Titel:
Abschiebung, Verfahrensduldung (verneint), Versagungsgrund, Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, Salafismus, Imam
Normenketten:
AufenthG § 5 Abs. 4
AufenthG § 54 Abs. 1 Nr. 2
Schlagworte:
Abschiebung, Verfahrensduldung (verneint), Versagungsgrund, Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, Salafismus, Imam
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 12.12.2024 – AN 5 E 24.2978
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2845
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.250,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein in erster Instanz erfolgloses Begehren weiter, dem Antragsgegner aufenthaltsbeendende Maßnahmen einstweilen zu untersagen.
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Mit Bescheid vom 19. November 2024 hat die Antragsgegnerin den Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziffer 1 des Bescheids), gegen ihn ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet und auf die Dauer von 15 Jahren befristet (Ziffer 2), den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt (Ziffer 3), die Erteilung einer Duldung abgelehnt (Ziffer 4), den Antragsteller zur Ausreise aufgefordert (Ziffer 5), für den Fall der nicht fristgerecht erfolgenden Ausreise die Abschiebung des Antragstellers angedroht (Ziffer 6), den Aufenthalt des Antragstellers räumlich auf das Stadtgebiet der Antragsgegnerin beschränkt (Ziffer 7), den Antragsteller verpflichtet, sich einmal wöchentlich bei der Polizeiinspektion zu melden (Ziffer 8), die sofortige Vollziehbarkeit der Ziffern 7 und 8 angeordnet (Ziffer 9), für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Ziffer 7 ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 € angedroht (Ziffer 10) sowie für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Ziffer 8 ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 € angedroht (Ziffer 11).
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Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der am 22. November 2024 erhobenen Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 19. November 2024 abgelehnt. Der Antrag sei teilweise bereits unzulässig (soweit er sich auf die nicht sofort vollziehbare Ausweisungsverfügung in der Ziffer 1 sowie auf die Ziffern 3 und 4 beziehe), insbesondere sei der Antragsteller bereits mit dem Eintritt der Bestandskraft des Bescheides der Landeshauptstadt München vom 30. März 2020 (mit welchem die Anträge auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis bzw. Aufenthaltserlaubnis abgelehnt wurden) vollziehbar ausreisepflichtig geworden. Im Übrigen sei der Antrag zulässig, aber unbegründet. Die inzident zu überprüfende Ausweisung sei nicht zu beanstanden. Der Antragsteller verwirkliche ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, weil die Verbreitung salafistischen Gedankenguts als Imam die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährde. Der Antragsteller habe auch nicht glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen. Daneben verwirkliche der Antragsteller aufgrund seiner Verstöße gegen eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG. Wegen der schutzwürdigen familiären Beziehung zu der im Bundesgebiet lebenden deutschen Ehefrau und den Kindern des Antragstellers liege ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG vor. In der Gesamtabwägung überwiege jedoch das Ausweisungsinteresse auch im Hinblick auf die wertentscheidenden Grundsatznormen der Art. 6 GG und Art. 8 EMRK, weil der Eingriff in das Familienleben des Antragstellers in Anbetracht des öffentlichen Sicherheitsinteresses nicht unverhältnismäßig sei. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 15 Jahre sei vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen und dem Antragsteller eine Duldung (mit Beschäftigungserlaubnis) auszustellen, sei zulässig, aber mangels Anordnungsanspruchs ebenfalls unbegründet. Aufgrund der Beeinträchtigung von öffentlichen Sicherheitsinteressen durch den Antragsteller überwiege das öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes. Der Antragsteller könne auch keinen Anspruch auf (Verfahrens-)Duldung wegen seines Antrags auf Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzuges herleiten, weil die Titelerteilung bereits an dem zwingenden Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG scheitere und ihr im Übrigen auch die Titelerteilungssperre nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG entgegenstehe.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde, mit der beantragt wird, der Antragsgegnerin zu untersagen, den Antragsteller vor einer rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage abzuschieben.
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Gegenstand der Beschwerde ist der erstinstanzliche Beschluss nach dem ausdrücklich gestellten Antrag nur insoweit, als einstweiliger Rechtsschutz nach § 123 VwGO mit dem Ziel der Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen abgelehnt wurde. Hingegen hat der Antragsteller die Ablehnung seines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nicht mit der Beschwerde angefochten.
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In diesem Umfang ist die Beschwerde zulässig, aber nicht begründet.
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1. Die Prüfung der für die Begründetheit der Beschwerde streitenden Gründe ist im Grundsatz auf das in der Beschwerdebegründung Dargelegte beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Danach ergibt sich nicht, dass die Antragsgegnerin entgegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten wäre, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegenüber dem Antragsteller bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage zu unterlassen.
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1.1 Soweit das Verwaltungsgericht einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO durch Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen den Antragsteller mit der Begründung versagt hat, dass aufgrund der Beeinträchtigung von öffentlichen Sicherheitsinteressen das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung seine (nach Aktenlage) schützenswerten familiären Belange (im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 EMRK) überwiege, trägt der Antragsteller schon keine Beschwerdegründe vor.
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1.2 Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Antragsteller könne auch keinen Anspruch auf (Verfahrens-)Duldung wegen seines Antrags auf Aufenthaltserlaubniserteilung zum Zwecke des Familiennachzuges herleiten, weil die Titelerteilung bereits an dem zwingenden Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG scheitere und ihr im Übrigen auch die Titelerteilungssperre nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG entgegenstehe. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass der Antragsteller ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wegen Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht habe, und macht sich dabei die auf Erkenntnismitteilungen der Verfassungsschutzbehörden des Freistaats Bayern und des Landes Berlin sowie des Polizeipräsidiums Berlin gestützte Einschätzung der Antragsgegnerin sowie der Landeshauptstadt München (im Bescheid vom 30.3.2020), des Verwaltungsgerichts München im Urteil vom 9. April 2024 (im Klageverfahren betreffend den mit Bescheid vom 30.3.2020 abgelehnten Antrag auf Niederlassungs- bzw. Aufenthaltserlaubnis, Az. M 4 K 20.1463) und des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 16. Oktober 2024 (im Berufungszulassungsverfahren gegen das Urteil vom 9.4.2024, Az. 10 ZB 24.1463) zu eigen. Demnach vermittelten die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden zur R.-Moschee in B. ein eindeutiges Bild eines extremistisch geprägten Umfeldes, das dem Antragsteller insbesondere aufgrund der polizeilichen Durchsuchung, die er nach eigenen Angaben selbst mitbekommen habe, nicht entgangen sein könne. Geteilt werde auch die Einschätzung, dass der Antragsteller bis heute keine plausible Erklärung habe geben können, wieso er in den folgenden Jahren jeweils nur mit kurzen Unterbrechungen immer wieder Imam in salafistischen Moscheen gewesen sei und damit die Infrastruktur für Extremisten bereitgestellt habe, dass der sich aus den Stellungnahmen des Berliner Verfassungsschutzes und des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz ergebende Gesamteindruck der Handlungen des Antragstellers ein deutliches Bild seiner Bestrebung ergebe, den Salafismus in Deutschland (und zeitweilig auch in Italien) zu verbreiten. Die Tatsache, dass der Antragsteller sein beabsichtigtes Studium in Deutschland, zu dessen Zweck er angeblich eingereist sei, zu keinem Zeitpunkt ernsthaft verfolgt habe, und zudem bereits im Jahr 2011 als Imam in einer salafistischen Moschee tätig gewesen sei, vervollständige das Bild, dass sich der Antragsteller bereits früh nach seiner Einreise gezielt der salafistischen Szene angeschlossen und diese in einer tragenden und zentralen Rolle unterstützt und mitgestaltet habe. Diese Annahmen des Verwaltungsgerichts stellt der Antragsteller mit den vorgetragenen Beschwerdegründen nicht durchgreifend in Frage.
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1.2.1 Der Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG schließt die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus („ist zu versagen“), wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 4 AufenthG besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erlassen wurde. Neben der (erstmaligen) Erteilung ist in den Fällen des § 5 Abs. 4 AufenthG auch die Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 AufenthG ausgeschlossen (OVG Bremen, B.v. 9.6.2023 – 2 B 19/23 – juris Rn. 8). § 5 Abs. 4 AufenthG stellt lediglich auf das Bestehen eines Ausweisungsinteresses ab und setzt gerade nicht voraus, dass bei Abwägung mit den Bleibeinteressen eine Ausweisung rechtmäßig möglich wäre. Auch die im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erforderliche Berücksichtigung der privaten Bleibeinteressen im Rahmen der Frage, ob eine Abweichung vom Regelfall im Sinne des § 5 Abs. 1 AufenthG vorliegt, unterbleibt bei Vorliegen des zwingenden Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 AufenthG (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 16.10.2024 – 10 ZB 24.1463 – juris Rn. 25; OVG Bremen, B.v. 9.6.2023 – 2 B 19/23 – juris Rn. 28). Nach summarischer Prüfung hat das Verwaltungsgericht zu Recht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG angenommen.
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1.2.1.1 Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die vorliegenden Erkenntnisse des Verfassungsschutzes ergäben nach summarischer Prüfung, dass die Weltanschauung des Antragstellers unvereinbar mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sei, dass seine salafistischen Unterrichtsmaterialien in der Vergangenheit gewaltbefürwortende Inhalte enthalten hätten, er eine ideologische Führungspersönlichkeit für Personen sei, die dem salafistischen und auch gewaltorientierten Spektrum zugerechnet würden, dass er durch seine Tätigkeit als Imam oder Lehrer sowie durch sein Verhalten in Sozialen Medien extremistische Bestrebungen unterstütze, und dass er damit die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährde. Diese Auffassung des Verwaltungsgerichts ist nicht zu beanstanden:
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Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hat nicht einen in allen Rechtsgebieten und für alle Anwendungsfälle einheitlichen Bedeutungsgehalt. Die Legaldefinition in § 4 Abs. 2 BVerfSchG, die ihrerseits an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere zum Parteiverbot anknüpft (vgl. zuletzt BVerfG, U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – juris Rn. 535 ff. m.w.N.), zählt auf, was zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählt, und nennt neben ausschließlich auf die Staatsorganisation bezogenen Grundsätzen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Sie gilt indes nicht in anderen Rechtsgebieten (BVerwG, U.v. 29.5.2018 – 1 C 15.17 – juris Rn. 52). Vom Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist zwar auch der Fortbestand der demokratisch-rechtsstaatlichen Ordnung einschließlich der grundlegenden Menschenrechte erfasst, wobei insbesondere die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte ein wesentlicher Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung innerhalb des Ausweisungsrechts ist (Fleuß in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.7.2024, § 54 AufenthG Rn. 61; Berlit, GK-AufenthG, Stand Juli 2023, § 54 AufenthG Rn. 94). In diesem Sinne umfasst die freiheitliche demokratische Grundordnung auch die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates, der die Religionsfreiheit seiner Bürger achtet und schützt, aber auf religiöse Legitimation verzichtet. Der religiös-weltanschaulich neutrale Staat schafft durch Recht den Rahmen, in dem sich gesellschaftliches Leben und auch individuelle Religionsbetätigung entfaltet. Diese Ordnungsfunktion der freiheitlichen demokratischen Grundordnung kann aber – und dies übergeht der Antragsteller in seinem Vortrag – nur dann wirksam werden, wenn der Primat, also der Vorrang staatlich gesetzten Rechts vor religiösen Geboten auch im Falle eines Konflikts uneingeschränkt bejaht wird. Dies erfordert mehr als einen bloßen „Legalgehorsam“ unter Beachtung insbesondere des Strafrechts, weshalb es für das Vorliegen einer die Ausweisung rechtfertigenden Gefahr nicht darauf ankommen kann, ob das dem Antragsteller vorgeworfene Verhalten strafbar ist (BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 35; VGH BW, B.v. 21.6.2021 – 11 S 19/21 – juris Rn. 12). Vielmehr gilt der Primat des staatlichen Rechts auch in Bezug auf solche Regelungen, die der Staat zum Schutz der Freiheitsbetätigung seiner Bürger und ihres gleichen Ranges und Würde, etwa der Gleichberechtigung der Geschlechter oder des Schutzes individuell freier Willensbetätigung, geschaffen hat (vgl. BVerwG, U.v. 29.5.2018 – 1 C 15.17 – juris Rn. 58 zu § 10 StAG). Dieser Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG kann ohne Weiteres auf § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG übertragen werden. Zwar wird dem Antragsteller im vorliegenden Zusammenhang des Ausweisungsrechts kein positives Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung (wie nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG mit Blick auf die Einbürgerung) abverlangt. Der Schutzzweck beider Vorschriften ist jedoch derselbe. Ebenso wie § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG zielt § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG darauf ab, Gefährdungen für die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwehren (Fleuß in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.7.2024, § 54 AufenthG Rn. 53; Weber in Kluth/Heusch a.a.O., § 10 StAG Rn. 26). Die Ablehnung staatlicher Normen zugunsten religiöser Gebote sowie die Herabwürdigung etwa von Frauen oder von Menschen, die sich aus Sicht der Anhänger extremistisch-religiöser Ideologien nicht an dergleichen Gebote halten, gefährdet regelmäßig die freiheitliche demokratische Grundordnung (VGH BW, B.v. 21.6.2021 – 11 S 19/21 – juris Rn. 15).
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Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Salafismus – dem der Antragsteller zugerechnet wird – im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht, ist nicht zu beanstanden und wird vom Antragsteller auch nicht substantiiert in Frage gestellt. Der Salafismus ist eine Ausprägung des Islamismus, also des politischen Islam, der die demokratische Mehrheitsgesellschaft und ihre Werte ablehnt und unter anderem die Einheit von Religion und Staat sowie die absolute Geltung der islamischen Rechtsordnung für sämtliche Lebensbereiche, d.h. die Unterwerfung (auch) des politischen und gesellschaftlichen Lebens unter die Scharia anstrebt (vgl. Bayer. Landesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2023, S. 78 ff.; so auch Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2024, S. 223). Er steht damit im Widerspruch zum Primat des staatlichen Rechts und der Regelungen, die der Staat zum Schutz der Freiheitsbetätigung seiner Bürger und ihres gleichen Ranges und Würde, etwa der Gleichberechtigung der Geschlechter oder des Schutzes individuell freier Willensbetätigung, geschaffen hat (vgl. VGH BW, B.v. 21.6.2021 – 11 S 19/21 – Rn. 19 mit Verweis auf Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2019).
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1.2.1.2 Des Weiteren geht das Verwaltungsgericht bei summarischer Prüfung zu Recht davon aus, dass der Antragsteller durch sein persönliches Verhalten die freiheitliche demokratische Grundordnung (in dem genannten Sinne) gefährdet. Der Begriff der Gefährdung bemisst sich auch im vorliegenden Zusammenhang nach den im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht entwickelten Grundsätzen. Erforderlich ist die Prognose, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet ein Schaden an dem Schutzgut eintreten wird (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 23; BT-Drucks. 18/4097, 49). Der Begriff der Gefährdung umfasst auch Vorbereitungshandlungen, wie aus den im zweiten Halbsatz genannten Anwendungsfällen hervorgeht (vgl. Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 54 AufenthG Rn. 30; Berlit, GK-AufenthG, Stand Juli 2023, § 54 AufenthG Rn. 99). Für die Einstufung des Verhaltens des Antragstellers als Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist des Weiteren nicht erforderlich, dass ihm terroristische Äußerungen bzw. eine Unterstützung des Terrorismus nachgewiesen werden können (so im Ergebnis auch VGH BW, B.v. 21.6.2021 – 11 S 19/21 – juris Rn. 9, 13 ff.). Wie der Wortlaut des § 54 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 AufenthG („hiervon ist auszugehen, wenn …“) verdeutlicht, erfüllen nicht allein terroristische Aktivitäten der dort bezeichneten Art den Tatbestand der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, vielmehr ist in solchen Fällen von einer entsprechenden Gefährdung auszugehen. Damit wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass andere Verhaltensweisen ebenfalls zu einer solchen Gefährdung führen und damit ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründen können (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 34, wonach von einer Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland „jedenfalls“ dann auszugehen ist, wenn eine in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG genannte Tatbestandsalternative erfüllt ist; ebenso BayVGH, B.v. 16.10.2024 – 10 ZB 24.1463 – juris Rn. 12). Denn durch die aktuelle Gesetzesfassung haben die Begriffe der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der früheren Fassung der §§ 54 ff. AufenthG eine Erweiterung, nicht eine Einengung auf terroristische Aktivitäten oder Unterstützungshandlungen erfahren (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 34; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 54 AufenthG Rn. 25). § 54 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 AufenthG ist demnach als ein Anwendungsfall einer Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland konzipiert, schließt andere unbenannte Anwendungsfälle des Ausweisungsinteresses jedoch nicht vom Anwendungsbereich des § 54 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 1 AufenthG aus (Fleuß in BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.7.2024, § 4 AufenthG Rn. 68; BT-Drs. 18/4097, S. 51). Selbst wenn – was vorliegend offenbleiben kann – eine Zugehörigkeit zum politischen Salafismus „im Allgemeinen“ noch nicht als hinreichend konkret angesehen werden können sollte, um eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung bzw. die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu begründen (in diesem Sinne: OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.1.2015 – OVG 3 B 16.09 – juris Rn. 60; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 1.3.2024, § 54 AufenthG Rn. 44) wird die Gefahrenschwelle (jedenfalls) dann überschritten, wenn massiv auf Einzelne eingewirkt wird, sich im Sinne einer Herstellung salafistischer Ordnung im Bundesgebiet zu betätigen (vgl. Hailbronner a.a.O.).
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Gemessen daran ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Antragsteller mit seiner Tätigkeit als Imam, also Vorbeter bzw. religiöser Vorsteher einer Moschee oder islamischen Gemeinde salafistischer Ausrichtung die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdet, nicht zu beanstanden. Als Imam übt der Antragsteller schon aufgrund seiner Vorbildfunktion für andere Gläubige maßgeblichen Einfluss auf deren religiöse Einstellungen aus. Sein Verhalten in dieser Funktion kann eine ideologische Legitimation und Verbreitung des Salafismus oder anderer extremistischer Strömungen bewirken und auf diese Weise zur Radikalisierung anderer Personen zumindest beitragen. Des Weiteren stellt ein salafistisch gesinnter Imam wie der Antragsteller als Vorsteher einer islamischen Gemeinde oder Moschee die Infrastruktur für Extremisten bereit, die diese benötigen, um ihre verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu verbreiten und um Unterstützung derselben zu werben.
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Nach den detaillierten Feststellungen des Verwaltungsgerichts, welche durch den Akteninhalt bestätigt werden, hat sich diese abstrakte Gefahr im Falle des Antragstellers zu einer konkreten Gefährdung verdichtet: Einige der Moscheen im Bundesgebiet sowie in Italien, in denen der Antragsteller tätig war, sind den Verfassungsschutzbehörden als Treffpunkte von jihadistisch motivierten Personen bekannt bzw. bekannt gewesen (vgl. den Bericht des Bayer. Landesamtes für Verfassungsschutz vom 8.11.2019, Bl. 692 ff. der Behördenakte; Bericht des Polizeipräsidiums Berlin vom 6.11.2019 über Ermittlungen gegen eine Person im Umfeld einer Moschee, in der der Antragsteller tätig war, wegen des Verdachts der Vorbereitung einer staatsgefährdenden Straftat, Bl. 724 f. der Behördenakte). Des Weiteren sind Äußerungen des Antragstellers mit eindeutig islamistischem Inhalt belegt (etwa, dass „der Islam über Europa hinwegfege und dass Gott dem Islam zum Sieg über alle anderen Religionen verhelfen solle, selbst wenn es den Ungläubigen zuwider sei“, vgl. Erkenntnismitteilung des Bayer. Landesamtes für Verfassungsschutz vom 28.8.2018, Bl. 515 ff./3380 ff. der Behördenakte). Auch soll er antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet haben (vgl. Erkenntnismitteilung des Bayer. Landesamtes für Verfassungsschutz vom 28.8.2018, Bl. 3380 ff. der Behördenakte). Vom Antragsteller verbreitetes Unterrichtsmaterial enthielt neben salafistischen auch gewaltbefürwortende Inhalte (vgl. Erkenntnismitteilung des Bayer. Landesamtes für Verfassungsschutz vom 8.11.2019, Bl. 692 ff. der Behördenakte). Überdies hat der Antragsteller nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts (S. 19 des BA), die er nicht substantiiert bestreitet, schon die Visumserteilung für seine Ersteinreise und damit die Grundlage seines langjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet durch Verschleierung seiner wahren Aufenthaltszwecke erwirkt. Dies wird daraus deutlich, dass der Antragsteller trotz angeblicher Einreise zu Studienzwecken kein Studium aufgenommen hat, sondern stattdessen noch im Jahr 2011, mithin kurze Zeit nach seiner Einreise, als Imam tätig wurde. Eine derartige Betätigung konnte nicht aus dem Stand heraus erfolgen, sondern erforderte eine gewisse Vorbereitung. Diese Falschangaben zum Zweck der Einreise und des Aufenthaltes im Bundesgebiet stützen in der Gesamtschau mit den mehrfachen Falschangaben betreffend seinen melderechtlichen Wohnsitz – und damit seine Erreichbarkeit für die Behörden –, im Zusammenhang mit seinem Reisepass und seinem Einbürgerungsverfahren sowie im Sicherheitsgespräch (vgl. die ausführlichen Darlegungen des Verwaltungsgerichts, S. 18 bis 20 des BA) die Einschätzung, dass der Antragsteller mit seinem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet Zwecke verfolgt, welche die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährden. Denn der Antragsteller zeigt damit gerade in sicherheitsrelevanten Fragen keine Bereitschaft, mit den Sicherheitsbehörden zu kooperieren. Auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts kann im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden.
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1.2.2 Der Antragsteller rügt, die Einstufung, dass er die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährde, beruhe nicht auf bewiesenen Tatsachen, sondern auf Werturteilen. Die Berichte und Schreiben des Bayer. Landesamtes für Verfassungsschutz stellten indirekte Beweismittel dar. § 86 VwGO verpflichte das Gericht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und aufzuklären und über die vom Antragsteller benannten Zeugen und Urkunden Beweis zu erheben, weshalb die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf einer verbotenen Vorwegnahme der Beweiswürdigung beruhe. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
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Die Rüge der inhaltlichen Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung aufgrund einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) kann nur durchgreifen, wenn zugleich eine entsprechende Verfahrensrüge zum Erfolg führen würde, wozu der Antragsteller jedoch hätte darlegen müssen, inwiefern das Verwaltungsgericht sich nicht mit den präsenten Beweismitteln hätte begnügen dürfen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit grundsätzlich aufgrund der präsenten Beweismittel und glaubhaft gemachten Tatsachen ergeht und Beweiserhebungen insoweit nach § 294 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO, § 123 Abs. 3 VwGO nur zulässig sind, wenn sie sofort erfolgen können und keines besonderen Verfahrens – etwa einer Zeugeneinvernahme in einem eigens dazu anberaumten Termin – bedürfen (vgl. Kuhla in BeckOK VwGO, Stand 1.7.2024, § 123 Rn. 68; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 56). Des Weiteren hätte dargelegt werden müssen, welche weiteren Beweise zu erheben gewesen wären und welche Erkenntnisse eine Beweisaufnahme voraussichtlich erbracht hätte (BVerwG, B.v. 8.7.2009 – 4 BN 12.09 – juris Rn. 7). Derartige Darlegungen des Antragstellers sind jedoch nicht erfolgt.
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Überdies kann auch der Einschätzung des Antragstellers nicht beigetreten werden, es handele sich bei den angeführten polizeilichen Erkenntnissen bzw. Stellungnahmen und Berichten des Verfassungsschutzes lediglich um Werturteile und nicht um Tatsachen, weshalb diese Dokumente und Mitteilungen nicht die Schlussfolgerung auf eine Sicherheitsgefährdung im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG rechtfertigten. Auch wenn es sich bei Behördenzeugnissen der Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder regelmäßig nur um sekundäre Beweismittel handelt, welche die unmittelbaren Quellen der dort wiedergegebenen Erkenntnisse nicht oder nur unvollständig offenlegen und daher einer vorsichtigen Würdigung und (ggf. im Hauptsacheverfahren) der Heranziehung weiterer zur Verfügung stehender Erkenntnismöglichkeiten bedürfen, nimmt dies den Behördenzeugnissen insbesondere dann nicht den Beweiswert, wenn diese anhand der Konkretheit und des Umfangs der Ausführungen als zuverlässig erachtet werden können und vom Betroffenen nicht substantiiert bestritten werden (BVerwG, B.v. 10.7.2019 – 1 B 45.19 – juris Rn. 8; U.v. 10.6.2020 – 6 AV 1.19 – juris Rn. 32 f.; U.v. 26.1.2022 – 6 A 7.19 – juris Rn. 55; BayVGH, B.v. 17.6.2022 – 19 CS 19.1114 – juris Rn. 31; OVG HH, U.v. 18.9.2024 – 2 LB 316/22 – juris Rn. 90). Die vorliegenden umfassenden Erkenntnisse des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz stellen sich als wichtige Behördenzeugnisse dar, die der Antragsteller nicht substantiiert in Zweifel gezogen hat. Daraus ergeben sich die vom Verwaltungsgericht festgestellten Aktivitäten des Antragstellers als Imam in salafistisch geprägten Moscheen bzw. Gemeinden. Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht seine Einschätzung darauf gestützt, dass es sich bei den genannten Erkenntnissen nicht lediglich um Werturteile einzelner Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden handele, sondern dass in den Verfassungsschutzberichten entsprechende Belege (etwa Ausdrucke aus sozialen Medien) enthalten seien und dass auch Tatsachen außerhalb der genannten Behördenzeugnisse die Einstufung des Verhaltens des Antragstellers als sicherheitsgefährdend belegten. So hat das Verwaltungsgericht darauf verwiesen, dass der Antragsteller im Sicherheitsgespräch vom 12. Dezember 2017 selbst die Tätigkeit für verschiedene Moscheen eingeräumt bzw. im Behördenverfahren teilweise auch Arbeitsverträge sowie Bescheinigungen für das Abhalten einzelner Vorträge vorgelegt habe. Auch das Verfassen bestimmter im Verfassungsschutzbericht erwähnter Facebook-Beiträge habe der Antragsteller selbst eingeräumt und die Verwendung problematischer Unterrichtsmaterialien nur insoweit abgestritten, als er geltend gemacht habe, nur mit dem Grundgesetz vereinbare Teile hiervon zu verwenden. Den Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden habe der Antragsteller nichts Substantielles entgegengesetzt, insbesondere nicht durch Äußerungen im Sicherheitsgespräch vom 12. Dezember 2017 und in weiteren persönlichen Erklärungen (auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden). Daraus wird deutlich, dass das Verwaltungsgericht seine Beurteilung ausdrücklich nicht nur auf die genannten, detaillierten und substantiierten Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden stützt, sondern auch auf Tatsachenfeststellungen außerhalb derselben, insbesondere eigene Einlassungen des Antragstellers.
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1.2.3 Soweit der Antragsteller vortragen lässt, man könne ihm zwar vorwerfen, dass er wiederholt als Imam in vom Verfassungsschutz als salafistisch eingestuften Moscheen tätig gewesen sei, dies heiße jedoch nicht, dass ihm diese Tatsache bekannt gewesen sei, überdies gebe es keinen Beweis für terroristische Äußerungen des Antragstellers, kann dem nicht gefolgt werden. Mit diesem Vortrag blendet der Antragsteller aus, dass eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie dargelegt, nach dem Wortlaut und der Systematik des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gerade nicht erfordert, dass sein persönliches Verhalten bereits die Schwelle zum Terrorismus überschreitet. Mit dem Vortrag, ihm sei die entsprechende Einstufung der genannten Moscheen bzw. Gemeinden durch die Verfassungsschutzbehörden nicht bekannt gewesen, versucht der Antragsteller im Übrigen davon abzulenken, dass ihm eine derartige Prägung in den Gemeinden, in denen er als Imam tätig ist bzw. war und in denen er maßgeblichen Einfluss auf die vertretene Glaubensrichtung nehmen konnte, nicht verborgen bleiben konnte. Aufgrund seiner vertieften Kenntnisse der islamischen Glaubenslehre mit ihren verschiedenen Strömungen bzw. Teilströmungen musste dem Antragsteller sehr wohl bekannt sein, dass in seiner Moschee bzw. Gemeinde salafistische Überzeugungen vorherrschend sind oder waren (vgl. dazu auch den Bericht der Senatsverwaltung für Inneres und Sport Berlin, Abteilung Verfassungsschutz vom 7.11.2019, Bl. 722 ff. der Behördenakte sowie die Stellungnahme des Bayer. Landesamtes für Verfassungsschutz vom 11.12.2024 in der Akte des Beschwerdeverfahrens). Zu Recht bewerten die Verfassungsschutzbehörde Berlin und ihr folgend das Bayer. Landesamt für Verfassungsschutz das jahrelange Dulden derartiger Aktivitäten durch den Antragsteller als zumindest passives Unterstützen (vgl. Erkenntnismitteilungen des Berliner Verfassungsschutzes v. 7.11.2019, Bl. 722 ff., und des Bayer. Landesamtes für Verfassungsschutz vom 8.11.2019, Bl. 692 ff. der Behördenakte). Die unsubstantiierte Behauptung des Antragstellers (im Schriftsatz seines ersten Bevollmächtigten vom 20. Januar 2025), er habe entgegen einer (nach seiner Ansicht) möglichen Interpretation des Schriftsatzes vom 16. Januar 2025 niemals Textstellen aus dem Koran zitiert, die zu Gewalt aufrufen würden, vermag die vorliegenden detaillierten Erkenntnisse des Verfassungsschutzes nicht zu widerlegen.
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1.2.4 Zum Vortrag des Antragstellers in der ergänzenden Beschwerdebegründung seines weiteren Bevollmächtigten vom 16. Januar 2025 zu gewissen Glaubensinhalten des Islam (dort S. 4 unten bis 5 unten), bleibt darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsschutzbericht 2023 (vgl. dort S. 52) ausdrücklich zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als Verfolgung einer politischen und gesellschaftlichen Neuordnung unter der Geltung der Scharia als oberstem Ordnungsprinzip anstelle der freiheitlichen Verfassungsordnung unterscheidet. Der Islam als Religion ist damit nicht Gegenstand von Beobachtungen des Verfassungsschutzes. Vielmehr richten sich solche Beobachtungen erklärtermaßen gegen den politischen Islam und unter anderem gegen den Salafismus als eine der verschiedenen Strömungen bzw. Teilströmungen des Islamismus. Eine Überschreitung der durch die Religionsfreiheit (Art. 4 GG) sowie die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates gezogenen Grenzen durch die Verfassungsschutzbehörden vermag der Senat nicht zu erkennen. Soweit der Antragsteller (in diesem Zusammenhang) vortragen lässt, solange er nur aus dem Koran zitiere, könne dies niemals verfassungsfeindlich sein, auch wenn der Koran (mit Bezugnahme auf die 9. Sure) an vielen Stellen zur Gewalt aufrufe, ignoriert er damit den von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geforderten Primat des staatlich gesetzten Rechts sowie das staatliche Gewaltmonopol. Sollte der Vortrag des Antragstellers dahingehend zu verstehen sein, dass ihm die Achtung der vorstehend genannten Grundsätze aus Glaubensgründen nicht möglich sei, so würde er damit nur die ihm vorgeworfene extremistische Gesinnung bestätigen.
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1.2.5 Des Weiteren macht der Antragsteller unter Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung vom 19. Dezember 2024 – in welcher er versichert, ihm sei bewusst, dass Bedenken hinsichtlich der Verbreitung von salafistischen oder extremistischen Inhalten bestehen könnten, es liege ihm fern, Inhalte zu fördern oder zu verbreiten, die gegen die Werte unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoßen könnten, und er wolle mit der Erklärung sicherstellen, dass keinerlei Zweifel an seiner Haltung aufkämen und er keinerlei Anlass zu Sicherheitsbedenken geben werde – geltend, es sei für die Zukunft sichergestellt, dass von ihm keinerlei Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen könne, er wolle nur noch für seine Familie da sein und sein Berufsziel Arzt weiterverfolgen. Das Verwaltungsgericht stütze seine Entscheidung auf die Aktenlage, schenke aber den Äußerungen des Antragstellers, der sich ausdrücklich von jeglichem salafistischen Handeln distanziere, keinen Glauben. Damit zielt der Antragsteller auf ein Abstandnehmen von dem ihm vorgeworfenen sicherheitsgefährdenden Verhalten gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 AufenthG und damit auf ein Entfallen des besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 1 AufenthG ab. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden:
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Ein erkennbares Abstandnehmen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 AufenthG ist nach ständiger Rechtsprechung ein innerer Vorgang und erfordert daher das Vorliegen äußerlich feststellbarer Umstände, die eine Veränderung der bisher gezeigten Einstellung als wahrscheinlich erscheinen lassen. Dabei genügt nicht das bloße Unterlassen weiterer Gefährdungshandlungen; vielmehr bedarf es hierzu eindeutiger Erklärungen und Verhaltensweisen des Ausländers, mit denen er glaubhaft zum Ausdruck bringt, dass er sich nunmehr von zurückliegenden Aktivitäten erkennbar aus innerer Überzeugung distanziert. Grundvoraussetzung für eine solche Annahme ist jedenfalls die Einsicht des Ausländers in die Unrichtigkeit des ihm vorgeworfenen Handelns; er muss in jedem Fall sein sicherheitsgefährdendes Handeln in der Vergangenheit einräumen und offenlegen (BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 1 B 11.18 – juris Rn. 12; U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 30; BayVGH, B.v. 16.10.2024 – 10 ZB 24.1463 – juris Rn. 19; U.v. 7.12.2021 – 10 B 21.1451 – juris Rn. 59; VGH BW, B.v. 17.6.2019 – 11 S 2118/18 – juris Rn. 12; OVG NW, U.v. 15.3.2016 – 19 A 2330/11 – juris Rn. 65 f.; OVG Bremen, B.v. 9.6.2023 – 2 B 19/23 – juris Rn. 23).
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Derartiges ist vorliegend jedoch nicht erkennbar. Vielmehr sprechen die überwiegenden Anhaltspunkte für die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Beteuerungen des Antragstellers, sich strikt und ausdrücklich von Gewalt und Extremismus zu distanzieren, keinen Kontakt zu Anhängern salafistischer und jihadistischer Gruppen zu haben sowie sich immer nach dem Grundgesetz zu richten und diesem absoluten Vorrang einzuräumen, weder als Ausdruck seiner tatsächlichen inneren Einstellung noch als Anzeichen, dass keine Gefahr von ihm für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgeht, gewertet werden können. Das Verwaltungsgericht hat die Erklärungen des Antragstellers als unglaubhaft eingestuft und seine Einschätzung, dass der Antragsteller sich weitgehend taktisch und intransparent verhalte, ausführlich begründet (vgl. BA S. 18 bis 20), indem es Widersprüche und offensichtliche Lücken in Angaben des Antragstellers gegenüber den Ausländerbehörden betreffend seinen Aufenthaltszweck, seine Tätigkeit als Imam, seine Beziehungen mit seinen Lebensgefährtinnen bzw. Freundinnen in Deutschland sowie bei der jeweiligen Anmeldung seiner Wohnsitze und im Sicherheitsgespräch (in welchem er seine Tätigkeit in als salafistisch eingestuften Moscheen herunterzuspielen versuchte) aufgezeigt hat. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden.
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Dem setzt der Antragsteller keine substantiierten Einwendungen entgegen, vielmehr räumt er ein, bei der Sicherheitsbefragung sowohl hinsichtlich seiner privaten Beziehungen als auch seiner Tätigkeiten als Imam ausweichend und nicht immer ehrlich geantwortet zu haben, was jedoch noch nicht den sicheren Schluss auf eine terroristische, die Sicherheit der Bundesrepublik gefährdende Einstellung zulasse, sondern vielmehr der Besorgnis zuzuschreiben sei, aufgrund der sicherheitsrechtlichen Befragung seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik zu verlieren. Zu Recht geht das Verwaltungsgericht deshalb vor dem Hintergrund des unaufrichtigen Verhaltens des Antragstellers in der Vergangenheit davon aus, dass sein nun behaupteter Sinneswandel nicht ernst zu nehmen ist.
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Des Weiteren bestreitet der Antragsteller nach wie vor, bisher die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdet zu haben. Von einer Einsicht des Antragstellers in die Unrichtigkeit des ihm vorgeworfenen Handelns und einem Einräumen und Offenlegen seines sicherheitsgefährdenden Handelns in der Vergangenheit ist vor diesem Hintergrund nichts erkennbar. Vielmehr bestreitet der Antragsteller nach wie vor, von der salafistischen und (in Teilen) jihadistischen Ausrichtung der genannten Moscheen und des M.-Vereins in N. überhaupt gewusst zu haben bzw. selbst nicht „auf dem Boden des Grundgesetzes“ gehandelt zu haben. Seine Einlassungen stehen in deutlichem Widerspruch zu den Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz über salafistische Aktivitäten in dem genannten Verein (vgl. Stellungnahme des Bayer. Landesamtes für Verfassungsschutz vom 11.12.2024 in der Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 9.1.2025). Daran ändert es nichts, dass der Antragsteller mit Schriftsatz vom 20. Januar 2025 eine Bestätigung des M. e.V. vom 17. Januar 2025 vorgelegt hat, wonach der Antragsteller derzeit keine Aktivitäten und keine Funktion im gottesdienstlichen oder administrativen Bereich der dort genannten Moschee in N. ausübe, dort zwar als Prediger für Freitagsgebete und religiöse Vorträge in rein religiöser, nicht administrativer Funktion tätig gewesen sei, aber nicht Mitglied des Vereins sei, zum „3. Juli“ sämtliche Vortragstätigkeiten eingestellt habe und „spätestens zum 28.11.2024“ seine Tätigkeit in der besagten Moschee gänzlich eingestellt habe und sich ständig aus der Rolle als Imam/Vorbeter der Freitagspredigt zurückgezogen habe. Damit belegt der Antragsteller nur die Einstellung seiner Aktivitäten in der besagten Moschee, nicht aber ein Abstandnehmen von bisherigem gefährdendem Handeln im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG.
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Des Weiteren genügt auch ein angeblicher „Rückzug ins Private“, wie ihn der Antragsteller mit seinen Beteuerungen, künftig nur noch für seine Familie sorgen und seinem Berufsziel des Arztes nachgehen zu wollen, geltend macht, als rein passives Verhalten nicht für ein glaubhaftes Abstandnehmen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 AufenthG (OVG Bremen, B.v. 9.6.2023 – 2 B 19/23 – juris Rn. 23).
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1.2.6 Soweit der Antragsteller im Übrigen auf seine Ausführungen in den Schriftsätzen vom 27. und 29. November 2024 im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht verweist und diese zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens machen will, genügt dies schon nicht dem Darlegungsgebot nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Die genannten Schriftsätze waren Gegenstand der substantiierten Würdigung durch das Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss. Der bloße Verweis auf erstinstanzliches Vorbringen ohne Auseinandersetzung mit der angegriffenen erstinstanzlichen Entscheidung stellt keine Darlegung von Beschwerdegründen nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO dar.
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1.2.7 Im Übrigen hat der Antragsteller die weitere Begründung des Verwaltungsgerichts, dass der Titelerteilung auch die mit dem angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG verbundene Titelerteilungssperre entgegenstehe, nicht mit seiner Beschwerde angegriffen. Bei Beschlüssen, die auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt sind, wird die Obliegenheit zur Darlegung der Beschwerdegründe nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nur erfüllt, wenn Beschwerdegründe wegen eines jeden die Entscheidung tragenden Grundes dargelegt sind; insoweit gilt für die Darlegung der Beschwerdegründe nichts anderes als für die Darlegung ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 146 Rn. 22b, § 124a Rn. 61 m.w.N.).
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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3. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 und § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 8.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Der Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.