Inhalt

VG München, Beschluss v. 01.10.2025 – M 5 E 25.2536
Titel:

Stellenbesetzung, Vorsitzender Richter, Bundespatentgericht, Anlassbeurteilung, Leistungsvorsprung

Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 123
Schlagworte:
Stellenbesetzung, Vorsitzender Richter, Bundespatentgericht, Anlassbeurteilung, Leistungsvorsprung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 29090

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 28.809,30 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsgegnerin schrieb am ... August 2024 mehrere Stellen einer juristischen Vorsitzenden Richterin / eines juristischen Vorsitzenden Richters der Besoldungsgruppe R 3 aus. Auf diese Stelle bewarben sich unter anderem die Antragstellerin und der Beigeladene.
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Die 1965 geborene Antragstellerin ist seit … September 2011 Richterin am Bundespatentgericht (im Richterverhältnis auf Lebenszeit). Nach zwei Tätigkeiten außerhalb des Bundespatentgerichts ist sie seit ... Januar 2018 wieder durchgehend beim Bundespatentgericht tätig; vom ... Januar 2018 bis … Dezember 2019 in einem Markensenat, ab Januar 2020 bis Ende Januar 2022 in einem anderen Senat und seit Februar 2022 wiederum in einem anderen Senat. Eine Regelbeurteilung der Antragstellerin für die Zeit ab September 2011 besteht nicht. Eine Anlassbeurteilung für den Zeitraum Januar 2017 bis Mai 2019 (*... 10.2019) kam zu einem Gesamtprädikat von „vollbefriedigend, obere Grenze“. Für den Zeitraum ... Juni 2019 bis … Juli 2021 befindet sich keine Beurteilung für die Antragstellerin im Beurteilungsakt. Für den Beurteilungszeitraum … August 2021 bis … Juli 2024 erhielt sie von der Präsidentin des Bundespatentgerichts eine weitere Anlassbeurteilung (... 2.2025) mit dem Gesamtprädikat „gut, untere Grenze“. Dort ist herausgestellt, dass die Richterin eine Leistungsträgerin des Bundespatentgerichts sei. Die Antragstellerin hat gegen diese Anlassbeurteilung Widerspruch erhoben, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden ist.
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Der 1961 geborene Beigeladene ist seit … April 2007 Richter am Bundespatentgericht (im Richterverhältnis auf Lebenszeit). Für den Beurteilungszeitraum ... Juni 2019 bis … September 2021 erhielt der Richter eine Anlassbeurteilung (*... 6.2022), die mit dem Gesamturteil „gut“ abschließt. Für den Beurteilungszeitraum … Oktober 2021 bis … Juli 2024 erhielt er eine weitere Anlassbeurteilung (*... 12.2024), die mit dem Gesamtprädikat „gut“ abschließt. Der Richter sei eine äußerst erfahrene, gebildete, gefestigte Persönlichkeit mit vorbildlichen Umgangsformen und vorbildlicher Arbeitsauffassung. Er habe weiterhin insgesamt eine erheblich über den durchschnittlichen Anforderungen liegende Leistung erbracht. Er gehöre aufgrund seiner Gesamtleistung im Beurteilungszeitraum im Vergleich zu seinen richterlichen Kolleginnen und Kollegen zu den Leistungsträgern des Bundespatentgerichts.
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Das Bundespatentgericht schlug mit Besetzungsbericht vom … Februar 2025 vor, eine ausgeschriebene Stelle als Vorsitzende Richterin / Vorsitzender Richter am Bundespatentgericht mit dem Beigeladenen zu besetzen. Bei einem Vergleich der Anlassbeurteilungen ergebe sich vom Gesamtprädikat her ein Vorsprung zugunsten dieses Bewerbers, da er das Prädikat „gut“ erreiche, die Antragstellerin „gut, untere Grenze“.
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Der Bundesminister der Justiz billigte den Besetzungsvermerk vom ... März 2025 am … März 2025, in dem vorgeschlagen wurde, eine ausgeschriebene Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen. Bei einem Vergleich der Anlassbeurteilungen stelle sich der Beigeladene als leistungsstärker als die Antragstellerin dar, da er in den Anlassbeurteilungen eine um eine Stufe höhere Gesamtnote („gut“) gegenüber der Antragstellerin („gut – untere Grenze“) erreicht habe.
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Die Gleichstellungsbeauftragte hat dem Besetzungsvorschlag am ... März 2025 zugestimmt. Der Präsidialrat beim Bundespatentgericht hat der beabsichtigten Ernennung des Beigeladenen zum Vorsitzenden Richter am Bundespatentgericht am … April 2025 zugestimmt.
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Die Antragstellerin hat am … April 2025 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Die Verfügung vom ... Oktober 1999 über die Grundsätze für die Erstellung von Voten sowie das Schreiben vom Juli 1998 der vormaligen Präsidentin des Bundespatentgerichts zu Beurteilungsgrundsätzen seien inhaltlich unklar. Durch die Neufassung von § 21 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) sei die Bundesregierung ermächtigt worden, eine Verordnung über die näheren Ausgestaltung des Inhalts der dienstlichen Beurteilungen zu erlassen. Die beim Bundespatentgericht bestehenden Vorgaben zur Erstellung dienstlicher Beurteilungen genügten daher dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderten Gesetzesvorbehalt für dienstliche Beurteilungen nicht. Das Gesamturteil sowohl der Anlassbeurteilung für den Beigeladenen wie auch der Antragstellerin sei nicht ausreichend begründet. Es seien im Wesentlichen die Voten der Senatsvorsitzenden wiedergegeben. Es sei nicht begründet, dass die Beurteilerin die Einzelbewertungen gewürdigt und gewichtet habe und diese gegebenenfalls auf unterschiedlichen Senatsmaßstäben bezogenen und in individuell verschiedenen Formulierungen zum Ausdruck kommenden Einzelbewertungen in das differenzierte System für die Gesamturteile überführt habe. Zudem sei die Mehrbelastung der Antragstellerin durch die dauerhafte Vertretung der Vorsitzenden in deren Anlassbeurteilung nicht konstatiert, in der Anlassbeurteilung für den Beigeladene schon. Die Antragstellerin habe im Zeitraum vom ... Oktober bis … Dezember 2021 einen Senat wegen nicht nur kurzzeitiger, urlaubsbedingter Abwesenheit geführt. Von Februar 2022 bis Juli 2024 habe sie die Senatsvorsitzenden acht Mal in Sitzungen vertreten. Die Antragstellerin habe ebenfalls freiwillig zusätzliche Aufgaben übernommen, was bei ihr aber – anders als bei dem Beigeladenen – nicht in der Beurteilung berücksichtigt werde. Das gelte auch für die überproportional durch die Antragstellerin gefertigten „qualifizierten Hinweise“ sowie die durchweg positiven Einschätzungen der dienstlichen Leistungsfähigkeit wie auch der Persönlichkeit der Antragstellerin in den Voten der Senatsvorsitzenden.
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Die Antragstellerin hat beantragt,
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Der Antragsgegnerin wird vorläufig untersagt, eine der die mit Stellenausschreibung vom ... August 2024 ausgeschriebenen Stellen eines Vorsitzenden Richters am Bundespatentgericht mit einem anderen Bewerber zu besetzen, bevor nicht über die Bewerbung der Antragstellerin bestandskräftig entschieden worden ist.
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Die Antragsgegnerin tritt dem Antrag entgegen, ohne einen Antrag zu stellen.
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Die Rechtsprechung habe die rechtliche Grundlage der Beurteilungen des Bundespatentgerichts auch vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2021 (2 C 2.21 – BVerwGE 173, 81 – juris) nicht beanstandet. Für die Antragstellerin sei eine Anlassbeurteilung zu erstellen gewesen, da der Beurteilungszeitraum für die letzte Anlassbeurteilung der Richterin im Mai 2019 geendet habe. Damit sei sie für die Beförderungsauswahl nicht mehr hinreichend aktuell gewesen. Die Beurteilung für die Antragstellerin sei rechtlich nicht zu beanstanden. Diese in einem Fließtext abgefasste Beurteilung sei auch hinreichend begründet. Die Beurteilerin habe deutlich gemacht, welche Bewertung sie in den einzelnen Aspekten der in den Beurteilungsgrundsätzen formulierten Kriterien vergebe. Dabei habe sie das Merkmal „Auftreten/Zusammenarbeit/Verhalten“ als eher den Anforderungen entsprechend, die übrigen Merkmale als wesentlich besser erfüllt bewertet. Durch die Übernahme der Formulierungen aus den Beurteilungsbeiträgen mache sie sich diese Bewertungen zu eigen und bringe damit eine eigene Bewertung zum Ausdruck. Es seien auch alle wesentlichen Punkte bewertet worden, insbesondere zum Verhandlungsgeschick. Das gelte auch für die Beurteilung des Beigeladenen. Die Leistungsbereitschaft der Antragstellerin sei gesehen worden, ebenso die des Beigeladenen. Da die Antragstellerin in dem Einzelmerkmal „Persönlichkeit/Zusammenarbeit“ leicht hinter einigen anderen Kolleginnen und Kollegen zurückstehe, seien auch die unterschiedlichen Gesamtbewertungen rechtlich nicht zu beanstanden. Es sei auch zu recht für den Beigeladenen eine Anlassbeurteilung eingeholt worden. Denn die frühere Anlassbeurteilung sei im Zeitpunkt der Auswahl älter als drei Jahre gewesen, bei Zugrundelegung der früheren Anlassbeurteilung vom … Juni 2022 für den Beigeladenen wäre es nur zu einer Überschneidung von 2 Monaten mit der Anlassbeurteilung der Antragstellerin gekommen. Im Übrigen wäre es zum selben Auswahlergebnis gekommen, wenn die periodische Beurteilung für den Beigeladenen mit dem Gesamtergebnis „gut“ zugrunde gelegt würde.
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Mit Beschluss vom 12. Mai 2025 wurde der ausgewählte Bewerber zum Verfahren beigeladen. Er hat beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen sei rechtlich nicht zu beanstanden. Gegen die dem Leistungsvergleich zugrunde gelegten Anlassbeurteilungen sei rechtlich nichts zu erinnern. Diese belegten einen Leistungsvorsprung des Beigeladenen vor der Antragstellerin. Die von der Antragstellerin angegebene Vielzahl von „qualifizierten Hinweisen“ seien von ihr nicht verfasst worden, da dies in einem Nichtigkeitssenat technischen Richter/innen zugewiesen sei. Der Beigeladene gehöre einem Senat an, in dem keine technischen Richter/innen tätig seien.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
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1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, d.h. ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragstellerpartei hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
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2. Der Anordnungsgrund in Form der besonderen Dringlichkeit der begehrten einst-weiligen Anordnung ist gegeben. Das Auswahlverfahren für die streitgegenständliche Stelle ist grundsätzlich abgeschlossen. Eine Ernennung des Beigeladenen steht unmittelbar bevor. Der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin als übergangene Bewerberin lässt sich nur vor der Ernennung des ausgewählten Konkurrenten mittels einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO effektiv sichern, da sich der um eine Stellenauswahl geführte Rechtsstreit mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle erledigt (vgl. BVerfG, B.v. 29.6.2003 – 2 BvR 311/03 – NVwZ 2004, 95). Nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – NVwZ 2011, 358) ist mit der endgültigen anderweitigen Besetzung einer Stelle das Besetzungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen mit der Folge, dass dem Begehren der Antragstellerin, die Auswahlentscheidung zu ihren Gunsten vorzunehmen, nicht mehr entsprochen werden könnte, weil der Dienstherr die Ernennung des Beigeladenen in der Regel nicht mehr rückgängig machen könnte.
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3. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch betreffend die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen glaubhaft gemacht.
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a) Einen Rechtsanspruch auf Übertragung der streitgegenständlichen Stelle hat die Antragstellerin nicht. Ein solcher lässt sich nach herrschender Rechtsprechung nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten, die sich auf das vom Beamten bekleidete Amt beschränkt und somit amtsbezogen ist. Die Antragstellerin hat aber einen Bewerbungsverfahrensanspruch, d.h. einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – Grundgesetz (GG), § 46 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) i.V.m. § 9 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746 und B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194).
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Anhand dieser Vorgaben hat der Dienstherr unter mehreren Bewerbern den am besten Geeigneten ausfindig zu machen. Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Beamtenstellen (hier: Richterstellen), berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Beamten (hier: Richters) an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Ein Bewerber hat daher Anspruch auf rechtsfehlerfreie Anwendung (BVerwG, U. v. 25.8.1988 – 2 C 28/85 – juris; BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565; VG München, B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris). Aus der Verletzung dieses Anspruchs folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Beförderung oder auf Vergabe des begehrten Dienstpostens. Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, B. v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746).
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b) Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung von Bewerbern um eine Beförderungsstelle sind in erster Linie auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu stützen, denn sie bilden den gegenwärtigen bzw. zeitnah zurückliegenden Stand ab und können somit am besten als Grundlage für die Prognose dafür dienen, welcher der Konkurrenten die Anforderungen der zu besetzenden Stelle voraussichtlich am besten erfüllen wird (BVerwG, B.v. 27.9.2011 – 2 VR 3/11 – NVwZ-RR 2012, 71; vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B.v. 18.6.2012 – 3 CE 12.675 – juris; VG München, B.v. 26.10.2012 – M 5 E 12.3882 – juris; B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris).
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Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Grundlage für den Bewerbervergleich setzt voraus, dass diese zeitlich aktuell und inhaltlich aussagekräftig sind. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das Leistungsvermögen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen. Die Aktualität dienstlicher Beurteilungen bemisst sich nach dem verstrichenen Zeitraum zwischen dem Beurteilungsstichtag und dem Zeitpunkt der Auswahlentscheidung (ständige Rechtsprechung, vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 3 CE 19.1896 – juris Rn. 13). Nach § 48 Abs. 1 Alternative 2 der Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten – Bundeslaufbahnverordnung (BLV), die nach § 46 DRiG entsprechend auf die beteiligten Bewerberinnen als Richter im Bundesdienst anzuwenden sind, können Anlassbeurteilungen (Bedarfsbeurteilungen) erstellt werden, wenn die dienstlichen Verhältnisse es erfordern (zu Beurteilungen der Richter im Bundesdienst: Schmidt-Räntsch, DRiG, 6. Auflage 2009, § 46 Rn. 82 ff.). Das ist insbesondere bei einer bevorstehenden Auswahlentscheidung der Fall (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – ZBR 2020, 35, juris Rn. 41).
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4. Die streitgegenständliche Auswahlentscheidung entspricht diesen Grundsätzen und ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Der Auswahlvermerk vom ... März 2025 genügt den formellen rechtlichen Anforderungen an die Darstellung der wesentlichen Auswahlerwägungen.
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Aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt die Verpflichtung des Dienstherrn, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen – deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber ggf. durch Akteneinsicht verschaffen kann – wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber zu befinden, ob er die Entscheidung hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Bewerbungsverfahrensanspruch bestehen. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen auch dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen (vgl. Schnellenbach, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, 2. Auflage 2018, Anhang 5 Rn. 2; BayVGH, B.v. 8.2.2018 – 3 CE 17.2304 – juris Rn. 4; BVerfG, B.v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07 – juris Rn. 22; BVerwG, B.v. 16.12.2008 – 1 WB 19/08 – juris Rn. 35).
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Dort ist auf der Grundlage des ausführlichen Besetzungsberichts der Präsidentin des Bundespatentgerichts dargestellt, dass der Beigeladene auf der Grundlage des Vergleichs der vorliegenden Beurteilungen leistungsstärker als die Antragstellerin einzuschätzen sei.
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b) Die Auswahlentscheidung ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Nach dem Vergleich der Endurteile der Anlassbeurteilung für die Antragstellerin („gut untere Grenze“) mit der aktuellen Anlassbeurteilung vom … Dezember 2024 für den Beigeladenen (Beurteilungszeitraum ... 10.2022 bis …7.2024 – Gesamtergebnis „gut“) ergibt sich ein Leistungsvorsprung für den Beigeladenen. Das gilt selbst dann, wenn man dem Leistungsvergleich die Anlassbeurteilung vom … Juni 2022 (Beurteilungszeitraum …6.2019 bis …9.2021 – Gesamtergebnis „gut“) zugrunde legt (vgl. hierzu BayVGH, B.v. BayVGH, B.v. 6.3.2025 – 6 CE 24.1888 – juris Rn. 29 f.).
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aa) Für die Antragstellerin wurde ohne Rechtsfehler eine Anlassbeurteilung eingeholt, da die für die Richterin erstellte Anlassbeurteilung vom … Oktober 2019 für den Zeitraum ... Januar 2017 bis … Mai 2019 nicht mehr hinreichend aktuell war. Entsprechend den vorgelegten „Beurteilungsgrundsätzen“ war aus Anlass der Bewerbung der Antragstellerin um den streitgegenständlichen Dienstposten eine Anlassbeurteilung zu erstellen.
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In den Beurteilungsgrundsätzen des Bundespatentgerichts ist festgelegt, dass eine Regelbeurteilung vom 50. bis vollendetem 55. Lebensjahr nur auf Antrag erfolgt, ab dem 55. Lebensjahr wird eine Beurteilung nur noch auf Antrag im Bedarfsfall abgegeben (z.B. Bewerbung für ein Beförderungsamt oder wenn ein berechtigtes persönliches Interesse geltend gemacht wird). Für die im Jahr 1965 geborene Antragstellerin war daher keine Regelbeurteilung zu erstellen, sondern eine Anlassbeurteilung aus Anlass der Bewerbung um die streitgegenständliche Stelle. Die Anlassbeurteilung für den Zeitraum ... Januar 2017 bis … Mai 2019 (vom …10.2019) war zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung am ... März 2025 nicht mehr hinreichend aktuell. Denn seit deren Erstellung sind nahezu fünf Jahre vergangen, womit der dreijährige Turnus für Regelbeurteilungen (weit) überschritten ist. Weiter liegen zwischen dieser Beurteilung und der Stellenausschreibung mehr als 15 Monate (Beurteilungsgrundsätze am Ende).
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bb) Für den Beigeladenen wurde zu Recht die Anlassbeurteilung vom … Dezember 2024 (Beurteilungszeitraum ... 10.2021 bis …7.2024) für den Leistungsvergleich zugrunde gelegt. Nach den Beurteilungsgrundsätzen des Bundespatentgerichts unterliegt der 1961 geborene Beigeladene nicht mehr der periodischen Beurteilung, auch nicht auf Antrag. Es wird für diesen Richter, der das 55. Lebensjahr überschritten hat, nur noch auf Antrag im Bedarfsfall (z.B. Bewerbung für ein Beförderungsamt – wie vorliegend – oder wenn ein persönliches Interesse geltend gemacht wird) eine Beurteilung erstellt. Die letzte Regelbeurteilung wurde für ihn für den Beurteilungszeitraum ... Januar 2014 bis … Dezember 2016 (*... 5.2017) erstellt. Die folgende Anlassbeurteilung umfasste den Beurteilungszeitraum … Juni 2019 bis … September 2021 (*... 6.2022 – Gesamtergebnis „gut“). Diese Anlassbeurteilung war nicht mehr hinreichend aktuell, da zwischen Ende des Beurteilungszeitraums (*... 9.2021) und Datum der Auswahlentscheidung mehr als drei Jahre – entsprechend dem Beurteilungsturnus für periodische Beurteilungen – lagen. Erst recht gilt das, wenn der Zeitraum von 15 Monaten zwischen der letzten Beurteilung und der Stellenausschreibung für eine fehlende Aktualität herangezogen wird (Beurteilungsgrundsätze am Ende).
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cc) Die von Antragstellerseite gegen die dienstlichen Beurteilungen vorgebrachten Argumente bedingen nicht deren Rechtswidrigkeit.
33
(1) Die Beurteilungen des Bundespatentgerichts beruhen auf einer rechtlich hinreichend bestimmten Rechtsgrundlage. Mit § 21 BBG in der Fassung des Gesetzes zur Regelung des Erscheinungsbildes von Beamtinnen und Beamten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 28. Juni 2021 (BGBl. I S. 2250) und §§ 49 bis 51 der Bundeslaufbahnverordnung (BLV) besteht eine hinreichende normative Grundlage für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen auch im Bereich des Bundespatentgerichts (so ausdrücklich: BVerwG, U.v. 7.7.2021 – 2 C 2/21 – BVerwGE 173, 81, juris Rn. 37). Auch die Beurteilungsrichtlinien im Einzelnen („Beurteilungsgrundsätze“) bestimmen die Anlässe, Form und Inhalt der dienstlichen Beurteilungen im Bundespatentgericht in hinreichendem Maße.
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(2) Auch die Begründung der dienstlichen Beurteilungen, insbesondere der Anlassbeurteilung für die Antragstellerin, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit dort die Beurteilungsbeiträge der Senatsvorsitzenden wiedergegeben werden, ist erkennbar, dass die Beurteilerin diese Eindrücke zugrunde legt. Insoweit sind die Beurteilungsvoten von einheitlicher Tendenz (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2024 – 6 CE 24.52 – juris Rn. 20 ff.). Auf Seiten 8 unten und 9 oben der Anlassbeurteilung für die Antragstellerin wird die Bewertung begründet. Dabei werden anfängliche Schwierigkeiten mit einzelnen technischen Kollegen berichtet. Insgesamt wird der Antragstellerin ein hohes fachliches Leistungsniveau bescheinigt, wobei es im Bereich „Persönlichkeit/Zusammenarbeit“ (Nr. 6 der Beurteilungsgrundsätze) kleine Punkte berichtet sind, die das Gesamtbild etwas beeinträchtigen. Das gilt auch mit Blick auf die Gesamteinschätzung, dass die Antragstellerin eine „Leistungsträgerin“ des Gerichts sei. Diese Formulierung drückt die durchweg positiven Einschätzungen in den Voten der Senatsvorsitzenden aus. Hinsichtlich der Erledigungen in quantitativer Hinsicht hat die Beurteilerin in der Anlassbeurteilung für die Antragstellerin deren Fleiß (S. 6) und die Erledigungszahlen wiedergegeben. Ebenso hat sie in der Anlassbeurteilung für den Beigeladenen dessen Fleiß sowie das besonders günstige Verhältnis zwischen Qualität und Quantität bei dessen Arbeit hervorgehoben (S. 9). Dabei ist es Sache der Beurteilerin, mit welchem Gewicht sie die einzelnen Leistungsaspekte mitberücksichtigt. Insoweit ist das Gericht in seiner Überprüfungskompetenz auf bloße Rechtsfehler beschränkt (§ 114 Satz 1 VwGO entsprechend). Es ist nicht ersichtlich, dass die Beurteilerin hierbei unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe angelegt haben könnte. Wenn das positive Gesamtbild leicht beeinträchtigenden Umstände berücksichtigt werden, so ist jedenfalls rechtlich nicht fehlerhaft, dass die Beurteilerin dieses Gesamtbild der Antragstellerin mit der Stufe „gut – untere Grenze“ bewertet hat. Das hält sich innerhalb des gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum.
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(3) Soweit die mangelnde Plausibilität hinsichtlich der Beurteilungen der Antragstellerin und des Beigeladenen gerügt wird, so folgt daraus kein Rechtsfehler. Nicht jeder Umstand hinsichtlich der Leistungsbereitschaft muss in die dienstliche Beurteilung aufgenommen werden. Wenn ein bestimmtes einzelnes Leistungsmerkmal als so bedeutsam gesehen wird, dass es in der Beurteilung erwähnenswert erscheint, um dessen besonders gute Erfüllung zu begründen, so ist das Ausdruck des Beurteilungsspielraums. Soweit die Bewertung der Leistungsbereitschaft der Konkurrentinnen voneinander abweicht, so wird damit der der Beurteilerin eingeräumte Beurteilungsspielraum angegriffen. In diesen dürfen die Gerichte nicht eingreifen. Damit werden die Beurteilungen nicht unplausibel.
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5. Die Antragstellerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Antragstellerin waren unter Billigkeitsgesichtspunkten auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da er erfolgreich einen Antrag gestellt hat (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
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6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 Gerichtskostengesetz (GKG) – ein Viertel der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen. Die monatlichen Bezüge für die Antragstellerin würden sich aktuell in dem mit der Stelle verbundenen Amt jährlich auf 115.237,20 EUR belaufen, hiervon ein Viertel (BayVGH, B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118 – juris) ergibt 28.809,30 EUR.