Titel:
Sofort vollziehbare Nutzungsuntersagung für einen nicht genehmigten Containerlagerplatz
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 146 Abs. 4 S. 6
BayBO Art. 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 2, Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 Nr. 15 lit. b, Art. 76 S. 1, S. 2
Leitsätze:
1. Ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften iSv Art. 76 S. 2 BayBO‚ der den Erlass einer Nutzungsuntersagung rechtfertigt‚ ist bei einem genehmigungspflichtigen Vorhaben grundsätzlich schon dann gegeben‚ wenn das Vorhaben ohne Baugenehmigung ausgeführt wird. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine formell rechtswidrige Nutzung darf grundsätzlich nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Erweist sich ein Verwaltungsakt (auch) aus anderen als in dem Bescheid angegebenen Gründen als rechtmäßig, ohne dass er durch den Austausch der Begründung in seinem Wesen geändert würde, dann ist er iSd § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht rechtswidrig. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anordnung der Beseitigung eines ohne Genehmigung betriebenen Lagerplatzes, Befugnisnorm, Austausch der Rechtsgrundlage, Nutzungsuntersagung, illegaler Lagerplatz für Container, formelle Illegalität, offensichtliche Genehmigungsfähigkeit, Baugenehmigungspflicht, Aufforderung, einen Bauantrag zu stellen, Sofortvollzug, fehlende Substanzvernichtung, Auswechseln der Rechtsgrundlage, Wesensänderung, Beschwerde, Zwangsgeldandrohung, Beseitigungsanordnung, Verfahrensfreiheit
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2024 – RO 7 S 24.2705
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2833
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.500,- € festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte, zwangsgeldbewehrte Anordnung des Antragsgegners vom 16. Oktober 2024, (u.a.) die auf zwei ihm gehörenden Flurstücken aufgestellten Container zu beseitigen. Hinsichtlich beider Grundstücke war dem Antragsteller zu Anfang des Jahres 2021 die „Änderung der Nutzung eines ehemaligen Sägewerks in Lagerhallen für Baumaterial, Garage mit Nebenräumen, Lagerplatz sowie Betrieb eines Autohandels und -vermietung sowie Rückbau Vordach und Instandsetzung der bestehenden Gebäude“ baurechtlich genehmigt worden.
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Das Verwaltungsgericht hat seinen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der von ihm erhobenen Klage insoweit abgelehnt. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung werde die Klage diesbezüglich voraussichtlich keinen Erfolg haben. Die von der bestehenden Genehmigung nicht umfasste Lagerung der Container sei rechtswidrig und auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Die getroffenen Anordnungen fänden ihre Rechtsgrundlage zwar entgegen der Ansicht des Antragsgegners in Art. 76 Satz 2 BayBO und nicht in Art. 76 Satz 1 BayBO, erwiesen sich im Übrigen aber als formell und materiell rechtmäßig und frei von Ermessensfehlern.
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Mit der eingelegten Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Er macht im Wesentlichen geltend, der von dem Verwaltungsgericht vorgenommene Austausch der Rechtsgrundlage überzeuge nicht. Im Übrigen sei der streitgegenständliche Lagerplatz verfahrensfrei und offensichtlich genehmigungsfähig. Angesichts dessen sei die verfügte Beseitigung unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft. Außerdem erweise sich die Zwangsgeldandrohung als nicht ausreichend bestimmt.
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1. den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. Dezember 2024, soweit mit ihm der Antrag vom 15. November 2024 abgelehnt wurde, abzuändern und
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2. die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 15. November 2024 gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheides des Antragsgegners vom 16. Oktober 2024 wiederherzustellen.
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Der Antragsgegner – Landesanwaltschaft Bayern – hat beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen
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und verteidigt den angefochtenen Beschluss.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie den elektronisch übermittelten Behördenakt verwiesen.
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Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die von dem Antragsteller dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO) zu Recht abgelehnt, weil die Klage im Hauptsacheverfahren voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Der angefochtene Bescheid ist angesichts der nicht genehmigten Nutzung der beiden Grundstücke des Antragstellers als Aufstell- bzw. Lagerplatz u.a. für Container aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt dessen Rechte nicht, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die tatbestandlichen Voraussetzungen jedenfalls des Art. 76 Satz 2 BayBO als Befugnisnorm sind mit hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt und Ermessensfehler nicht ersichtlich.
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Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann eine Nutzung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden, untersagt werden. Bei dem vom Antragsteller betriebenen Containerlagerplatz handelt es sich um eine bauliche Anlage (vgl. Art. 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BayBO) im Sinne dieser Norm, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt wird, weil sie zwar gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO einer Genehmigung bedarf, jedoch nicht genehmigt ist. Sie wird nach dem Wortlaut weder von der bestehenden baurechtlichen Genehmigung erfasst, noch ist für diesen Lagerplatz eine eigene Genehmigung beantragt bzw. erteilt worden. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, dass ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinn von Art. 76 Satz 2 BayBO‚ der den Erlass einer Nutzungsuntersagung rechtfertigt‚ bei einem genehmigungspflichtigen Vorhaben grundsätzlich schon dann vorliegt‚ wenn das Vorhaben – wie hier – ohne Baugenehmigung ausgeführt wird. Die Nutzungsuntersagung hat – insoweit einer Baueinstellung entsprechend – die Funktion‚ den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen; es muss daher in der Regel nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt (BayVGH B.v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – juris Rn. 21 m.w.N.). Der (sinngemäße) Einwand des Antragstellers, die Lagerung der Container sei aber gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr.15 b) BayBO auf einer Fläche von bis zu 300 m² verfahrensfrei und bedürfe deshalb keiner Genehmigung, ändert daran nichts. Eine Anwendung dieser Vorschrift kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil der Antragsteller die entsprechende Fläche, welche zur Lagerung der Container genutzt wird, nicht konkret bezeichnet hat. Er hat vielmehr die Freiflächen seiner beiden Grundstücke in unterschiedlichem Umfang für die Lagerung verschiedenster Gegenstände sowie der streitgegenständlichen Container genutzt. Die Freiflächen sind damit nach ihrer Zweckbestimmung insgesamt als Lagerplatz anzusehen (vgl. BayVGH B.v. 4.8.2004 – 15 CS 04.1648 – juris Rn. 16 m.w.N.).
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Soweit der Antragsteller außerdem geltend macht, die Lagerung der Container sei „offensichtlich genehmigungsfähig“ und deren angeordneter „kostenintensiver Abtransport“ deshalb nicht verhältnismäßig, dringt er auch damit nicht durch. Zwar darf auch eine – wie hier – formell rechtswidrige Nutzung grundsätzlich nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist. Denn eine offensichtlich materiell rechtmäßige Nutzung zu untersagen‚ ohne den Bauherrn vorher vergeblich nach Art. 76 Satz 3 BayBO aufgefordert zu haben‚ einen Bauantrag zu stellen‚ wäre tatsächlich unverhältnismäßig (vgl. BayVGH B.v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – juris Rn. 21 m.w.N.).
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Allerdings ist die genehmigungsbedürftige Lagerung der Container hier keineswegs, wovon der Antragsteller indes ohne nähere Begründung ausgeht, offensichtlich genehmigungsfähig. Seine Einschätzung, es sei „offensichtlich, dass die Lärmimmissionen für den gelegentlichen An- und Abtransport von Containern nicht derart hoch sind, dass das Gebot der Rücksichtnahme (auch im allgemeinen Wohngebiet) verletzt werden würde“, im Übrigen handele es sich um einen in einem Allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässigen und nicht störenden Gewerbebetrieb, teilt der erkennende Senat nach der vorliegend gebotenen, summarischen rechtlichen Prüfung nicht. Zu Recht hat diesbezüglich bereits das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass insbesondere die planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens hier (noch) nicht abschließend beurteilt werden kann und einer eingehenden Prüfung – etwa durch eine Ortsbegehung im Rahmen des Hauptsacheverfahrens – bedarf. Angesichts des Umstands, dass mit der geforderten Entfernung der Container keine Substanzvernichtung einhergeht, sind auch sonstige Ermessensfehler – etwa ein Verstoß gegen das Übermaßverbot zulasten des Antragstellers – nicht ersichtlich.
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Auch der weitere Vortrag des Antragstellers, er sei vom „Austausch der Rechtsgrundlage durch das Ausgangsgericht“ nicht „überzeugt“, verhilft seiner Beschwerde nicht zum Erfolg. Zwar hat das Verwaltungsgericht die Notwendigkeit des von ihm vorgenommenen Austauschs nicht begründet, aber die Frage, ob ein angefochtener Bescheid materiell rechtmäßig oder rechtswidrig ist, richtet sich nach dem Recht, das geeignet ist, die getroffene Regelung zu rechtfertigen. Erweist sie sich (auch) aus anderen als in dem Bescheid angegebenen Gründen als rechtmäßig, ohne dass sie durch den Austausch der Begründung in ihrem Wesen geändert würde, dann ist der Verwaltungsakt im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht rechtswidrig (BVerwG U.v. 31.3.2010 – 8 C 12/O 9 – juris Rn. 16 m.w.N.). Gemessen daran konnte das Verwaltungsgericht die streitgegenständliche Beseitigungsanordnung hier statt auf die ursprünglich herangezogene Befugnisnorm in Art. 76 Satz 1 BayBO auch auf Art. 76 Satz 2 BayBO stützen: Der Austausch beider Normen lässt den Tenor der Anordnung und die ausgesprochene Verpflichtung zur Beseitigung der Container unberührt und erfordert keine wesentlich anderen oder zusätzlichen Ermessenserwägungen (vgl. zum Ganzen auch: BayVGH B.v. 11.10.2017 – 15 CS 17.1055 – juris Rn. 15).
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Schließlich überzeugen auch die Bedenken des Antragstellers im Hinblick auf die von ihm für nicht ausreichend bestimmt und verhältnismäßig erachtete Zwangsgeldandrohung nicht. Mit dem Antragsgegner geht auch der erkennende Senat davon aus, dass ersichtlich alle auf den Freiflächen der bezeichneten Flurstücke lagernden Container zu entfernen sind. Dass dies bereits teilweise geschehen und die Anordnung deshalb unverhältnismäßig sei, trägt der Antragsteller selbst nicht vor.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.7.2, 1.5, 9.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013 und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).