Titel:
Fortsetzungsfeststellungsinteresse hinsichtlich des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte nach beantragter Entlassung aus dem Beamtenverhältnis - Erfolglose Klage
Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3
BeamtStG § 39
Leitsätze:
1. Für ein Rehabilitationsinteresse muss eine Stigmatisierung Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist keine diskriminierende Sanktion, sondern im Kern eine zukunftsbezogene Reaktion aus dienstlichen Gründen, um den Unterrichtsbetrieb ordnungsgemäß aufrechterhalten zu können. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verbot der Führung der Dienstgeschäfte, Fortsetzungsfeststellungsklage, Rehabilitationsinteresse nach beantragter Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe abträgliche Nachwirkung (verneint), abträgliche Nachwirkung (verneint), Fortsetzungsfeststellungsinteresse, beantragte Entlassung aus dem Beamtenverhältnis, Rehabilitationsinteresse, Lehrer, Stigmatisierung, Entlassung aus dem Beamtenverhältnis
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 25.11.2024 – AN 1 K 23.2028
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2850
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) gestützte Antrag des Klägers bleibt ohne Erfolg.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens, auf das sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), nicht. Solche sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Feststellung, dass das gegenüber dem Kläger für sofort vollziehbar angeordnete Verbot der Führung der Dienstgeschäfte (Bescheid vom 5.9.2023) rechtswidrig war, als unzulässig abgewiesen, weil angesichts der vom Kläger mit Schreiben vom 6. September 2023 selbst beantragten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe mit Wirkung zum 23. September 2023 kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse vorliege. Für ein Rehabilitationsinteresse im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 21.3.2013 – 3 C 6.12 – juris Rn. 15 f. m.w.N.) reiche weder der Vortrag, dem Kläger gehe es in erster Linie um die Wiederherstellung seines Rufes, noch das bloße ideelle oder abstrakte Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit der beanstandenden Maßnahme aus. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 39 BeamtStG habe zu keinen abträglichen Nachwirkungen für den Kläger geführt, da dieser noch vor Erhebung der vorliegenden Klage eine Anstellung als Realschullehrer bei einem kirchlichen Schulträger gefunden habe und seiner Tätigkeit seither dort nachgehe. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als schulinterne Maßnahme überhaupt nach außen bekanntgeworden sei.
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Mit seiner Zulassungsbegründung vermag der Kläger die Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht ernstlich in Zweifel zu ziehen.
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Soweit er meint, dass er aufgrund des rechtswidrigen und stigmatisierenden Verwaltungshandelns dem Lehrberuf nicht innerhalb eines Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit nachgehen könne, wodurch gegenüber seinem sozialen Umfeld, im beruflichen Umfeld von Lehrern – etwa auf gemeinsamen Fortbildungsveranstaltungen und/oder im Kreis seiner ehemaligen Berufskollegen – und auch gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Vorgesetzten eine Stigmatisierung eintrete und fortbestehe, verkennt er, dass die nun (dauerhaft) nicht mehr mögliche Lehrtätigkeit innerhalb eines Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit schon nicht auf dem (vorläufigen) Verbot der Führung der Dienstgeschäfte, sondern auf seiner (von ihm selbst beantragten) Entlassung beruht. Dies gilt auch soweit der Kläger meint, bei jeder zukünftigen Bewerbung werde die Frage aufkommen, wieso er „aus der Beamtenlaufbahn ausgetreten“ wäre und ihm hierzu nur die Lüge bleibe, um sein Gesicht zu wahren, oder die Hoffnung, wieder auf verständige Vorgesetzte zu treffen. Auch diese – seiner Ansicht nach – stigmatisierende Wirkung basiert auf der von ihm beantragten Entlassung und nicht auf dem hier nur wenige Tage, insbesondere während der Sommerferien wirkenden (5. bis 22.9.2023; Sonderurlaub ab 11.9.2023) und damit – soweit ersichtlich – nicht nach außen bekannt gewordenen Verbot der Führung der Dienstgeschäfte. Zu dieser auch vom Verwaltungsgericht (UA S. 13) getroffenen Feststellung verhält sich der Zulassungsantrag nicht. Für ein Rehabilitationsinteresse muss eine Stigmatisierung Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 2 C 27.15 – BayVBl 2017, 422 – juris Rn. 21; U.v. 16.5.2013 – 8 C 14.12 – BVerwGE 146, 303 – juris Rn. 25). Nach seiner Entlassung aus dem Beamtenverhältnis war der Kläger nicht mehr berechtigt, Dienst als Lehrer in öffentlichen Schulen zu leisten. Wie sich aus seinem Antrag auf Entlassung aus dem Beamtenverhältnis (v. 6.9.2023) ergibt, war er selbst nicht mehr an der Führung seiner Dienstgeschäfte interessiert. Der Kläger gab in der Zulassungsbegründung (S. 3) an, erst nach der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages den streitgegenständlichen Bescheid erhalten zu haben. Das ausgesprochene Verbot war keine diskriminierende Sanktion, sondern im Kern eine zukunftsbezogene Reaktion aus dienstlichen Gründen, um den Unterrichtsbetrieb ordnungsgemäß aufrechterhalten zu können (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 13.10.2022 – OVG 4 B 5.20 – juris Rn. 34).
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Die eigene Stellungnahme des Klägers, die sein bevollmächtigter Rechtsanwalt in seiner Zulassungsbegründung (S. 3 f.) wörtlich in Anführungszeichen wiedergibt, ohne dass erkennbar wird, dass er eine eigene Prüfung, Gewichtung oder rechtliche Durchdringung des Streitstoffes vorgenommen hat, erfüllt nicht die Voraussetzungen einer formgerechten Zulassungsbegründung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO). Dem Sinn und Zweck des Vertretungszwangs (§ 67 Abs. 4 VwGO) genügt es nicht, wenn sich der Prozessbevollmächtigte nur das Vorbringen der Partei zu eigen macht oder darauf Bezug nimmt (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.1992 – 7 B 16.92 – juris; BayVGH, B.v. 4.10.2011- 7 ZB 11.2240 – BayVBl 2012, 186 – juris Rn. 5 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a VwGO Rn. 48).
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Ob sich aus dem Inhalt des Bescheides, insbesondere der Bezugnahme auf die Probezeitbeurteilung vom 20. Juli 2023 („nicht geeignet“) und die darin festgestellten Leistungsmängel, die Annahme eines Rehabilitationsinteresses rechtfertigt, kann schon deshalb dahinstehen, da nicht ersichtlich ist, dass dieser Inhalt nach außen bekannt geworden ist. Zudem versäumt es die Zulassungsbegründung, sich mit dem Argument des Erstgerichts auseinanderzusetzen, dass weder die Probezeitbeurteilung noch die Entlassungsverfügung Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte wäre im Übrigen auch nicht zwangsläufig geeignet, den Feststellungen in der Probezeitbeurteilung über die fachliche Nichteignung des Klägers wirksam zu begegnen, da für ein Verbot gemäß § 39 BeamtStG nicht erforderlich ist, dass bereits Klarheit über den Grund der Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung des Beamten besteht, sondern insoweit bereits der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende Verdacht einer Gefahrenlage genügt (BayVGH, B.v. 20.3.2017 – 3 ZB 16.921 – juris Rn. 6).
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Soweit der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils damit begründet, dass durch das Verwaltungsgericht eine völlig unzureichende Sachverhaltsermittlung hinsichtlich stigmatisierender Nachteile des Klägers erfolgt sei, macht er in der Sache den Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5, § 86 Abs. 1 VwGO geltend. Eine solche Aufklärungsrüge wäre nur dann begründet, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen. Der hier allenfalls pauschal erfolgte Hinweis auf eine unzureichende Sachverhaltsermittlung ist vor dem Hintergrund, dass der Kläger sein Feststellungsinteresse substantiiert geltend machen muss (BVerwG, B.v. 28.1.2021 – 1 WB 14.20 – juris Rn. 38; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 110), nicht geeignet, eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung zu begründen. Ein Feststellungsinteresse insbesondere hinsichtlich eines erledigten Verbots der Führung der Dienstgeschäfte kann nicht schlechthin vorausgesetzt werden, sondern bedarf besonderer Darlegung durch den Beamten (OVG Berlin-Bbg, U.v. 13.10.2022 – OVG 4 B 5/20 – juris Rn. 28; Kohde in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, Dezember 2024, § 39 Rn. 71). Weshalb sich eine unzureichende Sachverhaltsermittlung daraus ergeben soll, dass das Protokoll über die öffentliche Sitzung des Verwaltungsgerichts allein einen Hinweis auf dessen eigene Rechtsauffassung enthalte, erschließt sich dem Senat nicht, zumal das Protokoll ausdrücklich festhält, dass sich der Klägerbevollmächtigte zur Frage des Fortsetzungsfeststellungsinteresses auf die Schriftsätze vom 30. November 2023 und 8. Januar 2024 bezogen hat.
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2. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.
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Die seitens des Klägers im Zusammenhang mit einem Rehabilitationsinteresse aufgeworfene Frage,
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welche konkreten Anforderungen an das Fortbestehen abträglicher Nachwirkungen zu stellen sind,
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lässt sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten.
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Danach begründet ein Rehabilitationsinteresse ein Feststellungsinteresse dann, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls als schutzwürdig anzusehen ist (vgl. BVerwG, U.v. 10.2.2000 – 2 A 3.99 – juris Rn. 14; B.v. 17.12.2001 – 6 B 61.01 – NVwZ-RR 2002, 323). Dafür reicht es nicht aus, dass der Betroffene die von ihm beanstandete Maßnahme als diskriminierend empfunden hat. Maßgebend ist vielmehr, ob bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise abträgliche Nachwirkungen der beanstandenden Maßnahme fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns wirksam begegnet werden könnte (stRspr vgl. BVerwG, U.v. 14.9.2023 – 2 C 9.22 – NVwZ-RR 2024, 237 – juris Rn. 30; U.v. 11.11.1999 – 2 A 5.98 – NVwZ 2000, 574 – juris Rn. 16). Ein Verwaltungsakt muss außer seiner – erledigten – belastenden Wirkung zusätzlich einen diskriminierenden, ehrenrührigen Inhalt besitzen, der dem Ansehen des Betroffenen abträglich ist (BayVGH, B.v. 18.4.2017 – 12 ZB 13.2095 – juris Rn. 22; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 119 m.w.N.). Ein schützenswertes Interesse an Rehabilitierung besteht daher nur, wenn sich aus dem in Rede stehenden behördlichen Handeln eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (vgl. BVerwG, U.v. 10.10.2024 – 2 C 15.23 – Rn. 14; U.v. 17.11.2016 – 2 C 27.15 – BayVBl 2017, 422 – juris Rn. 21; U.v. 16.5.2013 – 8 C 14.12 – BVerwGE 146, 303 – juris Rn. 25).
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3. Der Zulassungsantrag war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziff. 1.3 des Streitwertkatalogs (wie Vorinstanz).
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Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).