Inhalt

VGH München, Beschluss v. 29.01.2025 – 24 CS 24.1884
Titel:

Widerruf von Waffenbesitzkarten, Unzuverlässigkeitsprognose, vorwerfbarer Aufbewahrungsverstoß, Aufbewahrung in Waffenkoffern, nicht gemeldeter Waffenraum, Kontrolle durch die Waffenbehörde, Angemessenheit der Frist i.S.v. § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG, Streitwertbegrenzung bei großer Anzahl von Waffen (Deckelung)

Normenketten:
VwGO § 146
WaffG § 45
WaffG § 36 Abs. 1
BJagdG § 18 S. 1
SprengG § 34
Schlagworte:
Widerruf von Waffenbesitzkarten, Unzuverlässigkeitsprognose, vorwerfbarer Aufbewahrungsverstoß, Aufbewahrung in Waffenkoffern, nicht gemeldeter Waffenraum, Kontrolle durch die Waffenbehörde, Angemessenheit der Frist i.S.v. § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG, Streitwertbegrenzung bei großer Anzahl von Waffen (Deckelung)
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 18.10.2024 – RO 4 S 24.2079
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2854

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen, soweit sie unzulässig ist. Im Übrigen wird sie zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Unter Aufhebung der Nummer III des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. Oktober 2024 – RO 4 S 24.2079 – wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 26.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, mit der er sich insbesondere gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten und entsprechende waffenrechtliche Nebenanordnungen wendet.
2
Der Antragsteller ist Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse in Form von neun Waffenbesitzkarten, eines Jagdscheins und einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis zum Laden bzw. Wiederladen von Patronenhülsen. Außerdem hat er eine Mitbenutzungserlaubnis für die Waffen seines Sohnes.
3
Am 3. April 2024 führte das Landratsamt S. (im Folgenden: Landratsamt) eine unangekündigte Kontrolle durch. Dabei wurde insbesondere festgestellt, dass die Waffen des Antragstellers in einem Waffenraum im Keller aufbewahrt wurden, der dem Landratsamt bislang nicht gemeldet worden war. Eine halbautomatische Pistole wurde in einem Koffer außerhalb des Waffenraums, aber in dessen unmittelbarer Nähe im Keller und ein Wechsellauf ohne Eintragung in eine Waffenbesitzkarte gefunden.
4
Mit Bescheid vom 20. Juli 2024 widerrief das Landratsamt die waffenrechtlichen Erlaubnisse, die in die Waffenbesitzkarte seines Sohnes eingetragene waffenrechtliche Mitbenutzungserlaubnis (Nr. 1) und die sprengstoffrechtliche Erlaubnis (Nr. 2). Der Dreijahresjagdschein wurde für ungültig erklärt und eingezogen (Nr. 3). Des Weiteren ergingen unter den Nummern 4 bis 9 Nebenanordnungen, insbesondere wurde dem Antragsteller aufgegeben, die in seinem Besitz befindlichen erlaubnispflichtigen Schusswaffen einschließlich der Munition binnen vier Wochen nach Zustellung des Bescheides einem Berechtigten zur Verwahrung zu überlassen oder diese dauerhaft unbrauchbar machen zulassen (Nr. 5). Die sofortige Vollziehung der Nummern 3 bis 9 wurde angeordnet (Nr. 10).
5
Der Bescheid wurde damit begründet, dass beim Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG nicht mehr gegeben sei. Der Antragsteller habe eine halbautomatische Pistole nicht in einem mindestens dem Widerstandsgrad 0 entsprechenden oder gleichwertigen Behältnis, sondern in einem normalen nicht abgesperrten Koffer und damit nicht ordnungsgemäß verwahrt. Es sei gleichgültig, dass der Antragsteller vorgehabt habe, zum Schützenheim zu fahren und nur deshalb die Waffe bereits rausgestellt habe. Ferner sprächen die weiteren Verstöße – Nutzung des Waffenraumes ohne vorherige Zulassung sowie das Auffinden eines Wechsellaufs ohne Eintragung in eine Waffenbesitzkarte – gegen die Annahme, dass es sich bei der vorgefundenen Situation nur um eine nicht repräsentative einmalige Momentaufnahme gehandelt habe.
6
Der Antragsteller hat am 14. August 2024 Klage gegen den Bescheid erhoben (RO 4 K 24.1947) und stellte am 30. August 2024 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit Beschluss vom 18. Oktober 2024 abgelehnt. Bei summarischer Prüfung stelle sich der Bescheid als rechtmäßig dar, insbesondere genüge die Aufbewahrung der Pistole in dem Waffenkoffer nicht den gesetzlichen Anforderungen. Bis zur Abfahrt zum Schützenheim hätte der Antragsteller die Waffe ordnungsgemäß verwahren müssen und habe sie auch nicht für den kurzen Moment der Unterbrechung durch die klingelnden Kontrolleure unbeaufsichtigt lassen dürfen.
7
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2024 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid wiederherzustellen.
9
Zur Begründung trägt er insbesondere vor, dass er nicht unzuverlässig sei, weil er in keiner Weise die Schwelle einer nur situativen Nachlässigkeit minderen Gewichtes überschritten habe. Im Übrigen sei die Anordnung der Überlassung sämtlicher Schusswaffen an einen Berechtigten oder deren dauerhafte Unbrauchbarmachung innerhalb von vier Wochen unverhältnismäßig.
10
Der Antragsgegner beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen,
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und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
14
A. Teilweise ist die Beschwerde unzulässig, im Übrigen unbegründet.
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I. Soweit sich die Beschwerde gegen die Anordnung in Nummer 5 des Bescheids richtet, ist sie unzulässig und daher nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO zu verwerfen. Die erhobene Rüge, die auf Grundlage von § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG gesetzte Frist von vier Wochen sei für die Unbrauchbarmachung oder Überlassung an einen Berechtigten angesichts der Vielzahl der Waffen zu kurz, genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO.
16
Das Darlegungserfordernis verlangt von dem Beschwerdeführer, konkret zu erläutern, aus welchen Gründen der angegriffene Beschluss fehlerhaft und daher abzuändern oder aufzuheben ist. Die Anforderungen dürfen dabei nicht überspannt werden und werden auch durch die Gestalt des angegriffenen Beschlusses geprägt (vgl. Kuhlmann/Wysk in Wysk, VwGO, 4. Aufl. 2025, § 146 Rn. 23 ff.). Vorliegend hat sich das Verwaltungsgericht zwar mit der Fristsetzung nur sehr oberflächlich befasst und apodiktisch festgestellt, dass es „die gesetzte Frist auch in Anbetracht der Anzahl der Waffen des Antragstellers als angemessen (erachte), insbesondere da [der Antragsteller] nicht verpflichtet ist, seinen Waffenbestand lediglich einem einzigen anderweitigen Berechtigten zu überlassen, sondern diesen auch aufgeteilt an mehrere Berechtigte übergeben kann“ (BA, S. 20), ohne auch auf den Maßstab für eine angemessene Frist und die ersichtlichen Umstände des konkreten Fall näher einzugehen. Bei der Bemessung der Frist muss die Behörde die Möglichkeiten der Pflichterfüllung realistisch bewerten, darf aber gleichzeitig auch dem jeweiligen Anlass der Maßnahme (und seiner „Gefährlichkeit“) Rechnung tragen. Auch die Folgen des Fristablaufs – grundsätzlich zunächst nur eine Sicherstellung nach § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG, aber nicht ohne Weiteres eine Verwertung oder Vernichtung der Waffen (vgl. § 46 Abs. 5 Satz 1 WaffG) – prägen die Länge der angemessenen Frist.
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Gleichwohl genügt es nicht, wenn der Antragsteller ebenso oberflächlich die Unangemessenheit der Frist behauptet. Da die rechtlichen Wirkungen der Vollziehbarkeitsanordnung der Behörde durch Nummer 10 des vorliegenden Bescheids erst mit einer gerichtlichen Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, nicht aber (vorübergehend) mit einem Antrag bei Gericht enden (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand August 2024, § 80 VwGO Rn. 271), war der Antragsteller (seit Erlass des Bescheids, aber nicht – wie der Antragsgegner vor dem Verwaltungsgericht vorgetragen hat – seit Durchführung der Vor-Ort-Kontrolle) gehalten, ihre Einhaltung zu versuchen, so lange über seinen Antrag auf Eilrechtsschutz noch gar nicht oder nicht in seinem Sinne entschieden worden ist. Folglich muss er die Unangemessenheit einer gesetzten Frist umso substantiierter darlegen, je länger sie bereits abgelaufen ist, es sei denn die Fehlerhaftigkeit der Frist würde sich – anders als hier – aufdrängen und offensichtlich zu Tage treten (vgl. für diesen Fall BayGH, B.v. 22.1.2024 – 20 CS 23.2238 – Rn. 14). Mit Blick auf seine Wahlfreiheit – Unbrauchbarmachen oder Überlassung – hätte der Antragsteller also zumindest darlegen müssen, dass und inwieweit er (vergeblich) versucht hat, zumindest Teile seiner Waffen an Berechtigte zu überlassen.
18
Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen Rechtsschutz gegen eine zwischenzeitlich abgelaufene Frist überhaupt möglich ist (vgl. für den Fall, dass die Frist wegen eines erfolgreichen Eilrechtsschutz ex nunc nicht zu beachten war NdsOVG, U.v. 27.5.2024 – 11 LB 508/23 – Rn. 37 und 81) und welche Rechtsfolgen gegebenenfalls eine rechtswidrig kurze Frist für den waffenrechtlichen Teil des Bescheids einerseits und für seinen vollstreckungsrechtlichen Teil andererseits zeitigt (vgl. sehr weitgehend VG Köln, U.v. 18.5.2015 – 20 K 6590/13 – juris Rn. 22 ff.).
II.
19
Die im Übrigen zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Beschwerdegründe, auf die sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, erfordern es nicht, die angegriffene Entscheidung abzuändern. Es ist derzeit nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht von der Unzuverlässigkeit des Antragstellers ausgeht; jedenfalls überwiegt wegen des gesetzlich vorgesehenen Sofortvollzugs das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage (1.). Auch die Rügen gegen den Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis (2.) und hinsichtlich der Nebenentscheidung, die ausgestellten Erlaubnisse der Behörde zur Einziehung vorzulegen (3.), haben keinen Erfolg.
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1. Hinsichtlich der Widerrufsentscheidung (Nr. 1 des Bescheids) ist das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheides das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt. Gleiches gilt hinsichtlich der Ungültigkeitserklärung und der Einziehung des Jagdscheins (Nr. 3 des Bescheids).
21
a) Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 des Waffengesetzes i.d.F. d. Bek. vom 11. Oktober 2002 (WaffG, BGBl I S. 3970), vor Erlass des Widerrufsbescheids zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328) sind Waffenbesitzkarten – und gleichermaßen Mitbenutzungserlaubnisse (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 WaffG) – zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Dies ist der Fall, wenn sich der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses als unzuverlässig im Sinne von § 5 WaffG erweist. Die Zuverlässigkeitsprüfung ist grundsätzlich prospektiv ausgerichtet und verlangt die Vornahme einer Prognose (vgl. ausführlich BayVGH, B.v. 20.4.2023 – 24 CS 23.495 – Rn. 21 f.).
22
aa) Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG fehlt die Zuverlässigkeit, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Waffeninhaber Waffen oder Munition nicht sorgfältig verwahren wird. Im Regelfall fehlt es nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG an der Zuverlässigkeit, wenn der Antragsteller wiederholt oder gröblich gegen die Aufbewahrungsvorschriften verstoßen hat. Die Anforderungen an eine sorgfältige Verwahrung sind in § 36 WaffG sowie insbesondere in dem diesen gemäß § 36 Abs. 5 WaffG konkretisierenden § 13 AWaffV näher geregelt. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 und 4 AWaffV kann die zuständige Behörde eine andere gleichwertige Aufbewahrung der Waffen und Munition zulassen; dabei sind vergleichbar gesicherte Räume als gleichwertig anzusehen.
23
bb) Die Prognose des Verwaltungsgerichts erscheint im Ergebnis derzeit nicht unzutreffend, auch wenn im Rahmen des Hauptsacheverfahrens noch nähere Aufklärungsmaßnahmen geboten erscheinen.
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(1) Nach Aktenlage ist es nicht sehr plausibel, dass der Vortrag des Antragstellers zutrifft, er sei im Moment der Kontrolle in der unmittelbaren Vorbereitung zum Transport der Waffe ins Schützenheim gewesen und habe die Waffe im Koffer in seinem (ausschließlich von ihm bewohnten) Haus nur deshalb vor dem Waffenraum kurzfristig (und verschlossen) abgestellt – und nicht verwahrt –, weil die Kontrolleure an der Haustüre geklingelt haben. Es dürfte viel dafür sprechen, dass es sich um eine nachträgliche Schutzbehauptung handelt, zumal der Antragsteller wohl auf seine Absicht im Rahmen der Kontrolle nicht hingewiesen hat. Sollte der Vortrag dennoch zur Überzeugung des Verwaltungsgerichts in der Hauptsache aufzuklären sein, so wäre allerdings zu prüfen, ob der Verstoß – für sich betrachtet – als „nicht-gröblich“ i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG und deshalb womöglich auch nicht als geeignet anzusehen sein könnte, eine Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG zu tragen.
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(2) Ferner stellt die Aufbewahrung der Waffen in einem der Behörde bis zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht mitgeteilten und nicht ausdrücklich zugelassen Waffenraum einen Verstoß gegen waffenrechtliche Vorschriften dar. Zwar begründet die Nutzung des Waffenraums des Antragstellers vor einer behördlichen Zulassung als gleichwertige Aufbewahrung materiell keinen Aufbewahrungsverstoß, da der Raum ausweislich der nachträglichen Beurteilung der Kriminalpolizei den rechtlichen Anforderungen genügt. Es handelt sich um einen „vergleichbar gesicherten Raum“ (§ 13 Abs. 1 Satz 4 AWaffV).
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Ein Verstoß gegen eine waffenrechtliche Pflicht i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG liegt aber dennoch vor und lässt Distanz des Antragstellers zu seinen waffenrechtlichen Pflichten erkennen. § 13 Abs. 1 Satz 3 AWaffV setzt eine behördliche Zulassungsentscheidung vor Nutzung eines Waffenraums voraus (vgl. NdsOVG, U.v. 27.5.2024 – 11 LB 508/23 – juris Rn. 72; VG Schwerin, B.v. 19.9.2023 – 3 A 1276/22 SN – juris Rn. 29). Das Gewicht dieses Verstoßes – und damit auch sein „Beitrag“ zu einer Unzuverlässigkeitsprognose – ist auch deshalb nicht unerheblich, weil er schon seit etwa 15 Jahren besteht. Der Waffenraum ist ausweislich des Bildmaterials und der Mitteilung der Kriminalpolizeiinspektion schon lange in Betrieb; die zertifizierte Wertschutztüre verzeichnet das Baujahr 12/2010. Zudem besteht seit dem 25. Juli 2009 die Pflicht des Waffenbesitzers, der zuständigen Behörde die ordnungsgemäße Aufbewahrung von erlaubnispflichtigen Waffen und Munition nachzuweisen (vgl. BT-Drs. 16/13423, S. 70: „‚Bringschuld‘ des Waffenbesitzers“; BGBl. I S. 2062). Gegebenenfalls aufzuklären ist noch, ob die im Karteikartenauszug vom 24. Oktober 2023 vermerkte Aufbewahrungsprüfung vom 1. März 2011 vor Ort stattgefunden hat, der Waffenraum damals bereits benutzt wurde und daher der Behörde bekannt war und ob deshalb eine konkludente Zulassung vorgelegen haben könnte; das würde allerdings voraussetzen, dass der objektiven Erklärungsgehalt aus der Sicht des Antragstellers bei verständiger Würdigung als solche verstanden werden musste (vgl. allgemein BVerwG, B.v. 7.6.2018 – 6 B 1.18 – juris Rn. 19; konkret für das Waffenrecht VG Schwerin, B.v. 19.9.2023 – 3 A 1276/22 SN – juris Rn. 29).
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(3) Weiter unklar ist, ob ein – von der Behörde im Rahmen der Prognose nur sehr beiläufig berücksichtigter – Verstoß darin liegt, dass der Antragsteller offenbar einen Wechsellauf (Seriennummer P82053) nicht in seine Waffenbesitzkarten hat eintragen lassen (vgl. S. 16 des Bescheids). Dieser Feststellung der Behörde ist der Rechtsanwalt in seinem erst nach Erlass des Bescheids, aber offenbar in dessen Unkenntnis verfassten Schreibens an die Behörde vom 2. August 2024 durch die Mitteilung entgegengetreten, dass der (nicht eingetragene) Pistolen-Wechsellauf „P82053“ zu der 1976 erworbenen (und eingetragenen) Pistole SIG 210-2 gehöre, die im Zeitpunkt der Kontrolle mit dem (eingetragenen) Wechselsystem „49223“ versehen gewesen sei und der Originallauf „P82053“ gesondert im Regal gelegen habe. In der Sache scheint damit offenbar vorgetragen zu werden, dass der von der Behörde als nicht eingetragen beanstandete Wechsellauf „P82053“ schon im Jahr 1976 zusammen mit der Pistole SIG 210-2 – gewissermaßen als deren montierter „Original-Lauf“ – erworben worden sei. Ob vor diesem Hintergrund ein Rechtsverstoß angenommen werden kann, wird – auch unter Heranziehung der damaligen Rechtslage –, das Verwaltungsgericht zu prüfen haben.
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(4) Fragen wirft nach Aktenlage die handschriftliche Notiz „Waffe war geladen“ auf dem Karteikartenauszug vom 24. Oktober 2023 (bezogen auf den Eintrag „Rep. Büchse 8x68S“) auf. Es ist unklar, von wem sie stammt und worauf sie sich bezieht. Es könnte damit ebenfalls ein Befund aus der Vor-Ort-Kontrolle am 3. April 2024 festgehalten worden sein. Damit läge ein Verstoß vor, über dessen Erheblichkeit kein Zweifel bestünde (§ 13 Abs. 1, 2 AWaffV). Auch insoweit obliegt es dem Verwaltungsgericht, weitere Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen.
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b) Ungeachtet der aufgeworfenen Fragen zur Belastbarkeit der vorgenommenen Prognose kann die Beschwerde jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben, weil nach § 45 Abs. 5 WaffG Klagen gegen eine Widerrufsentscheidung keine aufschiebende Wirkung zukommt. In Fällen einer solchen gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung ist die differenzierte gesetzgeberische Wertung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO einerseits und § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO andererseits zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 17.1.2017 – 2 BvR 2013/16 – Rn. 17). Die Gerichte führen deshalb im Rahmen der Interessenabwägung – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – nur eine Einzelfallbetrachtung im Hinblick auf solche Umstände durch, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. Gerlemann in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 45 WaffG Rn. 35).
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Der Antragsteller hat weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Beschwerdeverfahren Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass er in besonderer Weise auf seine waffenrechtliche Erlaubnis angewiesen ist und hier ausnahmsweise Gründe vorliegen, um von der gesetzlichen Wertung Abstand zu nehmen. Das bloße private Interesse an der Betätigung als Sportschütze reicht dafür nicht aus.
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c) Bezogen auf die den Jagdschein betreffenden Regelungen des Bescheids gilt wegen der im Grundsatz gleichlaufenden Vorschriften das Gleiche (vgl. § 18 Satz 1 BJagdG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagd i.V.m. § 5 WaffG und § 17 Abs. 4 BJagdG), insbesondere besteht bei der vorzunehmenden Abwägung ebenfalls ein Vorrang des öffentlichen Vollzugsinteresses. Insoweit ist die sofortige Vollziehung anders als im Waffenrecht zwar nicht schon gesetzlich angeordnet, allerdings ist das öffentliche Vollzugsinteresse bei einer Entziehung des Jagdscheins wegen Unzuverlässigkeit inhaltlich deckungsgleich mit demjenigen des waffenrechtlichen Widerrufs (vgl. näher BayVGH, B.v. 9.8.2022 – 24 CS 22.1575 – juris Rn. 25).
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2. Im Ergebnis hat die Beschwerde ebenfalls keinen Erfolg, soweit sie hinsichtlich des Widerrufs der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis rügt, das Verwaltungsgericht habe aus der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nicht auch auf die sprengstoffrechtliche Unzuverlässigkeit schließen dürfen, weil das dem Antragsteller vorgeworfenen Verhalten nichts mit dem Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen zu tun hätte.
33
Es kann offenbleiben, ob mit dem Verwaltungsgericht angenommen werden kann, dass aus dem gleichen Zuverlässigkeitsverständnis des Waffen- und des Sprengstoffgesetzes folgt, dass die Subsumtion des konkreten Falles jeweils ohne weiteres identisch sein muss; das Verwaltungsgericht verweist im Rahmen seiner sprengstoffrechtlichen Prüfung schlicht auf die „vorstehenden [waffenrechtlichen] Ausführungen“. Denn jedenfalls entfällt für den Antragsteller mit dem Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis auch sein sprengstoffrechtliches Bedürfnis nach § 27 Abs. 3 SprengG; der Antragsteller ist Inhaber einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis zum Laden bzw. Wiederladen von Patronenhülsen (vgl. BayVGH, B.v. 19.7.2021 – 24 ZB 21.1044 – juris Rn. 11). Ungeachtet dessen hat die Beschwerde auch hier wegen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung in § 34 Abs. 5 SprengG keinen Erfolg (vgl. Rn. 29 f.).
34
3. Mit seiner gegen die Nummer 4 des Bescheids erhobenen Rüge dringt der Antragsteller ebenfalls nicht durch. Seine Annahme, dass sie Anordnung der Rückgabe der Bescheinigungen erst nach Eintritt der Bestandskraft der Widerrufsbescheide zulässig sind, trifft nicht zu. Die Pflicht zur Rückgabe aller Ausfertigungen der Bescheinigungen tritt hinsichtlich waffenrechtlicher Erlaubnisse kraft Gesetzes ein, sobald ein Widerruf vorliegt, der vollziehbar ist; das verdeutlicht auch die Wertung des § 46 Abs. 3 WaffG. Hinsichtlich des Jagdscheins und der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis ergibt sich die Zulässigkeit, eine Pflicht zur Rückgabe anzuordnen, aus Art. 52 BayVwVfG. Die Norm lässt richtigerweise einen (nur) sofort vollziehbaren Widerruf genügen, weil andernfalls der Zweck der Vorschrift – Täuschungen des Rechtsverkehrs über eine Erlaubnis auszuschließen – nicht erreicht werden könnte (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 52 Rn. 15 ff. m.w.N.).
35
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
36
C. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG unter Berücksichtigung der Empfehlungen in Nrn. 1.5, 20.3 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013.
37
Für den Widerruf von Waffenbesitzkarten sind hiernach – unabhängig von der Anzahl der Karten – grundsätzlich 5.000 EUR zuzüglich 750 EUR für jede weitere Waffe anzusetzen (vgl. BVerwG, B.v. 12.6.2023 – 6 B 37/22 – juris Rn. 7). In Fällen, in denen – wie hier – eine besonders große Anzahl in Rede steht, ist jedoch eine Begrenzung des Streitwerts angezeigt (Deckelung). Die nach § 52 Abs. 1 GKG maßgebliche Bedeutung der Sache für den Antragsteller steigt nicht ad infinitum proportional mit der Zahl der Waffen, wenn es – wie hier – um letztlich „eine“ Frage der Zuverlässigkeit geht (im Anschluss an VGH BW, B.v. 19.6.2017 – 1 S 846/17 – juris Rn. 17; OVG NRW, B.v. 15.5.2013 – 20 A 419/11 – juris Rn. 54; NdsOVG, B.v. 12.11.2007 – 11 ME 373/07 – juris Rn. 14 ff.). Die verbreitete Deckelung auf das Fünffache des gesetzlichen Auffangwerts nach § 52 Abs. 2 GKG – mithin auf 25.000 EUR – erscheint allerdings zu niedrig und berücksichtigt das Affektionsinteresse als immaterielles Interesse des Antragstellers, das ebenfalls die Bedeutung der Sache i.S.v. § 52 Abs. 1 GKG prägt (vgl. BVerwG, B.v. 15.9.2015 – 9 KSt 2.15 – juris Rn. 2), nicht ausreichend. Der Senat zieht deshalb die Grenze bei 35.000 EUR. Die Grenze wird hier erreicht. In den Waffenbesitzkarten des Antragstellers finden sich 49 Einträge, davon allerdings sechs Wechselsysteme, die bei der Bestimmung des Streitwerts außer Betracht bleiben. Der waffenrechtliche Streitwert beträgt daher rechnerisch 36.500 EUR (5.000 EUR – inkl. einer Waffe – + [42 x 750 EUR]) und wird auf 35.000 EUR gedeckelt.
38
Hinsichtlich der Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins beträgt der Streitwert 8.000 EUR (Nr. 20.3 des Streitwertkatalogs). Für die nicht-gewerbliche Erlaubnis zum Umgang und Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen nach § 27 SprengG ist der Auffangstreitwert anzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2024 -24 CS 24.1585 – Rn. 37 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Für die Mitbenutzungserlaubnis ist ebenfalls der Auffangwert anzusetzen.
39
Der sich hieraus ergebende Gesamtbetrag von 53.000 EUR (35.000 EUR + 8.000 EUR + 5.000 EUR + 5.000 EUR) ist für das Eilverfahren zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs). Der festzusetzende Streitwert beträgt daher 26.500 EUR.
40
Da das Verwaltungsgericht den Streitwert nicht gedeckelt und fehlerhaft die Wechselsysteme in seine Festsetzung einbezogen hat, ändert der Senat nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG die Streitwertfestsetzung für das Verfahren im ersten Rechtszug.
41
D. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).