Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 31.07.2025 – B 2 K 22.1113
Titel:

Erfolgreicher Antrag des Nachbarn auf behördliches Einschreiten wegen illegaler Abfallentsorgung

Normenketten:
BBodSchG § 9 Abs. 1
VwVfG § 24 Abs. 1
Leitsätze:
1. § 9 Abs. 1 BBodSchG umschreibt die bereits aus dem Amtsermittlungsgrundsatz des § 24 Abs. 1 VwVfG resultierende Pflicht der zuständigen Behörde zur Sachverhaltsermittlung und konkretisiert diese durch die Festlegung von Ermittlungsvoraussetzungen auf bestimmte Sachverhaltskonstellationen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Nachbar kann sich auf bodenschutzrechtliche Regelungen insoweit berufen, wie er durch eine Bodenverunreinigung eine Beeinträchtigung seines Eigentums zu befürchten hätte. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Vom Vorliegen von Anhaltspunkten iSv § 9 Abs. 1 S. 1 BBodSchG ist auszugehen, wenn eine – auch nur geringe – Tatsachenbasis vorliegt, die zu dem Schluss berechtigt, dass das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast nicht ganz unwahrscheinlich ist. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Verpflichtung, Antrag auf Verbescheidung, Anhaltspunkte i.S.d. § 9 Abs. 1 BBodSchG, Sachverhaltsaufklärung, Gefahrerforschung, Nachbarschutz, Bodenverunreinigung, Abfallentsorgung, Amtsermittlungsgrundsatz, Gefahrenerforschung, Ermessen
Fundstelle:
BeckRS 2025, 28402

Tenor

1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 05.10.2022 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf behördliches Einschreiten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt behördliches Einschreiten wegen schädlicher Bodenverunreinigungen durch illegale Abfallentsorgung auf dem Nachbargrundstück.
2
Der Kläger ist seit …2022 Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. … der Gemarkung …, Gemeinde … Im Januar 2018 wurde auf dem nordöstlich gelegenen Grundstück Fl.-Nr. … der Gemarkung … Bauschutt aus dem Abbruch einer nahegelegenen Kneipe („…“), der durch die Gemeinde … in Auftrag gegeben worden war, abgelagert. Der Beklagte stellte damals geschredderten Bauschutt, Styropor, Fliesen, Glasscherben, Kabelreste, Teppichreste, Asphalt- oder Teerbrocken sowie Stücke von Eternitplatten fest (Aktenvermerk vom 11.06.2018, Bl. 101 f der Behördenakte I). Der Beklagte führte deswegen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz gegen den Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. … durch und setzte eine Geldbuße fest. Eine Ortseinsicht im September 2018 ergab, dass die Materialien nicht entfernt, sondern eingeebnet worden waren (Aktenvermerk vom 25.09.2018, Bl. 46 der Behördenakte I). Mit Bescheid vom 18.02.2019 verpflichtete der Beklagte den Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. … aufgrund abfallrechtlicher Vorschriften zur Beseitigung und zum Nachweis der Beseitigung und drohte ein Zwangsgeld an (Bl. 87 ff der Behördenakte I).
3
Am 17.06.2019 wurde dem Beklagten eine Rechnung vorgelegt, aus der sich ergibt, dass der Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. … am …06.2019 bei insgesamt fünf Fahrten „Erdaushub“ im Umfang von insgesamt 30 m³ (5 mal 6 m³) in den Steinbruch in … gefahren habe. In den Annahmebedingungen des Steinbruchs ist ausgeführt, dass u.a. bewehrter Beton, Eternit, Kunststoff, Glas, Metall und Styropor nicht enthalten sein dürfen. Der Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. … erklärte mit Schreiben vom 26.04.2022 (Bl. 167/1 der Behördenakte I), dass er den Bauschutt beim Aufladen sortiert und den aussortierten Müll im Hausmüll („schwarze Tonne“) entsorgt habe. Der Inhaber des Steinbruchs habe den Erdaushub und den Bauschutt insgesamt als „Erdaushub“ angenommen.
4
Der Kläger machte gegenüber dem Beklagten Ansprüche nach dem Umweltinformationsgesetz betreffend das streitgegenständliche Grundstück geltend (Az. B 9 K 20.1102). Das Verfahren wurde in der mündlichen Verhandlung für erledigt erklärt und mit Beschluss vom 22.03.2022 eingestellt. Der Kläger äußerte zudem den Vorwurf, das Landratsamt, die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaft würden bei der Vertuschung von illegaler Bauschuttentsorgung helfen. Auf die Bitte der Behörde vom 18.06.2020, diesen schweren Vorwurf zu konkretisieren und zu belegen, übersandte die Ehefrau des Klägers Fotografien vom Juni 2018 und einen Zeitungsartikel aus der örtlichen Presse vom 13.10.2018 (Bl. 115 ff der Behördenakte I). Zudem trug die Klägerseite mehrmals vor, dass es ihr vor allem um die Befürchtung gehe, ein „Giftschrank“ sei mit Inhalt auf dem Nachbargrundstück illegal entsorgt worden. Dieser „Giftschrank“ habe im Keller des abgerissenen Gebäudes gestanden, das einst eine Drogerie beherbergt habe.
5
In der Behördenakte befindet sich eine undatierte Antwort des Ersten Bürgermeisters der Gemeinde … auf eine Anfrage des Landratsamtes … vom 31.03.2021 (Bl. 160 der Behördenakte I), in der er insbesondere erklärt, dass bei mehreren VorOrt-Terminen vor dem Abbruch der Kneipe keine Auffälligkeit, insbesondere kein „Giftschrank“ im Gebäude festgestellt worden sei.
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Mit Antrag vom 12.09.2022 beantragte der Kläger unter Vorlage eines Prüfberichts des Umweltlabors … vom 12.09.2022 ein Tätigwerden des Beklagten, insbesondere das Ergreifen der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen. Die Analyse von Bodenproben hätten Rückstände von Kunststoffen sowie Teerprodukten ergeben. Der Anfangsverdacht der schädlichen Bodenverunreinigung dürfte bestätigt sein. Im Prüfbericht heißt es, dass die aufgefundenen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe grundsätzlich in der Bodenprobe zu erwarten gewesen seien. Ihre Peakflächen würden jedoch auf einen erhöhten Gehalt hindeuten, der für eine entsprechende Beurteilung exakt quantifiziert werden sollte.
7
Das Wasserwirtschaftsamt … äußerte sich auf eine Anfrage des Landratsamts mit E-Mail vom 19.09.2022 dahingehend, dass der vorgelegte Prüfbericht keine quantitativen Messergebnisse liefere. Die qualitativen Messergebnisse würden keine Anhaltspunkte im Sinne eines Anfangsverdachts für Altlasten oder schädliche Bodenveränderungen i.S.d. § 3 Abs. 1 und 2 BBodSchV liefern. Zudem sei mit dichten Untergrundverhältnissen zu rechnen. Selbst beim Nachweis einer Prüfwertüberschreitung am Ort der Probenahme wäre daher ein Nachweis einer Prüfwertüberschreitung am Ort der Beurteilung aufgrund des (sehr) niedrigen Transmissionspotentials schwer ableitbar.
8
Mit Schreiben vom 05.10.2022 teilte der Beklagte in Vollzug des Bundes-Bodenschutzgesetzes dem Kläger mit, dass der vorgelegte Prüfbericht keine Anhaltspunkte für eine schädliche Bodenveränderung i.S.d. § 2 Abs. 3 BBodSchG liefere. Das Wasserwirtschaftsamt … sowie der Umweltingenieur am Landratsamt seien beteiligt worden. Die GC/MS-Analyse habe lediglich qualitative Hinweise auf das Vorhandensein anthropogener Schadstoffe ergeben. Da diese nicht quantifiziert seien, könne nicht beurteilt werden, ob eine Prüfwertüberschreitung am Ort der Probenahme vorliege oder nicht. Die Voraussetzungen für die geforderte Durchführung von Sanierungsmaßnahmen lägen damit nicht vor. Der Kläger wurde auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Eine Rechtsbehelfsbelehrungwar nicht beigefügt.
9
Hiergegen erhebt der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 30.11.2022, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 02.12.2022, Klage. Er begründet diese damit, dass oberhalb des klägerischen Grundstücks auf der Fl.-Nr. … eine massive Baustoffablagerung unter gleichzeitiger Zuschüttung des kleinen Bachlaufs durchgeführt worden sei. Diese erstrecke sich in einer Breite von ca. 10 m und einer Länge von über 30 m entlang der nordöstlichen Grenze des klägerischen Grundstücks. Die Aufschüttungen seien bis ca. 3,5 m hoch. Es seien Bauschutt (Ziegel- und Betonreste) und andere Bodenablagerungen festgestellt worden. Die Bauschuttablagerungen seien bereits Gegenstand des Verfahrens auf Ansprüche nach dem Umweltinformationsgesetz vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth gewesen (Az. B 9 K 20.1102). Im Ergebnis des Verfahrens sei die Entsorgung von Erdstoff, aber nicht von Bauschutt nachgewiesen worden. Der Bauschutt sei eingeebnet und mit Erde bedeckt worden. Versuche, den Beklagten zum Einschreiten, insbesondere zur Analyse und Gefährdungsabschätzung der abgelagerten Materialien zu bewegen, seien fehlgeschlagen. Daher habe die Klagepartei selber eine Probeentnahme durch ein Umweltlabor veranlasst. Die Probe sei am Rand der Lagerstätte außerhalb der eigentlichen Ablagerung genommen worden und habe Hinweise auf Kunststoffe sowie aufgrund der speziellen Struktur der Peakflächen Hinweise auf einen erhöhten Gehalt von PAK ergeben. Bei dem Abriss des Gebäudes, von dem der Bauschutt offensichtlich stamme, seien verschiedentliche teerhaltige Substanzen vorhanden gewesen, die gesondert zu entsorgen gewesen seien, insbesondere teerhaltiger Fußboden. Für die Ablagerung von Erdstoffen und Bauschutt existiere keine öffentlich-rechtliche Erlaubnis. Der Kläger sei unmittelbar betroffen. Es könne dahinstehen, ob dies aus baurechtlichen Grundsätzen, abfallrechtlichen Grundsätzen oder bodenschutzrechtlichen Maßgaben erfolge. Es lägen konkrete Anhaltspunkte i.S.v. § 3 Abs. 4 Satz 1 BBodSchV i.V.m. § 9 Abs. 2 S. 1 BBodSchG vor, weil ein hinreichender Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung bestehe. Dieser bedinge die Durchführung einer notwendigen Untersuchung. Es könne nicht abgeschätzt werden, ob eine Gefährdungsabschätzung eine schädliche Bodenveränderung bestätige. Eine solche Abschätzung sei aber jedenfalls durchzuführen. Zudem liege eine baurechtlich illegale Ablagerung vor, weil die Aufschüttung 3,5 m hoch sei und ein Bachlauf die Aufschüttung durchströme. Der Kläger müsse als „Unterlieger“ mit einer zusätzlichen Belastung seines Grundstücks durch den Bachlauf rechnen. Die Untätigkeitsklage sei zulässig, weil seit Antragstellung am 12.09.2022 drei Monate vergangen seien. Selbst wenn man das Schreiben der Behörde vom 05.10.2022 als Bescheid ansehen möchte, sei keine Ermessensentscheidung erkennbar.
10
Der Kläger ergänzte seinen Vortrag mit Schriftsätzen vom 03.04.2023 und vom 24.06.2023, es handle sich um eine illegale Bauschuttentsorgung von nicht zertifiziertem Material. Brisant sei, dass sich in dem Gebäude, dessen Bauschutt auf das Nachbargrundstück verbracht worden sei, im Keller ein Altbestand an Chemikalien befunden habe. Ein Entsorgungsnachweis für diese hochgiftigen Substanzen sei nicht vorgelegt worden. Die illegale Deponierung sei Anfang 2018 festgestellt worden. Auf der Fotodokumentation vom Juni 2018 sei die Durchmischung des Bauschutts deutlich zu erkennen. Es sei ein durchmischter Bauschutt mit Holzanteil, Leichtbaustoffen, Teppichbodendämmmaterialien, Asbestteilen und Ähnlichem aufgebracht worden. Nach entsprechender Anzeige bei der Behörde sei Anfang Juli 2018 die Anlieferung von Erdstoff auf dem Grundstück erfolgt und das Material eingeebnet worden. Im Verfahren B 9 K 20.1102 habe das Gericht festgestellt, dass ein Nachweis für die Ablieferung von 5 * 6 m³ Erdaushub bei einem Steinbruch durch den Grundstückseigentümer vorhanden sei. Der Beklagte werte dies unzutreffend als Bauschuttentsorgung. Bauschutt sei jedoch tatsächlich nicht entsorgt worden. Eine Nachfrage beim Betreiber der Erdaushubdeponie habe zum Ergebnis geführt, dass er Bauschutt nicht annehme. Es würden Sichtkontrollen vorgenommen. Der Kläger habe durch einen Gutachter eine Überprüfung durchführen lassen und festgestellt, dass in einer Tiefe von ca. 50 cm eine Bauschuttschicht beginne. Damit stehe fest, dass die Behörde wisse, dass eine illegale Bauschuttentsorgung von nicht zertifiziertem Material stattfinde, und dass sie diese illegale Deponie dulde. Das Gefährdungspotential bestehe insbesondere, weil die Deponie von einem Bachlauf durchströmt werde. Auf zwei von der Klägerseite gefertigten Videos sei der Aufstau des Gewässers oberhalb der Deponie deutlich zu erkennen genauso wie die Durchströmung der Deponie durch das Gewässer mit dem unteren Ablauf. Bereits die Nichtdurchführung eines erforderlichen Planfeststellungsverfahrens bzw. eines Verfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung einschließlich eines Verfahrens über die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis berechtige den Kläger, das Einschreiten geltend zu machen. Der Kläger legte einen Aktenvermerk des Umweltingenieurs … bei. Aus diesem ergibt sich, dass am 26.10.2020 auf dem Grundstück Fl.-Nr. … Bauschutt (Ziegel- und Betonreste) und Bodenablagerungen festgestellt worden seien.
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Mit Schreiben vom 14.04.2023 teilte die Klägerseite mit, dass auf dem Grundstück Fl.-Nr. … unbelastete Erdstoffmassen angefahren würden um eine dicke Abdeckung der bestehenden illegalen Deponie vorzunehmen.
12
Der Kläger beantragt zuletzt,
den Beklagten zu verurteilen, über den Antrag des Klägers auf behördliches Einschreiten gegenüber der verfahrensgegenständlichen Auffüllung, vorsorglich unter Aufhebung des Bescheids vom 05.10.2022 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu entscheiden.
13
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
14
Der Beklagte habe gegenüber dem Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. … die Beseitigung des Bauschutts angeordnet. In der Folge sei bei einer Ortseinsicht festgestellt worden, dass das Material zwischenzeitlich beseitigt worden sei. Die Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 9 Abs. 2 BBodSchG lägen nicht vor, weil es keine konkreten durch Daten belegbaren Anhaltspunkte gebe, die den hinreichenden Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung bzw. Altlast begründen würden. Die Entscheidung könne nicht ermessensfehlerhaft sein, wie vom Kläger behauptet. Konkrete Anhaltspunkte, die den hinreichenden Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung begründen, lägen in der Regel dann vor, wenn Untersuchungen eine Überschreitung von Prüfwerten ergeben würden oder wenn auf Grund einer Sickerwasserprognose eine Überschreitung von Prüfwerten zu erwarten sei. Der vom Kläger vorgelegte Prüfbericht vom 12.09.2022 liefere keine quantitativen Messergebnisse und sei daher zum Nachweis einer Prüfwertüberschreitung völlig ungeeignet. Auch nach Beteiligung des Marktes … als Abfallerzeuger gebe es keine Anhaltspunkte für teerhaltige Substanzen in dem auf dem Grundstück zeitweise abgelagerten Abbruchmaterial, die hätten auslaugen können. Der Kläger weise keine subjektive Rechtsverletzung nach. Die Schadstoffe, die auf dem Grundstück des Klägers in unbekannter Konzentration festgestellt worden seien, kämen überall vor. Bei dem seit den 90er Jahren bestehenden Lagerplatz handle es sich um eine baurechtlich verfahrensfreie Aufschüttung mit max. 2 m Höhe und einer Fläche von ca. 200 m². Auf die baurechtliche Genehmigungssituation käme es aber entscheidungserheblich überhaupt nicht an. Auch sei weder in der topografischen Karte, noch im Bayernatlas erkennbar, dass ein oberirdischer Bachlauf zugeschüttet worden sei. Nur an der östlichen Grundstücksgrenze sei eine Senke erkennbar, bei der es sich allenfalls um einen Entwässerungsgraben von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung handele.
15
Die Ablagerung weiteren Erdaushubs sei noch am …04.2023 unterbunden worden. Der Fahrer des anliefernden Fahrzeugs habe angegeben, dass das Material aus einer Baugrube stamme und nur zwischengelagert würde. Anschließend wolle der Eigentümer mit dem Material die im Zuge der Forstarbeiten zerstörten Wege wiederherstellen. Der Verdacht einer Beweisvereitelung sei absurd. Der Kläger sei durch die zweitweise Ablagerung von unbelastetem Erdaushub nicht verletzt. Der Sachvortrag des Klägers bestehe aus einer Aneinanderreihung von Vermutungen.
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Sofern die vom Kläger vorgelegten Aufnahmen tatsächlich aus … stammen würden, würden sie die Expertise des Wasserwirtschaftsamtes … belegen. Dieses sei in seiner Stellungnahme vom 19.09.2022 von einer mangelnden Sickerfähigkeit des Bodens und daraus resultierend einem niedrigen Transmissionspotential des Bodens ausgegangen. Daher sei selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass aufgrund der temporären Ablagerung von Bauschutt auf dem streitgegenständlichen Grundstück eine Prüfwertüberschreitung vorliege, eine Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks ausgeschlossen. Zudem verfülle der Betreiber der Erdaushubdeponie den ehemaligen Steinbruch weiterhin auch mit Bauschutt.
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Mit Gerichtsbescheid vom 02.10.2024, zugestellt am 10.10.2024, wurde die Klage abgewiesen. Auf die Gründe des Gerichtsbescheids wird Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Mit Schreiben vom 08.11.2024, eingegangen bei Gericht am selben Tag, beantragte die Klägerseite die Durchführung der mündlichen Verhandlung.
18
Mit Schriftsatz vom 29.12.2024 führte der Kläger weiter aus, dass sich bereits der Voreigentümer im Jahr 2020 wegen der illegalen Ablagerung von Müll und Baustoffen an die Behörden gewandt habe und der Kläger diese Einwendungen fortführe. In Vorbereitung des Termins zur mündlichen Verhandlung sei am …12.2024 im Bereich der Deponie durch den Kläger mittels eines Radladers eine sogenannte Schürfe angelegt worden. Dabei sei festgestellt worden, dass nach 20 cm Erdreich eine Baustoffablagerung beginne. Hierfür würden Zeugen angeboten. Dabei seien neben Beton- und Ziegelbruch auch mehrere Gussasphaltstücke gesichert worden, die einen PAK-Gehalt von mehr als 25 mg/kg beinhalten würden. Aufgrund eines durchgeführten Lack-Sprüh-Tests würde der Verdacht bestehen, dass die Proben einen PAK-Gehalt von mehr als 1.000 mg/kg aufweisen würden. Es bestehe daher eine zwingende Prüf- und Untersuchungspflicht zur Bestimmung des PAK-Gehalts. Es sei von einem gefährlichen Abfall auszugehen, weil bereits Gussasphalt mit PAK belastet sei und als gefährlicher Abfall gemäß der Schlüsselnummern 170301 und 170303 der Anlage zu § 2 AVV gelte bzw. weil jedenfalls bei einem PAK-Gehalt von mehr als 1.000 mg/kg zwingend von einem gefährlichen Abfall auszugehen sei. Die Klägerseite verweist auf ein Merkblatt des Bayerischen Landesamtes für Umwelt vom 01.03.2019, aus dem sich ergebe, dass teer-/pechhaltige Straßenausbaustoffe nicht wiederverwendet werden sollen. Die Deponierung von gefährlichen Abfällen sei nur auf Deponien der Klasse 3 bzw. 2 zulässig. Die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes vom 19.09.2022 sei unqualifiziert und ungeeignet, eine Gewässergefährdung der benachbarten Grundstücke durch Sickerwasser auszuschließen. Die Behörde wisse nicht, was sich in der Aufschüttung befinde. Die Feststellung, dass auf dem Nachbargrundstück bisher keine Überschreitung der Bodenschutz-Auslösewerte stattgefunden habe, lasse nicht den Schluss zu, dass keine gefährliche Ablagerung vorliege. Eine Ablagerung von unbekannten Stoffen aus einem Abbruch mit Gussasphalt ohne Trennung der Baustoffe in einem Bachbett beinhalte eine wassergefährdende Handlung. Das klägerische Grundstück werde durch die illegale Deponie in rechtlich erheblicher Weise beeinträchtigt. Das klägerische Grundstück liege in einer Talsenke unterhalb des Grundstücks der illegalen Deponie. Es liege schon eine baurechtliche Beeinträchtigung vor. Zudem durchströme ein natürlicher Bachlauf den Deponiekörper. Bauabfälle könnten aus der Deponie auf das klägerische Grundstück rollen. Es bestehe die Gefahr von Verwehungen durch Erosion. Zudem würden lösliche Substanzen wie PAK freigesetzt und durch Sickerwasser und Niederschläge auf das klägerische Grundstück gelangen. Dies werde belegt durch die Bodenproben, die einen leicht erhöhten PAK-Gehalt festgestellt hätten. Der Kläger müsse nicht abwarten, bis die Auslösewerte nach dem Bodenschutzrecht erreicht würden.
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Der Kläger begehre lediglich eine erneute Entscheidung. Es stehe der Behörde insbesondere frei, zunächst effektiv das tatsächliche Gefährdungspotential mit den gefährlichen Abfällen zu bestätigen. Der Beklagte sei verpflichtet, umfassend zu prüfen oder prüfen zu lassen, ob eine illegale Deponie in einem Bachbett vorliege.
20
Es bestehe allein aufgrund des festgestellten Gussasphalts ein begründeter Gefahrverdacht und eine Untersuchungspflicht. Der Kläger müsse für die Frage der subjektiven Rechtsverletzung nicht die Voraussetzung für eine Beseitigungsanordnung darlegen. Er könne sich gegen eine Planfeststellung einer Deponie wenden. Auf ein Urteil des VG Ansbach wurde verwiesen (U.v. 19.6.2013, Az. AN 11 K 12.000202). Dies gelte erst Recht für illegale Deponien (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 22.4.2015, Az. 2 L 52/13). Hinzu komme eine Nachahmungsproblematik, weil in einem Abstand von ca. 200 m weitere Abrissfälle entsorgt worden seien.
21
Der Beklagte erwiderte hierauf unter Vorlage einer weiteren E-Mail des Wasserwirtschaftsamts … vom 09.01.2025. Die illegale Bauschuttablagerung sei im Jahr 2018 abschließend abfallrechtlich behandelt und vollständig beseitigt worden.
22
Das Wasserwirtschaftsamt bewertet in der E-Mail den Aussagewert des von der Klägerseite beschriebenen Lackansprühtests (Antwort auf Frage 1). Zur Frage des Auslaugens von möglicherweise PAK haltigen Schwarzdecken auf das Nachbargrundstück führt das Wasserwirtschaftsamt aus, dass PAK vergleichsweise schlecht wasserlöslich seien. (…). „Sollten sich dennoch aus den Schwarzdeckenbestandteile PAK durch Sickerwasser lösen, wäre nur der unmittelbar umgebene sorptionsfähige Ton bzw. Tonsteine betroffen. Durch die mehr als 3,5 m hohe Aufschüttung unmittelbar an der Grundstücksgrenze (S. 9 unten im RA-Schreiben an das VG Bayreuth) wird zudem eine oberflächliche Abschwemmung vom Nachbargrundstück minimiert bzw. verhindert.“ (Antwort auf Frage 2). Zudem erläutert das Wasserwirtschaftsamt …, dass kein hinreichender Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast gegeben sei, weil das Emissionspotential bei der Annahme von wassergefährdenden Stoffen mit 1 Punkt und das Transmissions- und das Immissionspotential jeweils mit 0 Punkten bewertet werden müssten. Damit ergebe sich ein sehr niedriges Gefährdungspotential. Selbst bei erhöhtem PAK-Gehalt auf dem Nachbargrundstück des Klägers sei aufgrund der hydrogeologischen Standortbedingungen keine Prüfwertüberschreitung auf dem klägerischen Grundstück zu erwarten. Zielführend sei im vorliegenden Fall die Anwendung des Abfallrechts. Die abfallrechtlich festgelegten maximalen Schadstoffgehalte seien die Obergrenze der Verwertbarkeit und lägen deutlich unter den Eingriffswerten des Altlastenrechts (Antwort auf Frage 3).
23
Am 16.01.2025 führte das Gericht einen Erörterungstermin durch. Mit Beschluss vom 27.01.2025 unterbreitete das Gericht den Beteiligten einen Vorschlag für einen gerichtlichen Vergleich, den die Beteiligten nicht annahmen. Auf das Protokoll über den Erörterungstermin und den Vergleichsbeschluss wird verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
24
Der Beklagte führte daraufhin weiter mit Schreiben vom 12.02.2025 aus, dass der Vortrag des Klägers im Erörterungstermin, es sei ihm zunächst an einer behördlichen Befassung mit dem Sachverhalt und seiner Bewertung gelegen, aus den bisherigen Schriftsätzen nicht erkennbar gewesen sei, obwohl der Kläger sogar anwaltlich vertreten werde. Die im Vergleichsbeschluss vorgeschlagene Gefährdungsabschätzung der Auffüllung auf dem Nachbargrundstück vom Beklagten sei bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe von Amts wegen durchgeführt worden. Im Rahmen der historischen Erkundung hätten weder die wenigen noch vorhandenen Baupläne des abgerissenen Gebäudes noch die vom Abrissunternehmen vorgelegten Entsorgungsnachweise, Aussagen des Abbruchunternehmers sowie Aussagen von Vertretern des Grundstückseigentümers (Markt …*) Hinweise auf teerhaltige Abfälle in den auf der Fl.-Nr. … der Gemarkung … gelagerten Haufwerken ergeben. Der Beklagte legte ein Untersuchungsergebnis des gebrochenen Bauschutts vom 09.04.2018 vor. Daraus ergebe sich, dass lediglich der Sulfatgehalt erhöht sei. Dieser liege allerdings immer noch unter dem RW 2 des zum Zeitpunkt der Untersuchung zur Beurteilung der Zulässigkeit für die Verwertung von Bauschutt in technischen Bauwerken maßgeblichen RC-Leitfadens. Hinsichtlich der übrigen Parameter werde sogar der RW 1 eingehalten. Nach Auskunft des Eigentümers sei der Lagerplatz schrittweise bereits seit dem Jahr 1993 aus Erdaushub angelegt worden. Wie aus den vom Klägervertreter vorgelegten Bildern hervorgehe, sei dieses Material auch von Bauschuttbestandteilen durchsetzt. Der Beklagte gehe vorliegend von einem niedrigen bzw. sehr niedrigen Gefährdungspotential aus. Gemäß BayBodSchVwV folge daraus die Einstufung der Altablagerung in die Bearbeitungspriorität C. Aus diesen Gründen, insbesondere aufgrund der Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts …, habe sich der Beklagte entschlossen, das Ermessen dahingehend auszuüben, dass keine Maßnahmen ergriffen werden.
25
Am 03.06.2025 übersandte der Beklagte weitere Teile der Behördenakte. Darin befinden sich mehrere Lieferscheine des Zweckverbands für Abfallwirtschaft in … für die Firma … vom November 2017 bis Januar 2018. Aus diesen wird ersichtlich, dass aus der Baustelle … ca. 2,9 t asbesthaltiger Baustoff fachgerecht entsorgt wurde, sowie ca. 6,9 t gemischte Siedlungsabfälle (AVV Nr. 200301). Zudem ist zu entnehmen, dass 4,1 t gemischte Siedlungsabfälle des gleichen Abfallerzeugers/Anlieferers entsorgt wurden, bei denen jedoch kein Herkunftsort verzeichnet ist. Es wurden bei … am 10.09.2018 7,99 t „Glas, Kunststoff und Holz, die gefährliche Stoffe enthalten oder durch gefährliche Stoffe verunreinigt sind“ (AVV Nr. 170204) aus der Baustelle …, … entsorgt und am 11.09.2018 noch einmal 6,19 t (jeweils mit Zusatz „Altholz – Kategorie IV“). In der Behördenakte befinden sich zudem Aktenvermerke vom 16.01.2023 und vom 25.05.2023 betreffend Telefonate des Sachbearbeiters mit dem Abfallerzeuger Markt … bzw. mit dem Geschäftsführer des Abrissunternehmens, der Firma …, sowie der Firma …, die den Steinbruch betreibt.
26
Die Klageseite erwiderte mit Schriftsatz vom 14.03.2025, dass weiterhin konkrete Anhaltspunkte für eine schädliche Bodenveränderung vorlägen, die eine notwendige Untersuchung zur Gefährdungsabschätzung erforderlich machen würden. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass teerhaltige Substanzen auf dem Nachbargrundstück abgelagert wurden und aus dem erhöhten Auftreten von PAK auf dem klägerischen Grundstück. Das nunmehr vorgelegte Prüfprotokoll sei bisher nicht in der Verwaltungsakte enthalten gewesen. Zudem würden dort „Recyclingbaustoffe 0/60“ benannt, unsortierter Bauschutt sei aber kein Recyclingbaustoff. Es sei nicht erkenntlich, was untersucht worden sei. Die Probenahme sei nicht durch das Labor selbst erfolgt. Auf den Fotos seien insbesondere Kabel, Holz, Teppichreste und Ähnliches neben anderweitigen Materialien (Ziegelbruch, Asphalt und Ähnliches) erkennbar. Es könne dahinstehen, ob die auf der Fotodokumentation des Klägers erkennbaren Eternit- oder Asbestplatten durch die im Jahr 2018 erfolgte Anlieferung abgelagert oder nur durch die Anlieferung mit dem Schwerlastverkehr freigelegt worden seien. Es sei irrelevant, ob aufgrund der abdichtenden Wirkung der verschiedenen Tonschichten unterhalb der wasserführenden Schicht das Grundwasser nicht beeinträchtigt werde. Es komme unstreitig zu Sickerwasserausträgen, die auf das unterliegende Grundstück des Klägers flössen. Die Sickerwassereinträge könnten einen entsprechenden Schadstofftransport besorgen. Ein Sachverständiger wurde für diesen Vortrag als Beweis benannt. Sickerwasser aus Deponien könne weitreichende Bodenverschmutzungen und Bodenkontaminationen bewirken. Die Behörde wisse nicht, welche Gefahrenstoffe und welche Materialien sich in der Aufschüttung befänden. Der Vertreter des Wasserwirtschaftsamts habe Sickerwasserausträge für nachfolgende Grundstücke nicht ausgeschlossen.
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Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 31.07.2025, sowie der vorgelegten Behördenakte und der Gerichtsakte im Verfahren B 9 K 20.1102 (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

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1. Die Klage ist zulässig.
29
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten auf erneute Verbescheidung über seinen Antrag auf behördliches Einschreiten gegenüber der verfahrensgegenständlichen Auffüllung und rügt die mangelnde Sachverhaltsaufklärung. Der Kläger hatte ausdrücklich zunächst einen Antrag auf Anordnung bestimmter Maßnahmen gestellt (vgl. hierzu GB vom 02.10.2024, S. 8). Im Hinblick darauf, dass schriftsätzlich angekündigte Anträge erst durch die Antragstellung in der mündlichen Verhandlung (vgl. § 103 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) ihre endgültige Gestalt erhalten (vgl. BVerwG, B.v. 31.8.1990 – 7 B 115/90 – juris; Schoch/Schneider, VwGO, 40. EL, Rn. 48 zu § 103 VwGO), handelt es sich in dem in der mündlichen Verhandlung formulierten Antrag lediglich um eine Klarstellung des Klageziels. In der Klage auf erneute Verbescheidung liegt ein Minus zum ursprünglich erhobenen Verpflichtungsantrag. Das Gericht legt daher den Antrag erweiternd im obengenannten Sinne aus.
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1.1 Die Zulässigkeit der Klage scheitert nicht daran, dass der Kläger einen entsprechenden Antrag nicht zuvor ausdrücklich bei der Behörde stellte. Das Begehr zur Sachverhaltsermittlung ist zumindest konkludent im Antrag auf behördliche Anordnung enthalten. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs genügt es, wenn der Kläger für die Behörde deutlich macht, dass sie tätig werden soll. Konkrete Eingriffsbefugnisse braucht er nicht zu benennen (B.v. 16.7.2019 – 15 ZB 17.2529 – juris Rn. 16). Das gilt erst Recht für die Gefahrerforschung im Rahmen der Sachverhaltsermittlung. Gemäß Art. 24 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) bzw. § 24 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Der Hinweis des Beklagten, dass der Kläger anwaltlich vertreten sei und dies auch im Verwaltungsverfahren bereits war, so dass seiner Antragsformulierung gesteigerte Bedeutung beikommt, ist zwar zutreffend (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 28. Auflage, Rn. 3 zu § 88 VwGO). Da die Sachverhaltsermittlung, um die es dem Kläger geht, jedoch schon von Amts wegen zu leisten ist, kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, der Kläger habe diese zunächst nicht explizit gefordert. Auf diese Problematik ging der Gerichtsbescheid vom 02.10.2024 mangels entsprechender Ausführungen der Klägerseite nicht ein.
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1.2 In Bezug auf die Einhaltung der Klagefrist und die Verwaltungsaktqualität des Schreibens vom 05.10.2022 verweist das Gericht auf den Gerichtsbescheid (GB vom 02.10.2024, S. 9).
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1.3 Der Kläger ist in Bezug auf sein Begehr zur Sachverhaltsermittlung klagebefugt, § 42 Abs. 2 VwGO. Auf die Ausführungen des Gerichtsbescheids (GB vom 02.10.2025, S. 9 f) wird verwiesen. Ergänzend verweist das Gericht darauf, dass die Klagebefugnis nicht dadurch entfallen ist, dass der Kläger das Grundstück bereits mit der von ihm vermuteten Belastung im Jahr 2022 erworben hat. Wie der Kläger mit Schreiben vom 29.12.2024 mitteilte und belegte, hatten sich die Voreigentümer bereits an die Behörden wegen der Ablagerungen auf
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Fl.-Nr. … gewandt. Vor diesem Hintergrund ist es schon mit dem Rechtsgedanken des § 266 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht gerechtfertigt, einen Anspruch auf Sachverhaltsermittlung entfallen zu lassen.
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2. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf erneute Entscheidung über ein behördliches Einschreiten bezüglich der verfahrensgegenständlichen Auffüllung. Der ablehnende Verwaltungsakt vom 05.10.2022 ist rechtswidrig, weil er auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 1 Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) überhaupt nicht eingeht und daher auch keine Entscheidung über eine Sachverhaltsermittlung enthält (§ 113 Abs. 5, § 114 Satz 1 VwGO). Bei der vorliegenden Verpflichtungsklage ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Rechtsstreits der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (Eyermann, 16. Aufl. 2022, VwGO § 113 Rn. 57).
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2.1 Anspruchsgrundlage ist § 9 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BBodSchG. Es kann dahinstehen, ob sich ein Anspruch auf behördliche Sachverhaltsermittlung, die grundsätzlich von Amts wegen zu leisten ist, schon allein aus § 9 Abs. 1 BBodSchG ergeben könnte. Nach § 9 Abs. 2 BBodSchG kann die zuständige Behörde anordnen, dass die verantwortlichen Personen die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchzuführen haben, wenn auf Grund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast besteht. Liegen der zuständigen Behörde Anhaltspunkte dafür vor, dass eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt, so soll sie zur Ermittlung des Sachverhalts die geeigneten Maßnahmen ergreifen. Im Rahmen der Untersuchung und Bewertung sind insbesondere Art und Konzentration der Schadstoffe, die Möglichkeit ihrer Ausbreitung in die Umwelt und ihrer Aufnahme durch Menschen, Tiere und Pflanzen sowie die Nutzung des Grundstücks nach § 4 Abs. 4 zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BBodSchG). Es handelt sich in § 9 BBodSchG um eine differenzierte Regelung zur Sachverhaltsermittlung. § 9 Abs. 1 BBodSchG umschreibt die bereits aus dem Amtsermittlungsgrundsatz der § 24 Abs. 1 VwVfG resultierende Pflicht der zuständigen Behörde zur Sachverhaltsermittlung (BT-Drs. 13/6701, S. 26) und konkretisiert diese durch die Festlegung von Ermittlungsvoraussetzungen auf bestimmte Sachverhaltskonstellationen (Landmann/Rohmer UmweltR/Ewer, 106. EL Januar 2025, BBodSchG § 9 Rn. 34; BeckOK UmweltR/Posser, 74. Ed. 1.4.2025, BBodSchG § 9 Rn. 3-5a m.w.N.). Das Bayerische Bodenschutzgesetz (BayBodSchG) führt hierzu in Art. 2 aus, dass die zuständige Behörde Flächen, bei denen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt, einer ersten Gefährdungsabschätzung (Erstbewertung) unterziehen soll. Das von der betreffenden Fläche ausgehende Gefährdungspotential ist zunächst grob abzuschätzen (LT-Drs. 14/31, S. 11 zu Art. 2 BayBodSchG).
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Der Kläger rügt, dass der Beklagte bei seiner Entscheidung über die Anordnung von Maßnahmen den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt habe. Nach allgemeiner Ansicht stellt das Unterlassen einer sachlich gebotenen Aufklärung einen Verfahrensfehler dar, der als solcher nur mit einem gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelf geltend gemacht werden kann (§ 44a Satz 1 VwGO). Die Tatsachenermittlung und -feststellung ist einer vollen gerichtlichen Überprüfung zugänglich, während demgegenüber die Bewertung des Sachverhalts bei Ermessensentscheidungen als Rechtsfrage nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterworfen ist. Maßgeblich ist, ob das Ergebnis der behördlichen Ermittlung fehlerhaft ist (Schwarz in Fehling/Kastner/Strömer, Verwaltungsrecht, 5. Auflage 2021, § 24 VwVfG Rn. 53ff m.w.N.; BeckOK VwVfG/Heßhaus, 68. Ed. 1.7.2025, VwVfG § 24 Rn. 27-29).
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2.2 Der Kläger hat einen Anspruch auf eine erneute Entscheidung über ein behördliches Einschreiten nach bodenschutzrechtlichen Vorschriften im Sinne einer Sachverhaltsermittlung und Gefahrenerforschung.
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a) Der Kläger kann sich als Nachbar auf bodenschutzrechtliche Eingriffsbefugnisse i.S.d. § 9 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BBodSchG berufen. Der Schutz des Einzelnen beschränkt sich im Bereich des Bodenschutzrechts auf den Schutz von Individualrechtsgütern wie Gesundheit und Eigentum, während das Interesse der Allgemeinheit gemäß § 1 BBodSchG darauf gerichtet ist, die natürlichen Bodenfunktionen in ihrer Bedeutung für den Naturhaushalt zu schützen (BVerwG, U.v. 15.7.1987 – 4 C 56/83 – juris zum öffentlich-rechtlichen Nachbarschutz im Wasserrecht; VG Schleswig, B.v. 25.9.2001 – 14 B 79/01 – juris). Für den Nachbarn bedeutet das, dass er sich auf bodenschutzrechtliche Regelungen insoweit berufen kann, wie er durch die vorgetragene Bodenverunreinigung eine Beeinträchtigung seines Eigentums zu befürchten hätte (BVerwG, U.v. 14.4.2005 – 7 C 26/03 – juris Rn. 36).
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Vorliegend sind bodenschutzrechtliche Eingriffsbefugnisse streitentscheidend. Das Bundesbodenschutzgesetz findet auf schädliche Bodenveränderungen und Altlasten Anwendung, soweit Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes über die Zulassung und den Betrieb von Abfallbeseitigungsanlagen zur Beseitigung von Abfällen sowie über die Stilllegung von Deponien Einwirkungen auf den Boden nicht regeln. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz gilt für die Vermeidung von Abfällen sowie die Verwertung von Abfällen, die Beseitigung von Abfällen und die sonstigen Maßnahmen der Abfallbewirtschaftung (§ 2 Abs. 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG). Bezüglich des Konkurrenzverhältnisses zwischen Bodenschutzrecht und Abfallrecht betreffend Grundstücke, auf denen Abfälle gelagert worden sind bzw. Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist, verweist das Gericht auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid (GB vom 02.10.2024, S. 13). Der Beklagte geht davon aus, dass abfallrechtliche behördliche Maßnahmen in Bezug auf die Beseitigung des dort abgelagerten Bauschutts nicht mehr zu erwarten sind, weil der Bauschutt in Folge des abfallrechtlichen Bescheids vom 18.02.2019 beseitigt wurde. Es ist daher vorliegend gerechtfertigt, für die Behandlung des klägerischen Begehrs das Instrumentarium des Bodenschutzrechts zur Anwendung zu bringen. Hinzu kommt, dass – selbst wenn vorliegend abfallrechtliche Vorschriften einschlägig wären – beim Vollzug des genannten abfallrechtlichen Bescheids im Ergebnis nur dann ein Anspruch des Klägers denkbar wäre, wenn für sein Grundstück eine Gefahr bestünde, wofür wiederum das Bodenschutzrecht einschlägig wäre (vgl. hierzu: BayVGH, U.v. 18.04.2000, 20 A 99.40019, 20 A 99.40020, 20 A 99.40021 Rn. 33). Der Pflicht, Abfälle zu beseitigen, kommt grundsätzlich kein Schutz von Rechten und Belangen Einzelner zu (BVerwG, B.v. 17.6.2014 – 7 B 14/14 – juris Rn. 8; OVG NRW, U.v. 1.6.23 – 20 D 377/21.AK – juris Rn. 231 jeweils zu § 15 Abs. 2 KrWG bzw. der Vorgängernorm).
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b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine (weitere) Sachverhaltsermittlung liegen vor. Tatbestandliche Voraussetzung für das Eingreifen der behördlichen Ermittlungspflicht nach § 9 Abs. 1 S. 1 BBodSchG ist, dass Anhaltspunkte für eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegen.
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aa) Schädliche Bodenveränderungen sind gemäß § 2 Abs. 3 BBodSchG Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Altlasten sind gemäß § 2 Abs. 5 BBodSchG stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen), und Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist und durch die schädlichen Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden.
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Anhaltspunkte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG können sich auf Grund einer früheren oder noch bestehenden Nutzung eines Grundstücks ergeben. Die Gesetzesbegründung führt als Beispiele aus „Wurde auf einem Grundstück über Jahre mit umweltgefährdenden Stoffen ohne entsprechende Sicherheitsvorkehrungen umgegangen oder wurden z.B. nach starken Regenfällen immer wieder nennenswerte Bodenmengen abgeschwemmt, so liegen die im Gesetz genannten Anhaltspunkte vor“ (Beispiele aus der Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 13/6701, 39 f.). Für die Begründung eines Gefahrenverdachts ist allerdings nicht allein der Umgang mit Schadstoffen auf dem betreffenden Grundstück maßgeblich. § 3 Abs. 1 und 2 Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielen für hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte, die das „Ob“ der Gefährdungsabschätzung bzw. der Untersuchung konkretisieren. Diese Vorschriften stellen dabei darauf ab, ob die jeweilige Betriebs-, Bewirtschaftungs- oder Verfahrensweise oder Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs nicht unerhebliche Einträge solcher Stoffe in den Boden vermuten lassen (OVG Hamburg, U.v. 12.10.2017 -2 Bf 1/16 – NVwZ.RR 2018, 181; VG Cottbus U.v. 28.2.2023 – VG 3 K 590/19 – BeckRS 2023, 19042; OLG Karlsruhe, U.v. 3.3.2003 – 1 U 67/02 – juris; VG Düsseldorf, U.v. 24.4.2018 – 17 K 15533/16 – BeckRS 2018, 10904 Rn. 41 ff.; VGH Mannheim, U.v. 18.12.2007 – 10 S 2351/06 – juris; Landmann/Rohmer UmweltR/Ewer BBodSchG § 9 Rn. 37 ff.; vgl. hierzu auch BT-Drs. 13/6701, 19). Anhaltspunkte i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG erfordern keine „konkreten Anhaltspunkte“, die nach § 9 Abs. 2 Satz 1 die zuständige Behörde ermächtigen, zu verlangen, dass die potentiell Pflichtigen selbst (und auf eigene Kosten) die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchführen. Für den Gefahrenverdacht genügen tatsächliche Indizien, was aber über bloße Vermutungen, die „ins Blaue“ hineingemacht werden, hinausgeht. Die dem Gefahrenverdacht zugrundeliegenden Tatsachen müssen nicht bereits weitgehend geklärt sein. Vom Vorliegen von Anhaltspunkten i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG ist auszugehen, wenn eine – auch nur geringe – Tatsachenbasis vorliegt, die zu dem Schluss berechtigt, dass das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast nicht ganz unwahrscheinlich ist (OVG Koblenz, U.v. 11.10.2007 – 1 A 10281/07 – NuR 2008, 346, juris Rn. 19; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 19.6.2009 – OVG 11 S 62.08 – juris Rn. 7; VG Cottbus U.v. 28.2.2023 – VG 3 K 590/19 – BeckRS 2023, 19042; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 8.11.2018 – OVG 11 S 55.18 – BeckRS 2018, 28183 Rn. 27; OVG Hamburg, U.v. 12.10.2017 -2 Bf 1/16 – NVwZ.RR 2018, 181; VG Düsseldorf, U.v. 24.4.2018 – 17 K 15533/16 – BeckRS 2018, 10904 Rn. 40).
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bb) Der Beklagte geht davon aus, dass Anhaltspunkte für eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast nicht vorliegen, weil der Bauschutt weitgehend ordnungsgemäß entsorgt worden sei und Hinweise auf teerhaltige Abfälle in den gelagerten Haufwerken fehlen würden. Zudem verweist er auf die Aussage des Vertreters des Wasserwirtschaftsamts …, wonach aufgrund der örtlichen Gegebenheiten von keiner Gefahr für das klägerische Grundstück auszugehen sei („niedriges Transmissionspotential“). Diesen Annahmen folgt das Gericht nach den Erkenntnissen aus der mündlichen Verhandlung nicht.
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Das Landratsamt stellte im Sommer 2018 folgende Stoffe auf dem Grundstück Fl.-Nr. … fest (Aktenvermerk vom 29.06.2018, Bl. 13, Behördenakte I): Mauerwerk, Ziegelbruch, Betonbruch, Styropor, Fliesen, Glasscherben, Kabelreste, Teppichreste, Asphalt oder Teer sowie Bruchstücke von Eternitplatten. Gemäß dem Abfallverzeichnis (Anlage zu § 2 Abs. 1 Abfallverzeichnis-Verordnung – AVV) sind die Stoffe Teer, Eternit (das bis 1991 häufig Asbest enthielt) und möglicherweise Teppichreste gefährliche Abfälle (Abfallnummern 170301 bzw. 170303; 170605; 1709). Die Abfälle entstammen unstreitig dem Abbruch der Kneipe „…“. Das Landratsamt geht davon aus, dass der Bauschutt weitgehend ordnungsgemäß entsorgt wurde. Hierfür legte das Landratsamt im gerichtlichen Verfahren Entsorgungsnachweise vor. Aus den Lieferscheinen des Zweckverbands für Abfallwirtschaft in … für die Firma … vom November 2017 bis Januar 2018 ergibt sich, dass ca. 2,9 t asbesthaltiger Baustoff fachgerecht entsorgt wurde, sowie ca. 6,9 t gemischte Siedlungsabfälle (AVV Nr. 200301). Zudem wurden 4,1 t gemischte Siedlungsabfälle des gleichen Abfallerzeugers/Anlieferers entsorgt, wobei der Herkunftsort jedoch nicht angegeben ist. Bei … wurden zusätzlich am 10.09.2018 entsorgt 7,99 t „Glas, Kunststoff und Holz, die gefährliche Stoffe enthalten oder durch gefährliche Stoffe verunreinigt sind“ (AVV Nr. 170204) aus der Baustelle …, … und am 11.09.2018 noch einmal 6,19 t (jeweils mit Zusatz „Altholz – Kategorie IV“). In der Behördenakte befinden sich zudem Aktenvermerke vom 16.01.2023 und vom 25.05.2023 betreffend Telefonate des Sachbearbeiters mit dem Abfallerzeuger Markt … bzw. mit dem Geschäftsführer des Abrissunternehmens, Herrn … Nach ihren Aussagen waren teerhaltige Fußböden im … nicht vorhanden. Einem Telefonvermerk vom 25.05.2023 über ein Gespräch mit der Firma …, die den Steinbruch betreibt, ist zu entnehmen, dass bei den 30 m³ „Erdaushub“, die am …06.2019 in den Steinbruch verfahren wurden, Bauschutt in einem nicht näher quantifizierbaren Umfang enthalten gewesen sein könnte. Der Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. … erklärte mit Schreiben vom 26.04.2022 (Bl. 167/1 der Behördenakte I), dass er nur Bauschutt und Erde in den Steinbruch gefahren habe, den anderen Müll habe er aussortiert und in der schwarzen Tonne entsorgt. Der im Februar 2025 erstmals vorgelegte Prüfbericht vom 09.04.2018 stellt unbedenklichen Recyclingbaustoff aus … fest. Zudem verweist das Landratsamt auf die Aussagen des Wasserwirtschaftsamts … vom 19.09.2022 und vom 09.01.2025.
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Der vom Kläger mitgebrachte Zeuge erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass 45 bis 50 Lkws im Frühjahr 2018 Bauschutt auf das Grundstück Fl.-Nr. … angefahren hätten. Es habe sich mithin um rund 450 bis 500 t Material gehandelt, die vom immer gleichen Lkw der Firma … angefahren worden seien. Einmal sei er dem Lkw gefolgt und habe gesehen, dass er Bauschutt vom Abbruch des „…“ in … transportiere. In der Behördenakte finden sich Vermerke, dass lediglich ca. 4 Lkw-Ladungen auf dem Grundstück Fl.-Nr. … festgestellt worden seien (Bl. 14 und 31 der Behördenakte I). Nachdem nach der klägerischen Einlassung und der des Zeugen der Bauschutt zwischenzeitlich immer wieder eingeebnet und neuer Bauschutt darauf angehäuft wurde, erscheint der Zeugenvortrag hierzu nicht widersprüchlich. Er wird zudem von der Feststellung des Umweltingenieurs … vom 26.10.2020 bestätigt. Das Gericht erachtet die Zeugenaussage als glaubhaft, weil der Zeuge detailreich das Geschehen schilderte und Fragen stringent beantworten konnte. Der vom Zeugen erlebte Handlungskern wurde widerspruchsfrei berichtet. Es bestand zwar insoweit ein Widerspruch zwischen der Aussage des Klägers, der erklärte, der Bauschutt sei direkt auf der Baustelle in … gebrochen worden, und der Aussage des Zeugen, dass der Bauschutt nicht vor Ort gebrochen worden sei. Dieser Widerspruch wurde mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert. Der Zeugenvortrag stimmt auch insoweit mit der Behördenakte überein, als dass diese auf S. 3 mit der anonymen telefonischen Mitteilung an die Polizei beginnt. Anhaltspunkte gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage sind nicht ersichtlich. Auch der Beklagte hat nichts eingewandt, was diese Annahme in Zweifel ziehen könnte. Nach der Zeugenvernehmung hält das Gericht an seiner Annahme aus dem Gerichtsbescheid vom 02.10.2024 (S. 11), es sei nur eine relativ geringe Menge an Bauschutt auf das Grundstück verbracht worden, nicht fest.
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Nach Würdigung der Beweismittel ist die Annahme des Beklagten, der Bauschutt sei weitgehend ordnungsgemäß entsorgt worden und Hinweise auf teerhaltige Abfälle würden fehlen, nicht überzeugend belegt:
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Die Beweisführung hinsichtlich der ordnungsgemäßen Entsorgung ist nicht schlüssig, weil die vorgelegten Lieferscheine des Zweckverbands für Abfallwirtschaft in … für die Firma … vom November und Dezember 2017 bzw. Januar 2018 datieren. Die Feststellung des Bauschutts fand jedoch erstmals Ende Juni 2018 statt. Am 24.09.2018 fand ein weiterer Ortstermin statt, bei dem festgestellt wurde, dass die Materialien nicht entfernt wurden, so dass auch die Scheine von … vom 10. und 11.09.2018 eine Abfuhr der möglicherweise gefährlichen Stoffe nicht belegen können.
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Der Anlieferungsnachweis des Steinbruchs vom …06.2019 bescheinigt die Anlieferung von 30 m³ „Erdaushub“, in dem sich jedoch eventuell auch Bauschutt befunden haben kann. Die Firma … erklärte gegenüber dem Beklagten, dass der Steinbruch fremdüberwacht sei und nur „zugelassene“ Abfälle entsorgt würden. Bei der Gegenüberstellung der vom Zeugen genannten angefahrenen Mengen Bauschutt, der Qualität der am 29.06.2018 festgestellten (möglicherweise) gefährlichen Abfälle und der im Steinbruch entsorgten Menge „Erdaushub“ ergibt sich ein Delta, dessen Verbleib nicht geklärt ist. Eine aktenkundige Feststellung, dass der Bauschutt tatsächlich entfernt wurde, fehlt, auch wenn der Beklagte in seinen Schreiben an das Gericht auf Ortstermine verweist, die wohl im Nachgang stattgefunden haben, über die jedoch dem Gericht keine Erkenntnisse vorliegen, wer wann daran teilgenommen hat und was konkret festgestellt wurde.
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Nachvollziehbare Erhebungen zu der Qualität des abgelagerten Materials fehlen ebenfalls. Der Beklagte verweist hierzu auf die unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe von Amts wegen durchgeführte historische Erkundungen („Baupläne, Entsorgungsnachweise, Aussagen des Abbruchunternehmers und des Grundstückseigentümers“), die gerichtsaktenkundig nur teilweise und erst mit Übersendung der Restakte am 03.06.2025 wurden. Der abfallrechtliche Bescheid vom 18.02.2019 geht auf S. 3 (unter Ziffer 3) jedoch selbst noch davon aus, „dass zu befürchten sei, dass in den Abbruchabfällen auch potentiell schadstoffhaltige Abfälle enthalten seien, von denen aufgrund ihres konkreten Zustandes bei entsprechenden Witterungseinflüssen nachteilige Auswirkungen auf Boden oder Grundwasser ausgehen können (Dämm-, Isoliermaterialien, Eternitplattenbruchstücke, Asphalt- oder Teerbruch).“ Diese Feststellungen sind vor dem Hintergrund der zuvor stattgefundenen historischen Erkundungen, auf die der Beklagte mit Schreiben vom 12.02.2025 verweist, nicht nachvollziehbar.
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Der Prüfbericht vom 09.04.2018 kann nicht als Beleg für die Unbedenklichkeit des auf dem Grundstück Fl.-Nr. … gelagerten Abfalls dienen, weil er lediglich die Beprobung von vorsortiertem Recyclingbaustoff aus Bauschutt feststellt (0/60 mm). Dies ist offensichtlich nicht der Bauschutt, der auf den in der Behördenakte befindlichen Fotos zu sehen ist.
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Auch die Aussagen des Wasserwirtschaftsamts … lassen nach der Einlassung in der mündlichen Verhandlung nicht den Schluss zu, dass das Grundstück des Klägers bei einer Lagerung von möglicherweise gefährlichen Abfällen auf dem Nachbargrundstück vor einem Eintrag gefährlicher Stoffe sicher wäre. Das Wasserwirtschaftsamt … als zuständige Fachbehörde (vgl. Art. 10 Abs. 2 BayBodSchG und Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des Bodenschutz- und Altlastenrechts in Bayern vom 04.09.2023, BayMBl. 2023 Nr. 476 – BayBodSchVwV), dessen Aussagen in Bezug auf wasserwirtschaftliche Fragen erhebliche Bedeutung zukommt (BayVGH, B.v. 25.7.2016 – 22 CS 16.1158 – juris) führte hierzu zunächst in seiner E-Mail vom 09.01.2025 zu Frage 2 aus: „Sollten sich dennoch aus den Schwarzdeckenbestandteile PAK durch Sickerwasser lösen, wäre nur der unmittelbar umgebene sorptionsfähige Ton bzw. Tonsteine betroffen. Durch die mehr als 3,5 m hohe Aufschüttung unmittelbar an der Grundstücksgrenze (S. 9 unten im RA-Schreiben an das VG Bayreuth) wird zudem eine oberflächliche Abschwemmung vom Nachbargrundstück minimiert bzw. verhindert.“ In der mündlichen Verhandlung erklärte der Vertreter des Wasserwirtschaftsamts, dass er bei der Beantwortung im Januar 2025 von unzutreffenden Gegebenheiten ausgegangen sei. Bei der Aufschüttung handle es sich tatsächlich um die streitgegenständliche Bauschuttablagerung und nicht um einen mit örtlichem Erdmaterial aufgeschütteten Damm. Zwar sei eine Gefährdung des Grundwassers durch mögliche Schadstoffe auf dem Grundstück Fl.-Nr. … wegen der örtlichen Gegebenheiten nicht zu erwarten. Regenwasser, das von der Lehmschicht aufgehalten werde, bleibe aber in der oberen Bodenschicht und könne sehr wohl den Auffüllungskörper in Richtung des darunterliegenden klägerischen Grundstücks durchströmen und so mögliche Schadstoffe auf das Grundstück schwemmen. Ob etwaiges Aufschüttungsmaterial verbleiben könne, hänge von seiner (abfallrechtlichen) Klassifizierung ab. Diese hat jedoch (s.o.) bisher nicht stattgefunden, weil schon nicht klar ist, ob und was sich auf dem Grundstück Fl.-Nr. … an Bauschutt aus dem Abbruch des „…“ noch befindet.
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Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung beruht der Vortrag, es befände sich noch immer möglicherweise gefährlicher Abfall auf dem Grundstück Fl.-Nr. …, auf einer Tatsachenbasis, die zu dem Schluss berechtigt, dass das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast nicht ganz unwahrscheinlich ist.
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c) Die bodenschutzrechtlichen Eingriffsbefugnisse sind Ermessensvorschriften. Sie enthalten die Befugnisse, Tätigwerden „zu können“ bzw. im Fall des § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG „zu sollen“. Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null sind nicht gegeben. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte weitere Gefahrerforschung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts betreibt. Die Sachverhaltsaufklärung des Beklagten war bisher unzureichend, weil die Behörde vorschnell von einem feststehenden Sachverhalt ausging und weitere Ermittlungshandlungen nicht durchführte. Die Entscheidung im Bescheid vom 05.10.2022, nicht tätig zu werden, ist daher fehlerhaft ist und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
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3. Als unterlegener Beteiligter hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 711 ZPO.