Titel:
Normenkontrollklage, Außer Kraft getretene Veränderungssperre, Berechtigtes Feststellungsinteresse, Fehlerhafte ortsübliche Bekanntmachung der Veränderungssperre und des Aufstellungsbeschlusses
Normenketten:
VwGO § 47
BauGB § 14 Abs. 1
BauGB § 16 Abs. 1
GO Art. 26 Abs. 2
GO Art. 27 Abs. 2
Schlagworte:
Normenkontrollklage, Außer Kraft getretene Veränderungssperre, Berechtigtes Feststellungsinteresse, Fehlerhafte ortsübliche Bekanntmachung der Veränderungssperre und des Aufstellungsbeschlusses
Fundstelle:
BeckRS 2025, 29155
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass die am 22. November 2018 beschlossene und am 5. Dezember 2018 bekanntgemachte Veränderungssperre der Antragsgegnerin für das Plangebiet des Bebauungsplans Nr. ** „******** ******** ******* ************ *** ************* ****** *** *** ****** ** *****" unwirksam war.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragstellerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Antragstellerin wendet sich im Normenkontrollverfahren gegen die am 22. November 2018 beschlossene und am 5. Dezember 2018 bekanntgemachte Veränderungssperre der Antragsgegnerin für das Plangebiet des Bebauungsplans Nr. … „… … … … … … … … … … … …“.
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Die Antragstellerin war zum Zeitpunkt der Erhebung des Normenkontrollantrags Alleineigentümerin des im Geltungsbereich der Veränderungssperre gelegenen Grundstücks FlNr. … Anlass für die Bebauungsplanaufstellung war ein Bauantrag der Antragstellerin vom 22. Juni 2018 für die Genehmigung zweier Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 16 Wohneinheiten auf dem Grundstück. Der Bauausschuss der Antragsgegnerin beschloss in seiner Sitzung vom 19. Juli 2018, das gemeindliche Einvernehmen zu dem Bauvorhaben zu verweigern. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2018 teilte das zuständige Landratsamt mit, dass es das Bauvorhaben für genehmigungsfähig halte und hörte die Antragsgegnerin zur Ersetzung ihres gemeindlichen Einvernehmens an.
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In der Sitzung vom 22. November 2018 beschloss der Ausschuss für Umwelt, Bauleitplanung und Verkehr der Antragsgegnerin die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. … im Bereich „… … … … … … … … … … … …“ und erließ zur Sicherung der Bauleitplanung Nr. … die streitgegenständliche Veränderungssperre. Als Ziele des künftigen Bebauungsplans für das über 5 ha große, weitgehend bebaute Plangebiet werden im Aufstellungsbeschluss ein ausreichender Stellplatzschlüssel für eine verkehrliche Ordnung sowie der Schutz der vorhandenen Bebauung vor ortsplanerisch unerwünschten Veränderungen durch die Festsetzung von Obergrenzen für das Maß der baulichen Nutzung und der Wohneinheiten angeführt. Am 5. Dezember 2018 erfolgte die Bekanntmachung der Veränderungssperre und des Aufstellungsbeschlusses jeweils durch deren vollständigen Anschlag an den Gemeindetafeln.
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Am 25. November 2019 erhob die Antragstellerin Normenkontrollklage gegen die Veränderungssperre.
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Mit Bescheid vom 5. Mai 2020 versagte das Landratsamt für das Bauvorhaben der Antragstellerin vom 22. Juni 2018 die Baugenehmigung unter Verweis auf die zugrunde liegende Veränderungssperre. Hiergegen erhob die Antragstellerin Klage beim Verwaltungsgericht München, über die noch nicht entschieden ist.
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Mit Beschluss vom 22. Oktober 2020 wurde die Veränderungssperre um ein Jahr verlängert.
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Am 22. Februar 2021 beschloss die Antragsgegnerin den Bebauungsplan Nr. … „… … … … … … … … … … … …“, der am 18. März 2021 bekanntgemacht wurde.
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Mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2023 erhob die Antragstellerin beim Landgericht München Amtshaftungsklage gegen die Antragsgegnerin und den Freistaat Bayern. Sie begehrt in diesem Verfahren unter anderem die Feststellung, dass die Antragsgegnerin ihr alle Schäden zu ersetzen, hilfsweise den Nachteil zu entschädigen hat, die der Antragstellerin dadurch entstanden sind und noch entstehen werden, dass die Antragsgegnerin die Satzung über die Veränderungssperre zur Sicherung der Bauleitplanung Nr. … erlassen und nicht aufgehoben hat.
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Im zugrunde liegenden Verfahren macht die Antragstellerin geltend, aufgrund des rechtshängigen Amtshaftungsprozesses ein berechtigtes Interesse an der Feststellung zu haben, dass die Veränderungssperre unwirksam war. Die Veränderungssperre sei bereits nicht wirksam bekanntgemacht worden. Zudem habe es an einem wirksam bekanntgemachten Aufstellungsbeschluss gefehlt. Darüber hinaus habe es sich um eine unzulässige Verhinderungsplanung gehandelt und der Veränderungssperre an ihrer Erforderlichkeit gemangelt. Des Weiteren sei der Erlass der Veränderungssperre abwägungsfehlerhaft gewesen, da der Ausschuss für Umwelt, Bauleitplanung und Verkehr von der Gemeindeverwaltung in mehrfacher Hinsicht bewusst falsch und unvollständig informiert worden sei.
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Die Antragstellerin beantragt,
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Es wird festgestellt, dass die am 22. November 2018 beschlossene und am 5. Dezember 2018 bekanntgemachte Veränderungssperre der Antragsgegnerin für das Plangebiet des Bebauungsplans Nr. … „… … … … … … … … … … … …“ unwirksam war.
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Die Antragsgegnerin tritt dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen und beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 2. Oktober 2025 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.
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1. Der Antrag ist als Fortsetzungsfeststellungantrag zulässig.
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Tritt eine Veränderungssperre während der Anhängigkeit eines nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zulässigen Antrags auf Feststellung ihrer Unwirksamkeit außer Kraft, kann der Antragsteller, sofern er ein berechtigtes Interesse hat, die Feststellung begehren, dass die Veränderungssperre ungültig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 25.4.2023 – 4 CN 9.21 – juris Rn. 11; B.v. 26.5.2005 – 4 BN 22.05 – juris Rn. 5; B.v. 2.9.1983 – 4 N 1.83 – juris Rn. 9 ff). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
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1.1. Der nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO statthafte Antrag wurde gem. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO innerhalb eines Jahres nach der Bekanntmachung der Veränderungssperre beim Verwaltungsgerichtshof gestellt.
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1.2. Die Antragstellerin war während des Geltungszeitraums der Veränderungssperre Alleineigentümerin eines von der Veränderungssperre erfassten Grundstücks und somit nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt.
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1.3. Die Antragstellerin verfügt auch über ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die inzwischen außer Kraft getretene Veränderungssperre unwirksam war. Ein berechtigtes Interesse besteht nach ständiger Rechtsprechung dann, wenn die begehrte Feststellung präjudizielle Wirkung für die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines auf die Norm gestützten behördlichen Verhaltens und damit für in Aussicht genommene Entschädigungsansprüche haben kann (vgl. BVerwG, B.v. 26.5.2005 – 4 BN 22.05 – juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 26.2.2021 – 1 N 18.899 – juris Rn. 13). Bei dieser Prüfung hat das Normenkontrollgericht nicht in eine eingehende Untersuchung der Begründetheit der beabsichtigten – oder wie hier bereits erhobenen – Entschädigungs- oder Schadensersatzklage einzutreten. Nur wenn auf der Hand liegt, dass eine solche Klage unter jedem in Betracht kommenden Gesichtspunkt aussichtslos ist, fehlt für die begehrte Feststellung das berechtigte Interesse (vgl. BVerwG, B.v. 26.5.2005 – 4 BN 22.05 – juris Rn. 5; B.v. 2.9.1983 – 4 N 1.83 – juris Rn. 12). Bei Anwendung dieses Maßstabs verfügt die Antragstellerin über ein berechtigtes Feststellungsinteresse. Eine offensichtliche Aussichtslosigkeit der von ihr erhobenen Amtshaftungsklage vermag der Senat nicht festzustellen. Zwar ist im Hinblick auf den sich hier aufdrängenden und von Amts wegen zu berücksichtigenden Einwand rechtmäßigen Alternativerhaltens in Bezug auf die geltend gemachte Unwirksamkeit der Veränderungssperre aufgrund von Bekanntmachungsmängeln der Veränderungssperre und des Aufstellungsbeschlusses an eine fehlende Erfolgsaussicht der Amtshaftungsklage zu denken (vgl. hierzu BGH, U.v. 24.10.2024 – III ZR 48/23 – juris Rn. 35 f; B.v. 19.3.2008 – III ZR 49/07 – juris Rn. 10; OLG Hamm, U.v. 9.12.2016 – I-11 U 55/16 – juris Rn. 70 ff). Die abschließende rechtliche Bewertung des Einwands im konkreten Einzelfall obliegt jedoch dem angerufenen Zivilgericht. Darüber hinaus macht die Antragstellerin weitere Unwirksamkeitsgründe der Veränderungssperre geltend, die nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen.
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2. Der Antrag ist auch begründet.
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2.1. Die Veränderungssperre war infolge eines Bekanntmachungsmangels formell unwirksam.
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Gem. § 16 Abs. 2 Satz 1 BauGB ist eine Veränderungssperre von der Gemeinde ortsüblich bekannt zu machen. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 BauGB kann die Gemeinde auch ortsüblich bekannt machen, dass eine Veränderungssperre beschlossen worden ist. Die Antragsgegnerin hat vorliegend keiner der beiden von § 16 Abs. 2 BauGB eröffneten Bekanntmachungsmöglichkeiten genügt.
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Mit dem erfolgten Anschlag des gesamten Satzungstextes der Veränderungssperre an den Gemeindetafeln hat die Antragsgegnerin die Veränderungssperre nicht nach § 16 Abs. 2 Satz 1 BauGB ortsüblich bekanntgemacht. Welche Art der Bekanntmachung ortsüblich ist, bestimmt das jeweilige Landes- und Gemeinderecht (stRspr. vgl. etwa BVerwG, U.v. 14.12.2022 – 4 CN 1.22 – juris Rn. 13). Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 der Bayerischen Gemeindeordnung (GO) sind Satzungen im Amtsblatt amtlich bekannt zu machen. Hat eine Gemeinde kein Amtsblatt, hat die Bekanntmachung nach einer der in Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GO genannten Arten zu erfolgen, mithin durch amtliche Bekanntmachung im Amtsblatt des Landkreises bzw. Landratsamtes, in einem regelmäßig erscheinenden Druckwerk oder durch Niederlegung der Satzung in der Verwaltung der Gemeinde und Bekanntgabe der Niederlegung. Art. 26 Abs. 2 GO regelt die möglichen Arten einer öffentlichen Bekanntmachung abschließend; andere einer Gemeinde eventuell zweckmäßig erscheinende Bekanntmachungsarten sind nicht zulässig (vgl. BayVGH, U.v. 13.10.2021 – 14 N 20.749 – juris Rn. 19; U.v. 18.7.2000 – 22 N 99.3166 – juris Rn. 27). Die Antragsgegnerin hat gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 BayKommV in § 37 Abs. 1 Satz 1 ihrer Geschäftsordnung festgelegt, dass Satzungen dadurch amtlich bekanntgemacht werden, dass sie in der Verwaltung der Gemeinde zur Einsichtnahme niedergelegt werden und die Niederlegung durch Anschlag an den Gemeindetafeln bekannt gegeben wird. Diesen Vorgaben entspricht die hier erfolgte Vorgehensweise nicht. Durch den Anschlag des gesamten Satzungstextes der Veränderungssperre an den Gemeindetafeln wurde keine Bekanntmachung durch Niederlegung nach Art. 26 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 GO und § 37 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin bewirkt. Der Anschlag des gesamten Satzungstextes an den Gemeindetafeln widerspricht nicht nur dem klaren Wortlaut von Art. 26 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 GO und § 37 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin. Er kann bei längeren Satzungstexten für den Bürger auch ein unnötig beschwerliches und damit unzumutbares Angebot der Kenntnisnahme darstellen. Für kurze Satzungstexte kann nichts anderes gelten, weil die gesetzlichen Bekanntmachungsregelungen eine derartige Differenzierung aus Gründen der Rechtssicherheit nicht vorsehen (vgl. BayVGH, U.v. 13.10.2021 – 14 N 20.749 – juris Rn. 20; U.v. 18.7.2000 – 22 N 99.3166 – juris Rn. 29).
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Es liegt auch keine ordnungsgemäße ortsübliche Bekanntmachung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 BauGB vor. Den Weg einer Ersatzbekanntmachung allein der Tatsache, dass ein Satzungsbeschluss erfolgt ist, d.h. ohne Wiedergabe des Satzungstextes, hat die Antragsgegnerin gerade nicht gewählt, sondern vielmehr den gesamten Satzungstext der Veränderungssperre an den Gemeindetafeln angeschlagen. Damit hat sie nicht im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 2 BauGB in der Bekanntmachung darauf hingewiesen, wo der gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 3 Satz 2 BauGB in der Verwaltung zu jedermanns Einsicht bereitzuhaltende Satzungstext in der Verwaltung eingesehen werden kann.
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Der Bekanntmachungsmangel ist entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin nicht nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 3 BauGB unbeachtlich. § 214 Abs. 1 BauGB findet schon seinem Wortlaut nach nur Anwendung auf die „Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs“ und erfasst damit keine Verstöße gegen Landesrecht (vgl. OVG MV, U.v. 28.2.2023 – 3 K 489/20 OVG – juris Rn. 53).
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2.2. Darüber hinaus war die Veränderungssperre auch materiell rechtswidrig, da der Aufstellungsbeschlusses vom 22. November 2018 ebenfalls nicht ordnungsgemäß ortsüblich bekanntgemacht wurde.
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Nach § 14 Abs. 1 BauGB setzt der Erlass einer Veränderungssperre in materieller Hinsicht voraus, dass ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt ein Aufstellungsbeschluss im Rechtssinne jedoch dann nicht vor, wenn er zwar gefasst, aber entgegen § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB nicht ortsüblich bekanntgemacht wurde (vgl. BVerwG, B.v. 6.8.1992 – 4 N 1.92 – juris Rn. 15; B.v. 9.2.1989 – 4 B 236.88 – juris Rn. 4). Durch den Anschlag des vollständigen Aufstellungsbeschlusses vom 22. November 2018 an den Gemeindetafeln hat die Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss nicht in einer von Art. 27 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 26 Abs. 2 GO vorgesehenen Art und Weise und damit nicht ordnungsgemäß ortsüblich bekanntgemacht. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit Bezug genommen. Der Fehler ist auch beachtlich. Da die ortsübliche Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Veränderungssperre ist, finden die nur Verletzungen von Verfahrens- oder Formvorschriften erfassenden Planerhaltungsvorschriften der §§ 214 f. BauGB keine Anwendung (vgl. BVerwG, B.v. 6.8.1992 – 4 N 1.92 – juris Rn. 16).
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3. Auf die weiteren Rügen der Antragstellerin kommt es demnach nicht mehr entscheidungserheblich an. Der Senat hält es jedoch für sachgerecht, darauf hinzuweisen, dass die Veränderungssperre im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken begegnet.
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3.1. Eine sicherungsfähige Planung im Sinne von § 14 Abs. 1 BauGB war zum Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre vorhanden. Nach ständiger Rechtsprechung darf eine Veränderungssperre nur erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2023 – 4 BN 18.23 – juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 13.2.2025 – 9 N 24.940 – juris Rn. 16). Wesentlich dabei ist, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2023 – 4 BN 18.23 – juris Rn. 5). Eine Veränderungssperre scheidet ferner aus, wenn sich das aus dem Aufstellungsbeschluss ersichtliche Planungsziel im Wege planerischer Festsetzung nicht erreichen lässt, d. h. wenn rechtliche Mängel schlechterdings nicht behebbar sind oder sonst eindeutig ist, dass sich die Planungskonzeption nicht verwirklichen lässt (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.2023 – 4 CN 9.21 – juris Rn. 32). Nach diesen Maßgaben lag zum Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre eine sicherungsfähige Planung der Antragsgegnerin vor. Die im Aufstellungsbeschluss genannten Ziele eines ausreichenden Stellplatzschlüssels für eine verkehrliche Ordnung sowie des Schutzes der vorhandenen Bebauung vor ortsplanerischen Veränderungen durch Festsetzungen von Obergrenzen zum Maß der baulichen Nutzung und der zulässigen Wohneinheiten stellen hinreichend konkrete Planungsvorstellungen dar, deren Verwirklichung keine unüberwindlichen Hindernisse entgegenstanden. Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin handelte es sich um keine unzulässige Verhinderungsplanung. Eine solche liegt nicht schon deswegen vor, weil die Gemeinde die Planung aus Anlass eines konkreten, bisher zulässigen Vorhabens betreibt, das sie verhindern will, oder weil sie das Ziel verfolgt, eine Ausweitung bestimmter bisher zulässiger Nutzungen zu verhindern, selbst wenn dies jeweils den Hauptzweck einer konkreten Planung darstellt (stRspr. vgl. etwa BVerwG, B.v. 8.9.2016 – 4 BN 22.16 – juris Rn. 5). Einer Gemeinde ist es nicht verwehrt, auf Bauanträge mit der Aufstellung eines Bebauungsplans zu reagieren, der diesen die materielle Rechtsgrundlage entzieht. Von einer Verhinderungsplanung ist erst auszugehen, wenn der Bebauungsplan keine positive Planungskonzeption hat oder eine positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird, um das eigentliche und alleinige Ziel, nämlich einen Bauwunsch zu durchkreuzen, zu verdecken (vgl. BayVGH, U.v. 23.7.2025 – 9 N 24.144 – juris Rn. 27; OVG NW, U.v. 19.5.2025 – 2 D 60/23.NE – juris Rn. 41). Ein solcher Fall lag hier nicht vor.
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3.2. Für die Veränderungssperre bestand auch ein Sicherungsbedürfnis. Hierfür reicht eine abstrakte Gefährdung der gemeindlichen Planungsabsichten, d.h. die nicht ganz entfernte Möglichkeit, dass Veränderungen, die die Planungsabsichten beeinträchtigen können, in Betracht kommen können (vgl. BayVGH, U.v. 26.4.2022 – 8 B 20.1656 – juris Rn. 92; OVG BB, U.v. 13.2.2020 – OVG 10 A 1.16 – juris Rn. 95; BayVerfGH, E.v. 21.6.2016 – Vf. 15-VII-15 – juris Rn. 54). Eine nicht ganz entfernte Möglichkeit der Gefährdung der im Aufstellungsbeschluss genannten Planungsziele bestand vorliegend insbesondere durch das auf dem Grundstück FlNr. … geplante Bauvorhaben der Antragstellerin zur Errichtung zweier Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 16 Wohneinheiten, das Anlass der Planung war. Mit dem Vortrag, die Veränderungssperre sei nicht erforderlich gewesen, da die gemeindlichen Planungsziele „auf schnellerem Wege in vergleichbarer Weise“ im Genehmigungsverfahren für das Bauvorhaben der Antragstellerin erreichbar gewesen seien, da die Antragstellerin bereit gewesen sei, mehr als die bauordnungsrechtlich notwendigen Stellplätze zu errichten und es durch das Bauvorhaben zu keinem „Aufschaukeln“ der Baumassen gekommen wäre, vermag die Antragstellerin – abgesehen davon, dass die Argumentation übersieht, dass auch die Begrenzung der Wohnungszahl ein zentrales Planungsziel war – die Erforderlichkeit der Veränderungssperre nicht in Frage zu stellen.
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3.3. Ohne Erfolg macht die Antragstellerin des Weiteren geltend, dass die Veränderungssperre aufgrund eines Mangels im Abwägungsvorgang unwirksam gewesen sei, da der Ausschuss für Umwelt, Bauleitplanung und Verkehr von der Gemeindeverwaltung (bewusst) falsch informiert worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es bei der richterlichen Kontrolle von (untergesetzlichen) Normen im Grundsatz auf das Ergebnis des Rechtssetzungsverfahrens an, also auf die erlassene Vorschrift in ihrer regelnden Wirkung, und nicht auf die die Rechtsnorm tragenden Motive desjenigen, der an ihrem Erlass mitwirkt. Der Weg zu einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung des Abwägungsvorgangs ist bei untergesetzlichen Normen deshalb nur eröffnet, wenn der Normgeber – wie etwa im Bauplanungsrecht – einer besonders ausgestalteten Bindung an gesetzlich formulierten Abwägungsdirektiven unterliegt. Sind solche nicht vorhanden, kann die Rechtswidrigkeit einer Norm mit Fehlern im Abwägungsvorgang nicht begründet werden. Entscheidend ist allein, ob das Ergebnis des Normsetzungsverfahrens den anzulegenden rechtlichen Maßstäben entspricht (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.2024 – 10 BN 4.23 – juris Rn. 19; U.v. 26.4.2006 – 6 C 19.05 – juris Rn. 16). Nach diesen Grundsätzen ist hier der Abwägungsvorgang als solcher nicht weiter zu überprüfen. Abwägungsdirektiven, anhand derer der Abwägungsvorgang einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterzogen werden könnte, sind für den Erlass einer Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1 BauGB nicht vorgegeben. Die Veränderungssperre gehört nicht zu den in § 1 Abs. 2 BauGB genannten Instrumenten der Bauleitplanung und unterliegt daher nicht dem allgemeinen Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB, sondern der Prüfung, ob sie zur Erreichung des mit ihr verfolgten Sicherungszwecks erforderlich ist (vgl. BVerwG, B.v. 30.9.1992 – 4 NB 35.92 – juris Rn. 6 sowie zum Fehlen von Abwägungsdirektiven beim Erlass einer Veränderungssperre nach § 86 Abs. 1 WHG BVerwG, B.v. 12.1.2024 – 10 BN 4.23 – juris Rn. 19). Der Antragstellerin ist auch nicht darin zu folgen, dass der Erlass der Veränderungssperre in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung vorliegend schlechterdings unvertretbar bzw. unverhältnismäßig gewesen sei und deswegen jedenfalls die äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis überschritten gewesen seien, weil eine Erforderlichkeit der Veränderungssperre vom Ausschuss für Umwelt, Bauleitplanung und Verkehr allein aufgrund einer bewussten Täuschung durch die Gemeindeverwaltung angenommen worden sei. Das Vorbringen dringt bereits deshalb nicht durch, da weder eine bewusste Täuschung der Gemeindeverwaltung über das Bauvorhaben der Antragstellerin oder die Umgebungsbebauung erkennbar ist noch belegt ist, dass die streitgegenständliche Veränderungssperre für das über 5 ha große Plangebiet vom Ausschuss für Umwelt, Bauleitplanung und Verkehr bei einer aus Sicht der Antragstellerin zutreffenden und vollständigen Information über die Umgebungsbebauung und das bauliche Maß des Bauvorhabens der Antragstellerin sowie die geplante bzw. in Aussicht gestellte Zahl der Stellplätze nicht beschlossen worden wäre, was im Übrigen schon angesichts der auch beabsichtigten bauplanungsrechtlichen Begrenzung der Wohnungszahl nicht nahe liegt.
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.