Inhalt

SG München, Beschluss v. 24.03.2025 – S 49 KA 19/25 ER
Titel:

Beiladung, Zulassungsausschuß, Vertragsarztsitz, Anordnung des Sofortvollzugs, Anordnung der sofortigen Vollziehung, Aufschiebende Wirkung, Antragsgegner, Laborärzte, Bedarfsplanungsrichtlinien, Umfassende Interessenabwägung, Auswahlentscheidung, Rechtsschutzinteresse, Gericht der Hauptsache, Zulassungsentscheidung, angestellte Ärzte, vertragsärztliche Versorgung, Regel-Ausnahme-Verhältnis, Kostenentscheidung, Antragstellers, Aufhebung

Schlagworte:
Anstellungsgenehmigung, Widerspruch, Eilrechtsschutz, Patientenversorgung, Zulassungsausschuss, Interessenabwägung, Versorgungsvorteil
Fundstelle:
BeckRS 2025, 29138

Tenor

I. Die sofortige Vollziehung von Ziffer I. des Beschlusses des Zulassungsausschusses Ärzte Bayern vom 27.11.2024, mit dem der Antragstellerin die Genehmigung zur Beschäftigung von H. als angestellter Arzt in ihrem M. am Vertragsarztsitz in G-Stadt, A-Straße mit einem Tätigkeitsumfang von 10 Wochenstunden erteilt wurde, wird angeordnet.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Anstellungsgenehmigung.
2
Mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 27.11.2024 (Bescheid vom 19.12.2024) wurde der Antragstellerin die Genehmigung zur Beschäftigung von H., Facharzt für Laboratoriumsmedizin, als angestellter Arzt in ihrem M. in G-Stadt mit einem Tätigkeitsumfang von 10 Wochenstunden (Bedarfsplanungsfaktor 0,25) ab 01.01.2025 erteilt. Die Anträge von fünf Mitbewerbern auf Anstellungsgenehmigungen, unter anderem der Beigeladenen zu 8) und 9) wurden abgelehnt. Nachdem der Landesausschuss am 02.08.2024 festgestellt hatte, dass für die Arztgruppe der Laborärzte im Bezirk der Beigeladenen zu 1) keine Überversorgung eingetreten ist und Zulassungsmöglichkeiten von 3 Sitzen bestehen, hatte der Zulassungsausschuss nach Vergabe von bereits 2,75 Sitzen im September 2024 noch eine Entscheidung über die verbleibende Zulassungsmöglichkeit im Umfang von 0,25 Sitzen zu treffen. Neben der Klägerin beantragte unter anderem die Beigeladene zu 8) die Genehmigung zur Anstellung des Facharztes für Laboratoriumsmedizin K. als angestellter Arzt in ihrem M. in F-Stadt mit einem Tätigkeitsumfang von 10 Wochenstunden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss hatte der von der Antragstellerin anzustellende Arzt H. vorgetragen, dass er seit 2024 Chefarzt am Klinikum G-Stadt sei. Im Klinikum habe man das Problem, dass Garmisch verkehrstechnisch schlecht angebunden sei, die Proben müssten nach M-Stadt oder R-Stadt gefahren werden, was 60 Minuten dauere bzw. teilweise auch deutlich länger. Das Krankenhaus verfüge außerdem über ein zertifiziertes onkologisches Zentrum, das für den ambulanten Bereich das M. habe. Dort würden täglich 50 bis 70 Krebspatienten mit Chemotherapie behandelt, vor den Chemos sei jeweils eine Blutkontrolle nötig. Hierfür habe es bisher eine Ermächtigung seines Vorgängers gegeben, er selbst wolle jetzt eine Anstellungsgenehmigung. Für den Fall, dass er diese erhalte, werde er seinen eigenen Ermächtigungsantrag, den er sicherheitshalber bereits gestellt habe, zurücknehmen. Eine Laborkontrolle vor Ort für die ambulanten Patienten sei erforderlich, weil diese ansonsten bereits am Vortag hierfür extra ins Klinikum kommen müssten, da eine externe Laboruntersuchung aufgrund der langen Fahrzeit und der Tatsache, dass die Proben nur einmal am Tag geholt würden, nicht machbar sei. Außerdem sei im M. auch ein Hausarzt tätig, wo ansonsten Notfallwerte gemessen werden könnten mit der Folge, dass die Patienten dann in die Notaufnahme des Krankenhauses kommen müssten. Vor Ort gebe es zudem eine Bereitschaftspraxis, auch für diese würden Laborleistungen durchgeführt. Der Zulassungsausschuss legte seiner Auswahlentscheidung die in § 26 Abs. 4 Bedarfsplanungs-Richtlinie aufgeführten Kriterien zugrunde. Was die berufliche Eignung betreffe, seien alle Bewerber gleich geeignet. Alle Bewerber verfügten über die abgeschlossene Weiterbildung zum Facharzt bzw. zur Fachärztin für Laboratoriumsmedizin, ausgenommen ein Bewerber, der Facharzt für Mikrobiologie sei. Insofern sei kein Unterschied in der Eignung zu erkennen. Sowohl das weiter zu berücksichtigende Approbationsalter als auch die Dauer der bisherigen ärztlichen Tätigkeit zielten darauf ab, einen gewissen Erfahrungsstand und den dadurch erworbenen Standard zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung begründe eine mehr als fünfjährige ärztliche Tätigkeit nach Abschluss der Weiterbildung im Regelfall keinen weiteren Vorzug eines Bewerbers. Der im Ergebnis berücksichtigte H. sei 1999 approbiert worden, seinen Facharzttitel habe er 2004 erworben. Seit Abschluss der Weiterbildung sei er seit über fünf Jahren ärztlich tätig. Der von der Beigeladenen zu 8) anzustellende K. sei 1987 approbiert worden, seinen Facharzttitel habe er 1999 erworben. Seit Abschluss der Weiterbildung sei er seit über fünf Jahren ärztlich tätig. Diese beiden Bewerber wurden deshalb bei den og. Kriterien gleich gewertet. Beide Ärzte waren auch nicht in die Warteliste eingetragen, sodass insofern bei keinem der Bewerber ein Vorteil gesehen wurde. Der Zulassungsausschuss bezog in seine Entscheidung weiter die bestmögliche Versorgung der Versicherten im Hinblick auf die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes in die Entscheidung ein. Bei der Versorgung durch Laborärzte gebe es zwar die Besonderheit, dass Patienten nicht die Praxis des Arztes aufsuchten, sondern nur die Proben in die Laborarztpraxis geschickt würden, sodass der Ort der Leistungserbringung durch den Laborarzt eine weniger bedeutende Rolle spiele als bei Arztgruppen mit direktem Patientenkontakt. Dennoch spiele die Entfernung des nächsten Laborarztes sowie die Erreichbarkeit und damit verbunden die Frage, wie schnell die Ergebnisse der laborärztlichen Untersuchung dem einsendenden Arzt zur Verfügung stehen, durchaus eine Rolle. H. solle in G-Stadt tätig werden, wo sich aktuell noch kein Laborarzt befinde. Die nächstgelegenen Laborärzte seien die beiden Kollegen in Kempten in einer Entfernung von 64 km. Die Anstellung des K. soll in F-Stadt erfolgen, wo bereits vier Laborärzte mit einem Bedarfsplanungsanrechnungsfaktor von insgesamt 2,5 tätig seien. Alleine aufgrund der räumlichen Verteilung der geplanten Anstellungsorte sah der Zulassungsausschuss, auch im Vergleich zu den übrigen Bewerbern, G-Stadt als am besten geeigneten Niederlassungsort. Hier befänden sich in einem Umkreis von 64 km keine Laborärzte, sodass die Patienten insgesamt von einer Niederlassung in G-Stadt besonders profitieren würden. Hierdurch könne die dortige Versorgung enorm verbessert werden. Hinzu komme, dass nach den für den Zulassungsausschuss sehr gut nachvollziehbaren Schilderungen des H. speziell die onkologischen Patienten, die in G-Stadt ambulante Chemotherapie erhalten, besonders profitieren würden, da hierdurch ansonsten notwendige Doppelvorstellungen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen im Zusammenhang mit der Chemotherapie vermieden werden könnten. Zudem profitierten auch die Patienten der am Klinikum angesiedelten Bereitschaftspraxis sowie hausärztliche M.-Patienten von der Möglichkeit, Notfallwerte vor Ort im Labor medizinisch erheben zu können und so könnten ansonsten nicht erforderliche Einweisungen in die Notaufnahme vermieden werden. Der Zulassungsausschuss sah deshalb bei diesem Kriterium einen eindeutigen Vorteil bei H.. Das Kriterium der Belange von Menschen mit Behinderung beim Zugang zur Versorgung könne vorliegend nicht herangezogen werden, da die Laborarztpraxen von Patienten nicht aufgesucht würden. Bei der vom Zulassungsausschuss durchgeführten Gesamtabwägung lagen H. und K. bei allen Kriterien gleich auf, ausgenommen den Aspekt der bestmöglichen Versorgung der Versicherten im Hinblick auf die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes. Dort sah der Zulassungsausschuss einen eindeutigen Vorteil bei H. und wählte diesen im Ergebnis aus.
3
Gegen diese Entscheidung legten die Beigeladene zu 8) am 08.01.2025 und die Beigeladene zu 9) am 17.01.2025 jeweils Widerspruch ein. Der Widerspruch der Beigeladenen zu 9) wurde nach Mitteilung des Antragsgegners am 06.03.2025 zurückgenommen. Der Widerspruch der Beigeladenen zu 9) wurde bis dato nicht begründet.
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Die Antragstellerin stellte am 19.02.2025 einen Antrag auf Eilrechtsschutz zum Sozialgericht München da aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche die Antragstellerin respektive der angestellte Arzt seine Tätigkeit nicht aufnehmen könne. Das dringende und überwiegende Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der sofortigen Vollziehung ergebe sich bereits aus der überaus hohen Dringlichkeit für die Patientenversorgung. Die Umgebung von G-Stadt sei ein labordiagnostisch unterversorgtes Gebiet. Die nächsten Einsendelabore lägen ca. 65 km von G-Stadt entfernt. Durch die erhebliche Entfernung werde die für die Patienten notwendige Labordiagnostik in unzumutbarer Weise verzögert. Es sei offensichtlich, dass sich dies nachteilig und erheblich auf die Patientenversorgung auswirke. Es könne zu Verzögerungen von bis zu zwei Tagen kommen sofern Abholtermine aufgrund hoher Belastung nicht eingehalten werden könnten. Darüber hinaus sei die Antragstellerin seit 01.01.2025 Teil des onkologischen Zentrums Oberland. Da im Landkreis keine ambulante fachärztliche hämatologisch-onkologische Versorgung existiere, versorge das Zentrum am Tag bis zu 70 ambulante Patienten aus der Region. Aufgrund der bestehenden medikamentösen Tumortherapie seien für die adäquate Überwachung und Dosierung regelhaft Laborwerte erforderlich. Ohne Vertragsarztsitz könne die notwendige Labordiagnostik weder erbracht noch abgerechnet werden. Hierfür stünden nur externe Labore in großer Entfernung zur Verfügung. Die Folgen seien mehrfache Blutentnahmen und Zeitverzögerungen, die bei Erlass der beantragten Entscheidung vermieden werden könnten. Den Widerspruchsführern fehle außerdem das Rechtsschutzinteresse, da es mehr als fraglich sei, ob diese überhaupt einen Anspruch auf Berücksichtigung gehabt hätten. Aus dem Zulassungsbescheid ergebe sich, dass die Auswahlentscheidung fehlerfrei erfolgt sei. H. sei seit 2024 Chefarzt am Klinikum G-Stadt und sei bereits davor 20 Jahre lang dort niedergelassen gewesen. Im Hinblick auf alle Auswahlkriterien weiße er mit erheblichem Abstand alle erforderlichen Voraussetzungen auf. Wenn H. seine Tätigkeit derzeit nicht ausüben könne entstünden unverhältnismäßige Nachteile. Er sei besonders wirtschaftlich darauf angewiesen. Die derzeitige Pausierung auf unabsehbare Zeit schränke ihn in seiner Berufsausübung ein und ziehe dahingehend die Gefährdung seiner beruflichen Existenz nach sich. Gleichermaßen ergäben sich für das Labor und damit die Antragstellerin selbst unverhältnismäßige finanzielle Nachteile. Laboruntersuchungen, die intern möglich wären, müssten auf unabsehbare Zeit extern weitergegeben werden. Dies selbst sei wiederum mit wirtschaftlichen Aufwendungen verbunden. Auf Rückfrage des Gerichts wurde seitens der Antragstellerin mitgeteilt, dass es sich bei der von H. in der mündlichen Verhandlung genannten vorbestehenden Ermächtigung um die internistische Ermächtigung des onkologischen Chefarztes für die Versorgung der onkologischen Patienten im Klinikum gehandelt habe, in deren Rahmen einige wenige einfache ambulante Laborleistungen erbracht werden durften (z. B. Blutbild, Kreatinin). In der am Klinikum angesiedelten M.-Praxis, in der die onkologischen Patienten seit diesem Jahr behandelt würden, sei dies nicht mehr möglich. H. habe zeitgleich mit der Bewerbung der Antragstellerin auf den 0,25 Laborkassensitz einen Antrag auf Ermächtigung zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung gestellt, den er nach positivem Bescheid zum Erhalt des 0,25 Sitzes zurückgezogen habe.
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Die Bevollmächtigten der Antragstellerin beantragen zuletzt,
1.
die aufschiebende Wirkung des Drittwiderspruches vom 08.01.2025, Az. 001/25 gegen die Zulassungsentscheidung vom 19.12.2024 aufzuheben und die sofortige Vollziehung der Zulassungsentscheidung vom 19.12.2024, Antragsnummer ZUL_A_129360, 129343, 129388, 129402, 192509 und 130153 anzuordnen.
2.
die aufschiebende Wirkung des Drittwiderspruches vom 23.01.2025, Az. 011/25 gegen die Zulassungsentscheidung vom 19.12.2024 aufzuheben und die sofortige Vollziehung der Zulassungsentscheidung vom 19.12.2024, Antragsn…60, 129343, 129388, 129402, 192509 und 130153 anzuordnen.
3.
Hilfsweise eine einstweilige Anordnung zu erlassen, wonach der Antragstellerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung die Beschäftigung von H. als angestellter Arzt im M. am Vertragsarztsitz G-Stadt, mit einem Tätigkeitsumfang von 10 Wochenstunden (Bedarfsplanungsanrechnungsfaktor 0,25) gestattet wird.
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Der Antragsgegner und die übrigen Beteiligten stellen keine Anträge.
7
Seitens des Antragsgegners wurde mitgeteilt, dass von einer Stellungnahme abgesehen werde, da einer vom Beklagten als Kollegialorgan noch zu treffenden Entscheidung nicht vorgegriffen werden könne. Auf Rückfrage des Gerichts, welche Fachrichtungen im M. der Antragstellerin tätig sind wurde mitgeteilt, dass dort momentan kein Facharzt für Labormedizin oder Mikrobiologie tätig sei. Seitens der Beigeladenen erfolgten keine Stellungnahmen.
8
Im Übrigen wird auf die bei Gericht eingereichten Schriftsätze und Unterlagen sowie die Akte des Antragsgegners verwiesen.
II.
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Der zum Sozialgericht München gestellte Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses des Zulassungsausschusses Ärzte Bayern vom 27.11.2024 ist zulässig. Das Begehren der Antragstellerin ist als Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 SGG auszulegen. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen. Durch den zuletzt noch anhängigen Widerspruch der Beigeladenen zu 8) ist nach § 96 Abs. 4 Satz 2 SGB V aufschiebende Wirkung eingetreten. Die allgemeinen Prozessvoraussetzungen liegen vor. Zuständiges Gericht ist das Gericht der Hauptsache (§ 86b Abs. 2 Satz 3 SGG).
10
Der Antrag ist auch begründet.
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Bei der Frage, ob eine Anordnung der sofortigen Vollziehung gerechtfertigt ist, hat das Gericht eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen (Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl., § 86b Rn. 12ff.). Diese Abwägung folgt keinem starren Prüfungsschema. Bei der Abwägung ist von Bedeutung, ob der Widerspruch der Beigeladenen zu 8) Aussicht auf Erfolg hat oder nicht. Bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes wäre der Antrag auf Anordnung des Sofortvollzugs abzuweisen, bei offensichtlicher Rechtmäßigkeit dem Antrag stattzugeben. Ist das Ergebnis offen, hat eine allgemeine Interessenabwägung stattzufinden, auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des Gesetzgebers hinsichtlich des Regel-Ausnahmeverhältnisses der sofortigen Vollziehung.
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Nach summarischer Prüfung hat der Widerspruch der Beigeladenen zu 8) geringe Aussichten auf Erfolg. Dies auch in Ansehung der Tatsache, dass auch dem Antragsgegner bei Entscheidung über den Widerspruch der Beigeladenen zu 8) ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbares Auswahlermessen zukommen wird. Der Zulassungsausschuss hat seiner Auswahlentscheidung zutreffend die in § 26 Abs. 4 Nr. 3 der Bedarfsplanungs-Richtlinie vorgesehenen Kriterien zugrunde gelegt, die auch bei Bewerbung eines M. auf Genehmigung einer Anstellung Anwendung finden (BSG vom 15.05.2019, B 6 KA 5/18 R). Danach entscheiden die Zulassungsgremien unter mehreren Bewerbern nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der beruflichen Eignung, der Dauer der bisherigen ärztlichen Tätigkeit, des Approbationsalters, der Dauer der Eintragung in die Warteliste gemäß § 103 Absatz 5 Satz 1 SGB V, der bestmögliche Versorgung der Versicherten im Hinblick auf die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes, von Versorgungsgesichtspunkten (siehe zum Beispiel Fachgebietsschwerpunkt, Feststellungen nach § 35 Bedarfsplanungs-Richtlinie) und der Belange von Menschen mit Behinderung beim Zugang zur Versorgung. Für den Fall, dass die Genehmigung für eine Anstellung begehrt wird ist insoweit auf den anzustellenden Arzt abzustellen (BSG vom 13.05.2020, B 6 KA 11/19 R). Auch der Antragsgegner wird im Rahmen der zu treffenden Ermessensabwägung auf diese Kriterien abzustellen haben. Da sich ausweislich der Akten im Hinblick auf die Auswahl zwischen dem von der Antragstellerin anzustellenden Laborarzt H. und dem von der Beigeladenen zu 8) anzustellenden Laborarzt K. ausschließlich relevante Unterschiede hinsichtlich des Kriteriums der bestmöglichen Versorgung der Versicherten im Hinblick auf die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes zugunsten der Antragstellerin ergeben, erscheint unabhängig von der im Ermessen des Antragsgegners liegenden Gewichtung der einzelnen, in die Abwägung einzustellenden Kriterien momentan ein Erfolg des Widerspruchs nicht denkbar. Im Rahmen der vom Gericht vorzunehmenden summarischen Prüfung sind keine Aspekte zu erkennen, die dem bislang nicht begründeten Widerspruch der Beigeladenen zu 8), die auch im vorliegenden Verfahren keine Stellungnahme abgegeben hat, zum Erfolg verhelfen könnten.
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Soweit vor diesem Hintergrund überhaupt noch Raum für eine Interessenabwägung ist, geht auch diese zugunsten der Anordnung des Sofortvollzugs des Beschlusses des Zulassungsausschusses aus. Auch insoweit hängt die Frage, welche Anforderungen in diesem Zusammenhang an das Vorliegen öffentlicher oder überwiegender privater Interessen zu stellen sind, davon ab, ob sich der Verwaltungsakt im Rahmen der Prüfung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als offensichtlich rechtmäßig erweist oder ob das Obsiegen im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich ist (Bayerisches LSG vom 10.02.2022, L 12 KA 34/21 B ER).
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In diesem Zusammenhang kommt zwar den privaten Interessen der Antragstellerin und des anzustellenden Arztes allein kein überragendes Gewicht zu. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um eine Zulassung bzw. Anstellungsgenehmigung nach Entsperrung handelt, so dass der Antragstellerin und auch dem anzustellenden Arzt mit einem Abwarten der Entscheidung des Antragsgegners keine bereits bestehende berufliche Existenz genommen würde. Zu berücksichtigen ist auch, dass hier eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt wird, die nach Anordnung der sofortigen Vollziehung erbrachten Leistungen könnten bei einem Erfolg des Widerspruchs der Beigeladenen zu 8) nicht mehr rückabgewickelt werden. Vor dem Hintergrund des im Gesetz vorgesehenen Regel-Ausnahmeverhältnisses der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Beigeladenen zu 8) können auch die angeführten finanziellen Interessen der Antragstellerin oder die des anzustellenden Arztes hier keine entscheidende Rolle spielen. Der Antragstellerin wird durch ein Abwarten der Entscheidung über den Widerspruch keine gesicherte Rechtsposition genommen, die sie schon innehatte. Es handelt sich insofern allein um angestrebte Erwerbschancen.
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Vor dem Hintergrund der geringen Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Beigeladenen zu 8) und dem sich aus der Akte ergebenden besonderen öffentlichen Interesse geht die Interessenabwägung vorliegend dennoch klar zugunsten der Anordnung des Sofortvollzugs aus. Dieses besondere öffentliche Interesse besteht in einem Versorgungsvorteil für die onkologischen Patienten der Antragstellerin, für die durch die Anordnung des Sofortvollzugs ab sofort die Notwendigkeit von Doppelvorstellungen an zwei Tagen entfällt. Hinter diesen Versorgungsvorteil für ca. 70 ambulanten Chemotherapie-Patienten, wodurch mehrfache Blutentnahmen und Zeitverzögerungen vermieden werden können, hat das allein aktenkundige Suspensivinteresse der Beigeladenen zu 8) zurückzutreten. Für den Fall, dass der Antragsgegner dem Widerspruch der Beigeladenen zu 8) stattgeben sollte, wäre die durch die Anordnung des Sofortvollzugs bewirkte zwischenzeitliche Versorgung der Patienten ex nunc einzustellen. Ein damit einhergehendes etwaiges finanzielles Risiko, dass getätigte Investitionen ins Leere gingen, trägt allein die Antragstellerin.
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Die vorliegend für sofort vollziehbar erklärte Entscheidung des Zulassungsausschusses wird gegebenenfalls in einer vom Antragsgegner zu treffenden Entscheidung über den Widerspruch der Beigeladenen zu 8) aufgehen und danach rechtlich nicht mehr existent sein (BSG vom 17.10.2012, B 6 KA 49/11 R. Das hat zur Folge, dass auch die Anordnung des Sofortvollzugs zu diesem Zeitpunkt enden wird. Ein nicht mehr existenter Bescheid kann nicht vollzogen werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.