Inhalt

Vergabekammer Ansbach, Beschluss v. 28.07.2025 – RMF - SG21 - 3194-10-28
Titel:

Auskömmlichkeit, Kostenschätzung, Nachprüfungsverfahren, Verfahren vor der Vergabekammer, Verfahrensbevollmächtigter, Formblatt, Vergaberechtsverstoß, Vergaberechtswidrigkeit, Rügeobliegenheit, Bieter, Öffentlicher Auftraggeber, Bevollmächtigter, Schriftsätze, Geforderte Erklärungen, Aufforderung zur Erklärung, Vergabestelle, Freistellungsbescheinigung, Nachprüfungsantrag, Aufgreifschwelle, Kostenermittlung

Schlagworte:
Vergabeverfahren, Preisaufklärung, Ausschlussentscheidung, Kostenschätzung, Nachprüfungsantrag, Zweigniederlassung, Verfahrenskosten
Fundstellen:
BeckRS 2025, 29146
ZfBR 2025, 714

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Bei fortbestehender Vergabeabsicht hat die Vergabestelle das Angebot der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten.
2. Die Vergabestelle trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Antragstellerin.
3. Die Beigeladene trägt die ihr entstandenen Aufwendungen selbst.
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
5. Die Gebühr beträgt x….,- €.
Die Vergabestelle ist von der Zahlung der Gebühr befreit.
Auslagen sind nicht angefallen.

Tatbestand

1
1. Die VSt schrieb europaweit die Lieferung und Montage von Türen für den Neubau … als Bauauftrag aus. Im Amtsblatt der Europäischen Union wurde der Auftrag am xx.xx.2025 unter Veröffentlichungsnummer …-2025 veröffentlicht. Alleiniges Zuschlagskriterium war der Preis.
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Zum Submissionstermin reichten neben der ASt und der BGl drei weitere Wirtschaftsteilnehmer fristgerecht ein Angebot ein. Die ASt gab unter Berücksichtigung ihres Nachlasses das preislich günstigste Angebot ab, gefolgt von der BGl. Das Angebot der BGl war ca. 5,7% teurer als das Angebot der ASt. Der Abstand des drittplatzierten Bieters zum Angebot der ASt betrug ca. 12%.
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2. Mit Formblatt 3216 EU des VHB Bayern forderte die VSt am 22.05.2025 sowohl von der ASt als auch der BGl umfangreich Unterlagen nach. Unter anderem sollte die BGl entweder das Formblatt 221 (Preisermittlung bei Zuschlagskalkulation) oder das Formblatt 222 (Preisermittlung bei Kalkulation über die Endsumme) und das Formblatt 223 (Aufgliederung der Einheitspreise) bis 28.05.2025 vorlegen. Zusätzlich forderte unter 3. des Formblattes 3216 EU die BGl auf:
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3. Die ASt reichte die nachgeforderten Unterlagen, insbesondere Formblatt 221 und 223, fristgerecht bis zum 28.05.2025 ein mit Ausnahme der geforderten Bestätigung, dass das Angebot auskömmlich sei.
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4. Mit Formblatt 3216 EU VHB Bayern vom 03.06.2025 forderte die VSt von der ASt Unterlagen zum Nachunternehmen und unter III. des Formblattes 3216 EU erging folgende Aufforderung:
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5. Die ASt reichte wiederum fristgerecht die geforderten Unterlagen für Nachunternehmer ein, allerdings fügte sie auch hier wieder keine Bestätigung der Auskömmlichkeit ihres Angebotspreises bei.
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6. Mit Bieterinformationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 24.06.2025 teilte die VSt der ASt mit, dass beabsichtigt sei, am 05.07.2025 den Zuschlag auf das Angebot der BGl zu erteilen. Das Angebot der ASt sei nicht in die engere Wahl gekommen, weil der Preis der ASt unangemessen niedrig gewesen sei. Im Rahmen der Erläuterung des Absageschreibens teilte die VSt der ASt ergänzend mit, dass keine Bestätigung der Auskömmlichkeit des Angebotes erfolgt sei, trotz zweimaliger Aufforderung.
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7. Die ASt rügte mit Schreiben vom 25.06.2025 ihren Ausschluss. Mit Nachforderungsschreiben vom 22.05.2025 habe sie das Formblatt 221 eingereicht. Ebenso sei eine Aufgliederung der Einheitspreise, wie gefordert, gemäß Formblatt 223 durch die ASt erfolgt. Sollte es der VSt aus den übergebenen Unterlagen nicht möglich gewesen sein, die Angemessenheit der Preise beurteilen zu können, wäre ein Ausschluss gemäß § 16 EU Abs. 1 Nummer 2 VOB/A nur möglich gewesen, wenn die VSt die ASt vor Ablehnung in Textform Aufklärung über die Ermittlung der Preise und Kosten verlangt hätte. Eine solche Aufklärung sei ihr nicht zugegangen. Vermutlich stütze sie den Ausschluss auf Ziffer 3 der Nachforderungsschreiben vom 22. Mai und 03.06.2025. Die Bestätigung der Auskömmlichkeit der Preise stelle jedoch kein Aufklärungsverlangen dar. Es handle sich lediglich um eine Eigenerklärung. § 16 d EU Abs. 1 Nummer 2 VOB/A regle abschließend, was vor einem Ausschluss des Angebotes, dass unangemessen niedrig erscheine, zu unternehmen sei. Aus diesem Grund sei der Ausschluss des Angebotes unzulässig.
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8. Mit Schriftsatz 04.07.2025 stellten die Verfahrensbevollmächtigten der ASt einen Antrag auf Nachprüfung und beantragten:
1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, in dem Vergabeverfahren mit der Vergabenummer … den Zuschlag auf das Angebot des Bieters X. zu erteilen;
2. der Antragsgegnerin wird aufgegeben, den Ausschluss der Antragstellerin rückgängig zu machen und den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen;
3. hilfsweise: die Vergabekammer möge sonstige geeignete Maßnahmen anordnen, um die festgestellten Verstöße gegen das Vergaberecht zu beseitigen;
4. es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist;
5. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten wird für notwendig erklärt;
6. die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen;
7. der Antragstellerin wird Akteneinsicht in die Vergabeakte nach § 165 GWB gewährt.
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Zur Begründung trugen die Verfahrensbevollmächtigten der ASt vor, dass die Aufgreifschwelle für die Prüfung eines unangemessenen Preises nicht erreicht worden sei. Die Kostenermittlung der VSt sei ihr nicht bekannt. Sollte die Kostenermittlung mehr als 10% über dem Angebotspreis der ASt liegen, so sei diese mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch. Möglicherweise berücksichtige die Kostenermittlung der VSt noch Angebotspreise aus der Boomzeit der Baukonjunktur. Die VSt wäre jedoch nach § 3 Abs. 3 VgV verpflichtet gewesen, die Kostenermittlung zum Zeitpunkt der Absendung der Auftragsbekanntmachung nochmals zu prüfen und anzupassen. Vor diesem Hintergrund habe bereits kein Recht der VSt bestanden, eine Preisaufklärung zu verlangen.
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Eine Erklärung über die Auskömmlichkeit des Preises sei unzulässig, wenn die Aufgreifschwelle nicht überschritten sei. Die Vergabestelle sei verpflichtet, die Auskömmlichkeit des Angebots zu prüfen. Hierbei habe sie die Angebotspreise so aufzuklären, dass sie am Ende eine eigene Entscheidung darüber treffen könne, ob das Angebot auskömmlich ist oder nicht. Die Anforderung einer Bestätigung, dass die Angebotspreise auskömmlich seien, sei hier vollkommen ungeeignet. Eine solche Erklärung habe die VSt nicht fordern dürfen. Gebe der Bieter eine Erklärung ab, deren Forderung vergaberechtlich nicht zulässig sei, könne darauf kein Ausschluss gestützt werden. Ungeachtet dessen habe die ASt die Aufklärung der Preise nicht verweigert, sondern die Formblätter 221 und 223 fristgemäß eingereicht.
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Ein Ausschluss nach § 16 d EU Abs. 1 Nummer 2 VOB/A sei ebenfalls nicht zulässig. Der Auftraggeber müsse vor Ablehnung des Angebotes vom Bieter in Textform Aufklärung über die Ermittlung der Preise verlangen.
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9. Mit Schriftsatz vom 11.07.2025 weisen die Verfahrensbevollmächtigten der VSt darauf hin, dass das Angebot der ASt 24% unter der Kostenschätzung der VSt gelegen habe. Unter dieser Maßgabe seien die ersten drei Bieter im Rahmen eines Nachforderungsschreibens aufgefordert worden, die Auskömmlichkeit ihres Angebots darzulegen. Das Begehren zur Darstellung der Auskömmlichkeit müsse sich nicht nur an den Angebotspreisen orientieren. Die VSt habe vorliegend die Forderung einer Darstellung der Auskömmlichkeit an der eigenen Kostenschätzung festgemacht. Die ASt sei zweimal aufgefordert worden, die Auskömmlichkeit des Angebotes zu belegen. Die Bieter, die auf den zweiten bzw. dritten Rang lagen, hätten eine entsprechende Stellungnahme abgegeben.
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Die ASt führe selbst aus, dass die VSt als Auftraggeberin verpflichtet sei, die Auskömmlichkeit von Angeboten zu prüfen. Somit stehe es der VSt auch zu, zunächst eine Rückfrage zur Auskömmlichkeit zu stellen. Diese Auskunft habe die ASt verweigert.
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Bieterin im vorliegenden Verfahren sei eine Zweigniederlassung. Angeforderte Unterlagen seien unzureichend bezogen auf die Zweigniederlassung. Exemplarisch habe die ASt eine Freistellungsbescheinigung der Muttergesellschaft vorgelegt, aber nicht für die Zweigniederlassung.
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10. Am 21.07.2025 wurde die Fa. X zum Verfahren beigeladen.
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11. Mit Schriftsatz vom 23.07.2025 bezweifelt die ASt, dass die Kostenschätzung der VSt ordnungsgemäß erstellt worden sei. Es sei zweifelhaft, ob die Voraussetzungen einer Preisprüfung vorlagen. Zudem weist die ASt darauf hin, dass die Bestätigung der Auskömmlichkeit des Angebotspreises und eine Stellungnahme zur Auskömmlichkeit, die angeblich die zweit- und drittplatzierten Bieterinnen abgegeben haben sollen, etwas Grundverschiedenes seien. Eine Bestätigung mit der bloßen Behauptung, dass das Angebot auskömmlich kalkuliert sei, habe inhaltlich keinen Wert.
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Die ASt habe die ausgefüllten Formblätter 221 und 223 übergeben. Soweit bei der VSt weiterhin Zweifel an der Angemessenheit des Angebotes der ASt bestanden hätten, hätte die VSt diese Zweifel benennen und eine konkrete Aufklärung fordern müssen. Eine reine Bestätigung der Auskömmlichkeit des Preises sei vollkommen ungeeignet, Zweifel der VSt an der Auskömmlichkeit eines Angebotes auszuräumen. Den Schriftsätzen der VSt könne nicht entnommen werden, welche Zweifel die VSt beim Angebot der ASt gehabt habe In keinem Fall habe die ASt eine Auskunft verweigert. Eine Bestätigung des Bieters, dass sein Angebot auskömmlich sei, sei in § 16 d EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A nicht vorgesehen. Ein Auftraggeber könne lediglich Aufklärung über die Ermittlung der Preise oder Kosten für die Gesamtleistung oder Verteilerleistungen verlangen. Die VSt hätte konkrete Fragen stellen müssen.
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Das habe sie aber nicht getan.
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Soweit die VSt nun vortrage, die ASt habe unzureichende Unterlagen in Bezug auf die Zweigniederlassung vorgelegt, seien diese rechtlichen Ausführungen unzutreffend. Eine Zweigniederlassung sei rechtlich ein Teil der Hauptniederlassung. Eine Zweigniederlassung stehe in keinem Mutter-Tochter-Verhältnis und es handle sich nicht um zwei Gesellschaften. Daher müsse die ASt auch keine Bescheinigungen vorlegen, die auf die Zweigniederlassung ausgestellt seien.
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12. Mit Schriftsatz vom 24.07.2025 teilen die Bevollmächtigten der VSt mit, dass die Kostenschätzung im April 2025 vor der Ausschreibung erstellt worden sei. Die Abweichung von der Kostenschätzung sei Anlass genug, die Auskömmlichkeit zu prüfen. Die ASt sei zweimal aufgefordert worden, eine förmliche Bestätigung der Auskömmlichkeit vorzulegen. Wenn die ASt nunmehr vortrage, dass eine solche Erklärung über die Auskömmlichkeit unzulässig sei, dann hätte die ASt eine Rüge entsprechend § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB erheben müssen. Insoweit sei die ASt mit ihrem Vorbringen nunmehr präkludiert. Der Ausschluss der ASt erfolge, weil sie die geforderte Erklärung zur Auskömmlichkeit nicht abgegeben habe. Die Übermittlung der Formblätter 221 und 222 stelle keine Prüfung der Auskömmlichkeit dar, sondern sei die Übermittlung der Grundlagenkalkulation. Die VSt habe aber die Prüfung der Kostenkalkulation und damit verbunden eine Erklärung über die Auskömmlichkeit verlangt. Diese Erklärung habe die ASt nicht abgegeben.
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13. Mit Schriftsatz vom 25.07.2025 weist die ASt daraufhin, dass der Bevollmächtigte der VSt in seinem Schriftsatz vom 24.07.2025 nicht eindeutig zwischen den Nachforderungsschreiben vom 22.05.2025 und 03.06.2025 unterscheide. Zudem betont sie nochmals, dass die VSt das Angebot der ASt nur gemäß § 16 d EU Abs. 1 Nummer 2 VOB/A hätte ausschließen dürfen.
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Diese Tatbestandsvoraussetzungen legen aber im konkreten Fall nicht vor.
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14. Die Parteien haben einvernehmlich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet, nachdem der Bevollmächtigte der VSt kurzfristig an der Teilnahme des angesetzten Verhandlungstermins verhindert war.
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15. Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die Verfahrensakte der Vergabekammer, das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, Bezug genommen.

Gründe

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Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet.
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1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
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a) Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfungsverfahren nach § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 Satz 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.
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b) Die VSt ist öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 1 GWB. Es handelt sich lt. Impressum des Internetauftritts des … hier um …
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c) Bei dem ausgeschriebenen Bauauftrag handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 103 Abs. 3 GWB.
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d) Der maßgebliche Schwellenwert nach § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB ist überschritten.
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e) Die ASt ist antragsbefugt. Antragsbefugt ist nach § 160 Abs. 2 GWB jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag hat, eine Verletzung in eigenen, bieterschützenden Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB geltend macht und einen dadurch entstandenen oder drohenden Schaden darlegt.
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f) Die ASt hat ihrer Rügeobliegenheit genügt. Mit Schreiben vom 25.06.2025 rügte die ASt ihren Ausschluss, der ihr mit Bieterinformationsschreiben vom 24.06.2025 mitgeteilt wurde.
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Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der VSt besteht keine Präklusion gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB in Bezug auf den Umstand, dass die ASt nicht die Aufforderung der VSt, eine Bestätigung über die Auskömmlichkeit vorzulegen (siehe Nachforderungsschreiben vom 22.05.2025 und 03.06.2025), gerügt hat.
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Das OLG Dresden hat die Voraussetzungen der Rügeobliegenheit nach Nr. 1. dahin herausgearbeitet, dass die Rügeobliegenheit nur ausgelöst wird, wenn der Antragsteller sowohl über eine feststellbare und im Streitfall vom öffentlichen Auftraggeber nachzuweisende volle (nicht nur zu vermutende) positive Kenntnis der einen Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umständen verfügt, als auch aufgrund laienhafter, vernünftiger Bewertung die positive Vorstellung von einem Verstoß gegen Vergabevorschriften gewonnen hat. Die positive Kenntnis muss mithin zwei Komponenten umfassen (Dicks/Schnabel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Auflage 2024, § 160 GWB Rn. 40).
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Der Bevollmächtigte der VSt vermutet, dass die ASt bewusst die geforderte Bestätigung zur Auskömmlichkeit nicht abgegeben habe. Die Kammer erachtet dagegen den Sachvortrag der ASt für glaubhaft, dass sie die Aufforderung eine solche Bestätigung vorzulegen, übersehen hat. Die Kammer kann keinen Grund erkennen, weshalb sich die ASt vorsätzlich diese Bestätigung der Auskömmlichkeit nicht abgegeben hat. Dass die ASt ein Interesse an dem Auftrag hat, belegt der Umstand, dass sie mit Ausnahme dieser fehlenden Bestätigung der Auskömmlichkeit alle anderen nachgeforderten Unterlagen fristgerecht vorgelegt hat. Somit hat die ASt offensichtlich übersehen, dass eine solche Bestätigung, die dem Auftraggeber auch keinen Erkenntniswert bringt, von ihr abzugeben ist.
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Zudem hätte die ASt Kenntnis haben müssen, dass eine solche Bestätigung der Auskömmlichkeit vergaberechtswidrig ist. Die Rechtskenntnis, welche Unterlagen und Bestätigungen eine Vergabestelle nach §§ 16 EU, 16a EU und 16 d EU VOB/A verlangen kann, kann nicht unterstellt werden. Somit liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB nicht vor.
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g) Der Zuschlag wurde noch nicht erteilt, 168 Abs. 2 Satz 1 GWB.
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2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Die Ablehnung des Angebotes der ASt mit den bisher von der VSt aufgeführten Gründen ist vergaberechtswidrig und verletzt die ASt in ihren Rechten.
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a) Erscheint aufgrund des Preisabstands zu den Konkurrenzangeboten, der Kostenschätzung oder den Erfahrungswerten des Auftraggebers ein Angebot ungewöhnlich niedrig, muss der Auftraggeber in eine Aufklärung über den Preis eintreten (Steck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Auflage 2024, § 16d EU VOBA Rn. 11).
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Somit ist der VSt grundsätzlich zuzustimmen, dass sie eine Preisaufklärung verlangen durfte, da das Angebot der ASt erheblich unter ihrer Kostenschätzung gelegen hat.
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Ob im konkreten Fall eine Preisaufklärung zwingend notwendig war, hat die VSt noch einmal kritisch zu prüfen (siehe dazu mehr weiter unten), denn die Preisabstände der Angebote der ersten drei Bieter lagen unter der Aufgreifschwelle. Somit wäre die VSt nach Auffassung der Kammer in einem ersten Schritt verpflichtet gewesen, ihre Kostenschätzung, insbesondere ihr bepreistes Leistungsverzeichnis mit den Angeboten der ersten drei Bieter kritisch zu vergleichen. Möglicherweise beruht ihre Kostenschätzung auf falschen Annahmen.
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Nachdem die VSt auch noch das Formblatt 221 bzw. 222 und das Formblatt 223 von der ASt nachgefordert hat, hätte sie in Textform (siehe § 16 d EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A) eine vertiefende Aufklärung von der ASt verlangen können, wenn die VSt zum Ergebnis gekommen ist, dass ihre Kostenschätzung weiterhin zutreffend ist.
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Es obliegt dem Auftraggeber, durch gezielte positions- bzw. titelbezogene Anfragen dem Bieter die Gelegenheit zur Aufklärung dieser Positionen zu geben. Eine lediglich pauschale Aufforderung zur Erklärung der Kalkulation genügt dabei nicht den Erfordernissen einer sachgerechten Aufklärung. Ohne konkrete Anfragen ist der Bieter, der sein Angebot unter Ausnutzung der ihm zustehenden Kalkulationsfreiheit erstellt hat, nicht in der Lage, die betreffenden Positionen oder Titel zu erkennen und entspr. Erklärungen abzugeben. Sinn dieser Vorschrift ist es, dem Bieter die Möglichkeit einzuräumen, mit seinen Argumenten darzulegen, dass er zur auftragsgerechten und gesetzeskonformen Leistungserbringung in der Lage ist. Die in der Praxis immer wieder zu findende Anforderung einer allg. Eigenerklärung vom Bieter iRd Preisprüfung, dass sein Angebot auskömmlich kalkuliert ist oÄ, ist daher sinnlos (Steck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Auflage 2024, § 60 VgV Rn. 5).
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Die Verpflichtung zur Preisaufklärung für unangemessen niedrig erscheinende Angebote nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A bzw. § 60 Abs. 1 VgV findet ihre Grundlage in Art. 69 RL 2014/24/EU. In Art. 69 Abs. 3 RL 2014/24/EU ist eindeutig geregelt, dass der öffentliche Auftraggeber nach Rücksprache mit dem Bieter die beigebrachten Informationen zu bewerten hat. Die Bestätigung eines Bieters, dass sein Preis auskömmlich sei, ist daher keine ordnungsgemäße Preisaufklärung und kann daher vergaberechtlich nicht zu einem Ausschluss führen, wenn der Bieter eine solche Erklärung nicht abgibt. Wie Steck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht 5. Auflage 2024, § 60 VgV Rn. 5 zutreffend ausgeführt hat, war das Verlangen einer Bestätigung der Auskömmlichkeit kein geeignetes Instrument der Preisaufklärung. Ein Ausschluss eines Angebotes, weil diese Erklärung nicht abgegeben wurde, kann darauf nicht gestützt werden.
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b) Auch ein Ausschluss nach § 16 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A ist vergaberechtswidrig, denn in den Vergabeunterlagen hat sich die VSt nicht vorbehalten, diese Erklärung nachzufordern. Wie oben ausgeführt, ist die Forderung eine solche Bestätigung der Auskömmlichkeit abzugeben auch kein geeignetes Instrument der Aufklärung eines Angebotspreises. Auch ein Ausschluss nach § 16a EU Abs. 5 VOB/A ist rechtlich nicht zulässig, da eine solche Erklärung nicht bereits mit dem Angebot abzugeben war.
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Im Ergebnis steht es der VSt frei, weiter durch gezielte Fragen den Preis bei der ASt aufzuklären. Für zwingend notwendig erachtet die Kammer dies im konkreten Fall nicht, wenn die VSt zum Ergebnis kommt, dass ihre Kostenschätzung zu hoch angesetzt und die Angebote der ersten drei Bieter marktgerecht und auskömmlich sind. Sie hat insoweit ihr Ergebnis in der Vergabeakte zu dokumentieren.
48
c) Die im Nachprüfungsverfahren vom Bevollmächtigten der VSt aufgeworfene Frage, ob die ASt bezogen auf die Zweigniederlassung bezogene Nachweise vorlegen muss, teilt die Kammer nicht. Wie die Bevollmächtigten der ASt zutreffend ausgeführt haben, ist eine Zweigniederlassung keine eigenständige juristische Person. Nachweise und Erklärungen müssen daher für die Y abgeben werden.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
50
a) Die VSt hat die Verfahrenskosten zu tragen, weil sie mit ihren Anträgen unterlegen ist, § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB.
51
b) Die Kostenerstattungspflicht gegenüber der ASt ergibt sich aus § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.
52
c) Die BGl hat sich am Verfahren nicht in Schriftform beteiligt und keine Anträge gestellt. Sie hat daher das Risiko des Unterliegens nicht getragen und bekommt im Umkehrschluss dazu auch keine Aufwendungen erstattet.
53
d) Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten war für die ASt notwendig (§ 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG entspr.). Es handelt sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach gelagerten Fall, sodass es der ASt nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen.
54
e) Die Gebühr war nach § 182 Abs. 2 und Abs. 3 GWB festzusetzen. Im Hinblick auf die Bruttoangebotssumme der ASt und unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer errechnet sich entsprechend der Tabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von x….,-- €.
Die VSt ist gemäß § 182 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG von der Zahlung der Gebühr befreit.
55
f) Der geleistete Kostenvorschuss von x….,- € wird nach Bestandskraft dieses Beschlusses an die ASt zurücküberwiesen.