffs der prozessualen Tat zu.
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b) Die Anwendung der vorgenannten Grundsätze führt dazu, dass das zur Aburteilung gelangte Verhalten sich – ungeachtet geringer Abweichungen hinsichtlich Tatzeit (12:18 Uhr anstatt 12:15 Uhr) und Tatort (Gemeinde A anstatt Gemeinde B) – als die gleiche prozessuale Tat i.S.d. § 264 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG darstellt, die dem Bußgeldbescheid zugrunde liegt. Da die Polizeibeamten das auf einer Bundesautobahn gezeigte Fahrverhalten des Betroffenen erst wahrnehmen und die Messung vorbereiten und durchführen mussten, was einen gewissen zeitlichen Aufwand bedeutet, besteht kein Zweifel daran, dass zwischen dem im Bußgeldbescheid genannten Zeitpunkt/Ort und dem Zeitpunkt/Ort der Messung keine zwischenzeitliche Beendigung der Fahrt des kontrollierten Fahrzeugs stattgefunden hatte. Da der Betroffene nach seiner Anhaltung auch nur mit einem einzigen Vorwurf eines Verkehrsverstoßes konfrontiert wurde, war klar, dass dieser das gesamte von der Polizei wahrgenommene, sich über einen gewissen Zeitraum erstreckende Fahrverhalten des Betroffenen in ein und derselben Beobachtungs- und Verkehrslage betraf.
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2. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Rechtsbeschwerde ergibt, dass die Beweiswürdigung des Amtsgerichts zur Höhe der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung von 55 km/h durchgreifend lückenhaft ist (§ 267 StPO i.V.m. §§ 71 Abs. 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).
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a) Das Amtsgericht hat festgestellt, dass die Messung mit dem Messsystem ProVida 2000 Modular im Rahmen einer Nachfahrmessung im Modus SPLIT durchgeführt wurde und die zulässige Höchstgeschwindigkeit an der Messstelle 100 km/h betrug. Es hat sich sodann ausführlich mit dem von ihm eingeholten Gutachten des Sachverständigen X zur Ordnungsmäßigkeit der Messung beschäftigt und keine Anhaltspunkte für diesbezügliche Unregelmäßigkeiten festgestellt. Es hat dann seinen Urteilsfeststellungen jedoch gerade nicht die nach seinen Feststellungen durch Nachfahren gemessene Geschwindigkeit von 158 km/h (abzüglich des Toleranzabzugs von 5%) zugrunde gelegt, sondern eine vom Sachverständigen individuell ermittelte Geschwindigkeit von wenigstens 155 km/h. Die Beweiswürdigung erschöpft sich in folgender Erwägung:
„Bei Zugrundelegung eines technischen Maximalfehlers – völlig unabhängig von der polizeilichen Messung – betrage die nachweisbare Mindestgeschwindigkeit des Messfahrzeugs 155 km/h. Somit liege die sicher nachweisbare Geschwindigkeit 4 km/h über dem polizeilichen Messwert.“
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Diese Ausführungen genügen nicht der tatrichterlichen Darlegungspflicht; sie belegen nicht in einer durch das Rechtsbeschwerdegericht überprüfbaren Weise die vom Amtsgericht festgestellte Geschwindigkeit von mindestens 155 km/h.
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b) Wenn sich ein Tatrichter auf sachverständige Angaben stützt und ihnen Beweisbedeutung beimisst, muss er auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (st. Rspr. vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 10.10.2024 – 4 StR 173/24; v. 02.04.2020 – 1 StR 28/20; BayObLG, Beschluss vom 21.11.2022 – 201 ObOWi 1291/22 jew. bei juris m.w.N.).
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Das ist hier nicht der Fall. Das Amtsgericht teilt lediglich das vom Sachverständigen gefundene Ergebnis mit, ohne auch nur andeutungsweise zu erläutern, von welchen Anknüpfungspunkten dieser ausgegangen ist und auf welchem Weg er zu der von ihm ermittelten – von den Ergebnissen des standardisierten Messverfahrens zum Nachteil des Betroffenen abweichenden – Mindestgeschwindigkeit gelangt ist. Damit kann der Senat nicht nachprüfen, ob die Feststellungen des Gerichts auf einer nachvollziehbaren Grundlage beruhen.
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3. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Rechtsbeschwerde ergibt allerdings, dass sich der Betroffene jedenfalls einer fahrlässig begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung von 50 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften schuldig gemacht hat.
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a) Das Amtsgericht hat festgestellt, dass die Geschwindigkeitsmessung mit dem im Modus SPLIT betriebenen Messsystem ProVida 2000 Modular ordnungsgemäß durchgeführt wurde und ausweislich des Tatvideos eine Geschwindigkeit von 158 km/h gemessen wurde. Anhaltspunkte für Fehler im Rahmen der Messung hat weder der Sachverständige noch das Gericht festzustellen vermocht. Gegen diese Feststellungen, die eine Messung im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens belegen (OLG Bamberg, Beschluss vom 25.01.2017 – 3 Ss OWi 1582/16 bei juris m.w.N.), ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Sie bilden somit die Grundlage einer ausreichenden und nachvollziehbaren Beweiswürdigung (vgl. BGHSt 39, 291 (293).
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b) Von der gemessenen Geschwindigkeit von 158 km/h ist ein Toleranzabzug von 5% und damit 8 km/h vorzunehmen, so dass dem Betroffenen lediglich eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 50 km/h vorwerfbar ist.
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Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach lediglich 7 km/h (abgerundet) abzuziehen seien, ist zum einen nicht mit den in den Urteilsgründen wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen vereinbar, der von einem technisch maximalen Fehler für die Wegstreckenerfassung (mithin einem Toleranzwert) von 8 km/h ausgegangen ist. Sie würde zudem tatsächliche Unsicherheiten im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung zum Nachteil des Betroffenen werten und damit gegen den im Rahmen der Beweiswürdigung (§ 261 StPO) anzuwendenden Zweifelsgrundsatz verstoßen.
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aa) Da das Ergebnis einer Geschwindigkeitsmessung immer in ganzzahligen Werten anzugeben ist (OLG Hamm, Urt. v. 15.12.2003 – 1 Ss (OWi) 234 B/03 bei juris; OLG Brandenburg DAR 2005, 97), was schon daraus folgt, dass der BKatV Zwischenwerte fremd sind, sind solche jeweils zu runden. Die Rundung rechnerisch ermittelter zwischenzahliger Toleranzwerte muss immer durch Aufrundung zugunsten des Betroffenen auf ganze km/h-Werte erfolgen (Nr. 3.1 Ziff. 7 der Ergänzenden Weisungen zu der Richtlinie über die polizeiliche Verkehrsüberwachung (VÜR); vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 07.06.2011 – 1 RBs 75/11 bei juris Nr. 6; von 7,05 km/h auf 8 km/h), und zwar auch dann, wenn – wie hier bei einem rechnerisch ermittelten Wert von 7,9 km/h ohnehin nicht – die Mathematik eine Abrundung nahelegen würde. Dies folgt aus der Überlegung, dass ohne Rundung des Zwischenwerts ein in der BKatV normierter Grenzwert, ab dem regelmäßig bestimmte Sanktionen zu verhängen oder zu verschärfen sind (hier: Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mindestens 51 km/h), eben nicht gänzlich erreicht wäre (hier: Überschreitung von rechnerisch nur 50,1 km/h). Die Abrundung eines zu berücksichtigenden Toleranzwertes würde sich im Übrigen spiegelbildlich zum Nachteil des Betroffenen dahingehend auswirken, dass ihm nicht mehr der ganze, sämtliche technische Unsicherheitsfaktoren abbildende Toleranzwert von 5% (vorliegend nur noch 4,4%) zugutekäme.
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bb) Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, dass unter Berücksichtigung des beim vorliegenden Messverfahren zur Anwendung zu bringenden Toleranzabzugs von 5% (Nr. 3.1 Ziff. 2.4 und Ziff. 7.1 VÜR) bei einer Geschwindigkeit von 158 km/h jener rechnerisch 7,9 km/h und damit aufgerundet 8 km/h (und nicht 7 km/h) beträgt. Genau dieser Unterschied ist rechtlich bedeutsam, denn ausgehend von einer vor Toleranzabzug gemessenen Geschwindigkeit von 158 km/h liegt lediglich eine vorwerfbare Geschwindigkeitsüberschreitung von nur 50 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften vor.
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c) Das Urteil des Amtsgerichts ist nicht deshalb lückenhaft, weil die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h auf einer Wechselverkehrszeichenanlage zusammen mit einem Gefahrzeichen (Anlage 1 Lfd. Nr. 1 zu § 40 Abs. 6 und 7 StVO [Zeichen 101]) angeordnet wurde und sich nach der – nicht widerlegten – Einlassung des Betroffenen 200 m dahinter ein liegengebliebenes Fahrzeug auf dem Standstreifen befunden hat. Die Urteilsausführungen tragen auch im Hinblick auf diesen Einwand jedenfalls den Vorwurf fahrlässigen Verhaltens.
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aa) Den Urteilsfeststellungen lässt sich entnehmen, dass die Wechselverkehrszeichenanlage Teil einer Serie von Anlagen war, welche die erlaubte Geschwindigkeit im weiteren Verlauf weiter auf 80 km/h beschränkten. Hieraus ergibt sich zwanglos, dass nicht das liegengebliebene Fahrzeug die Gefahrenstelle darstellte, sondern diese erst im weiteren Verlauf der Fahrbahn folgte und somit ein Fall der Anl. 2 Lfd. Nr. 55 zu § 41 Abs. 1 StVO (zweifelsfreies Nichtmehrbestehen der Gefahr) gerade nicht vorlag. Der Betroffene befand sich somit allenfalls in einem die örtlichen Umstände betreffenden Irrtum dahingehend, dass er die Gefahrenstelle entgegen seiner Annahme gerade nicht passiert hatte, sondern die Gefahr weiterhin objektiv bestand und die streckenbezogene Geschwindigkeitsbeschränkung deshalb noch fortgalt.
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bb) Der Betroffene unterlag somit einer Fehleinschätzung der Örtlichkeiten und einem Irrtum in tatsächlicher Hinsicht hinsichtlich eines Umstandes, der zum gesetzlichen Tatbestand (Nichtmehrbestehen einer Gefahr) gehört (OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.11.2022 – 2 OLG 53 Ss-OWi 388/22 bei juris Rn. 8). Bei dieser Sachlage ist zwar für die Annahme vorsätzlichen Verhaltens kein Raum (§ 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG), der Betroffene handelte jedoch fahrlässig (§ 11 Abs. 1 Satz 2 OWiG), da allein schon in Anbetracht des vom Amtsgericht festgestellten langsamen Verkehrsflusses auch ohne weiteres vermeidbar war.
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4. Im Hinblick auf den nicht unerheblichen Zeitraum von eineinhalb Jahren seit Begehung der Tat und die daraus resultierende Eilbedürftigkeit entscheidet der Senat nach § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst. Entgegen dem Wortlaut dieser Vorschrift kann er dabei auch ohne vorherige Aufhebung des angefochtenen Urteils selbst entscheiden, soweit er der angegriffenen Entscheidung im Ergebnis folgt (vgl. BayObLGSt 1997, 111 m.w.N.).
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Der Senat erkennt auf das nach §§ 41 Abs. 1, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, §§ 24, 25 StVG, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV, § 17 OWiG, Lfd. Nr. 11.3.7 BKat regelmäßig zu verhängende Bußgeld für eine fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 50 km/h in Höhe von 320 Euro sowie auf das im Regelfall zu verhängende Fahrverbot von 1 Monat und verbindet dies mit einer Anordnung nach § 25 Abs. 2a StVG.
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Solange, wie hier, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen außergewöhnlich gut oder schlecht sind, sind weitergehende Feststellungen zu diesen entbehrlich, wenn die im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelgeldbuße verhängt wird (BayObLG, Beschluss vom 10.07.2023 – 201 ObOWi 621/23 bei juris m.w.N.). Besondere Härten hinsichtlich der Anordnung und der Dauer des Fahrverbots sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Angesichts eines Zeitraums von weniger als 2 Jahren seit Begehung der Tat hat die Anordnung des Fahrverbots als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme ihren Sinn auch noch nicht verloren (BayObLG a.a.O.).
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG. Von einer Billigkeitsentscheidung gemäß § 473 Abs. 4 StPO wird abgesehen, weil im Hinblick auf den umfassenden Rechtsmittelangriff nicht anzunehmen ist, dass der Betroffene die Rechtsbeschwerde nicht eingelegt hätte, wenn schon das angefochtene Urteil so gelautet hätte wie die vorliegende Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
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Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.
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Der Beschluss wird mit Ablauf des Tages seines Erlasses rechtskräftig (§ 34a StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG).