Titel:
Streitwertbeschwerde des Prozessbevollmächtigten, Baurechtliche Nachbarklage, Gartenmauer aus Gabionen, Abweichung vom Streitwertrahmen nach unten.
Normenketten:
GKG § 52 Abs. 1 und 2
GKG § 68 Abs. 1
Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs.
Schlagworte:
Streitwertbeschwerde des Prozessbevollmächtigten, Baurechtliche Nachbarklage, Gartenmauer aus Gabionen, Abweichung vom Streitwertrahmen nach unten.
Vorinstanzen:
VG Ansbach, Beschluss vom 03.05.2023 – AN 3 K 21.1418
VG Ansbach, Urteil vom 03.05.2023 – AN 3 K 21.1418
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2860
Tenor
In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. Mai 2023 wird der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Bevollmächtigte der Beigeladenen wendet sich in eigenem Namen gegen die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts in einer baurechtlichen Nachbarstreitigkeit.
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Mit Urteil vom 3. Mai 2023, den Beigeladenen zugestellt am 25. Juli 2023, wies das Verwaltungsgericht Ansbach die Klage ab, mit der sich die Kläger gegen die den Beigeladenen unter Abweichung von der Abstandsfläche erteilte Baugenehmigung zur Errichtung einer Gartenmauer aus Gabionen wandten. Den Streitwert setzte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom selben Tag auf 2.000,00 Euro fest.
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Gegen die Festsetzung des Streitwerts erhob der Bevollmächtigte der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 20. Februar 2024 Beschwerde. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, bei der vorliegenden Drittkonstellation sei das Interesse der Beigeladenen zu berücksichtigen, das gegenständliche Bauvorhaben tatsächlich zu realisieren und hierzu eine bestandskräftige Baugenehmigung zu erhalten. Dabei sei insbesondere die Höhe der Aufwendungen für die Herstellung des Bauvorhabens von Bedeutung, die sich unter Berücksichtigung der Bau- und Planungskosten sowie der Genehmigungsgebühr auf mindestens 11.721,07 Euro belaufen.
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In seinem Nichtabhilfebeschluss vom 26. Februar 2024 führt das Verwaltungsgericht Ansbach aus, der Streitwert bei einer Nachbarklage gegen die Baugenehmigung für ein Einfamilienhaus liege regelmäßig mit 7.500,00 Euro am unteren Rand des in Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs enthaltenen Rahmens. Stelle sich das wirtschaftliche Interesse bei einer Nachbarklage als weniger gewichtig dar, z.B. bei Anfechtung einer Baugenehmigung für eine Zaunanlage oder Mauer, lege die Kammer der Streitwertfestsetzung einen Wert von etwa 10% der zu erwartenden Baukosten zu Grunde. Angesichts des Vortrags des Bevollmächtigten der Beigeladenen zu den Bau- und Planungskosten sei der festgesetzte Streitwert von 2.000,00 Euro angemessen.
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Die vom Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen erhobene Streitwertbeschwerde ist gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG statthaft und auch sonst nach § 68 Abs. 1 GKG zulässig. In der Sache ist die Beschwerde im tenorierten Umfang begründet.
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Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Demnach kommt es bei der Klage eines Nachbarn gegen eine Baugenehmigung für die Bemessung des Streitwerts nicht auf die Größe des genehmigten Objekts oder auf das Interesse des Bauherrn an der Genehmigung bzw. an dem genehmigten Vorhaben an, sondern auf das Interesse des Nachbarn als Kläger an der Verhinderung des Bauvorhabens (vgl. BVerwG, B.v. 3.5.1990 – 4 CB 8.90 – juris Rn. 14). Maßgebend ist dabei nicht die subjektive Bedeutung, die der Kläger der Sache beimisst (Affektionsinteresse), sondern der Wert, den die Sache bei objektiver Beurteilung für den Kläger hat (vgl. BayVGH, B.v. 30.5.2023 – 9 C 23.793 – juris Rn. 7).
7
Die Befugnis, den Streitwert nach Ermessen zu bestimmen, ermöglicht es den Gerichten, den jeweiligen Wert im Interesse der Gleichbehandlung und Rechtssicherheit zu schätzen und dabei auf allgemeine Empfehlungen zurückzugreifen, die gleichartige Streitigkeiten schematisieren und typisieren (vgl. BayVGH, B.v. 30.5.2023 – 9 C 23.793 – juris Rn. 7). Der Senat legt hierbei regelmäßig den jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zugrunde, derzeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (Streitwertkatalog 2013), der bei Baunachbarklagen in Nr. 9.7.1 einen Rahmen von 7.500,00 bis 15.000,00 Euro empfiehlt, soweit nicht ein höherer wirtschaftlicher Schaden feststellbar ist. Die Empfehlung steht laut Vorbemerkung zu Nr. 9 des Streitwertkatalogs unter dem Vorbehalt, dass stattdessen auf das geschätzte wirtschaftliche Interesse bzw. den Jahresnutzwert abzustellen ist, soweit die Bedeutung der Genehmigung für den Kläger mit den aufgeführten Werten nicht angemessen erfasst wird. Darüber hinaus kann nach den Maßstäben des § 52 Abs. 1 GKG von den Empfehlungen des Streitwertkatalogs abgewichen werden, wenn der Einzelfall dazu Anlass gibt (vgl. Nr. 3 der Vorbemerkungen zum Streitwertkatalog 2013, siehe auch: Begleitschreiben zum Streitwertkatalog 2013, abgedruckt in AGS 2013, 549 f. – juris).
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Soweit der Bevollmächtigte der Beigeladenen in seiner Beschwerdebegründung auf die Höhe der Aufwendungen für die Herstellung des Bauvorhabens verweist, stellt dies keine geeignete Bezugsgröße für die Festsetzung des Streitwerts der vorliegenden Nachbarklage dar, da es nach § 52 Abs. 1 GKG nicht auf das Interesse der Beigeladenen, sondern auf die Bedeutung der Sache für die Kläger, also für die Nachbarn des angefochtenen Bauvorhabens ankommt. Gleiches gilt, soweit das Verwaltungsgericht Ansbach der Streitwertfestsetzung einen Wert von etwa 10% der zu erwartenden Baukosten zu Grunde legt.
9
Da das objektive Interesse des Nachbarn an der Abwehr von Beeinträchtigungen, die von einem Bauvorhaben möglicherweise ausgehen, in der Regel nicht bezifferbar ist, bemisst der Streitwertkatalog 2013 dieses in Nr. 9.7.1 mit einem Rahmen von 7.500,00 bis 15.000,00 Euro, also mit dem 1½-fachen bis 3-fachen Auffangwert. Mit dieser Empfehlung bringt der Streitwertkatalog eine pauschale Bewertung der Betroffenheit des Nachbarn und seines Schutzinteresses zum Ausdruck. Das Interesse des Nachbarn geht in aller Regel dahin, Beeinträchtigungen infolge der Stellung und des Ausmaßes des Baukörpers oder infolge der genehmigten Nutzung abzuwehren (vgl. OVG RhPf, B.v. 28.1.2021 – 8 E 10109/21 – juris Rn. 3; SächsOVG, B.v. 27.2.2023 – 1 E 7/23 – juris Rn. 15). Hingegen stellt das Interesse des Nachbarn an der Abwehr einer Wertminderung für sein Anwesen grundsätzlich kein geeignetes Kriterium für die Bemessung des Streitwerts dar, da nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die als Folge der Ausnutzung einer Baugenehmigung möglicherweise eintretende Wertminderung für sich genommen keinen Maßstab dafür bildet, ob Beeinträchtigungen zumutbar sind oder nicht (vgl. OVG RhPf, B.v. 28.1.2021 – 8 E 10109/21 – juris Rn. 3 mit Verweis auf BVerwG, B.v. 13.11.1997 – 4 B 195.97 – juris Rn. 6).
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Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 trägt einer möglichen unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedeutung bei Nachbarklagen durch Vorgabe eines Rahmens Rechnung. Innerhalb des vorgesehenen Rahmens ist der Streitwert nach dem Maß der geltend gemachten Beeinträchtigung, die der Kläger abwehren will, und den Rechtsgütern, die geschützt werden sollen, nach Ermessen festzusetzen (vgl. BVerwG, B.v. 26.9.1994 – 4 B 188.94 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 15.2.2019 – 1 C 18.2435 – juris Rn. 3). Die Empfehlungen des Streitwertkatalogs orientieren sich zwangsläufig an durchschnittlich gelagerten Fällen. Eine Abweichung hiervon ist nur geboten, wenn sich der Einzelfall in Bezug auf das für die Streitwertbemessung maßgebliche Interesse deutlich von den der Empfehlung des Streitwertkatalogs zugrundeliegenden Durchschnittsfällen unterscheidet (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2014 – 15 C 14.1293 – juris Rn. 6).
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Die Beeinträchtigung, die die Kläger mit der Anfechtung der den Beigeladenen erteilten Baugenehmigung zur Errichtung einer Gartenmauer mit einer Länge von 12,23 m und einer Höhe von 2,13 m entlang der zu ihnen gerichteten Grundstücksgrenze abwehren möchten, betrifft im Wesentlichen die Abstandsfläche, hinsichtlich der in der Baugenehmigung eine Abweichung erteilt wurde. Allerdings unterscheidet sich der gegenständliche Fall in Bezug auf das Interesse der Kläger an der Abwehr von Beeinträchtigungen durch das Bauvorhaben bei objektiver Beurteilung deutlich von den der Empfehlung des Streitwertkatalogs zugrundeliegenden Durchschnittsfällen. So handelt es sich bei der Gartenmauer zwar um eine bauliche Anlage, nicht jedoch um ein dem Aufenthalt von Menschen dienendes Gebäude. Zudem überschreitet die Gartenmauer die Höhe von 2 m, bis zu der Mauern verfahrensfrei und ohne Einhaltung von Abstandsflächen auch an der Grundstücksgrenze errichtet werden können (Art. 6 Abs. 7 Nr. 3, Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a BayBO), nur geringfügig. Überdies orientiert sich die Höhe der Gartenmauer an der bestehenden Gabionenwand, die die Kläger ihrerseits an der zu den Beigeladenen gerichteten Grundstücksgrenze errichtet haben. Vor diesem Hintergrund ist vorliegend eine Abweichung vom Streitwertrahmen nach unten geboten.
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Da sich die Bedeutung der Sache für den Nachbarn nicht mit einem bestimmten Betrag bemessen lässt, erachtet der Senat einen Streitwert von 5.000,00 Euro für angemessen, zumal dies der Höhe des Auffangstreitwerts des § 52 Abs. 2 GKG entspricht, der als Orientierungswert für die Rahmenbildung im Streitwertkatalog dient. Nach der in § 52 Abs. 1 und 2 GKG zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers und dem vorgeschlagenen Rahmen in Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs ist hingegen eine Unterschreitung des Auffangwerts nicht geboten.
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Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 68 Abs. 3 GKG.
14
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.