Inhalt

OLG München, Beschluss v. 22.10.2025 – 25 U 3219/24 e
Titel:

Betriebsschließungsversicherung: Keine Teilschließung eines Krankenhauses durch behördlich angeordnete Aufnahmebeschränkungen in der Corona-Pandemie

Normenketten:
BGB § 307 Abs. 1
AVB BS 2002 § 1
Leitsätze:
1. Sehen die Bedingungen einer Betriebsschließungsversicherung eine Entschädigung für behördlich angeordnete Schließungen des versicherten Betriebs aufgrund des IfSG auch dann vor, wenn nur einzelne Teile oder Abteilungen von der Schließung betroffen sind und regeln die Bedingungen zudem, dass eine Teilschließung im Krankenhaus insbesondere vorliegt, wenn die zuständige Behörde die Neuaufnahme von Patienten untersagt bzw. die Nichtneuaufnahme vereinbart oder empfiehlt, liegt keine bedingungsgemäße Teilschließung vor, wenn die zuständige Behörde anordnet, dass Krankenhäuser, soweit medizinisch vertretbar, bis auf Weiteres alle planbaren Behandlungen zurückzustellen oder zu unterbrechen haben, um möglichst umfangreiche Kapazitäten für die Versorgung von COVID-19 Patienten freizumachen, aber die Behandlung von Notfällen zu gewährleisten haben. Denn unter einer Schließung "einzelner Teile oder Abteilungen" ist ein personell und sachlich konkret abgrenzbarer Teil der betrieblichen Ressourcen im Sinne einer organisatorischen Untergliederung zu verstehen.  (Rn. 12 – 15 und 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine derartige Regelung benachteiligt den Versicherungsnehmer nicht unangemessen. Sie verstößt insbesondere auch nicht gegen das Transparenzgebot. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Grenzen die Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung „Schließung“ und „Teilschließung“ dergestalt ab, dass unter letzterer die Schließung einzelner Teile oder Abteilungen des versicherten Betriebs zu verstehen ist, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer bei einer daran anschließenden Regelung, dass eine Schließung oder Teilschließung insbesondere vorliegt, wenn die zuständige Behörde die Neuaufnahme von Patienten in Kliniken untersagt, eine „Teilschließung“ durch Untersagung der Neuaufnahme von Patienten nur dann in Betracht ziehen, wenn sich die Untersagung auf einzelne Teile oder Abteilungen des versicherten Betriebs bezieht. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betriebsschließungsversicherung, Krankenhaus, Neuaufnahmeverbot, Aufnahmebeschränkung, SARS-CoV-2, behördliche Anordnung, Teilschließung, unangemessene Benachteiligung, Transparenzgebot
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 18.08.2025 – 25 U 3219/24 e
LG München I, Berichtigungsbeschluss vom 26.09.2024 – 12 O 9782/22
LG München I, Urteil vom 03.09.2024 – 12 O 9782/22
Rechtsmittelinstanz:
BGH vom -- – IV ZR 236/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 28972

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 03.09.2024, Aktenzeichen 12 O 9782/22, berichtigt durch Beschluss vom 26.09.2024, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.310.536,46 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin ist ein Klinikkonzern und unterhielt bei der Beklagten vom 1. Januar bis 31. Dezember 2020 eine Betriebsschließungsversicherung gemäß Versicherungsschein vom 24. Juli 2020 (Anlage HKLW K 1). In dieser war die Klinik … SE & Co. KG (fortan: Betriebsgesellschaft) als rechtlich eigenständiger Klinikstandort mitversichert. Vereinbart waren „Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden wegen behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung) AVB BS 2002“ („Stand: 01.01.2008 – Anlage 075“; hier Anlage HKLW K 2), „Zusatzvereinbarungen zur Betriebsschließungsversicherung für Krankenhäuser, Kur- und Rehabilitationssowie sonstigen Einrichtungen – Kompakt“ („Stand: 01.01.2008 – Anlage 078“; hier Anlage HKLW K 3), „Zusatzvereinbarungen zur Betriebsschließungsversicherung für Krankenhäuser, Kur- und Rehabilitationssowie sonstigen Einrichtungen – Optimal“ („Stand: 01.01.2008 – Anlage 079“; hier Anlage HKLW K 4) sowie eine „Erweiterung zu den Besonderen Bedingungen Optimal 079 zur Betriebsschließungsversicherung – Anlage 499“ (fortan: Anlage 499; hier Anlage HKLW K 5) .
2
In dem mit „Versicherungsumfang“ überschriebenen Teil B der AVB BS 2002 heißt es in § 1 unter der Überschrift „Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren“:
„1. Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger … Krankheiten oder Krankheitserreger a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebs oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt; …“
3
Ziffer 2.2 der Anlage 499 lautet:
„Der Versicherer leistet auch Entschädigung, wenn nur einzelne Teile oder Abteilungen des versicherten Betriebs von der Schließung betroffen sind. Tätigkeitsverbote gegen sämtliche wesentliche Mitarbeiter eines Betriebes – ausgenommen Auszubildende und Hilfskräfte/Hilfsarbeiter – werden einer Schließung oder Teilschließung gleichgesetzt.
Eine Schließung oder Teilschließung im Krankenhaus bzw. Altenheim bzw. in einer wohlfahrtspflegerischen Einrichtung liegt insbesondere vor, wenn die zuständige Behörde die Neuaufnahme von Patienten bzw. Bewohnern untersagt bzw. die Nichtneuaufnahme von Patienten bzw. Bewohnern vereinbart oder empfiehlt.“
4
Auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG (in der Fassung des Gesetzes vom 10. Februar 2020, BGBl. I S. 148) erließ das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege eine sofort vollziehbare Allgemeinverfügung vom 19. März 2020 (Anlage HKLW K 6), die am 20. März 2020 in Kraft und mit Ablauf des 15. Mai 2020 außer Kraft trat. Nr. 1 Satz 1 der Allgemeinverfügung ordnete an, dass Krankenhäuser, zu denen auch der versicherte Klinikstandort in München gehörte, „soweit medizinisch vertretbar, bis auf Weiteres alle planbaren Behandlungen zurückzustellen oder zu unterbrechen“ haben, „um möglichst umfangreiche Kapazitäten für die Versorgung von COVID-19 Patienten freizumachen“. Die Behandlung von Notfällen war gemäß Nr. 1 Satz 2 zu gewährleisten.
5
Daraufhin setzte die versicherte Klinik die Neuaufnahme von Patienten aus und entließ, soweit medizinisch vertretbar, bereits aufgenommene Patienten vorzeitig. Die Klägerin meldete der Beklagten einen Versicherungsfall. Diese lehnte eine Versicherungsleistung ab (vgl. Anlage HKLW K 9).
6
Die Klägerin hat für den Zeitraum vom 18. März bis 16. Mai 2020 die Zahlung von 2.310.536,46 € an die Betriebsgesellschaft verlangt (zur Höhe vgl. auch Klageschrift, S. 13 f unter II 4), nämlich eines Betriebsschließungsschadens von 1.891.125,01 € (3.975.780,81 € abzüglich staatlicher Ausgleichszahlungen von 2.084.655,80 €) und 419.411,45 € Mehrkosten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
7
Die Klägerin beantragt,
Das Urteil des Landgerichts München I vom 03.09.2024, Az. 12 O 9782/22, wird derart abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, der Klinik … SE und Co. KG EUR 2.310.536,46 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 23.04.2020 zu zahlen.
8
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
9
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil und die dort enthaltene Wiedergabe der erstinstanzlichen Anträge wird Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
10
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 03.09.2024, Aktenzeichen 12 O 9782/22, berichtigt durch Beschluss vom 26.09.2024, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
11
1. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 18. August 2025 Bezug genommen. Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 30. September 2025 geben zu einer Änderung keinen Anlass.
12
a) Der Senat hält an seiner Auslegung von Ziffer 2.2 Abs. 2 (= Satz 3) der Anlage 499 (hier Anlage HKLW K 5) fest.
13
aa) Der Senat hat nicht auf eine am Wortlaut orientierte Auslegung dieser Bestimmung verzichtet, sondern bei der Auslegung der Bestimmung auch deren Wortlaut in den Blick genommen. Unzutreffend ist die Auffassung der Gegenerklärung (S. 5 unter II 1.1), die Argumentation des Senats passe nicht zu der wörtlichen Auslegung von Ziffer 2.2 Abs. 2 der Anlage 499.
14
Das vom Senat gefundene Auslegungsergebnis ist mit dem Wortlaut der Bestimmung vereinbar. Insbesondere enthält die Bestimmung keine eigenständige Definition einer „Teilschließung“. Die Bestimmung gilt ausdrücklich für eine „Schließung oder Teilschließung“ und definiert, wann „insbesondere“ eine Schließung oder Teilschließung vorliegt, nämlich wenn die zuständige Behörde die Neuaufnahme von Patienten untersagt etc. Ist dieses Regelbeispiel erfüllt, soll eine Schließung oder Teilschließung „im Krankenhaus“ vorliegen. Dies bedeutet aber nicht zugleich, dass damit der Betrieb oder ein Betriebsteil geschlossen worden ist, sondern stellt lediglich die Untersagung der Neuaufnahme einer Schließungsanordnung gleich.
15
Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer besteht insoweit keine Unklarheit. Es liegt auf der Hand, dass es keine Schließung des Krankenhauses oder auch nur eines Teils davon bedeuten könnte, wenn die zuständige Behörde die Aufnahme einzelner Patienten – im Extremfall eines Patienten – untersagt. Daher verbietet sich ein Verständnis, das Ziffer 2.2 Abs. 2 der Anlage 499 als umfassende Definition eines Unterfalls der Betriebsschließung ansähe. Vielmehr sehen die Versicherungsbedingungen das Erfordernis vor, dass eine Schließung den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte (vgl. Teil B § 1 Nr. 1 lit. a AVB BS 2002; Hinweis, S. 8 f unter II 3 a aa) oder einzelne Teile oder Abteilungen des versicherten Betriebs im Sinne einer organisatorischen Untergliederung betreffen muss (vgl. Ziffer 2.2 Abs. 1 der Anlage 499; Hinweis, S. 12 unter II 3 b aa). Dies soll ersichtlich nicht durch die Regelung in Ziffer 2.2 Abs. 2 der Anlage 499 ersetzt werden, die hierzu nach ihrem Wortlaut („Schließung oder Teilschließung im Krankenhaus“) nichts besagt, sondern nach ihrem systematischen Standort als zweiter Absatz die Regelung im ersten Absatz ergänzt und an diese anknüpft.
16
bb) Hierzu kann erneut auf die im Hinweis (S. 14 f unter II 3 c aa) dargestellten Gesichtspunkte verwiesen werden, darunter insbesondere den erkennbaren Regelungszusammenhang zu Ziffer 2.2 Abs. 1 der Anlage 499.
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Die Gegenerklärung (S. 7 unter II 1.2) meint, ein in den AVB BS 2002 etwa eingeführtes semantisches Begriffspaar sei nicht zwangsläufig auch in Ziffer 2.2 der Anlage 499 zugrunde zu legen. Das wird dem für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren Regelungszusammenhang des vorliegenden Bedingungswerks nicht gerecht.
18
Die Anlage 499 enthält ergänzende Regelungen zu den hier vereinbarten AVB BS 2002. Sie ist nach ihrer Überschrift eine „Erweiterung zu den Besonderen Bedingungen Optimal 079 zur Betriebsschließungsversicherung“, womit die „Zusatzvereinbarungen zur Betriebsschließungsversicherung für Krankenhäuser, Kur- und Rehabilitationssowie sonstigen Einrichtungen – Optimal“ („Stand: 01.01.2008 – Anlage 079“; hier Anlage HKLW K 4) gemeint sind. Diese verweisen ihrerseits schon eingangs darauf, dass dem Vertrag die AVB BS 2002 zugrunde liegen und diese gelten, soweit im Folgenden nichts Abweichendes/Ergänzendes geregelt ist.
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Als (weiter) ergänzende Regelung ist die Anlage 499 ebenfalls im Zusammenhang mit den AVB BS 2002 auszulegen. Ziffer 2.2 Abs. 1 der Anlage 499 bezieht sich mit „der Schließung“ klar erkennbar auf die entsprechende Leistungsvoraussetzung gemäß Teil B § 1 Nr. 1 lit. a AVB BS 2002 und erweitert insoweit den Versicherungsschutz („leistet auch Entschädigung“), ohne selbst eine vollständige Regelung der Leistungsvoraussetzungen zu treffen („wenn nur“).
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cc) Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich vorliegend um einen speziell für Krankenhausbetreiber konzipierten Versicherungsvertrag handelt, in dem der Versicherungsschutz einer gewöhnlichen Betriebsschließungsversicherung durch Zusatzvereinbarungen erweitert wird.
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(1) Den Umstand, dass es sich bei der Anlage 499 um eine Erweiterung des Versicherungsschutzes handelt (vgl. Gegenerklärung, S. 7-12), hat der Senat bei der Auslegung berücksichtigt. Die Regelungen in der Anlage erweitern den Deckungsumfang. Das gilt auch für Ziffer 2.2 der Anlage 499 einschließlich des zweiten Absatzes. Dieser Umstand wird nicht durch das gefundene Auslegungsergebnis in Frage gestellt.
22
Die Gegenerklärung (S. 12 unter II 1.5) hat Recht damit, dass ein Versicherungsnehmer, der Erweiterungen wie diejenigen in den Anlagen 079 und 499 vereinbart, die berechtigte Erwartung haben darf, dass damit Deckungserweiterungen verbunden sind. Weder die Titel noch der sonstige Inhalt der zusätzlichen Vereinbarungen rechtfertigen aber die Erwartung, dass ein Versicherungsschutz gerade entsprechend der nunmehr von der Klägerin vertretenen Auslegung der Versicherungsbedingungen bestehe.
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(2) In diesem Zusammenhang geht die Gegenerklärung (S. 8 unter II 1.4) auch auf die Formulierung „einzelne Teile oder Abteilungen des versicherten Betriebs“ in Ziffer 2.2 Abs. 1 Satz 1 der Anlage 499 ein und meint, ein räumliches Verständnis der Worte „einzelne Teile“ (vgl. Hinweis, S. 12 unter II 3 b aa) führe zu einer überflüssigen Doppelung der Aussage – mit dem Wort „Abteilungen“ – ohne eigenen Mehrwert. Diesem Argument kann der Senat nicht beitreten.
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Der Verwendung zweier mit „oder“ verbundener Wörter wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer in diesem Kontext nicht entnehmen, dass unterschiedliche Bedeutungen gemeint sein müssten. Vielmehr liegt nahe, dass die Bestimmung sich nicht allein auf das Wort „Abteilungen“ beschränkt, um den Eindruck zu vermeiden, nur als „Abteilungen“ bezeichnete bzw. eingestufte organisatorische Einheiten des versicherten Betriebs seien gemeint. Die zusätzliche Verwendung des Wortes „Teile“ stellt klar, dass auch etwaigen „Abteilungen“ über- oder untergeordnete Betriebsteile von der Regelung erfasst werden und dass es nicht darauf ankommt, ob Betriebsteile ausdrücklich als „Abteilungen“ bezeichnet sind oder nicht. Zudem wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer auch den Formulierungen von Ziffer 2.2 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Anlage 499 entnehmen, dass „Teile oder Abteilungen“ keine unterschiedlichen Bedeutungen haben, denn in den genannten Bestimmungen ist jeweils von einer „Teilschließung“ (neben einer „Schließung“) die Rede, ohne insoweit danach zu differenzieren, ob ein „Teil“ oder eine „Abteilung“ geschlossen wird.
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Der Senat vertritt zudem kein ausschließlich räumliches Verständnis des Begriffs „einzelne Teile oder Abteilungen“ in Ziffer 2.2 der Anlage 499. Vielmehr ist ein solcher Betriebsteil ein personell und sachlich konkret abgrenzbarer Teil der betrieblichen Ressourcen im Sinne einer organisatorischen Untergliederung (vgl. Hinweis, S. 12 unter II 3 b aa).
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(3) Die Gegenerklärung (S. 20 unten) zitiert eine Stimme im Schrifttum (Jula, Betriebsunterbrechungsversicherung, Kapitel 17 Betriebsschließungsversicherung Rn. 40), wonach es gerade bei großen Betrieben, beispielsweise einem Krankenhausbetrieb mit verschiedenen Stationen, kaum zu einer Totalschließung kommen werde und es insofern kaum einen Anwendungsbereich für eine Betriebsschließungsversicherung gäbe, bei der die vollständige Schließung verlangt werde. Die Frage einer möglichen Teilschließung haben die Parteien aber in Ziffer 2.2 der Anlage 499 geregelt.
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dd) Zu keiner im Ergebnis anderen Beurteilung führen auch Zeitpunkt und Umstände des Vertragsschlusses. Den „Vorschlag zur Betriebsschließungs-Versicherung“ der Beklagten vom 2. Dezember 2019 (Anlage HKLW K 21) nahm die Klägerin am 20. Dezember 2019 an. Aus den von ihr angeführten Umständen (vgl. insbes. Gegenerklärung, S. 12 ff unter II 2) ergibt sich keine der Klägerin günstigere Auslegung der vereinbarten Versicherungsbedingungen; insbesondere ergibt sich daraus keine über die vorgenommene Auslegung hinausgehende Erweiterung des Schließungsbegriffs.
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(1) Der Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012 der Bundesregierung vom 3. Januar 2013 (BT-Drucks. 17/12051) beschreibt zwar in seinem Anhang 4 „Ergebnis Risikoanalyse ‚Pandemie durch Virus Modi-SARS‘“ (aaO S. 55 ff) ein bedingt wahrscheinliches Szenario eines außergewöhnlichen Seuchengeschehens, das auf der Verbreitung eines neuartigen Erregers basiert, wobei dem Szenario der hypothetische Erreger „Modi-SARS“ zugrunde gelegt ist, dessen Eigenschaften sehr eng an das SARS-Virus angelehnt sind. In dem Szenario übersteigt die Anzahl krankenhauspflichtiger Infizierter die vorhandenen Kapazitäten um ein Vielfaches (aaO S. 65). Als behördliche Maßnahmen im Gesundheitswesen werden insbesondere Absonderung, Isolierung und Quarantäne genannt (aaO S. 68) sowie als Auswirkungen des Szenarios auf die medizinische Versorgung deren bundesweiter Zusammenbruch, wobei 500.000 Krankenhausbetten in der ersten Welle mehr als 4.000.000 krankenhauspflichtige Erkrankte gegenüber stünden, dies bei überdurchschnittlich hohen Personalausfällen (aaO S. 73).
29
Selbst wenn man unterstellen wollte, dass die Vertragsparteien dem Versicherungsvertrag die Annahme einer gewissen Eintrittswahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios zugrunde gelegt hätten (der Bericht spricht von einem Ereignis, „das statistisch in der Regel einmal in einem Zeitraum von 100 bis 1.000 Jahren eintritt“, aaO S. 56), ließe sich aus dem Szenario nicht ableiten, dass in einer solchen Lage behördliche Anordnungen wie die in der Allgemeinverfügung besonders wahrscheinlich wären, und erst recht nicht, dass es dem Willen beider Vertragsparteien entspräche, solche Anordnungen (deshalb) einer versicherten Schließung gleichzustellen.
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(2) Mit E-Mail vom 26. Februar 2020 (Anlage HKLW K 32) teilte ein für „…de“ als „Underwriter Öffentlichrechtliche Kunden“ auftretender T… der Klägerin auf Anfrage mit: „Der SB von 10%, mind. 10.000 Euro bzw. max. 25.000 je Standort gilt immer, egal welcher Erreger etc. Darüberhinausgehende Betriebsschließungsausfälle wegen behördlicher Schließung nach Infektionsschutzgesetz bzw. gem. Empfehlung des Robert-Koch-Institutes gelten ganz normal versichert. Bei Corona für Sie auch kein Problem, da wir auch ‚unbenannte Erreger und Krankheiten‘ mitversichert haben.“
31
Die Unterrichtung im zweiten zitierten Satz verweist mit der Formulierung „ganz normal versichert“ lediglich auf den Versicherungsvertrag und enthält keine diesen erweiternde  Aussage. Eine solche enthält auch der dritte zitierte Satz nicht in Bezug auf „Corona“, weil der Absender nur darauf hinweist, dass unbenannte Erreger und Krankheiten (ohnehin) mitversichert seien. Die Aussage in diesem Satz betrifft von vornherein nur den Gesichtspunkt, welche Erreger und Krankheiten versichert sind, nicht aber die Anspruchsvoraussetzung einer Betriebsschließung. Weder ergibt sich aus der E-Mail eine Vertragsänderung, noch zeigt sie auf, dass die Versicherungsbedingungen in einem der Klägerin günstigeren Sinne auszulegen wären.
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(3) Die Ausführungen der Klägerin in diesem Zusammenhang im Schriftsatz vom 29. Juli 2025 (S. 28 ff unter II 2.3.3, 2.3.4) hat der Senat zur Kenntnis genommen. Die vereinbarte Deckungserweiterung ist aber nicht nur mit dem Inhalt wirtschaftlich sinnvoll, den die Klägerin ihr beimessen will, und die Auslegung des Senats führt auch nicht zu vermeintlich ein anderes Ergebnis rechtfertigenden Wertungswidersprüchen. So trifft es insbesondere nicht zu, dass ein Krankenhausbetreiber dadurch Versicherungsschutz erlangen könnte, dass er – dem Zweck der behördlichen Anordnungen widersprechend – das ganze Krankenhaus schließt. Denn Voraussetzung des Versicherungsschutzes ist nicht eine Schließung durch den Krankenhausbetreiber – aufgrund eigener Entscheidung –, sondern eine solche durch behördliche Anordnung.
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(4) Die Gegenerklärung (S. 13-15) meint, der bei Vertragsschluss und selbst im Februar 2020 wahrscheinlich zu erwartende Schadensfall habe darin bestanden, dass öffentlich-rechtliche Eingriffsverfügungen erlassen werden würden, die angesichts der Dramatik der Pandemie und des Zeit- und Handlungsdrucks der regionalen und lokalen Behörden in ihrer Form als Allgemein- oder Individualverfügung sowie ihrer sprachlichen Abfassung „nicht ausgefeilt“ gewesen seien. Es kann schon nicht festgestellt werden, dass beide Vertragsparteien dies in ihren Willen aufgenommen hätten.
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Selbst wenn man dies aber annähme, würde es an der Auslegung der Versicherungsbedingungen nichts ändern. Bedeutungsgehalt und Tragweite einer formal oder sprachlich „nicht ausgefeilten“ behördlichen Maßnahme sind – wie sonst auch – durch deren Auslegung zu ermitteln. Aus dieser ergibt sich entweder ein Inhalt der behördlichen Maßnahme, der den vereinbarten Leistungsvoraussetzungen entspricht, auf die im Hinweis ausführlich eingegangen worden ist (insbes. Schließung, auch durch gleichgestelltes Neuaufnahmeverbot bzw. entsprechende Empfehlung), oder es ergibt sich kein solcher Inhalt. Die Möglichkeit einer formal oder sprachlich verunglückten behördlichen Maßnahme gebietet kein anderes Verständnis der Leistungsvoraussetzungen.
35
b) Ziffer 2.2 der Anlage 499 ist wirksam. Die Bestimmung benachteiligt den Versicherungsnehmer nicht unangemessen. Insbesondere verstößt sie nicht gegen das Transparenzgebot.
36
aa) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich nach Satz 2 der Vorschrift auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
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Das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden. Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht. Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Insoweit gilt kein anderer Maßstab als derjenige, der auch bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zu beachten ist (BGH, Urteil vom 25. September 2024 – IV ZR 350/22, BGHZ 241, 362 Rn. 19 mwN).
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Der Verwender muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn kein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum entsteht (BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 – III ZR 157/10, VersR 2012, 323 Rn. 27). Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot ist nicht schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (BGH, Urteil vom 25. September 2024, aaO Rn. 32 mwN; vom 11. Dezember 2024 – IV ZR 498/21, BGHZ 242, 249 Rn. 28; Piontek, r+s 2025, 920, 924).
39
bb) Ziffer 2.2 der Anlage 499 ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich (s.o. unter a). Auch führt die Bestimmung diesem bereits bei Vertragsschluss vor Augen, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände diesen gefährden. Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist anhand der Versicherungsbedingungen zwangsläufig klar, dass er keinen lückenlosen Versicherungsschutz gegen die wirtschaftlichen Folgen behördlicher Infektionsschutzmaßnahmen erlangt. Er kann anhand der Bedingungen überblicken, wogegen er versichert ist und wogegen nicht.
40
Wie dargestellt ergibt die Auslegung von Ziffer 2.2 der Anlage 499 aus der Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, dass er auch unter Berücksichtigung der vereinbarten Deckungserweiterung keinen umfassenden Versicherungsschutz für jegliche behördlich veranlasste Beeinträchtigung des Krankenhausbetriebs – mag diese auch von beträchtlichem Ausmaß sein – erlangt, sondern Versicherungsschutz nur besteht gegen behördliche Schließungen (erweitert um Neuaufnahmeverbote bzw. entsprechende Empfehlungen). Auch verlangen die Versicherungsbedingungen klar und durchschaubar, dass eine solche Schließung den gesamten Betrieb oder einzelne Teile oder Abteilungen betreffen muss. Ziffer 2.2 der Anlage 499 ist so abgefasst, dass kein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum für die Beklagte entsteht. Unerheblich ist, ob die Bestimmung noch klarer und verständlicher hätte formuliert werden können.
41
c) Wie schon im Hinweis (S. 8 ff unter II 3) begründet wurde, liegt weder eine behördliche Schließung des versicherten Betriebs oder einer versicherten Betriebsstätte im Sinne von Teil B § 1 Nr. 1 lit. a AVB BS 2002 vor, noch eine behördliche Schließung, die einzelne Teile oder Abteilungen des versicherten Betriebs im Sinne von Ziffer 2.2 Abs. 1 Satz 1 der Anlage 499 betrifft. Ebenso wenig ist eine Schließung oder Teilschließung dadurch erfolgt, dass im Sinne von Ziffer 2.2 Abs. 2 der Anlage 499 (s.o. unter a und b) die zuständige Behörde die Neuaufnahme von Patienten untersagt bzw. die Nichtneuaufnahme von Patienten vereinbart oder empfohlen hätte. Eine Leistungspflicht der Beklagten ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer „faktischen Schließung“ begründet.
42
aa) Es ist bereits nicht zulässig, auf der Grundlage wirtschaftlicher Überlegungen auf das Vorliegen der objektiv zuverlässig feststellbaren – und hier nicht vorliegenden – Voraussetzung der Betriebsschließung zu verzichten. Bloße Betriebseinschränkungen, mögen sie auch von Gewicht sein, sind einer echten Schließung nicht gleichzustellen (vgl. Hinweis, S. 11 unter II 3 a cc (2), S. 14 Abs. 1).
43
Nichts anderes ergibt sich aus der Definition einer Betriebsschließung nach den Auslegungskriterien für Allgemeine Versicherungsbedingungen. Hiernach „schließt“ die Behörde einen Betrieb, eine Betriebsstätte oder einen Betriebsteil, wenn der Kern der dort bestimmungsgemäß ausgeübten Tätigkeit untersagt wird und der Versicherungsnehmer daher zur Einstellung seines Betriebs gezwungen ist (vgl. Hinweis, S. 8 f unter II 3 a aa, S. 12 unter II 3 b aa). Anders als die Gegenerklärung (S. 19 ff unter II 4) wohl meint, muss der Versicherungsnehmer gerade durch die behördliche Untersagung („daher“) zur Einstellung seines Betriebs(teils) „gezwungen“ sein, während es nicht ausreicht, wenn er lediglich die Einstellung des Betriebs(teils) für wirtschaftlicher oder zweckmäßiger hält als eine Betriebsfortsetzung unter Einhaltung der behördlichen Anordnungen und daher die unternehmerische Entscheidung trifft, den Betrieb oder einen Teil davon einzustellen. Dann kann nicht von einer Schließung durch die Behörde gesprochen werden (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 12. Mai 2021 – 25 U 5794/20, VersR 2021, 1174, 1177). Das Wort „insbesondere“ in Ziffer 2.2 Abs. 2 der Anlage 499 gebietet keine andere Auslegung.
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Die von der Gegenerklärung (S. 21 f unter II 5) angeführte Literaturstimme (Jula, Betriebsunterbrechungsversicherung, Kapitel 17 Betriebsschließungsversicherung Rn. 36-40 mwN) vertritt die Auffassung, dass auch Betriebseinschränkungen unter einer Betriebsschließungsversicherung versichert sein können. Ob und in welchem Umfang dies der Fall ist, ist jedoch durch Auslegung der Versicherungsbedingungen festzustellen (vgl. Jula, aaO Rn. 36 aE).
45
bb) Darüber hinaus hat der Senat die Klägerin darauf hingewiesen (vgl. Hinweis, S. 13 letzter Absatz), dass sie auch keine tatsächlichen Umstände vorgetragen hatte, aus denen sich ergäbe, dass es der Betriebsgesellschaft auch ohne ausdrücklich hierauf gerichtete behördliche Anordnung nicht mehr sinnvoll möglich gewesen sei, einen personell und sachlich abgrenzbaren Teil ihrer betrieblichen Ressourcen weiterhin zu nutzen. Es kann dahinstehen, ob der Vortrag in der Gegenerklärung (S. 15 ff unter II 3) zu den Auswirkungen der Allgemeinverfügung diesen Anforderungen genügen würde. Denn jedenfalls ergibt sich aus dem Vortrag keine bedingungsgemäße (s.o. unter aa) behördliche Schließung des versicherten Betriebs, einer versicherten Betriebsstätte oder einzelner Teile oder Abteilungen des versicherten Betriebs. Deshalb bedarf es keiner Beweisaufnahme über die Tatsachenbehauptungen der Klägerin zu den Auswirkungen der Allgemeinverfügung auf den Klinikbetrieb, weil diese als wahr unterstellt werden können, ohne dass dies eine andere Entscheidung veranlassen würde.
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(1) Die Klägerin behauptet, die versicherte Klinik sei eine orthopädische Spezialklinik, die im Regelbetrieb so gut wie ausschließlich elektive, das heißt planbare orthopädische Operationen und Behandlungen durchführe. Die Klägerin meint, derlei elektive Behandlungen hätten infolge der Allgemeinverfügung zur Gänze eingestellt werden müssen (vgl. Gegenerklärung, S. 3 letzter Absatz).
47
Letzteres trifft schon nicht zu. Die Allgemeinverfügung verbot planbare orthopädische Operationen und Behandlungen nicht zur Gänze, sondern nur, soweit eine Zurückstellung oder Unterbrechung medizinisch vertretbar war. Zu versorgen waren zudem COVID-19-Patienten. Daneben waren Notfallbehandlungen weiterhin gestattet (vgl. Hinweis, S. 10 vorletzter Absatz).
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(2) Den Tatsachenvortrag der Klägerin zugrunde gelegt, war der Betrieb der versicherten Klinik nicht eingestellt.
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(a) Die Klägerin trägt vor, der Klinik seien ausgewählte Patienten für internistische Behandlungen überwiesen worden, die sich nicht in einem lebensbedrohlichen Zustand befunden hätten. Für die Aufnahme solcher Patienten sei die Station 10 in eine „Corona-Station“ umfunktioniert worden. Patienten aller übrigen Stationen seien, soweit medizinisch vertretbar, nachhause geschickt worden, ansonsten in einzelnen Zimmern untergebracht, wobei Mehrfachbelegungen hätten unterbleiben müssen.
50
Von den insgesamt zwölf Operationssälen seien acht zeitweise geschlossen und nicht genutzt worden, die verbleibenden täglich nur stundenweise für dringende Notfälle, nicht zur Behandlung elektiver Fälle. Beispielsweise hätten statt 40 Operationen am 6. März 2025 nur noch 11 (unaufschiebbare) Operationen am 23. März 2020 stattgefunden.
51
Ein Teil der Pflegekräfte und Ärzte sowie sämtliches nichtmedizinisches Personal habe in Kurzarbeit geschickt werden müssen. Dies deshalb, weil die klinischen Mitarbeiter mangels fachspezifischer Kenntnisse und Fähigkeiten zur Versorgung von Covid-Patienten überwiegend nicht hätten weiterbeschäftigt werden können. Von sechs Beatmungsgeräten seien drei zusammen mit ärztlichem Personal an eine internistische Klinik verliehen worden.
52
(b) Daraus ergibt sich, dass die Klinik insbesondere orthopädische Notfallbehandlungen vornahm, stationär aufgenommene Patienten versorgte, deren Entlassung nicht medizinisch vertretbar war, sowie auf einer „Corona-Station“ internistische Patienten versorgte. Von einer Einstellung des Betriebs der Klinik kann dabei nicht gesprochen werden.
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(3) Ausgehend vom klägerischen Tatsachenvortrag liegt auch kein Fall vor, in dem die Haupttätigkeit des Betriebs nicht mehr erfolgen könnte und eine noch mögliche Nebentätigkeit wirtschaftlich allenfalls marginal zur Schadensreduzierung beitragen würde (vgl. Gegenerklärung, S. 22 Abs. 1 und 2).
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Soweit die Gegenerklärung letzteres lediglich pauschal behauptet, ergibt sich schon aus ihrem eigenen Vortrag, wonach noch Behandlungsleistungen in nicht vernachlässigbarem Umfang vorgenommen wurden (s.o. unter (2) (a)), dass eine mehr als „marginale“ Schadensreduzierung vorläge. Deshalb kann dahinstehen, ob dieser Fall – wie die Klägerin meint – einer Schließung gleichzusetzen wäre.
55
Hierzu ist kein weiterer Hinweis an die Klägerin geboten. Diese ist durch den erteilten Hinweis über die der Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsauffassung des Senats und damit über die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte unterrichtet. Dass es nach der eigenen Auffassung der Klägerin auf den wirtschaftlichen Ertrag des nach der Allgemeinverfügung noch erfolgten Klinikbetriebs ankäme, hat die Klägerin ausweislich der Gegenerklärung (S. 21 f unter II 5) selbst erkannt, weshalb die Voraussetzungen für einen gerichtlichen Hinweis gemäß § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO („erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten“) nicht vorliegen.
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(4) Auch eine Einstellung einzelner Teile oder Abteilungen des versicherten Betriebs ergibt sich nicht aus dem Tatsachenvortrag der Klägerin. Jedenfalls wären die Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Teilschließung nicht erfüllt.
57
(a) Die Klägerin hat schon nicht ausdrücklich behauptet, diejenigen Stationen geschlossen zu haben, die nicht als „Corona-Station“ (Station 10) dienten. Sie hat vorgetragen, dass die Patienten aller übrigen Stationen, soweit medizinisch vertretbar, nachhause geschickt worden seien, und soweit dies nicht möglich gewesen sei, zur Wahrung der Abstandsvorgaben jeweils in einzelnen Zimmern untergebracht worden seien (vgl. Gegenerklärung, S. 16 Abs. 2).
58
(b) Selbst wenn die Klägerin aber alle Stationen bis auf eine geschlossen hätte, läge darin keine bedingungsgemäße Teilschließung, weil eine solche durch die zuständige Behörde vorgenommen werden müsste (vgl. Teil B § 1 Nr. 1 lit. a AVB BS 2002 iVm Ziffer 2.2 Abs. 1 Satz 1 der Anlage 499). Eine Beschränkung des Krankenhausbetriebs auf eine Station hat die Behörde aber nicht angeordnet. Ebenso wenig hat die Behörde die Neuaufnahme von Patienten auf den anderen Stationen als der Station 10 untersagt (bzw. die Nichtaufnahme vereinbart oder empfohlen, vgl. Ziffer 2.2 Abs. 2 der Anlage 499). Bei der Entscheidung, wie die Patienten auf die Stationen der Klinik verteilt wurden, handelte es sich um eine eigene unternehmerische Entscheidung der Betriebsgesellschaft. Unzutreffend ist deshalb die Erwägung der Gegenerklärung (S. 20 f unter II 4), die Behörde habe „rein zufällig anders formuliert“ als bei einer zum Vergleich betrachteten „Anordnung, alle Stationen der Klinik mit Ausnahme der (schließlich umfunktionierten) Station 10 soweit medizinisch vertretbar zu schließen“. Im Streitfall hat die Behörde eine grundlegend andere Anordnung erlassen, die es der Entscheidung der Betriebsgesellschaft überließ, durch welche organisatorischen Maßnahmen diese ihr Rechnung trägt.
59
Entsprechendes gilt für die vorübergehende Nichtnutzung einzelner Operationssäle. Die Behörde hat die Tätigkeit der Betriebsgesellschaft in diesen nicht untersagt.
60
Soweit drei Beatmungsgeräte verliehen wurden, kann hierin bereits keine Schließung einzelner Teile oder Abteilungen des versicherten Betriebs gesehen werden. Zudem lag in der Allgemeinverfügung auch keine hierauf gerichtete behördliche Anordnung.
61
Was die vorgetragene Kurzarbeit angeht, liegen dieser keine Tätigkeitsverbote im Sinne von Teil B § 1 Nr. 1 lit. a Halbsatz 2 AVB BS 2002, Ziffer 2.2 Abs. 1 Satz 2 der Anlage 499 zugrunde. Eine Gleichstellung faktischer Auswirkungen mit einem Tätigkeitsverbot, wie es die Gegenerklärung (S. 20 Abs. 2) fordert, lässt sich den Versicherungsbedingungen nicht entnehmen; Sachverständigenbeweis ist zu dieser Rechtsfrage nicht zu erheben. Zudem ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin keine Betroffenheit einzelner Teile oder Abteilungen des versicherten Betriebs im Sinne von Ziffer 2.2 Abs. 1 der Anlage 499.
62
(5) Die Klägerin meint, die Erwägungen im Hinweis ließen nicht erkennen, dass der Senat Umfang und Schwere des Eingriffs in die verfassungsrechtlich geschützten Rechte der Klägerin in räumlicher, organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht vollends erkannt habe, weil er meine, die Eingriffe hätten lediglich zu „Einschränkungen“ im Betriebsablauf der Klägerin geführt, nicht aber zu (Teil-)Betriebsschließungen im Sinne des Versicherungsvertrags (vgl. Gegenerklärung, S. 3 unten). Mit der Realität nicht in Einklang zu bringen sei die Annahme, der Eingriff durch die Allgemeinverfügung sei nur eine (vielleicht lästige) Betriebseinschränkung gewesen (aaO S. 19 Abs. 1).
63
(a) Der Senat verkennt – auch unter Berücksichtigung des Tatsachenvortrags in der Gegenerklärung (S. 15 ff unter II 3) – nicht, dass die Allgemeinverfügung erhebliche Auswirkungen auf den Betrieb der versicherten Klinik hatte. Gleichwohl ist nach dem Inhalt des Versicherungsvertrags eine Abgrenzung vorzunehmen zwischen einer versicherten Betriebsschließung und einer nicht versicherten Betriebsbeeinträchtigung unterhalb einer Schließung. Für diese Abgrenzung ist nicht in erster Linie das Gewicht der Betriebseinschränkung entscheidend (s.o. unter aa), sondern der Schließungsbegriff, wie er sich aufgrund der Auslegung der Versicherungsbedingungen ergibt (vgl. Hinweis, S. 8 ff unter II 3).
64
(b) In der Gegenerklärung (S. 3 letzter Absatz) äußert die Klägerin ihre Enttäuschung über unterbliebene „Einzelfallermittlungen“ des Senats zur „Frage des Eingriffs und seiner konkreten Folgen“. Dies verhilft der Berufung nicht zum Erfolg.
65
Die Klägerin hat zu den Auswirkungen der Allgemeinverfügung auf den Klinikbetrieb vorgetragen; der Senat hat diesen Vortrag zur Kenntnis genommen und berücksichtigt ihn bei der Entscheidung (s.o. unter (2) und (4)). Weiter meint die Gegenerklärung (S. 4 Abs. 1), der Senat sei gehalten, sich zunächst Klarheit darüber zu verschaffen, was die Parteien konkret behaupten wollen, und ggf. Beweis zu erheben. Was dies angeht, so hat der Senat mit dem Hinweisbeschluss darauf hingewiesen, auf welche rechtlichen Gesichtspunkte es für die Entscheidung ankommt, und Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu eingeräumt. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Gegenerklärung vertiefend zu den Auswirkungen der Allgemeinverfügung vorgetragen und Zeugenbeweis angeboten, der aus den schon genannten Gründen – wegen Wahrunterstellung – nicht zu erheben ist. Aus dem angeführten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. September 2014 (VI ZR 443/13, NJW 2015, 74 Rn. 23 ff) ergeben sich für den vorliegenden Fall keine weitergehenden Anforderungen.
66
Im Hinweis (S. 11 unter II 3 a cc (1)) hat sich der Senat der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Nürnberg (VersR 2024, 1288, 1293) angeschlossen, wonach Maßnahmen, die lediglich eine Umplanung der Betriebsaufläufe erforderlich machen und dabei einzelne Betriebsvorgänge zu Gunsten von anderen – zu priorisierenden – zurückstellen, bei verständiger Würdigung schon dem Wortlaut nach nicht als Schließung bezeichnet werden können. Die Gegenerklärung (S. 20 Mitte) vermisst insoweit einen „Hinweisbeschluss“ des Senats und beanstandet, es sei nicht ersichtlich, aufgrund welcher spezifischen Fachkenntnisse der Senat zu seiner Ansicht komme. Hierzu wird auf die bereits erfolgten Ausführungen zu den Auswirkungen der Allgemeinverfügung auf die Klinik verwiesen (s.o. unter (1) bis (4)), die keine Fachkenntnisse eines Sachverständigen voraussetzen.
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d) Die Voraussetzungen gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Es ist weder eine mündliche Verhandlung geboten noch eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
68
Die Gegenerklärung (S. 4 oben) regt die Durchführung einer mündlichen Verhandlung an, „damit sich der Senat von der Klägerin die seinerzeitige Sachlage sowohl hinsichtlich des Vertragsabschlusses als auch der Eingriffsfolgen auf sie als Fachklinik für Orthopädie mit einem ausschließlich auf Diagnostik, Behandlung und Therapie für alle Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates spezialisierten Angebots und Betriebs (insbesondere in räumlich-organisatorischer Hinsicht) im Einzelnen erläutern lassen, ggf. Zeugen hören und die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage des Eingriffs und seiner Folgen für die Klägerin anordnen und seine bisherige Rechtsansicht überdenken kann“. Das Vorbringen in der Gegenerklärung gibt dem Senat keinen Anlass, von seiner Auffassung abzuweichen, ohne dass der Senat die Notwendigkeit einer mündlichen Klarstellung oder Verdeutlichung des schriftlichen Berufungsvorbringens sähe; auch einer Beweisaufnahme bedarf es nicht (s.o. unter c bb (5) (b)).
69
Die in der Gegenerklärung (S. 4 unten) erwähnten bis zu neun Parallelverfahren der Klägerin begründen keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Eine Zulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Dem in der Gegenerklärung (S. 22 unter II 5) zitierten Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 18. November 2021 (8 U 123/21, r+s 2022, 15) liegen „Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe (BBSG 19)“ zugrunde. Nach Ziffer 3.1.1 BBSG 19 ist Leistungsvoraussetzung, dass „die zuständige Behörde … den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte … ganz oder teilweise schließt“ (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2023 – IV ZR 465/21, BGHZ 236, 74 Rn. 2). Bei dieser Bedingungslage hat das dortige Berufungsgericht angenommen, dass eine behördlich angeordnete Betriebsschließung eines Hotels vorlag, obwohl diesem eine Beherbergung von Geschäftsreisenden weiterhin möglich war (vgl. OLG Celle, aaO Rn. 97). Im Streitfall ist mit Ziffer 2.2 der Anlage 499 eine inhaltlich abweichende Bestimmung vereinbart, nach der „einzelne Teile oder Abteilungen des versicherten Betriebs“ betroffen sein müssen.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 Satz 2, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
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Die Festsetzung des Berufungsstreitwerts beruht auf §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO.