Titel:
Drittschutz gegen den Ersatzneubau eines Umspannwerkes
Normenketten:
VwGO § 146
26. BImSchV § 4 Abs. 2
Leitsatz:
Die Regelungen des § 4 Abs. 2 der 26. BImSchV dienen der Vorsorge und sind als solche nicht drittschützend. (Rn. 16)
Schlagworte:
Nachbarbeschwerde, Umspannwerk, Minimierungsgebot, Anlage, Antragsteller, Baugenehmigung, Beschwerde, Beschwerdeverfahren, Drittschutz
Vorinstanz:
VG Regensburg, Entscheidung vom 18.12.2024 – RO 7 S 24.1779
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2835
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Ersatzneubau eines Umspannwerkes mit Neubau eines Schalthauses.
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Mit Unterlagen vom 13. Dezember 2023 beantragte die Beigeladene, eine Energiedienstleisterin und Netzbetreiberin, beim Landratsamt die Erteilung einer Baugenehmigung für einen Ersatzneubau der Schaltanlage eines 110/20 kV-Umspannwerks inkl. eines Doppelportals sowie fünf Blitzschutzmasten (je 18 m Höhe), drei Transformatoren (110 kV/20 kV) mit einer Bemessungsleistung von jeweils max. 40 MVA sowie zugehöriger Umspanntechnik und Neubau eines Schalthauses für 20 kV Umspanntechnik, Erweiterung der Einfriedung, Geländeauffüllung und Retentionsausgleich. Die Baugrundstücke befinden sich im Außenbereich, in einem Bereich, der durch den Flächennutzungsplan der Stadt als Sonderfläche Energieversorgung (Umspannwerk) dargestellt ist. Das umzubauende Umspannwerk befindet sich dort bereits seit 1973. Der Antragsteller ist Eigentümer mehrerer Grundstücke nordwestlich und nördlich der Baugrundstücke, die teilweise unmittelbar angrenzen und teilweise mit Wohngebäuden bebaut sind.
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Mit Bescheid vom 28. Juni 2024 erteilte das Landratsamt die beantragte Baugenehmigung, gegen die der Antragsteller Klage erhoben hat (RO 7 K 24.1780), über die noch nicht entschieden ist. Seinen zugleich gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wies das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Dezember 2024 ab. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die Baugenehmigung hinreichend bestimmt sei und nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Insbesondere werde der Kläger keinen schädlichen Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder ausgesetzt und das Minimierungsgebot des § 4 Abs. 2 der 26. BImSchV vermittle keinen Drittschutz. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.
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Der Antragsteller ist der Ansicht, das Minimierungsgebot des § 4 Abs. 2 der 26. BImSchV sei drittschützend, weil es gegenüber einem abgrenzbaren Teil der Bevölkerung gelte. Abzustellen sei auf im Einwirkungsbereich der jeweiligen Anlage liegende Gebäude oder Grundstücke sowie jedes Gebäude oder Grundstück, das zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt ist. Damit sei das Minimierungsgebot kein reines Vorsorgegebot, sondern Teil eines Schutzkonzeptes, das insgesamt der Gefahrenabwehr und dem Individualrechtsschutz diene. Zusätzlich zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte solle das Minimierungsgebot den wissenschaftlichen Unsicherheiten Rechnung tragen und gewährleisten, dass im Einwirkungsbereich der Anlage Immissionen auch unterhalb der Grenzwerte gering bleiben. Angeknüpft werde dabei an Immissionen an bestimmten Minimierungsorten im Einwirkungsbereich der Anlage, weshalb § 4 Abs. 2 der 26. BImSchV anders zu beurteilen sei als der frühere § 6 Abs. 2 StrSchV, bei der der betroffene Personenkreis gerade nicht ermittelt werden konnte. Da die Grenzwerte allein auf Abstände zielten, ergebe sich ein ausreichender Individualrechtsschutz erst durch das Minimierungsgebot als gleichwertige Schutznorm daneben.
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Dieses Minimierungsgebot habe die Beigeladene nicht beachtet, weil sie auf den Einsatz gasisolierter Leiter (GIL) und gasisolierter Schaltanlagen (GIS) verzichte. Diese Maßnahme biete ein enormes Minimierungspotential elektrischer und elektromagnetischer Felder und sei nicht unverhältnismäßig, sondern entspreche dem Stand der Technik und dem vernünftigen Optimum. Auf höhere Kosten könne sich die Beigeladene hierbei nicht berufen.
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Der Antragsteller hat beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2024 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung des Landratsamts vom 28. Juni 2024 anzuordnen.
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Der Antragsgegner hat beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Die Frage des Drittschutzes sei bereits nicht entscheidend, weil das Minimierungsgebot keine Alternativenprüfung erfordere. Zudem führe der Einsatz gasisolierter Leiter und gasisolierter Schaltanlagen zu einer anderen Anlage, so dass diese Maßnahme gar nicht als Minimierungsmaßnahme gefordert werden könne. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht ausführlich begründet, dass § 4 Abs. 2 der 26. BImSchV nur dem Schutz der Allgemeinheit diene und nicht auch dem Schutz der Nachbarn. Der vom Verwaltungsgericht herangezogene Gedanke aus dem Strahlenschutzrecht werde durch das Gesetzgebungsverfahren bestätigt.
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Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Die Frage des Drittschutzes könne offenbleiben, weil jedenfalls keine Rechte des Klägers verletzt würden. Das Minimierungsgebot sei kein „Wunschkonzert“ für Dritte, über die aus deren Sicht „akzeptable“ Ausgestaltung der öffentlichen Stromversorgung zu befinden.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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Die Beschwerde bleibt erfolglos. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts aufzuheben oder abzuändern wäre. Die vorzunehmende Abwägung der gegenseitigen Interessen geht hier zulasten des Antragstellers aus.
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Nach der fachlichen Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Umwelt vom 13. Februar 2025 handelt es sich bei dem Einsatz der vom Antragsteller geforderten gasisolierten Leiter (GIL) und gasisolierten Schaltanlagen (GIS) schon nicht um eine Nr. 3.1 BImSchVVwV unterfallende Minimierungsmaßnahme, weil dadurch die Art der Anlage verändert würde. Unabhängig davon ist höchstgerichtlich geklärt, dass die Regelungen des § 4 Abs. 2 der 26. BImSchV der Vorsorge dienen und als solche nicht drittschützend sind (BVerwG, U.v. 16.3.2021 – 4 A 10.19 – juris Rn. 48; U.v. 10.11.2022 – 4 A 15.20 – juris Rn. 28).
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladene im Beschwerdeverfahren einen eigenen Antrag gestellt hat und damit auch ein Kostenrisiko übernommen hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass diese ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhält (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).