Inhalt

VGH München, Urteil v. 08.10.2025 – 8 A 24.40000
Titel:

Klage eines Eigentümers gegen Planfeststellungsbeschluss zur Herstellung eines Hochwasserrückhaltebeckens

Normenketten:
BayVwVfG Art. 73 Abs. 1, Abs. 2
WHG § 67 Abs. 2 S. 3, § 68, § 70 Abs. 1 S. 1
UmwRG § 6
Leitsätze:
1. Unterlagen zur Berechnung der Dimensionierung einer planfestgestellten Hochwasserschutzmaßnahme sind nicht auszulegen, weil sie für die Anstoßwirkung nicht relevant sind. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sind Betroffene der Auffassung, dass sie einzelne, nicht ausgelegte Unterlagen zur effektiven Rechtsverteidigung benötigen, können sie schon im Verwaltungsverfahren einen Antrag auf Akteneinsicht in die von der Planfeststellungsbehörde geführten oder beigezogenen Akten stellen (Folgend BVerwG BeckRS 2020, 24983). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Frage, ob Versicherungsschutz für ein nahe eines planfestgestellten Hochwasserrückhaltebeckens gelegenes (Wohn-)Gebäudes erlangt werden kann, wohl um keinen Belang, der direkt in die Abwägung einzustellen ist. (Rn. 65) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
wasserrechtliche Planfeststellung für ein Hochwasserrückhaltebecken, öffentliche Auslegung von Gutachten, Dimensionierung (Alternativen), Niederschlags-Abfluss-Modell, erdrückende Wirkung (verneint), Wertminderung, Hochwasserrückhaltebecken, Auslegung, Planfeststellungsbeschluss, Wasserrecht, Hochwasserschutzmaßnahme, erdrückende Wirkung, Überflutungsgefahr, Dimensionierung, Dammbruch, Versicherungsschutz
Fundstelle:
BeckRS 2025, 29161

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich de außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 5. Dezember 2023 zur Herstellung des Hochwasserrückhaltebeckens „Einbergfeld“.
2
Die beigeladene Marktgemeinde plant die Errichtung eines Hochwasserrückhaltebeckens am Hennigbach im südwestlichen Gemeindegebiet. Ziel des Vorhabens ist es, bebaute Ortsteile vor bis zu 100-jährlichen Hochwasserereignissen plus Klimaänderungsfaktor (HQ100+15%) zu schützen. Das Dammbauwerk hat eine Länge (Mittelachse) von ca. 207 m und ist bis zu 6,5 m hoch. Das Stauvolumen beträgt ca. 223.000 m3; es wird ein natürlicher Retentionsraum im Bereich der Bachzuläufe aktiviert.
3
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … Gemarkung M* … … (** … … … **), das von dem Vorhaben im Umfang von 1.018 m2 dauerhaft und von 383 m2 vorübergehend in Anspruch genommen wird. Das Doppelhaus auf den Grundstücken FlNr. … und … liegt nördlich des geplanten Damms in einem Abstand (geringste Entfernung) von ca. 22,5 m zum Dammfuß.
4
Die Planunterlagen wurden vom 14. Juni bis 13. Juli 2021 ausgelegt. Der Kläger erhob fristgerecht Einwendungen. Am 6. März 2023 fand ein Erörterungstermin statt.
5
Der Planfeststellungsbeschluss wurde unter dem 5. Dezember 2023 erlassen.
6
Der Kläger hat hiergegen am 8. Januar 2024 Klage erhoben. Bemessungsnachweise seien nicht ausgelegt worden. Das Vorhaben sei überdimensioniert. Die erdrückende Wirkung auf sein Grundstück sei mit schonenderen Alternativen zu vermeiden (niedrigerer Damm 50 m südwestlich; Verschwenkung der Achse; gesteuertes Becken; Abgrabung im Staubereich; Renaturierung). Das Vorhaben gefährde die Bewohner. Ein Versicherungsschutz für Elementarschäden am Gebäude sei nicht mehr zu erlangen. Der Grundstückswert werde massiv gemindert. Die Wohn- und Lebensqualität verschlechtere sich unzumutbar; die Vorbelastung durch Bahnlinie, Umspannwerk und Hochspannungsleitung hätte zu seinen Gunsten berücksichtigt werden müssen.
7
Der Kläger beantragt,
8
den Planfeststellungsbeschluss des Landratsamts ... vom 5.12.2023, Az. 44/641-2 M* … …Gemeinde, aufzuheben,
9
hilfsweise festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf.
10
Der Beklagte und der Beigeladene beantragen jeweils,
11
die Klage abzuweisen.
12
Sie treten dem Vorbringen des Klägers im Einzelnen entgegen.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten und der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
A.
15
Die Klage ist zulässig.
16
Der Kläger ist als Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, das für das Vorhaben in Anspruch genommen wird, insbesondere klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO).
B.
17
Die Klage ist jedoch unbegründet.
18
Der Kläger hat keinen Rechtsfehler aufgezeigt, der zur vollständigen oder teilweisen Aufhebung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder Rechtswidrigkeitserklärung (Art. 75 Abs. 1a BayVwVfG) des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses führt.
19
Die Planfeststellung findet ihre Rechtsgrundlage in § 68 WHG. Das streitgegenständliche Hochwasserrückhaltebecken steht nach § 67 Abs. 2 Satz 3 WHG einem Gewässerausbau gleich (vgl. BayVGH, U.v. 29.11.2019 – 8 A 18.40005 – juris Rn. 24).
20
Der Kläger ist hinsichtlich der planfestgestellten Hochwasserschutzmaßnahme enteignungsbetroffen, sodass ihm ein Anspruch auf gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses auf seine objektive Rechtmäßigkeit (sog. Vollüberprüfungsanspruch) zusteht, soweit der geltend gemachte Fehler für die Inanspruchnahme seines Grundstücks kausal ist (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 – juris Rn. 26 ff.; U.v. 12.8.2009 – 9 A 64.07 – BVerwGE 134, 308 – juris Rn. 24).
21
I. Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an den gerügten formellen Fehlern.
22
1. Die öffentlich ausgelegten Unterlagen waren nicht unvollständig.
23
Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 WHG i.V.m. i.V.m. Art. 73 Abs. 1 und 2 BayVwVfG ist „der Plan“ auszulegen; dieser wiederum besteht „aus den Zeichnungen und Erläuterungen, die das Vorhaben, seinen Anlass und die von dem Vorhaben betroffenen Grundstücke und Anlagen erkennen lassen“. Die Auslegung muss dabei nicht alle Unterlagen umfassen, die möglicherweise zur vollständigen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Planung erforderlich sind. Sie kann sich vielmehr auf die Unterlagen beschränken, die der Einzelne bedarf, um als Laie den Grad seiner Beeinträchtigung abschätzen und ihm das Interesse, Einwendungen zu erheben, bewusst machen zu können (Anstoßwirkung). Welche Unterlagen hierzu gehören, beurteilt sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalles. Unterlagen sind grundsätzlich dann auszulegen, wenn sich erst aus ihnen abwägungserhebliche Auswirkungen auf die Belange potenziell Betroffener ergeben, diese also nur bei ihrer Kenntnis sachkundige Einwendungen erheben können; ergänzt ein Gutachten dagegen nur ausgelegte Planungsunterlagen, muss es nicht mit ausgelegt werden (vgl. BVerwG, U.v. 2.7.2020 – 9 A 19.19 – BVerwGE 169, 94 – juris Rn. 18; U.v. 5.10.2021 – 7 A 13.20 – BVerwGE 173, 296 – juris Rn. 32; U.v. 3.4.2019 – 4 A 1.18 – BVerwGE 165, 166 – juris Rn. 16).
24
Gegenstand der öffentlichen Auslegung waren vorliegend die Antragsunterlagen sowie die von der Planfeststellungsbehörde eingeholten fachlichen Gutachten (vgl. Bekanntmachung, Behördenakte [BA] S. 325). Hieraus konnten Betroffene die Dimensionen des geplanten Damms (vgl. Anlage 3.1 der Antragsunterlagen [Lageplan und Talquerschnitt]) und die Inanspruchnahme privater Grundstücke (vgl. Anlage 8.3 [Grunderwerbslageplan]) klar erkennen. Unterlagen zur Berechnung der Dimensionierung, die der Kläger als „Bemessungsnachweise“ bezeichnet, sind für die Anstoßwirkung nicht relevant. Ihre Auslegung würde zur Unübersichtlichkeit (Überfrachtung) der Öffentlichkeitsbeteiligung und damit zu weniger und nicht mehr Transparenz führen (vgl. BVerwG, U.v. 2.7.2020 – 9 A 19.19 – BVerwGE 169, 94 – juris Rn. 24).
25
Sind Betroffene der Auffassung, dass sie einzelne, nicht ausgelegte Unterlagen zur effektiven Rechtsverteidigung benötigen, können sie schon im Verwaltungsverfahren einen Antrag nach Art. 72 Abs. 1 und Art. 29 BayVwVfG auf Akteneinsicht in die von der Planfeststellungsbehörde geführten oder beigezogenen Akten stellen (vgl. BVerwG, U.v. 2.7.2020 – 9 A 19.19 – BVerwGE 169, 94 – juris Rn. 24). Dem Kläger wurde schon vor der Auslegung Akteneinsicht gewährt (vgl. BA S. 17); zudem hat ihm das Landratsamt vorab die Antragsunterlagen und das EGL-X-Modell (vgl. dazu unten Rn. 46) überlassen, das die Gutachterin des Beigeladenen zur Bemessung des erforderlichen Speichervolumens des Hochwasserrückhaltebeckens aufgestellt hat (vgl. BA S. 186).
26
2. Die Planfeststellungsbehörde hat den Kläger auch sonst nicht durch rechtswidrige Verweigerung von Akteneinsicht (§ 70 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 WHG, Art. 72 Abs. 1, Art. 29 BayVwVfG) bei der Verfolgung seines Rechtschutzbegehrens behindert.
27
Vielmehr ist der Einwand des Klägers, ihm sei trotz mehrfachen Nachsuchens keine Einsicht in die „Bemessungsnachweise“ gewährt worden, unberechtigt. Die Dimensionierung des Hochwasserrückhaltebeckens wurde anhand des Programms EGL-X auf Basis eines Niederschlags-Abfluss-Modells (N-A-Modell) ermittelt (vgl. Wasserwirtschaftsamt [WWA], Gutachten vom 16.12.2019 S. 6 ff. [BA S. 144 ff.], Stellungnahmen vom 10.2.2020 S. 1 ff. [BA S. 156 ff.] und vom 20.12.2021 S. 4 [BA S. 490]; Erläuterungsbericht [EB] S. 21 f.; Niederschrift Erörterungstermin vom 6.3.2023 S. 4 f. [BA S. 653 f.]). Dem Kläger wurden das Modell (vgl. E-Mail vom 20.3.2020 BA S. 186) sowie die Eingabedaten (vgl. E-Mail vom 12.1.2023 BA S. 600) übersandt. Zu seinen Einwendungen im Anhörungsverfahren leitete ihm das Landratsamt eine Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts weiter (vgl. E-Mail vom 10.5.2022 BA S. 533). Es folgte am 19. Oktober 2022 eine Besprechung von Vertretern des Landratsamts, des Vorhabenträgers (mit Gutachter) und des Wasserwirtschaftsamts mit dem Kläger, bei der u.a. die Bemessung erörtert wurde (vgl. Aktenvermerk vom 26.10.2022 BA S. 583 f.). Im November 2022 fand eine weitere Besprechung der Gutachterin des Beigeladenen mit dem Kläger statt, an der auch ein Vertreter des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands teilnahm (vgl. BA S. 586 und 594). Kurz vor dem Erörterungstermin am 6. März 2023 wurde dem Kläger eine weitere Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts zur Modellierung übermittelt (vgl. BA S. 648 f.). Nach dem Erörterungstermin ließ der Beigeladene einen ergänzenden Fachbeitrag mit Erläuterungen zu Fragen des Klägers betreffend die Eingabeparameter Landnutzung, Niederschlagshöhe und Abflussbeiwerte erstellen (vgl. EGL-X BA S. 675 ff.), der dem Kläger ebenfalls überlassen wurde (vgl. E-Mail vom 6.4.2023 BA S. 684).
28
Weitere relevante Aktenbestandteile zur Bemessung der Dimensionierung des Vorhabens, die dem Kläger nicht zur Einsicht überlassen worden wären, hat dieser nicht benannt; solche ergeben sich auch nicht aus den vorgelegten Behördenakten. Soweit der Kläger die Dimensionierung für nicht hinreichend nachgewiesen hält und weitere Unterlagen vermisst, betrifft sein Vorbringen nicht die formelle Seite der Akteneinsicht, sondern die materiell-rechtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses.
29
II. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinen materiellen Rechtsfehlern.
30
1. Das Vorhaben ist planerisch gerechtfertigt.
31
Ist die Planrechtfertigung nicht bereits gesetzlich bestimmt, erfordert sie die Prüfung, ob ein Vorhaben mit den Zielen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes übereinstimmt (fachplanerische Zielkonformität) und ob es für sich in Anspruch nehmen kann, in der konkreten Situation erforderlich zu sein. Dies ist nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens erfüllt, sondern schon dann, wenn dieses vernünftigerweise geboten ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, U.v. 11.8.2016 – 7 A 1.15 – BVerwGE 156, 20 – juris Rn. 58; U.v. 16.3.2006 – 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 – juris Rn. 182). Die Planrechtfertigung unterliegt grundsätzlich der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, so dass es nicht ausschließlich auf die im Planfeststellungsbeschluss angegebene Begründung ankommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.11.2020 – 4 A 13.18 – juris Rn. 35).
32
Ausgehend davon ist das Vorhaben planerisch gerechtfertigt. Das vom Vorhabenträger verfolgte Ziel, sein bebautes Ortsgebiet vor Hochwassergefahren zu schützen (vgl. PFB S. 27; EB S. 17), stellt ein maßgebliches Ziel des Wasserhaushaltsgesetzes und des Bayerischen Wassergesetzes dar und ist wesentlicher Bestandteil des wasserhaushaltsgesetzlichen Bewirtschaftungssystems (vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2019 – 8 AS 19.40002 u.a. – BayVBl 2020, 49 – juris Rn. 22). Der Schutz vor Hochwasser und Überschwemmungen wird dort explizit angesprochen oder als übergeordnete Zielsetzung vorausgesetzt (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, §§ 72 ff. WHG, Art. 43 ff. BayWG). Auch im europäischen Recht ist die wirksame Hochwasservorsorge und Begrenzung von Hochwasserschäden von überragender Bedeutung (vgl. die RL 2007/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken, ABl. L 288 vom 6.11.2007 S. 27).
33
Für den Bau des Hochwasserrückhaltebeckens „Einbergfeld“ besteht ein konkretes Bedürfnis. Die am Hennigbach im Ortsgebiet des Beigeladenen bei Starkregenereignissen abfließenden Wassermassen, die mit dem geplanten Vorhaben zurückgehalten werden sollen, haben in der Vergangenheit wiederholt zu Überflutungen im Ortsbereich des Beigeladenen geführt (vgl. WWA, Gutachten vom 16.12.2019 S. 4; EB S. 11 ff.). Die betroffenen Ortsbereiche sind seit langem als Überschwemmungsgebiet festgesetzt (vgl. Verordnung des Landratsamts ... vom 6.4.1998).
34
Die Frage der zutreffenden Dimensionierung des geplanten Hochwasserrückhaltebeckens betrifft nicht die Rechtfertigung des Vorhabens schlechthin, sondern ist im Rahmen des Abwägungsgebots zu würdigen (vgl. BVerwG, U.v. 30.5.1984 – 4 C 58.81 – BVerwGE 69, 256 – juris Rn. 50; U.v. 5.12.1986 – 4 C 13.85 – BVerwGE 75, 214 – juris Rn. 124; U.v. 30.5.2012 – 9 A 35.10 – NVwZ 2013, 147 – juris Rn. 47).
35
2. Das Vorhaben verstößt nicht gegen zwingende wasserrechtliche Vorschriften.
36
Ein Versagungsgrund nach § 68 Abs. 3 Nr. 1 WHG liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist der Planfeststellungsbeschluss zu versagen, wenn zu erwarten ist, dass das Vorhaben das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigt, insbesondere durch eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwasserrisiken oder durch eine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern.
37
Die von dem Kläger angeführte vermeintliche Überflutungsgefahr auf seinem Grundstück ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Ob der Ausbau eines Gewässers die Hochwassergefahr erheblich, dauerhaft und nicht ausgleichbar erhöht, ist nicht für einzelne Grundstücke, sondern bezogen auf den räumlichen Einwirkungsbereich des Vorhabens insgesamt zu beurteilen. Sofern ein dem Hochwasserschutz dienender Gewässerausbau insgesamt zu einer Verringerung der Hochwassergefahr führt, würde eine mit dem Ausbau verbundene lokale Erhöhung der Stau-, Grund- und Druckwassergefahren keine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit darstellen. Derartige Folgeprobleme einer Hochwasserschutzmaßnahme wären im Planfeststellungsverfahren insbesondere durch die Anordnung von Schutzmaßnahmen zu bewältigen (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2015 – 7 C 15.13 – NVwZ 2016, 308 – juris Rn. 40 f.).
38
Im Übrigen hat der amtliche Sachverständige eine vorhabenbedingte Gefahr der Überflutung des klägerischen Grundstücks unter Verweis auf die hydraulischen Berechnungen der Gutachterin des Vorhabenträgers (Anlage 2.4 der Antragsunterlagen) für verschiedene Hochwasserszenarien (bis HQ100+15%) plausibel verneint (vgl. WWA, Stellungnahme vom 25.4.2024 S. 3 = elektronische Gerichtsakte [eGA] S. 261/263). Für ein Extremhochwasser (HQextrem), bei dem die Hochwasserentlastung anspringt, gilt nichts anderes (vgl. WWA, Stellungnahme vom 20.12.2021 S. 3 [BA S. 490]).
39
3. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinem erheblichen Abwägungsmangel.
40
Das fachplanerische Abwägungsgebot verlangt, dass – erstens – eine Abwägung überhaupt stattfindet, – zweitens – in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und – drittens – weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Diese beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots daher auf die Frage, ob die Verwaltungsbehörde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie – auf der Grundlage des derart zutreffend ermittelten Abwägungsmaterials – die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 25.5.2023 – 7 A 7.22 – BVerwGE 179, 30 – juris Rn. 46; U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – BVerwGE 176, 94 – juris Rn. 152). Daran gemessen weist der Planfeststellungsbeschluss keine Abwägungsfehler zu Lasten des Klägers auf.
41
a) Die Dimensionierung des Vorhabens ist rechtlich nicht zu beanstanden. Eine geeignete Ausführungsvariante, die für öffentliche und private Belange insgesamt schonender wäre, drängt sich nicht auf und wurde nicht abwägungsfehlerhaft verworfen.
42
Das fachplanerische Abwägungsgebot verlangt, sich ernsthaft anbietende Alternativlösungen bei der Zusammenstellung des abwägungserheblichen Materials zu berücksichtigen und mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange einzustellen. Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit wären nur überschritten, wenn der Behörde beim Auswahlverfahren infolge fehlerhafter Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen wäre oder sich eine andere Variante unter Berücksichtigung aller Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.2024 – 7 A 9.23 – BVerwGE 182, 252 – juris Rn. 75; U.v. 24.8.2023 – 7 A 1.22 – BVerwGE 180, 107 – juris Rn. 38).
43
Zu den einzubeziehenden und zu untersuchenden Alternativen gehören neben den vom Vorhabenträger eingebrachten und den von Amts wegen ermittelten auch solche, die von dritter Seite im Laufe des Planfeststellungsverfahrens vorgeschlagen werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.11.2022 – 4 A 15.20 – NVwZ 2023, 678 – juris Rn. 39; U.v. 12.12.1996 – 4 C 29.94 – BVerwGE 102, 331 – juris Rn. 39). Als Alternative sind allerdings nur solche Planungen anzusehen, die nicht die Identität des Vorhabens berühren. Dies ist nicht der Fall, wenn eine Alternative auf ein anderes Projekt hinausläuft, weil damit die vom Vorhabenträger in zulässiger Weise verfolgten Planungsziele nicht verwirklicht werden können. Inwieweit Abstriche von einem Planungsziel hinzunehmen sind, hängt maßgebend von seinem Gewicht und dem Grad seiner Erreichbarkeit im Einzelfall ab (vgl. BVerwG, U.v. 9.2.2017 – 7 A 2.15 – BVerwGE 158, 1 – juris Rn. 410; U.v. 9.7.2009 – 4 C 12.07 – BVerwGE 134, 166 – juris Rn. 33).
44
aa) Mit den von dem Kläger in das Planungsverfahren eingeführten Alternativen, den Damm mit niedrigerer Höhe um 50 Meter nach Südwesten zu verschieben oder die Dammachse um mindestens 30 Meter zu verschwenken, so dass sein Wohngebäude weniger beeinträchtigt wird, lässt sich das Planungsziel – Schutz vor einem 100-jährlichen Hochwasser (plus Klimaänderungsfaktor von 15%) – nicht verwirklichen.
45
Der Planfeststellungsbeschluss geht auf Basis der Planunterlagen und der Prüfung durch den amtlichen Sachverständigen von einem notwendigen Stauvolumen von 223.120 m3 aus (vgl. PFB S. 30 und 49 ff.). Die vom Kläger favorisierten Alternativen verwirft er, weil sich das erforderliche Speichervolumen damit nicht erreichen lässt (vgl. PFB S. 30, 49 [Verschiebung] sowie 51 f. [Verschwenkung]). Der Kläger zeigt nicht substanziiert auf, dass das geplante Rückhaltebecken überdimensioniert wäre.
46
Die Dimensionierung des Vorhabens ist plausibel gutachterlich belegt. Die planenden Ingenieure haben das notwendige Stauvolumen auf Empfehlung des Wasserwirtschaftsamts mit dem in der bayerischen Wasserwirtschaftsverwaltung etablierten Verfahren „EGL-X“ (Einheitsganglinienverfahren) errechnet. Bei dem Verfahren handelt es sich um ein Niederschlags-Abfluss-Modell nach dem Stand der Technik, das sich für kleinere Einzugsgebiete ohne Pegelaufzeichnungen eignet (vgl. Sitzungsprotokoll vom 7.10.2025 S. 2; EB S. 21 f.; Niederschrift Erörterungstermin vom 6.3.2023 S. 6). Der amtliche Sachverständige hat den Modellaufbau fachlich begleitet und das Ergebnis nach einer Plausibilitätsprüfung bestätigt (vgl. WWA, Gutachten vom 16.12.2019 S. 6 ff., Stellungnahmen vom 10.02.2020 S. 1 ff., vom 20.12.2021 S. 4 und vom 25.4.2024 S. 2). In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Vertreterin des Wasserwirtschaftsamts die Modellierung zusammenfassend erläutert (vgl. Sitzungsprotokoll S. 2 f.); dies ergab für den Senat ein stimmiges Bild.
47
Die „Vergleichsberechnungen“ der Klägerseite (vgl. E-Mail vom 2.5.2023 BA S. 698), konnten von der Gutachterin des Beigeladenen und dem Wasserwirtschaftsamt nicht nachvollzogen werden (vgl. Beratende Ingenieure S. [BIS], Stellungnahme vom 31.7.2023 [BA S. 718 ff.]; WWA, E-Mail vom 10.8.2023 [BA S. 723]). Unklar ist, anhand welcher Modelle die Berechnungen durchgeführt worden sind; Dokumente, Berechnungen oder Erläuterungen wurden auch im Gerichtsverfahren nicht vorgelegt.
48
Soweit der Kläger einzelne Rechengrößen in Zweifel zieht, kann er ebenfalls nicht durchdringen. Die in das Modell eingegebene Niederschlagshöhe von 170,60 mm (vgl. BIS, EGL-X März 2023 [BA S. 675 ff./676]), die auf der KOSTRA-DWD („Koordinierte Starkniederschlagsregionalisierung und -auswertung des DWD“) 2000 basieren und vom Wasserwirtschaftsamt als zutreffend bewertet wurden (vgl. WWA, Gutachten vom 16.12.2019 S. 6 f.; Stellungnahme vom 25.4.2024 S. 2), zieht der Kläger nicht substanziiert in Zweifel. Sein Vorhalt, aufgrund des Toleranzbereichs von +/- 20 Prozent könnte mit geringeren Niederschlagshöhen gerechnet werden, wurde von der amtlichen Sachverständigen unter Hinweis darauf zurückgewiesen, dass die Mittelwerte maßgeblich seien (vgl. Sitzungsprotokoll S. 3; so auch BIS, Schreiben vom 31.7.2023). Im Übrigen hat das Wasserwirtschaftsamt plausibel ergänzt, anhand der seit 1. Januar 2023 gültigen neuen KOSTRA-Daten ergäben sich für den gegenständlichen Bereich sogar höhere Niederschlagswerte, die nur deshalb keinen Anlass für eine Planänderung und Vergrößerung des Retentionsvolumens gegeben hätten, weil sie innerhalb der o.g. Toleranz liegen (vgl. Sitzungsprotokoll S. 3; Stellungnahme vom 25.4.2024 S. 2).
49
Auch die Abflussbeiwerte (Quotient aus Gesamt-Abflusshöhe und Niederschlagshöhe; Abflusshöhe ist der Anteil des Niederschlags, der direkt abfließt und nicht versickert, verdunstet oder zurückgehalten wird) wurden nicht zu hoch angesetzt. Die relativ hohen Abflussbeiwerte (vgl. BIS, EGL-X März 2023, Anl. 3.1-3.3) sind nach der überzeugenden Erläuterung der amtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung geomorphologisch begründet. Hiernach versickert auf den im Planungsgebiet vorherrschenden Lößlehmböden nicht viel Niederschlagswasser, d.h. der Boden ist das Problem und nicht die Bebauung (Versiegelungsgrad). Im Hochwasserfall kommt hinzu, dass der Boden mit Niederschlagswasser vorgesättigt ist; Bäume und Pflanzen können nach längeren Regenperioden kein weiteres Wasser mehr speichern (vgl. Sitzungsprotokoll S. 2 f.; vgl. auch WWA, Stellungnahme vom 25.4.2024 S. 2).
50
Soweit der Kläger beanstandet, die Teileinzugsgebiete Hennigbach, Wildparkbach und Hennabach hätten nicht aufsummiert werden dürfen, sondern es hätte ein Gesamteinzugsgebiet gebildet werden müssen, setzt er sich mit den Erwägungen des Planfeststellungsbeschlusses (vgl. dort S. 51) nicht auseinander, sondern wiederholt die gegenteilige Aussage seines Fachbeistands („Vergleichsberechnung“ vom 2.5.2023). Damit hat er die dem Planfeststellungsbeschluss zugrundeliegenden gutachterlichen Aussagen, wonach eine Aufsummierung kleinerer Einzugsgebiete regelkonform ist (vgl. BIS, Stellungnahme vom 31.7.2023 S. 2; WWA, Stellungnahme vom 10.8.2023 [BA S. 723]), inhaltlich nicht in Zweifel gezogen. Es fehlt insoweit bereits an der gebotenen Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss (§ 67 Abs. 4 VwGO [vgl. auch unten Rn. 56]; BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 – juris Rn. 17; B.v. 30.4.2025 – 11 A 8.24 – juris Rn. 23).
51
bb) Die erst im Klageverfahren geforderte Variante eines gesteuerten Rückhaltebeckens (mit geringerem Volumen) kann das Planungsziel nicht gleichwertig erfüllen.
52
Diese Alternative drängt sich im Hinblick auf die vom Wasserwirtschaftsamt plausibel aufgezeigten Nachteile nicht auf. Sie ist anlagenbedingt (z.B. Steuerungseinrichtung, Drosselöffnung) störanfälliger und damit gefahrenträchtiger (zu hoher Abfluss) und in Bau und Betrieb erheblich teurer; zusätzlich notwendig wären redundante Systeme (z.B. Notstromversorgung) sowie geschultes Personal zur Bedienung einschließlich eines Betriebsgebäudes (vgl. Sitzungsprotokoll S. 3; WWA, Stellungnahme vom 13.11.2024 [eGA S. 247] und vom 25.4.2024; vgl. auch den Aktenvermerk des Landratsamts vom 26.10.2022 über die Besprechung am 19.10.2022 S. 3 [BA S. 584]).
53
Im Übrigen ließe sich mit einem gesteuerten Hochwasserrückhaltebecken das Retentionsvolumen nicht auf die von der Klägerseite angegebenen 163.000 m3 reduzieren. Nach Abschätzung des amtlichen Sachverständigen liegt das Einsparungspotenzial einer gesteuerten Variante nur bei ca. 20 Prozent (vgl. Sitzungsprotokoll S. 3).
54
cc) Mit dem Vorschlag einer bloßen Renaturierung des Bachs sind die verfolgten Planungsziele – wie der Planfeststellungsbeschluss zutreffend feststellt (vgl. dort S. 30) – bei Weitem nicht zu erreichen. Damit wäre nur ein Rückhaltevolumen von 40.000 m3 zu erzielen (vgl. WWA, Stellungnahmen vom 20.12.2021 S. 3 f. und vom 25.4.2024 S. 2).
55
dd) Soweit der Kläger erstmals im Schriftsatz vom 8. September 2025 die Möglichkeit einer „gezielten Abgrabung im Staubereich“ angeführt hat, um das erforderliche Rückhaltevolumen zu erreichen, ist er damit nach § 6 Satz 1 UmwRG präkludiert.
56
Bei dem Planfeststellungsbeschluss handelt es sich um eine Zulassungsentscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG. Eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) kann im Sinn dieser Vorschrift auch dann bestehen, wenn eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht zwingend vorgeschrieben ist, jedoch eine Pflicht zur Vorprüfung des Einzelfalles besteht (vgl. BVerwG, B.v. 17.8.2022 – 9 B 7.22 – NVwZ-RR 2022, 903 – juris Rn. 7; B.v. 26.9.2019 – 7 C 5.18 – BVerwGE 166, 321 – juris Rn. 19; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2025, § 1 UmwRG Rn. 39). Eine solche ergibt sich vorliegend aus Nr. 13.13 der Anlage 1 zum UVPG; eine Umweltverträglichkeitsprüfung wurde im vorliegenden Fall auch durchgeführt. Entgegen der Auffassung des Klägers begegnet die Klagebegründungsfrist nach § 6 Satz 1 UmwRG auch keinen unionsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 – juris Rn. 18 ff.).
57
Im Übrigen ist der klägerische Vortrag insoweit spekulativ. Der Kläger hat diese Ausführungsvariante im Planfeststellungsverfahren nicht vorgeschlagen; nicht aufgezeigt oder sonst erkennbar ist, dass diese von der Planfeststellungsbehörde von Amts wegen ermittelt und abgewogen hätte werden müssen (vgl. oben Rn. 43).
58
b) Die privaten Belange des Klägers wurden rechtsfehlerfrei abgewogen.
59
aa) Das von dem Dammbauwerk auf sein Grundstück ausgehende Gefährdungspotenzial hat die Planungsbehörde zutreffend als äußerst gering bewertet.
60
Eine Gefährdung der Anwohner durch einen Dammbruch erachtet der Planfeststellungsbeschluss als „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen“ (vgl. PFB S. 46 ff./48); er verweist auf die DINkonforme Bauweise und die per Nebenbestimmung angeordneten Überwachungspflichten (vgl. PFB S. 8 ff. Nr. IV.2.4). Mit dieser Begründung des Planfeststellungsbeschlusses setzt sich der Kläger nicht auseinander; die Wiederholung der im Planfeststellungsverfahren erhobenen Einwendungen oder ein bloßes Bestreiten tatsächlicher Feststellungen der Planung genügen dazu nicht (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 – juris Rn. 17; Steinkühler, UPR 2022, 241/247). Der Planfeststellungsbeschluss stützt sich auf plausible gutachterliche Untersuchungen und Vorgaben (vgl. insbesondere G. GmbH, Ingenieurgeologisches Gutachten vom 31.12.2020 mit Aktenvermerk vom 26.1.2021, Anlagen 9.2 und 9.3 der Antragsunterlagen; BIS, Stellungnahme vom 2.8.2022 S. 2 [BA S. 557]; Aktenvermerk vom 26.10.2022 [BA S. 583 ff./584]). Allein mit der Nähe des Vorhabens zum Wohngebäude lassen sich die plausiblen gutachterlichen Einschätzungen, die der Planung zugrunde liegen, nicht in Zweifel ziehen.
61
Eine vorhabenbedingte Gefahr der Überflutung des klägerischen Grundstücks hat der amtliche Sachverständige plausibel verneint (vgl. oben Rn. xx). Mit der bloßen Behauptung des Gegenteils kann der Kläger diese Gutachten nicht erschüttern.
62
bb) Ebenfalls zu keinem Abwägungsfehler führt der Umstand, dass die Planfeststellungsbehörde nicht geklärt hat, ob die Gebäude auf dem Grundstück FlNr. … weiterhin gegen Elementarschäden versichert werden können (vgl. PFB S. 48).
63
Hinsichtlich der Doppelhaushälfte seiner Tochter auf Grundstück FlNr. … kann der Kläger diesen Belang von vornherein nicht geltend machen. Das Recht des Enteignungsbetroffenen, sich gegen eine vermeintlich nicht dem Allgemeinwohl dienende Inanspruchnahme seines Eigentums zu wenden, umfasst grundsätzlich nicht die Befugnis, sich zum Sachwalter von Rechten zu machen, die nach der Rechtsordnung bestimmten anderen Rechtsinhabern zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung und Konkretisierung zugewiesen sind (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 – juris Rn. 27; U.v. 24.11.2011 – 9 A 24.10 – NuR 2013, 184 – juris Rn. 63).
64
Im Übrigen hat der Kläger seine Behauptung, sein Anwesen sei vorhabenbedingt nicht mehr gegen Elementarschäden zu versichern (vgl. Niederschrift Erörterungstermin S. 5; E-Mail vom 2.5.2023, BA S. 698), auch auf die Bitte des Vorhabenträgers hin (vgl. BA S. 697) nicht konkret belegt, z.B. durch nachprüfbare Bestätigungen von Versicherungsunternehmen. In dieser Situation war die Planfeststellungsbehörde weder gehalten noch in der Lage, den Sachverhalt alleine aufzuklären. Die behördliche Sachaufklärungspflicht wird durch die Mitwirkungsobliegenheit der Beteiligten (Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG) ergänzt. Soweit es ein Beteiligter unterlässt, zur Klärung der für ihn günstigen Tatsachen aus seiner Wissens- bzw. Einflusssphäre beizutragen, obwohl ihm dies möglich und zumutbar ist, muss die Behörde diese in der Regel nicht von sich aus und ohne Mitwirkung des Beteiligten aufklären (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2018 – 8 ZB 16.2496 – juris Rn. 9; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 26. Aufl. 2025, § 26 Rn. 43; Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 24 Rn. 28).
65
Abgesehen davon handelt es sich bei der Frage, ob Versicherungsschutz für ein nahe des planfestgestellten Vorhabens gelegenes (Wohn-)Gebäudes erlangt werden kann, wohl um keinen Belang, der direkt in die Abwägung einzustellen ist. Abwägungsrelevant ist die Gefährdungsprognose, die einer Prüfung der (Nicht-)Gewährung von Versicherungsschutz vorausgeht und ihr zugrunde liegt. Maßgeblich ist also, ob vorhabenbedingte Risiken bestehen und – falls ja – ob Maßnahmen zur Risikominimierung ergriffen werden. Eine solche Gefährdungsprognose wurde hier vorgenommen; die planenden Ingenieure und der amtliche Sachverständige haben eine vorhabenbedingte Gefährdung des Anwesens praktisch ausgeschlossen (vgl. oben Rn. xx).
66
cc) Das Dammbauwerk wirkt auf das Grundstück des Klägers nicht erdrückend.
67
Eine erdrückende Wirkung baulicher Anlagen liegt in Ausnahmefällen vor, wenn die Anlage ein Nachbargrundstück abriegelt, ihm die Luft zum Atmen nimmt oder es – einem Gefängnishof vergleichbar – einmauert (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2021 – 4 A 14.19 – BVerwGE 173, 132 – juris Rn. 73; BayVGH, U.v. 20.7.2023 – 8 A 20.40026 – juris Rn. 213; B.v. 8.1.2025 – 2 ZB 24.432 – juris Rn. 5). Ein solche Wirkung wird von dem geplanten Vorhaben auf das Anwesen des Klägers nicht ausgehen. Das Dammbauwerk soll einen Mindestabstand zu dem Doppelhaus von ca. 22,5 m (Böschungsfuß) haben und an der Dammkrone maximal 6,5 m hoch sein (vgl. Lageplan, Anlage 3.1 der Antragsunterlagen). Die Dammkrone (511,50 m. ü. NHN) liegt dabei nur ca. 1,2 m über dem Fußboden im Wohnzimmer (510,32 m. ü. NHN, vgl. Ingenieurtechnische Bestandsaufnahme und Überprüfung des ausgestellten Höhenmodells vom 16.1.2023 [BA S. 635] mit Anlagen 1 und 2 [BA S. 637 f.]). Der Abstand zwischen Wohnhaus und dem Damm vergrößert sich zudem nach oben durch die Böschungsneigung. Die Begrünung der Böschung mit Magerrasen (vgl. Maßnahmenplan LBP, Anlage 10.1.4 der Antragsunterlagen) trägt zu einer optischen Auflockerung bei (vgl. auch BVerwG, U.v. 6.6.2002 – 4 A 44.00 – NVwZ 2003, 209 – juris Rn. 17).
68
dd) Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 8. September 2025 erstmals die von einem „Parkplatz“ („BE-Fläche“ südlich des Dammbauwerks, vgl. Lageplan, Anlage 2.3 der Antragsunterlagen) ausgehenden Belastungen während der Bauphase durch Lärm, Licht und Schadstoffe beanstandet, ist er nach § 6 Satz 1 UmwRG präkludiert.
69
Abgesehen davon ist der verspätete Vortrag ohne Substanz. Der Kläger zeigt nicht auf, welche Schutzauflagen (Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG) er konkret vermisst. Im Übrigen ist nicht absehbar, dass unzumutbare Belastungen im Rahmen der Bauausführung nicht lösbar wären. Nur solche gehören zu nachteiligen Wirkungen im Sinn des Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG, für die bereits im Planfeststellungsbeschluss eine Lösung entwickelt werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.2016 – 3 A 5.15 – juris Rn. 93). Damit verbleibt es bei dem Grundsatz, dass die Bauphase der Ausführungsplanung überlassen bleiben kann, wenn sie lediglich technische, nach dem Stand der Technik lösbare Probleme aufwirft (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 9 A 16.16 – DVBl 2018, 1426 – juris Rn. 19; U.v. 3.3.2011 – 9 A 8.10 – BVerwGE 139, 150 – juris Rn. 50).
70
ee) Auch mit seinem nicht innerhalb von zehn Wochen ab Klageerhebung eingeführten Vorbringen, das Vorhaben führe zu einer unzumutbare Gesamtbelastung seiner Wohn- und Lebensqualität, ist der Kläger nach § 6 Satz 1 UmwRG präkludiert.
71
Abgesehen davon könnte der diesbezügliche Klägervortrag der Klage auch nicht zum Erfolg verhelfen. Die Planfeststellungsbehörde war nicht gehalten, die Vorbelastung des klägerischen Grundstücks ausgehend von Bahnlinie, Hochspannungsleitung und Umspannwerk in der Abwägung in ihrer Summe zu bewerten. Weder dargelegt noch sonst erkennbar ist, dass die von dem Vorhaben ausgehenden zusätzlichen Belastungen zusammen mit den Vorbelastungen insgesamt ein Ausmaß erreichen könnten, das mit Gesundheitsgefahren oder einem Eingriff in die Substanz des Eigentums verbunden wäre (vgl. BVerwG, U.v. 12.6.2024 – 11 A 14.23 – juris Rn. 49 betreffend Lärm). Im Übrigen musste der Kläger angesichts der Situationsgebundenheit seines Grundstücks nahe des Hennigbachs, der bei Starkregen immer wieder Überschwemmungen im Ortsbereich des Beigeladenen verursacht hat, mit Hochwasserschutzmaßnahmen rechnen (vgl. BVerwG, U.v. 1.9.2022 – 7 A 7.21 – VRS 143, 200 – juris Rn. 19; BVerfG, B.v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226 – juris Rn. 83).
72
ff) Ebenfalls präkludiert ist das substanzlose Vorbringen des Klägers, das Vorhaben führe zu „potenziellem Lärm“ bei Hochwasserereignissen.
73
gg) Der Kläger zeigt auch mit seinem Hinweis auf eine vorhabenbedingte Wertminderung seines Grundstücks keinen Abwägungsmangel auf.
74
Der Planfeststellungsbeschluss stellt dazu fest, das Grundstück sei vorhabenbedingt in seiner Nutzbarkeit – insbesondere zu Wohnzwecken – nicht beeinträchtigt. Das wirtschaftliche Interesse am Fortbestand des bisherigen Grundstückswerts sei grundsätzlich nicht geschützt; ein Ausnahmefall, in dem das Vorhaben zu einem massiven und praktisch vollständigen Wertverlust führte, liege nicht vor (vgl. PFB S. 49 und 54). Soweit der Kläger eine Wertminderung auf eine erdrückende Wirkung des Vorhabens, eine Überflutungsgefahr und den Verlust der Versicherbarkeit stützt, führt er tatsächliche Beeinträchtigung „in natura“ an und keine Wertminderung mit eigenständiger Bedeutung. In einer solchen Situation sind Wertminderungen nur ein Indikator für tatsächliche Belastungen, mit denen sich der Planfeststellungsbeschluss auseinandersetzt und deren Hinnahme er von dem Kläger verlangt (vgl. BVerwG, U.v. 6.4.2017 – 4 A 1.16 – NVwZ 2018, 336 – juris Rn. 51; B.v. 24.1.2018 – 4 B 34.17 – juris Rn. 27; B.v. 17.2.1981 – 4 B 13.81 – Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 43 – juris Rn. 3).
75
Abgesehen davon bleibt es dem Planungsträger unbenommen, planbedingte Wertminderungen von Grundstücken nach den zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätzen hinter gegenläufige Interessen zurücktreten zu lassen, sofern er hierbei nicht eine äußerste, durch Abwägung nicht überwindbare Schwelle überschreitet (vgl. BVerwG, U.v. 19.12.2017 – 7 A 10.17 – UPR 2018, 302 – juris Rn. 47; B.v. 14.12.2021 – 4 B 10.21 – juris Rn. 18). Eine solche Situation, dass das Eigentum in seinem Wert so weit gemindert würde, dass die Befugnis, das Eigentumsobjekt nutzbringend zu verwerten, praktisch nur noch als leere Rechtshülle übrig bliebe (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 – 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 – juris Rn. 404), liegt hier nicht vor.
C.
76
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem unterlegenen Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, weil dieser einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
77
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
78
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.