Inhalt

VGH München, Beschluss v. 30.10.2025 – 24 CS 25.1709
Titel:

Androhung eines weiteren Zwangsgelds, Einstellung der Zwangsvollstreckung wegen Erfüllung (verneint), Einwendungen gegen den Grundverwaltungsakt unbeachtlich

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
VwZVG Art. 21
VwZVG Art. 22
Schlagworte:
Androhung eines weiteren Zwangsgelds, Einstellung der Zwangsvollstreckung wegen Erfüllung (verneint), Einwendungen gegen den Grundverwaltungsakt unbeachtlich
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 12.08.2025 – Au 9 S 25.653
Fundstelle:
BeckRS 2025, 29150

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer erneuten Zwangsgeldandrohung.
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Mit bestandskräftigem Bescheid vom 21. Januar 2021 verpflichtete das Landratsamt ... (im Folgenden: Landratsamt) die Antragstellerin unter Androhung eines Zwangsgelds spätestens sechs Monaten nach Bestandskraft des Bescheids eine bodenschutzrechtliche Detailuntersuchung mit Gefährdungsabschätzung im Sinne des § 9 Abs. 2 Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) auf den Grundstücken Fl.Nrn. … und … der Gemarkung … durchzuführen.
3
Die gegen den Bescheid vom 21. Januar 2021 erhobene Klage (Au 9 K 21.203) wies das Verwaltungsgerichts Augsburg mit Urteil vom 27. Juni 2022 ab. Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Senat mit Beschluss 8. März 2023 ab (24 ZB 22.1879). Am 3. April 2024 übersandte die Antragstellerin dem Landratsamt die Ergebnisse einer „weiterführenden orientierenden Untersuchung“ der … … … … … vom 31. März 2024.
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Daraufhin stellte das Landratsamt das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 Euro fällig und drohte mit Bescheid vom 20. August 2024 ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 Euro für den Fall an, dass die Antragstellerin der Verpflichtung in Nummer 1 des Bescheids vom 21. Januar 2021 nicht bis zum 3. März 2025 nachkomme.
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Gegen die isolierte Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 20. August 2024 hat die Antragstellerin Klage erhoben (Az. Au 9 K 24. 2473) über die das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden hat und einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt.
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Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 12. August 2025 ab. Die mangels Rechtsbehelfsbelehrungim Bescheid fristgerecht erhobene Klage werde voraussichtlich erfolglos bleiben. Die Antragstellerin habe bisher keine Detailuntersuchung vorgelegt, obwohl sie bestandskräftig dazu verpflichtet worden sei und das erste Zwangsgeld fällig gestellt worden sei. Die durchgeführten Untersuchungen der … vom 15. März 2024 stellten keine Detailuntersuchungen i.S.d. § 9 Abs. 2 BBodSchG dar, da sie keine abschließende Gefährdungsabschätzung nach dem Merkblatt Nr. 3.8/1 des Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) (Stand: 5/2023, S. 12) zuließen. Die Beprobungen seien nur am östlichen Rand des Grundstücks Fl.Nr. … durchgeführt worden und umfassten damit lediglich einen Verfüllbereich von ca. 200 m2. Das gesamte Grundstück sei aber fast 18.000 m2 groß. Das Grundstück Fl.Nr. … sei überhaupt nicht untersucht worden. Auch im Übrigen bestünden keine Bedenken gegen die erneute Zwangsgeldandrohung.
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Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie macht geltend, sie habe die angeordnete Pflicht erfüllt. Dem Bescheid vom 21. Januar 2021 liege nicht das Merkblatt des LfU aus dem Jahr 2023 sondern das Merkblatt mit Stand 31. Oktober 2001 zugrunde. Nach dessen Ziffer 2.2 seien im Rahmen einer Detailuntersuchung die nach § 2 Nr. 4 BBodSchV notwendigen Untersuchungen zur abschließenden Gefährdungsabschätzung durchzuführen. Des Weiteren sei auch abschließend festzustellen, ob Sanierungsmaßnahmen oder Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr erforderlich seien. Dies sei hier erfolgt. Das Wasserwirtschaftsamt habe in seiner Stellungnahme vor Erlass des Bescheids vom 21. Januar 2021 auf die Aussagen des Gutachters im Rahmen des (strafrechtlichen) Gerichtsverfahrens (* … ergänzend zum schriftlichen Gutachten) Bezug genommen und auf der Grundlage der damals vorgenommenen vier Baggerschürfen eine Aussage dazu gefordert, ob dort eine Grundwassergefährdung bestehe. Es habe ausgeführt, dass aus wasserwirtschaftlicher Sicht eine orientierende Untersuchung zur Bewertung einer möglichen, von der Grube ausgehenden Grundwassergefährdung erforderlich sei. Daraufhin habe das Landratsamt eine Detailuntersuchung angeordnet, ohne dass eine orientierende Untersuchung durchgeführt worden sei. Gemäß den Merkblättern/Leitfäden des LfU zum Bodenschutzrecht umfasse die orientierende Untersuchung für die jeweiligen Wirkungspfade die Ermittlung der räumlichen Ausdehnung und der Verfügbarkeit der Schadstoffe sowie die Ermittlung der Exposition der Schutzgüter. In der Detailuntersuchung erfolge dann eine vertiefte Untersuchung und Abgrenzung der Schadstoffbelastungen nach § 13 BBodSchV mit dem Ziel, eine abschließende Gefährdungsabschätzung zu ermöglichen. Einer Detailuntersuchung habe daher stets eine orientierende Untersuchung vorauszugehen. Deshalb sei die Untersuchung im Rahmen des Strafverfahrens als orientierende Untersuchung anzusehen und bei der Untersuchung aus dem Jahr 2024 handele es sich um die Detailuntersuchung. Da keine andere orientierende Untersuchung vorliege, könne keine andere darauf aufbauende Detailuntersuchung erfolgen. Der Gefahrverdacht sei damit auch ausgeräumt. Das Wasserwirtschaftsamt habe sich dieser Auffassung zuerst angeschlossen und fordere jetzt im Nachgang eine weitere historische Erkundung hinsichtlich anderer Abfälle, die mit dem vorliegenden Verfahren nichts zu tun hätten. Die Behauptung, die streitgegenständlichen Abfälle seien weiter westlich verfüllt worden, sei abwegig, da die Grube im Jahr 2013 erst zu 25 Prozent verfüllt gewesen sei.
8
Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
9
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
10
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern.
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1. Im Rahmen der zu treffenden Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung vorzunehmen, die sich am materiellen Recht zu orientieren hat. Hierbei kommt den Erfolgsaussichten in der Hauptsache maßgebliche Bedeutung zu. Danach ist zunächst die offensichtliche Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bzw. die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs zu prüfen; nur bei offener Erfolgsprognose, also einer ergebnislosen Evidenzkontrolle, soll eine Interessenabwägung durchgeführt werden (vgl. Gersdorf in Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, Stand 1.1.2024, § 80 Rn. 187).
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2. Im vorliegenden Fall ist das Verwaltungsgericht bei summarischer Prüfung zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage gegen die erneute Zwangsgeldandrohung voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, da die Antragstellerin die Verpflichtung aus Nummer 1 des Bescheids vom 21. Januar 2021 nicht erfüllt hat.
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Nach Art. 22 Nr. 3 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz i.d.F. d. Bek. vom 1. Januar 1983 (VwZVG, BayRs II, 232), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2024 (GVBl 599, 603) ist die Zwangsvollstreckung einzustellen, wenn die Verpflichtung offensichtlich erloschen ist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Verpflichtung erfüllt ist (Zeiser in Wernsmann, Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz, 1. Aufl. 2020, Art. 22 Rn. 20).
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Die Vorlage des als „weiterführende orientierende Untersuchung“ bezeichneten Gutachtens vom 31. März 2024 durch die Antragstellerin stellt nach summarischer Prüfung keine Erfüllung der Verpflichtung aus Nummer 1 des Bescheids vom 21. Januar 2021 dar, denn es handelt sich dabei nicht um eine Detailuntersuchung. Gemäß dem Merkblatt Nr. 3.8/1 des Bayerischen Landesamts für Umwelt, Stand 31.10.2001, umfasst eine Detailuntersuchung nach Nr. 2.2.1 als ersten wesentlichen Schritt das Erstellen eines zielführenden Untersuchungsprogramms, das nach Nr. 2.2 vor der Durchführung der Detailuntersuchung vom Verpflichteten vorzulegen ist. Daran fehlt es hier, denn die Antragstellerin hat schon kein Untersuchungsprogramm hinsichtlich der vom Bescheid umfassten beiden Flurnummern beim Antragsgegner vorgelegt, sondern ohne weitere Abstimmung auf einer kleinen Fläche auf einem Grundstück vier Baggerschürfe durchführen lassen. Darüber hinaus muss sich die Detailuntersuchung gemäß dem Bescheid vom 21. Januar 2021 auf beide der genannten Grundstücke beziehen, in der vorgelegten „weiterführenden orientierenden Untersuchung“ wird das Grundstück Fl.Nr. … aber nicht erwähnt. Die Einwendung der Antragstellerin, es treffe nicht zu, dass auch weiter westlich der mit den Baggerschürfen untersuchten Stelle belastetes Material abgelagert worden sei, hätte gerade im Wege eines Untersuchungsprogramms für die vorzunehmende Detailuntersuchung aufgearbeitet werden können und müssen. Im Übrigen bezeichnet der Gutachter sein Gutachten auch nicht als Detailuntersuchung, sondern als weiterführende orientierende Untersuchung. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass er mit der Erstellung einer Detailuntersuchung beauftragt worden ist und eine solche durchgeführt hat.
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3. Selbst wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen wären, würde die Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin ausgehen, denn es wäre dabei die gesetzgeberische Grundentscheidung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 31. Aufl. 2025, § 80 Rn. 152a). Bei der erneuten Zwangsgeldandrohung handelt es sich um eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung, die nach Art. 21a Satz 1 VwZVG von Gesetzes wegen sofort vollziehbar ist. Es bedarf daher besonderer Gründe, die eine Aussetzung des Vollzugs rechtfertigen. Solche Gründe sind hier weder dargelegt noch ersichtlich. Gegenstand der Hauptsacheklage ist die Zwangsgeldandrohung vom 20. August 2024, deren Vollzug „nur“ die Fälligstellung und Beitreibung einer Geldforderung, darüber hinaus aber keine wesentlichen weiteren Nachteile für die Antragstellerin erwarten lässt. Schließlich wird durch die eventuelle Vollziehung der Zwangsgeldandrohung vom 20. August 2024 nichts Unabänderliches bewirkt und bei späterer Aufhebung des angefochtenen Bescheids im Hauptsacheverfahren käme ein Anspruch auf Beseitigung der Vollstreckungsfolgen in Form von Rückzahlungsansprüchen gemäß Art. 39 VwZVG in Betracht.
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4. Soweit die Einwendungen der Antragstellerin so verstanden werden könnten, dass keine Detailuntersuchung hätte angeordnet werden dürfen, da dafür die vorausgehende orientierende Untersuchung fehle, richten sich diese Einwände gegen die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts und können im Vollstreckungsverfahren keine Berücksichtigung finden. Nach Art. 21 Satz 2 VwZVG sind Einwendungen gegen die Vollstreckung, die den zu vollstreckenden Anspruch betreffen, nur zulässig, soweit die geltend gemachten Gründe erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsakts entstanden sind und mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr geltend gemacht werden können. Bei der Frage, ob die Anordnung der Detailuntersuchung rechtmäßig ist oder ob zuerst noch eine vertiefte orientierende Untersuchung hätte durchgeführt werden müssen, handelt es sich nicht um einen Grund, der erst nach Erlass des Bescheids vom 21. Januar 2021 entstanden ist. Diese Umstände unterlagen schon der Prüfung im gegen den Bescheid gerichteten Klageverfahren. Auch die Ansicht der Antragstellerin, die angeordnete Detailuntersuchung beziehe sich nur auf die von der … abgelagerten Abfälle, aber nicht auf von der Baustelle … aus dem … Weg stammenden Materialien, kann nicht überzeugen. Der Bescheid vom 21. Januar 2021 bezieht sich auf die gesamten Grundstücke Fl.Nrn. … und … und beschreibt in Nummer 1 seiner Gründe auch eine unzulässige Ablagerung von altlastenverdächtigem Material aus dem … Weg. Soweit die Antragstellerin nunmehr geltend macht, solches Material sei nicht abgelagert worden und eine Detailuntersuchung sei deswegen nicht gerechtfertigt, handelt es sich auch dabei um Einwendungen gegen den Grundverwaltungsakt, die im Vollstreckungsverfahren keine Berücksichtigung mehr finden können.
II.
17
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
18
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 1.7.1 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 21. Februar 2025.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).