Titel:
Asylverfahrensrechtliche Einstellungsverfügung ohne Folgeentscheidungen
Normenkette:
AsylG § 33 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 75 Abs. 1
Leitsatz:
Beschränkt sich ein Bescheid des Bundesamts auf die Einstellung des Verfahrens und werden dabei keine weiteren „Folgeentscheidungen“ getroffen ist, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Einstellungsverfügung. (Rn. 13)
Schlagworte:
(kein) Rechtsschutzbedürfnis für Eilantrag bei „isolierter“ Einstellung des Asylverfahrens, Untertauchen des Asylbewerbers, Asylverfahren, Einstellung des Verfahrens, Rechtsschutzbedürfnis, unbekannter Aufenthalt, Weiterbetreiben des Verfahrens, isolierte Einstellungsverfügung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 28424
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
1
Der Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger mit arabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Er reiste am 25.08.2023 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 20.10.2023 einen Asylantrag.
2
Mit Schreiben vom 23.04.2025 informierte die Zentrale Ausländerbehörde der Regierung von … u.a. die Antragsgegnerin dahingehend, dass der Antragsteller seit 10.04.2025 amtlich unbekannten Aufenthalts sei.
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Mit Bescheid vom 30.04.2025 stellte die Antragsgegnerin das Asylverfahren ein.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller sei laut Angaben der Ausländerbehörde seit dem 10.04.2025 unbekannt verzogen. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 AsylG stelle das Bundesamt das Verfahren ein oder lehne den Asylantrag nach angemessener inhaltlicher Prüfung ab, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibe. Der Antragsteller sei nach Erkenntnissen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) untergetaucht. Demzufolge werde vermutet, dass er das Verfahren im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG nicht betreibe. Ein Nachweis, dass die oben genannte Handlung auf Umstände zurückzuführen sei, auf die der Antragsteller keinen Einfluss gehabt habe, sei bis zur Entscheidung nicht erbracht worden. Das Verfahren werde daher gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylG eingestellt. Hinreichende Erkenntnisse für eine ablehnende Entscheidung nach angemessener inhaltlicher Prüfung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG) lägen nicht vor.
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Mit Schreiben vom 07.05.2025 teilte die Zentrale Ausländerbehörde der Regierung von … dem Bundesamt mit, dass der Antragsteller seit dem 28.04.2025 nicht mehr unbekannten Aufenthalts ist.
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Die Bevollmächtigte des Antragstellers erhob mit Schriftsatz vom 20.05.2025 Klage gegen den Bescheid vom 30.04.2025 und beantragt zugleich,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, die Entscheidung, mit der das Asylverfahren gem. § 33 Abs. 1 AsylG eingestellt worden sei, da angeblich davon auszugehen sei, dass der Antragsteller unbekannt verzogen sei, sei rechtswidrig. Diese Annahme sei unzutreffend und entbehre jeglicher Grundlage. Insbesondere sei fragwürdig, inwiefern die Einschätzung Sinn mache, dass der Antragsteller unbekannt verzogen sei, da ein Umzug im Asylverfahren rechtlich und aufgrund der Dokumente auch tatsächlich nicht möglich sei, da hierfür eine Erlaubnis und Zuweisung der Regierung erforderlich sei. Der Antragsteller habe sich zu keinem Zeitpunkt dem Verfahren entzogen oder sei untergetaucht. Er sei durchgehend an seiner bei den Behörden gemeldeten Adresse wohnhaft gewesen und habe unter dieser Anschrift auch behördliche Post, darunter den streitgegenständlichen Einstellungsbescheid, ordnungsgemäß erhalten. Es bestehe keine Verpflichtung, 24 Stunden am Tag anwesend und empfangsbereit zu sein. Gerade die Zustellung dieses Bescheides an die Meldeadresse belege, dass der Antragsteller weder unauffindbar gewesen sei, noch seine Mitwirkungspflichten verletzt habe. Es sei daher nicht nachvollziehbar, weshalb die Ausländerbehörde und das BAMF von einem „Untertauchen“ ausgegangen seien. Die Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens sei daher rechtswidrig und verletzte den Antragsteller in seinen Rechten.
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Mit Schriftsatz vom 22.05.2025 beantragt das Bundesamt für die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung bezieht sich die Antragsgegnerin auf die angefochtene Entscheidung.
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Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
11
Der im vorliegenden Eilverfahren gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist bereits unzulässig.
12
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Einstellung des Asylverfahrens – insoweit geht das Gericht aufgrund einer Gesamtschau von Tenor und Gründen des Bescheids vom 30.04.2025 davon aus, dass trotz des deklaratorisch formulierten Tenors eine konstitutive Einstellungsverfügung im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 AsylG durch das Bundesamt getroffen wurde – ist zwar statthaft, da gegen die Einstellung des Verfahrens in der Hauptsache mit der Anfechtungsklage vorzugehen ist und der Klage gemäß § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
13
Dem Antrag fehlt es jedoch am notwendigen Rechtsschutzbedürfnis. Der streitgegenständliche Bescheid vom 30.04.2025 enthält nämlich lediglich eine bloße „isolierte“ Einstellungsverfügung und – aus welchem Grund auch immer – keine „Folgeentscheidungen“ (wie beispielsweise nach § 33 Abs. 1 Satz 2 AsylG). Beschränkt sich hingegen die Entscheidung der Antragsgegnerin auf die Einstellung des Verfahrens, ist ein Rechtsschutzbedürfnis für diese alleinige Entscheidung mit Feststellungswirkung im Eilverfahren nicht ersichtlich (Wittmann in: BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand 01.01.2025, § 33 AsylG Rn. 74). Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist vielmehr nur in den Fällen geboten und damit zulässig, in denen mit der Einstellungsverfügung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylG eine Abschiebungsandrohung bzw. die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots einhergeht. Insoweit richtet sich der Eilantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO – ggf. nach entsprechender Auslegung – dann gegen die Abschiebungsandrohung bzw. gegen die Entscheidung zum Einreise- und Aufenthaltsverbot (vgl. bspw. VG Würzburg, B.v. 5.2.2025 – W 3 S 25.30215 – juris Rn. 24; Bergmann/Dollinger in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 15. Auflage 2025, § 33 AsylG Rn. 13; VG Augsburg, B.v. 12.1.2017 – Au 5 S 17.30077 – juris Rn. 5 und 13).
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Letztlich kann der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 20.05.2025 auch nicht in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO im Hinblick auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG ausgelegt bzw. umgedeutet werden. Zum einen lässt sich dem Schriftsatz des anwaltlich vertretenen Antragstellers ein derartiges Begehren nicht einmal ansatzweise entnehmen. Zum anderen wurden vorliegend behördlicherseits ja gerade (noch) keine Feststellungen zu zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten getroffen, so dass ein diesbezüglicher gerichtlicher Antrag gegenwärtig mangels Rechtsschutzbedürfnis erfolglos bliebe.
15
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gem. § 83 b AsylG gerichtskostenfrei.
16
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).