Titel:
Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung sowie der Fahrerlaubnis der Klassen D und D1 wegen Nichtvorlage eines Fahreignungsgutachtens (unbeherrschtes und aggressives Verhalten) - einstweiliger Rechtsschutz
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
StPO § 153a
FeV § 11 Abs. 1 S. 4, Abs. 3 S. 1 Nr. 8, Abs. 8 S. 1, § 46 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, § 48 Abs. 4 Nr. 2a, Abs. 8, Abs. 9
Leitsätze:
1. Die Fahrerlaubnisbehörde hat die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung wie auch die Fahrerlaubnis der Klassen D und D1 zum Führen von Kraftomnibussen zwingend zu entziehen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber nicht mehr die Gewähr dafür bietet, dass er der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht wird, oder wenn er bei Bedenken hinsichtlich des Gewährbietens auf die rechtmäßige Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens die Untersuchung verweigert oder das Gutachten nicht fristgerecht beibringt. (Rn. 17 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Gewährbieten ist zu verneinen, wenn nach umfassender Würdigung der Gesamtpersönlichkeit eines Fahrzeugführers anhand aller Umstände des Einzelfalls ernsthaft zu befürchten ist, dass er die ihm obliegenden besonderen Sorgfaltspflichten bei der Beförderung seiner Fahrgäste künftig missachten wird. Dadurch werden gesteigerte Anforderungen an die charakterliche Eignung von Fahrzeugführern gestellt, die bei hinreichenden Zweifeln die Anordnung einer Begutachtung rechtfertigen; und zwar auch bei Verfehlungen ohne unmittelbaren Zusammenhang mit der Personenbeförderung, wenn sich dabei für die Personenbeförderung schädliche Charaktereigenschaften zeigen, wie unbeherrschtes, aggressives und nicht situationsangemessenes Verhalten in belastenden Situationen im Straßenverkehr. (Rn. 26 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Begutachtungsanordnung ist nicht ohne Weiteres rechtswidrig, wenn sich darin neben richtigen auch unzutreffende Erwägungen finden. Maßgeblich erscheint vielmehr, ob die zutreffenden Erwägungen die Forderung nach einer Gutachtensanordnung selbständig tragen und der betroffene Fahrerlaubnisinhaber anhand einer verständigen Prüfung der Anordnung noch immer zu der Einsicht gelangen muss, dass er ihr Folge zu leisten hat. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Verfahrenseinstellung gem. § 153a StPO steht einer eigenständigen Würdigung und Bewertung der Strafakten in einem Verwaltungs- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht entgegen. Etwa im Hinblick darauf, ob sich daraus hinreichende Schlussfolgerungen für die Vornahme einer verwaltungsrechtlichen Maßnahme ergeben (vgl. BVerfG BeckRS 1991, 1120; VGH München BeckRS 2023, 18939 Rn. 17 und BeckRS 2024, 1370 Rn. 16, jeweils mwN). (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
5. Von einem zur Vorlage eines Eignungsgutachtens verpflichteten Verkehrsteilnehmer ist zu fordern, dass er alle ernsthaft in Betracht kommenden Möglichkeiten ausschöpft, um finanzielle Hemmnisse einer Begutachtung auszuräumen. Allenfalls dann, wenn er entsprechende, noch nicht abgeschlossene Bemühungen geltend und glaubhaft macht, kann die Fahrerlaubnisbehörde gehalten sein, ihre abschließende Entscheidung vorübergehend zurückzustellen, soweit die dadurch eintretende Verzögerung auch unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit vertretbar erscheint (vgl. VGH München BeckRS 2022, 16886 Rn. 23 mwN). (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
6. Bei einem Fehlen der charakterlichen Eignung ist die daran anknüpfende Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung im Hinblick auf den hohen Rang der zu schützenden Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit und der sonstigen Sicherheit der Fahrgäste verhältnismäßig (vgl. VGH München BeckRS 2020, 24649 Rn. 32). (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung sowie der Fahrerlaubnis der Klasse D, Nichtvorlage des angeordneten medizinisch-psychologischen Gutachtens ausgeprägt unbeherrschtes und aggressives Verhalten außerhalb der Personenbeförderung, Zweifel an der Gewähr für die besondere Verantwortung bei der Fahrgastbeförderung (bejaht), Gewähr der besonderen Verantwortung bei der Personenbeförderung, Gutachtensanodnung bei Bedenken hinsichtlich des Gewährbietens, umfassende Würdigung der Gesamtpersönlichkeit, charakterliche Eignung, Verfehlungen ohne unmittelbaren Zusammenhang mit der Personenbeförderung, Begutachtungsanordnung mit teilweise unzutreffenden Erwägungen, Verfahrenseinstellung gemäß § 153a StPO, Würdigung und Bewertung der Strafakten, finanzielle Hemmnisse einer Begutachtung, Verhältnismäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 28.11.2024 – RO 8 S 24.2523
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2826
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.750,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung und Fahrerlaubnis der Klasse D.
2
Im Jahr 2020 erteilte das Landratsamt ... (Fahrerlaubnisbehörde) dem Antragsteller eine Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung mit Taxi, Mietwagen sowie Personenkraftwagen im Linienverkehr, bei gewerbsmäßigen Ausflugsfahrten oder Ferienziel-Reisen. Im Jahr 2023 erweiterte es seine allgemeine Fahrerlaubnis um die Klassen D und D1. Daneben verfügt der Antragsteller u.a. über die Klassen A1, B und C1.
3
Aufgrund einer Mitteilung der Autobahnpolizeistation ... vom 6. Mai 2024 erfuhr das Landratsamt, dass der Antragsteller im Februar 2024, September 2023 sowie August 2021 polizeilich auffällig wurde und die beteiligten Beamten sein Verhalten als impulsiv sowie aggressiv empfanden.
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In der übersandten Schilderung eines Beamten der Autobahnpolizei vom 4. Mai 2024 heißt es, er sei am 24. Februar 2024 im Regensburger Stadtgebiet direkt hinter dem Antragsteller gefahren, als dieser das Rotlicht der Lichtzeichenanlage am Jahnstadion missachtet habe. Als er den Antragsteller an der nächsten Ampel aus dem Streifenwagen heraus auf den Verstoß aufmerksam gemacht habe, habe dieser sofort uneinsichtig sowie verbal aggressiv reagiert. Bei der anschließenden Verkehrskontrolle habe der Antragsteller über seinen Bundeswehrdienstgrad gesprochen und versucht, ihn „im Befehlston“ einzuschüchtern. Der Antragsteller habe keinen Führerschein und keine Zulassungspapiere vorgewiesen und ausgeführt, diese nehme er nie mit. Während der Kontrolle sei der Antragsteller sehr laut und versuchsweise beleidigend geworden. Er habe berichtet, dass er über seinen Anwalt zwei Polizeibeamte in ... habe fertigmachen lassen, die ihn aufgrund seiner Geschwindigkeit angehalten hätten. Die Polizisten seien alle „kleine Lichter“. Weiter heißt es im Bericht der Autobahnpolizei, der Antragsteller habe den kontrollierenden Polizeibeamten durchgehend geduzt. Diesem sei es nicht gelungen, den Antragsteller auf die Sachebene zu führen. Bei einer Rücksprache mit der Polizeiinspektion (PI) ... sei von einem vergleichbaren Vorfall berichtet worden, der zu einer Strafanzeige geführt habe. Beigefügt war der Mitteilung ein Bußgeldbescheid vom 13. März 2024. Darin wird dem Antragsteller zur Last gelegt, das Rotlicht einer Lichtzeichenanlage missachtet sowie den vorgeschriebenen Führerschein und die Zulassungsbescheinigung Teil I nicht mitgeführt zu haben. Soweit aus den Akten ersichtlich, ist dieser Bescheid bislang nicht rechtskräftig.
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Aus den auf Anforderung des Landratsamts vorgelegten Unterlagen zu der vorgenannten Strafanzeige der PI ... geht hervor, dass der Antragsteller dort beschuldigt wurde, am 28. September 2023 zwei Polizeibeamte während einer Verkehrskontrolle als „kleine Lichter“ beleidigt zu haben. Er habe sie durch die Äußerung, er werde über seinen Vater drastische innerdienstliche Konsequenzen einleiten lassen, die eine sofortige Versetzung zur Folge hätten, genötigt, die Verkehrskontrolle zu unterlassen. Zudem habe er missbräuchlich die Notrufnummer 110 gewählt, um sich über die Kontrolle zu beschweren. Von einer Verfolgung des Antragstellers wegen des Missbrauchs von Notrufen sah die Staatsanwaltschaft R. gemäß § 154a StPO ab. Das Strafverfahren wegen Nötigung und Beleidigung stellte das Amtsgericht Cham gegen eine Geldauflage nach § 153a StPO ein.
6
Den Berichten der beiden betroffenen Polizeibeamten, die im Wesentlichen übereinstimmen, lässt sich Folgendes zu dem Vorfall entnehmen: Gegen 12 Uhr des 28. September 2023 sei ihnen der Pkw des Antragstellers mit sichtlich erhöhter Geschwindigkeit aufgefallen. Bei der anschließenden Kontrolle auf einem Parkplatz habe der Antragsteller angegeben, weder seinen Führerschein noch den Fahrzeugschein dabei zu haben. Bereits bei der Frage nach seinen Personalien habe er mit den Worten „Mir pressierts“ darauf hingewiesen, dass er es eilig habe, weil er Schulbus fahre und zu einem Einsatz müsse. Als ihm daraufhin erläutert worden sei, seine Fahrerlaubnis sowie die Personalien müssten überprüft werden, habe er dies als „Kasperltheater“ bezeichnet und sich sichtlich genervt gezeigt. Anschließend hätten die Beamten im Dienstwagen sitzend die Daten überprüft. Während dieser Zeit habe der Antragsteller seinen Pkw zurückgesetzt und versucht, aus der Parklücke zu rangieren und wegzufahren. Einer der Beamten habe daraufhin den Streifenwagen verlassen und dem Antragsteller mit erhobener Hand zugerufen „Motor aus, das Fahrzeug bleibt hier stehen“. Der Antragsteller sei dem nachgekommen, sodann aber sehr laut geworden. Er habe u.a. darauf verwiesen, dass er Soldat sei, sich auskenne, die Kontrolle nicht rechtens sei und zu lange dauere. Ferner habe er beide Beamten mit den Worten „Ihr seid beide ganz kleine Lichter und könnt mir gar nichts“ beleidigt. Als die Kontrolle ausgeweitet und dabei festgestellt worden sei, dass ein Reifen stark abgefahren sei und einen Riss im Mantel habe, sei der Antragsteller zunehmend wütender geworden. Er habe erwähnt, sein Vater sei ehemaliger Dienststellenleiter bei der Polizei, und geäußert: „Wenn ihr die Kontrolle nicht schleunigst beendet, werde ich für eure Versetzung sorgen und eine Dienstaufsichtsbeschwerde schreiben. Mein Vater wird auch noch einen Brief verfassen, damit ihr innerdienstliche Probleme bekommt.“ Da im Streifenwagen kein Profiltiefenmesser vorhanden gewesen sei, habe eine weitere Streife angefordert werden müssen. Darauf habe der Antragsteller erneut mit Unmut reagiert und sodann nach entsprechender Ankündigung den Notruf 110 gewählt, um sich über die Kontrolle zu beschweren. Im Anschluss daran habe er die Beifahrertür des Streifenwagens aufgerissen und geschrien: „Geben Sie mir meine Dokumente!“ Die Beamten hätten ihm mit lauter Stimme zu verstehen gegeben, dass er diese nach der Kontrolle zurückbekomme, und die verbale Kommunikation eingestellt. Nach Eintreffen der weiteren Streife sei festgestellt worden, dass die Profiltiefe mit etwa 2,5 mm ausreichend sei. Die Kontrolle habe von 12:05 bis 12:40 Uhr gedauert.
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In einer Stellungnahme des stellvertretenden Gruppenleiters, der mit dem zweiten Streifenwagen zu der Kontrolle hinzugekommen war, heißt es, der Antragsteller sei bei seinem Eintreffen sichtlich erregt gewesen und habe angegeben, er werde zu Unrecht festgehalten. Die Kontrolle dauere nun schon länger als eine Stunde, weshalb er zur spät zur Arbeit komme. Er sei Soldat, sechs Mal im Ausland gewesen und wisse im Gegensatz zu den beteiligten Polizeibeamten, wie man deeskaliere. Er werde Beschwerde einreichen; zudem sei sein Vater ehemaliger Leiter einer Polizeiinspektion und werde dafür sorgen, dass die Beamten am nächsten Tag keinen Dienst mehr in ... verrichteten. Der stellvertretende Gruppenleiter habe mehrmals versucht, beruhigend auf den Antragsteller einzuwirken, dieser habe seine Erklärungsversuche aber immer wieder nach wenigen Worten unterbrochen und weiter geschimpft. In seiner Anwesenheit habe er keine Beleidigung vernommen und den Verweis auf den Einfluss des Vaters nicht als Nötigung empfunden. Das Verhalten der Beamten in seinem Beisein sei nicht zu beanstanden gewesen. Ein sachliches Gespräch habe er mit dem Antragsteller nicht führen können, dieser habe keine andere Meinung als seine eigene zugelassen. Er kenne den Antragsteller aus einem anderem Verfahren, in dem dieser im Verdacht stehe, einen Polizeibeamten beleidigt zu haben.
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Auf Anfrage des Landratsamts zu jenem weiteren Vorgang legte die PI ... einen sog. Sammelsachverhalt vom 22. November 2021 vor. Danach kam es am 16. August 2021 zu einem Streit zwischen dem Antragsteller und seiner damaligen Vermieterin. Diese habe angegeben, den Antragsteller aufgrund wiederholter Lärmbelästigung erneut zur Ruhe ermahnt zu haben. Daraufhin sei es zu einem Streit im Treppenhaus gekommen, in dessen Verlauf der Antragsteller sie mit den Worten „Ich bin ein Beamter und Sie eine Zigeunerin. Ich schneide Ihnen den Kopf ab“ bedroht habe. Während die Polizei die Anzeige der Vermieterin aufgenommen habe, sei der Antragsteller mit dem Pkw in den Hof des Anwesens eingefahren. Dort habe er einen der beteiligten Beamten angesprochen und aufgefordert, den Streifenwagen zur Seite zu fahren, damit er einparken könne. Dabei sei er nach dem Bekunden des betroffenen Polizeihauptkommissars in einer „ungewöhnlich aggressiven Art“ aufgetreten. Da er keine Maske zum Schutz vor dem Corona-Virus getragen habe und auf den Beamten zugekommen sei, habe dieser ihn gebeten, seine Maske aufzusetzen. Dies habe der Antragsteller mit der Erklärung zurückgewiesen, er sei Beamter und geimpft, so dass er keine Maske zu tragen brauche. Auf die Erklärung des Polizeibeamten, auch Geimpfte könnten ansteckend sein, habe sich der Antragsteller Richtung Haustür entfernt und dem Betroffenen zugeschrien, dass er nicht mit ihm reden werde, da dieser „nur ein kleiner Beamter“ sei. Einem Vermerk des Landratsamts vom 24. September 2024 zufolge befand sich der vollständige Vorgang zu jenem Zeitpunkt wegen eines laufenden Disziplinarverfahrens gegen den Antragsteller beim Truppendienstgericht Süd. In dem eingeleiteten Strafverfahren wegen Bedrohung und Beleidigung habe das Amtsgericht Cham den Antragsteller verurteilt, das Landgericht das Urteil dann jedoch aufgehoben und das Verfahren nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt.
9
Mit Schreiben vom 4. Juli 2024 forderte das Landratsamt den Antragsteller auf, bis zum 6. September 2024 ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen. Zu klären sei mit Blick auf die Fahrerlaubnis der Klassen D, D1 sowie die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung, ob der Antragsteller weiterhin die Gewähr dafür biete, dass er der besonderen Verantwortung für die Beförderung von Fahrgästen gerecht werde. Zur Begründung verwies das Landratsamt auf die vorgenannten Vorfälle vom 24. Februar 2024, 28. September 2023 sowie 16. August 2021. Daraus ergäben sich Zweifel, dass der Antragsteller die Zuverlässigkeitsvoraussetzungen an die Beförderung von Fahrgästen weiter erfülle. In Situationen, die nicht zu seiner Zufriedenheit verliefen, habe er sich offensichtlich nicht im Griff. Zudem habe er gegenüber den Polizeibeamten zum Ausdruck gebracht, dass die allgemeinen Verkehrsregeln, etwa zum Mitführen von Papieren, für ihn nicht den notwendigen Stellenwert hätten. Daher werde im Rahmen einer Ermessensentscheidung die Begutachtung angeordnet, die verhältnismäßig und insbesondere angemessen sei. Die Fahrgäste müssten darauf vertrauen können, dass ihr Fahrzeugführer die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen ergreife. Aus diesem Grund müsse das Interesse des Antragstellers, von Aufklärungsmaßnahmen verschont zu bleiben, hinter das öffentliche Interesse an der Straßenverkehrssicherheit und insbesondere der Sicherheit der beförderten Personen zurücktreten.
10
Nachdem der Antragsteller das angeordnete Gutachten nicht fristgerecht beibrachte, entzog ihm das Landratsamt nach Anhörung mit Bescheid vom 27. September 2024 die Fahrerlaubnis der Klassen D und D1 sowie die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung mit Taxi, Mietwagen sowie Personenkraftwagen im Linienverkehr, bei gewerblichen Ausflugsfahrten oder Ferienziel-Reisen. Es verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgelds, seinen Führerschein binnen sieben Tagen abzuliefern; über die verbleibenden Klassen werde ein neuer Führerschein ausgestellt. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Aus der Nichtvorlage des angeforderten Gutachtens sei auf das Fehlen der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen zu schließen.
11
Dagegen erhob der Antragsteller Widerspruch und stellte einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, den das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 28. November 2024 ablehnte.
12
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der der Antragsgegner entgegentritt.
13
In den Akten sind weitere, nach der Beibringungsanordnung liegende Vorfälle dokumentiert, in denen die Rede von aggressivem Verhalten des Antragstellers ist. Insbesondere wurde die PI ... am 9. September 2024 gerufen, da der Antragsteller im Straßenverkehr mit einem anderen Fahrer in Streit geraten sei. Der Antragsteller sei innerorts auf einer Straße in ... gefahren, als ihm der andere Beteiligte, ein deutsch-ukrainischer Staatsangehöriger, mit seinem Pkw entgegengekommen sei. Aus Sicht des Antragstellers hätten auf der rechten Fahrbahnseite Fahrzeuge geparkt. Dennoch sei er trotz Gegenverkehrs in die Engstelle eingefahren. Dort seien die Pkw der beiden Beteiligten gegenüber zum Stehen gekommen. Aus Sicht des anderen Verkehrsteilnehmers habe sich auf der rechten Seite eine Bushaltestelle befunden, in die er hätte ausweichen können. Dies habe er jedoch nicht gewollt, sondern auf seinem Vorrangrecht bestanden. Beide Fahrzeugführer hätten in ihren Fahrzeugen gestikuliert und den jeweils anderen zum Rückwärtsfahren bzw. Ausweichen aufgefordert. Der weitere Hergang sei unterschiedlich geschildert worden. Der Antragsteller mache u.a. geltend, der andere Verkehrsteilnehmer habe ihn geschlagen. Dieser hingegen habe erklärt, der Antragsteller habe ihn als „Scheiß Russen“ beleidigt, woraufhin er gedroht habe, ihm „eine reinzuhauen“. Die Ehefrau des anderen Verkehrsteilnehmers gab an, sie sei Ärztin und ihr Mann Boxer gewesen; wenn er tatsächlich zugeschlagen hätte, hätte man deutliche Verletzungen sehen müssen.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
15
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen wäre.
16
1. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist zum einen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung. Insoweit bestimmen § 2 Abs. 3 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310, 919), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. August 2024 (BGBl I Nr. 266), und § 48 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Oktober 2024 (BGBl I Nr. 299), dass es zur Fahrgastbeförderung in einem Kraftfahrzeug neben der Fahrerlaubnis einer zusätzlichen Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung bedarf, wenn für die Beförderung eine Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz erforderlich ist.
17
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 5 StVG, § 48 Abs. 9 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung zu entziehen, wenn eine der in § 48 Abs. 4 FeV aufgezählten Erteilungsvoraussetzungen fehlt. Dies ist der Fall, wenn der Fahrerlaubnisinhaber nicht mehr die Gewähr dafür bietet, dass er der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht wird (§ 48 Abs. 4 Nr. 2a FeV; vgl. auch § 11 Abs. 1 Satz 4 FeV). Das Gewährbieten betrifft dabei die charakterliche Eignung und stellt insoweit besondere Anforderungen (vgl. Koehl in Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 48. Aufl. 2025, § 48 FeV Rn. 15; Trésoret in Freimann/Wellner, jurisPK-StVR, Stand 1.2.2024, § 48 FeV Rn. 124, 129).
18
Begründen Tatsachen Zweifel an der körperlichen und geistigen Eignung oder an der Gewähr der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechende Anwendung (§ 48 Abs. 8 Satz 1 FeV). Bei Bedenken hinsichtlich der Gewähr der besonderen Verantwortung bei der Fahrgastbeförderung kann nach § 48 Abs. 8 Satz 3 FeV und § 48 Abs. 8 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8, Abs. 1 Satz 4 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden.
19
Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen (§ 48 Abs. 8 Satz 1 FeV i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Der Schluss auf die fehlende Fahreignung ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 Rn. 19).
20
Steht fest, dass der Fahrerlaubnisinhaber nicht mehr die Gewähr dafür bietet, dass er der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht wird, ist die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung zwingend, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessensspielraum zukäme (vgl. § 48 Abs. 9 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 FeV). Dies gilt auch bei Nichtvorlage eines zu Recht geforderten Eignungsgutachtens (vgl. BayVGH, B.v. 7.9.2020 – 11 CS 20.1436 – juris Rn. 23).
21
2. Zudem hat das Beschwerdeverfahren die sofortige Vollziehbarkeit der ausgesprochenen Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen D und D1 zum Führen von Kraftomnibussen zum Gegenstand. Insoweit ist nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 Nr. 4 FeV eine Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung entbehrlich bzw. quasi eingeschlossen (vgl. dazu SächsOVG, B.v. 15.5.2008 – 3 BS 411/07 – juris Rn. 5).
22
Hierfür sehen § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV vor, dass die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen hat, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ist die Eignung nicht gänzlich entfallen, sondern noch eingeschränkt vorhanden, ist die Fahrerlaubnis soweit notwendig einzuschränken oder mit Auflagen zu versehen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 FeV). Eine solche Einschränkung stellt es auch dar, wenn – wie hier – isoliert die Fahrerlaubnis der Klassen D und D1 „entzogen“ wird (vgl. Koehl in Hentschel/König, § 3 StVG Rn. 35 f.).
23
Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden nach § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 entsprechend Anwendung. Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 FeV müssen Bewerber um die Fahrerlaubnis der Klasse D oder D1 – insoweit parallel zu Bewerbern um die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung – die Gewähr dafür bieten, dass sie der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht werden. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 FeV kann zur Klärung von Eignungzweifeln ein medizinisch-psychologisches Gutachten angeordnet werden, wenn die besondere Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen nach § 11 Abs. 1 zu prüfen ist. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf diese bei ihrer Entscheidung nach Maßgabe der vorgenannten, hier gleichfalls geltenden Grundsätze auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV).
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3. Dies zu Grunde gelegt begegnet weder die vom Landratsamt verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung noch die isolierte „Entziehung“ der Fahrerlaubnis der Klassen D und D1, also die dahingehende Einschränkung der allgemeinen Fahrerlaubnis des Antragstellers, rechtlichen Bedenken. Gleiches gilt für die daran anknüpfende Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins (§ 47 Abs. 1 FeV). Der Schluss aus der Nichtvorlage des angeforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens auf das Fehlen der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen und damit mangelnde Eignung ist nicht zu beanstanden, denn die Beibringungsanordnung war rechtmäßig.
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a) Das Landratsamt hat zutreffend angenommen, dass die vorgenannten Vorfälle hinreichende Zweifel an der Gewähr der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen begründen, die eine medizinisch-psychologische Begutachtung rechtfertigen.
26
aa) Ein Fahrzeugführer bietet nicht die Gewähr dafür, dass er der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht wird, wenn nach umfassender Würdigung seiner Gesamtpersönlichkeit anhand aller Umstände des Einzelfalls ernsthaft zu befürchten ist, dass er die besonderen Sorgfaltspflichten, die ihm bei der Beförderung ihm anvertrauter Fahrgäste obliegen, künftig missachten wird. Dabei rechtfertigen auch ernstliche Zweifel in diese Richtung, die nach Aufklärungsmaßnahmen verbleiben, eine negative Prognose. Denn im gewerblichen Personenbeförderungsverkehr sind die Fahrgäste in besonderem Maße dem Führer des Fahrzeugs ausgeliefert (vgl. BayVGH, B.v. 3.9.2015 – 11 CE 15.1556 – juris Rn. 12; VGH BW, B.v. 8.3.2013 – 10 S 54/13 – NJW 2013, 1896 Rn. 8; SächsOVG, B.v. 15.5.2008 – 3 BS 411/07 – juris Rn. 6). Bei bloßen Bedenken wird die Fahrerlaubnisbehörde allerdings grundsätzlich zunächst eine Begutachtung anzuordnen haben (vgl. auch Trésoret in Freimann/Wellner, § 48 FeV Rn. 197 ff.). In den Blick zu nehmen sind für die Prognose alle verwertbaren Straftaten und Ordnungswidrigkeiten verkehrsrechtlicher und nichtverkehrsrechtlicher Art sowie sonstigen Vorkommnisse. Bei Verfehlungen, die – wie hier – nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Personenbeförderung stehen, kommt es darauf an, ob sie Charaktereigenschaften offenbaren, die sich auch bei der gewerblichen Beförderung zum Schaden der Fahrgäste auswirken können (vgl. BayVGH, B.v. 7.9.2020 – 11 CS 20.1436 – juris Rn. 25; OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.11.2014 – OVG 1 N 2.14 – VerkMitt 2015, Nr. 31 = juris Rn. 5; OVG NW, B.v. 25.8.1998 – 19 A 3812/98 – juris Rn. 10; BVerwG, B.v. 19.3.1986 – 7 B 19.86 – NJW 1986, S. 2779 = juris Rn. 3 zu § 15e StVZO a.F.; Koehl in Hentschel/König, § 48 FeV Rn. 16; Trésoret in Freimann/Wellner, § 48 FeV Rn. 131 ff.).
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Die Gewähr der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen stellt dabei, wie bereits angeklungen, verglichen mit der allgemeinen Fahreignung gesteigerte Anforderungen an die charakterliche Eignung (vgl. BayVGH, B.v. 3.9.2015 – 11 CE 15.1556 – juris Rn. 12; Koehl in Hentschel/König, § 48 Rn. 15, Trésoret a.a.O. Rn. 124). Sie zielt insbesondere auf einen sicheren und unfallfreien Transport (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.11.2014 – OVG 1 N 2.14 – VerkMitt 2015, Nr. 31 = juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 23.4.2013 – 16 B 1408/12 – NJW 2013, 2217 = juris Rn. 7). Die Fahrgäste vertrauen ihre Sicherheit einer Person an, deren Fahrfähigkeit und Fahrweise sie regelmäßig im Vorhinein nicht beurteilen können. Sie müssen sich daher darauf verlassen dürfen, dass der Fahrzeugführer über ein besonders hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein verfügt und die (auch) ihrer Sicherheit dienenden Verkehrsvorschriften besonders sorgfältig beachtet. Im Fall des Bewerbers bzw. Inhabers einer Fahrerlaubnis der D-Klassen kommt hinzu, dass dieser typischerweise eine Vielzahl von Fahrgästen befördert und damit das Gefährdungspotential steigt. Dies rechtfertigt es, an die charakterliche Eignung von Fahrzeugführern in der Personenbeförderung erhöhte Anforderungen auch insoweit zu stellen, als es um die Beachtung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften geht. Daraus folgt, dass bei der Beurteilung der besonderen Verantwortung für die Personenbeförderung auch Verkehrsverstöße (Ordnungswidrigkeiten und Straftaten) zu berücksichtigen sind, die im Falle einer allgemeinen Fahrerlaubnis noch keine Reaktionen nach sich ziehen würden (vgl. OVG NW a.a.O. Rn. 7; Koehl a.a.O. Rn. 16; Trésoret a.a.O. Rn. 125). Ferner wird von dem Fahrzeugführer bei der Personenbeförderung gerade in schwierigen Situationen ein besonnenes und gelassenes Verhalten gefordert, wie es auch § 8 Abs. 1 der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BOKraft) verlangt. Dies dient dem Schutz der Fahrgäste, die durch aggressives und unbeherrschtes Vorgehen des Fahrers in Gefahr geraten können, wenn dieser sich von einem anderen Verkehrsteilnehmer reizen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 7.9.2020 – 11 CS 20.1436 – juris Rn. 26; B.v. 3.9.2015 – 11 CE 15.1556 – juris Rn. 12; B.v. 12.10.2011 – 11 C 11.2099 – juris Rn. 18; Trésoret a.a.O. Rn. 169, 194).
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bb) Hier ergeben sich, wie Landratsamt und Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt haben, aus den Schilderungen der Polizei deutliche Anzeichen dafür, dass der Antragsteller auch im Straßenverkehr in belastenden Situationen unbeherrscht, aggressiv und nicht situationsangemessen reagiert. Mit Blick auf den Vorfall am 28. September 2023 schildern beide kontrollierenden Beamten, der Antragsteller sei sehr ungeduldig gewesen, zunehmend wütender sowie aggressiver geworden, habe vor dem Streifenwagen herumgeschrien, die Beifahrertür aufgerissen und schließlich den Polizeinotruf gewählt. Zudem habe er sie als „kleine Lichter“ beleidigt. Für den 24. Februar 2024 wurde ein vergleichbares Verhalten berichtet, auch hier sei der Antragsteller durchgehend verbal aggressiv und versuchsweise beleidigend aufgetreten. Schließlich erlebte die Polizei den Antragsteller am 16. August 2021 als ungewöhnlich aggressiv und beleidigend. Mehrere Beamte äußerten die Einschätzung, ein sachliches Gespräch mit diesem sei unmöglich.
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Zudem deuten die Vorgänge an, dass der Antragsteller nicht nur Polizeibeamte geringachtet, sondern auch staatlichen Regelungen wenig Respekt entgegenbringt und es ihm schwerfällt, andere als eigene Maßstäbe zu akzeptieren. Die in Rede stehenden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten haben an sich zwar kein solches Gewicht, dass sie einen allgemeinen Hang zur Missachtung der Rechtsordnung nahelegen. Ungewöhnlich erscheint jedoch, wie offen uneinsichtig der Antragsteller sich angesichts der berechtigten Beanstandungen der Polizei zeigte und dass er mit dem Verweis auf seine Tätigkeit als Soldat bzw. die Position seines Vaters eine ebenbürtige, wenn nicht gar höhere Autorität für sich in Anspruch zu nehmen schien. Auch die Häufung der Vorkommnisse innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums ist auffällig.
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cc) Danach steht zwar keineswegs fest, dass auch bei der Personenbeförderung eine erhöhte Aggressionsneigung oder aber eine geringe Regelakzeptanz des Antragstellers wirksam werden und sich voraussichtlich in gefährlichem Verhalten äußern werden. Insoweit ist u.a. in Rechnung zu stellen, dass der Antragsteller nach Aktenlage bei der Personenbeförderung noch nie negativ aufgefallen ist. Aus dem Vorgenannten ergaben sich aber jedenfalls in einer Gesamtschau im Sinne eines „Anfangsverdachts“ (vgl. dazu BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78 = juris Rn. 22; U.v. 14.11.2013 – 3 C 32.12 – BVerwGE 148, 230 Rn. 17; BayVGH, B.v. 19.8.2024 – 11 CS 24.1216 – juris Rn. 20) ausreichende Zweifel an der Gewähr der besonderen Verantwortung des Antragstellers bei der Personenbeförderung, die die Begutachtung mit Blick auf die insoweit geltenden gesteigerten Anforderungen an die Eignung rechtfertigen. Es liegt nicht fern, dass der Antragsteller auch bei der Personenbeförderung in Situationen, die nicht in seinem Sinne verlaufen, unangemessen reagiert (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 7.9.2020 – 11 CS 20.1436 – juris Rn. 28). Insbesondere steht, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht abhebt, zu befürchten, dass er sich von einem anderen Verkehrsteilnehmer provozieren lässt und seine Fahrgäste durch eine aggressive oder unbeherrschte Reaktion in Gefahr geraten. Die Verkehrspsychologie geht davon aus, dass Aggressivität ein Risikofaktor für Regelverletzungen im Straßenverkehr darstellt und Fahrer, die generell leicht wütend oder verärgert sind, dazu neigen, auch beim Fahren vermehrt Ärger zu empfinden und diesen durch aggressives Fahren auszudrücken (vgl. Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Aufl. 2018, S. 358). Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass der Antragsteller im Verkehr auf andere impulsive, auf ihrem (vermeintlichen) Recht beharrende Verkehrsteilnehmer treffen kann. Der Vorfall vom 9. September 2024 ist der Beibringungsanordnung nicht zu Grunde gelegt und damit für deren Rechtmäßigkeit ohne Bedeutung, verdeutlicht aber – unabhängig davon, wessen Darstellung zutrifft – anschaulich und beispielhaft die Herausforderungen und Problematik dieser Konstellation.
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b) Ein beachtlicher Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) bei der Anordnung des medizinisch-psychologischen Gutachtens ist nicht ersichtlich. Das Landratsamt hat gesehen, dass Ermessen auszuüben ist. Ferner hat es dargelegt, dass die dem Antragsteller vorgeworfenen Taten aus seiner Sicht Zweifel an der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen bieten und eine medizinisch-psychologische Begutachtung erforderlich machen, da andere Mittel zur Aufklärung nicht zur Verfügung stehen. Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden (vgl. zur Ausübung und Begründung des Ermessens auch BayVGH, B.v. 7.9.2020 – 11 CS 20.1436 – juris Rn. 31; VGH BW, B.v. 8.3.2013 – 10 S 54/13 – NZV 3013, 517 = juris Rn. 5; Trésoret in Freimann/Wellner, 48 FeV Rn. 271 ff.).
32
c) Soweit die Beschwerde die Vorkommnisse vom 24. Februar 2024, 28. September 2023 sowie 16. August 2021 abweichend darstellt, stellt dies weder die Annahme hinreichender Zweifel an der Gewähr der besonderen Verantwortung bei der Personenbeförderung noch die Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung in Frage.
33
Insoweit gilt, dass eine Begutachtungsanordnung nicht ohne Weiteres rechtswidrig ist, wenn sich darin neben richtigen auch unzutreffende Erwägungen finden. Maßgeblich erscheint vielmehr, ob die zutreffenden Erwägungen die Forderung nach einer Gutachtensanordnung selbständig tragen und der betroffene Fahrerlaubnisinhaber anhand einer verständigen Prüfung der Anordnung noch immer zu der Einsicht gelangen muss, dass er ihr Folge zu leisten hat (vgl. NdsOVG, B.v. 26.9.2019 – 12 ME 141/19 – DAR 2020, 113 = juris Rn. 11).
34
Dies ist hier ohne Weiteres der Fall. Das Landratsamt hat in seiner Beibringungsanordnung im Wesentlichen auf die von der Polizei geschilderten eigenen Beobachtungen und die daraus abgeleitete erhöhte Impulsivität sowie Aggressivität des Antragstellers abgestellt. Der ihm zur Last gelegte Rotlichtverstoß am 24. Februar 2024 sowie die Anschuldigung, im Jahr 2021 seine damalige Vermieterin bedroht zu haben, spielen hingegen ersichtlich weder für die Bejahung von Zweifeln an der Gewähr der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen noch für die Ermessensausübung des Landratsamts eine erhebliche Rolle. Daher kann dahinstehen, ob diese Vorwürfe zutreffen.
35
Die Einwände gegen die für das Landratsamt maßgeblichen tatsächlichen Annahmen hingegen greifen nicht durch. Mitteilungen der Polizei nach § 2 Abs. 12 StVG und sonstige polizeiliche Schilderungen sind grundsätzlich berücksichtigungsfähig, wenn sie Anhaltspunkte für Fahreignungszweifel des Betroffenen enthalten und nicht durch substantiierte Einwände erschüttert werden oder sonst der weiteren Klärung bedürfen (BayVGH, B.v. 11.7.2022 – 11 CS 22.939 – DAR 2022, 648 = juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 18.4.2012 – 11 ZB 12.296 – juris Rn. 4; zur Verwertung amtlicher Schilderungen s. auch BayVGH, B.v. 13.1.2016 – 22 CS 15.2643 – GewArch 2016, 160 = juris Rn. 10). Hier ergeben sich keine greifbaren Zweifel an der Richtigkeit der polizeilichen Darstellungen, wenn dort wiederholtes impulsives sowie aggressives Verhalten des Antragstellers geschildert wird. Insoweit stimmen die Berichte der Polizeibeamten im Kern überein. Dafür, dass sich die Beamten der beteiligten Polizeiinspektionen gegen den Antragsteller „verbündet“ hätten, ist entgegen dessen Ansicht nichts ersichtlich.
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Wenn die Beschwerde dem Bericht zu dem Vorfall am 24. Februar 2024 entgegenhält, die Formulierungen ähnelten denen in früheren Dokumentationen und es dränge sich der Eindruck auf, hier seien lediglich Phrasen aus anderen Verfahren übernommen worden, verfängt das nicht. Der Bericht zeichnet zwar im Wesentlichen ein gleiches Bild von dem Antragsteller wie die Schilderungen der Kontrolle am 28. September 2023. Er ist jedoch ersichtlich mit Sorgfalt abgefasst und lässt weder die Übernahme von Formulierungen noch Übertreibungen erkennen. Insbesondere hat der Beamte keinen Strafantrag gestellt, obwohl er das Verhalten des Antragstellers – u.a. das durchgehende Duzen – zu Recht als sozial herabwürdigend und beleidigend empfunden hat. Angesichts der vorliegenden schriftlichen Erklärung der Ehefrau des Antragstellers sowie der Gegendarstellung des kontrollierenden Polizeibeamten ist auch nicht ersichtlich, dass die angebotene Zeugenaussage hier im Hauptsacheverfahren durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit von dessen Schilderung begründen könnte.
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Soweit der Antragsteller mit Blick auf den Vorfall am 28. September 2023 einen besonderen Belastungseifer der kontrollierenden Polizeibeamten einwendet, ist dafür kein Anhalt greifbar. So legt auch der stellvertretende Gruppenleiter, der später zu der Kontrolle hinzukam, in seiner sehr zurückhaltenden und erkennbar um Nüchternheit bemühten Stellungnahme dar, der Antragsteller sei ersichtlich sehr erregt gewesen und habe die polizeilichen Bemühungen zur Beruhigung der Situation und Erklärungsversuche immer wieder unterbrochen sowie weitergeschimpft. Ein sachliches Gespräch habe er mit dem Antragsteller nicht führen können, dieser habe keine andere Meinung als seine eigene zugelassen. Aus der Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO durch das Amtsgericht Cham in dem Verfahren wegen Beleidigung und Nötigung lässt sich, anders als der Antragsteller geltend macht, ebenfalls nichts anderes herleiten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht eine Verfahrenseinstellung gemäß § 153a StPO einer eigenständigen Würdigung und Bewertung der Strafakten in einem Verwaltungs- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht entgegen (vgl. BVerfG, B.v. 16.1.1991 – 1 BvR 1326/90 – NJW 1991, 1530 = juris Rn. 21). Die Verwaltungsbehörden und die Gerichte sind lediglich gehindert, allein aufgrund der Zustimmung des Betroffenen zur Einstellung des Verfahrens und der Einstellung selbst davon auszugehen, ihm sei nachgewiesen, dass er die ihm vorgeworfene Tat begangen habe. Dagegen ist es ihnen nicht verwehrt, die im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und im strafgerichtlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel einer eigenständigen Überprüfung etwa im Hinblick darauf zu unterziehen, ob sich daraus hinreichende Schlussfolgerungen für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine verwaltungsrechtliche Maßnahme ergeben (vgl. BVerfG, a.a.O.; BayVGH, B.v. 25.7.2023 – 11 CS 23.125 – juris Rn. 17; B.v. 22.1.2024 – 11 CS 23.1451 – juris Rn. 16). Eine solche eigenständige Prüfung mit nachvollziehbarem Ergebnis haben das Landratsamt und das Verwaltungsgericht hier vorgenommen.
38
Die vom Antragsteller ins Feld geführte gutachtliche Stellungnahme auf nervenärztlichem Fachgebiet vom 21. Juni 2022 verhält sich, wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt, nicht zu den hier in Rede stehenden Vorgängen und kann schon daher nichts zur Aufklärung der Eignungszweifel beitragen. Gleiches gilt, wenn der Antragsteller auf seinen Dienst in der Bundeswehr, die Einschätzung des ihn beschäftigenden Busunternehmers, seine frühere – beanstandungsfreie – Beschäftigung als Taxifahrer, eine Tätigkeit als Schiedsrichter, jahrelanges Pendeln zur Dienststätte mit dem Auto und das Fehlen von Eintragungen im Fahreignungsregister oder strafrechtlich relevanter Vorkommnisse verweist.
39
Die weiteren, nach der Beibringungsanordnung liegenden Vorkommnisse sind, wie bereits erwähnt, unerheblich für deren Rechtmäßigkeit, so dass auch das Beschwerdevorbringen dazu nicht zur Änderung der angegriffenen Entscheidung führen kann.
40
d) Entgegen der Ansicht der Beschwerde musste das Landratsamt im Rahmen seiner Ermessensbetätigung keine vorrangigen, milderen Mittel zur Aufklärung ergreifen. Eine persönliche Vorsprache zur Erörterung der tatsächlichen Geschehnisse erschien hier nicht geboten, da die Berichte der Polizei insoweit eindeutig und nicht substantiiert in Frage gestellt sind. Ebenso wenig kam in Betracht, eine gutachterliche Stellungnahme eines Facharztes einzuholen oder eine Fahrprobe anzuordnen. Diese vermögen die hier in Rede stehenden Fragen, die psychologischer Natur sind, nicht abschließend zu beantworten. Gesetzlich vorgesehenes Mittel zur Klärung von Zweifeln an der besonderen Gewähr bei der Personenbeförderung ist allein die medizinisch-psychologische Begutachtung.
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e) Soweit der Antragsteller vorbringt, er könne die Kosten für die Begutachtung nicht aufbringen, kann er damit, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht durchdringen. Fehlende finanzielle Mittel stellen keinen Grund dar, von notwendigen Aufklärungsmaßnahmen abzusehen. Von einem zur Vorlage eines Eignungsgutachtens verpflichteten Verkehrsteilnehmer ist zu fordern, dass er alle ernsthaft in Betracht kommenden Möglichkeiten ausschöpft, um die einer Begutachtung entgegenstehenden finanziellen Hemmnisse auszuräumen. Allenfalls dann, wenn der Betreffende entsprechende, noch nicht abgeschlossene Bemühungen wie z.B. die Abklärung einer etwaigen Ratenzahlung mit dem Gutachter oder einer anderweitigen Finanzierungsmöglichkeit geltend und glaubhaft macht, kann die Fahrerlaubnisbehörde gehalten sein, ihre abschließende Entscheidung vorübergehend zurückzustellen, soweit die dadurch eintretende Verzögerung auch unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit vertretbar erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 1.7.2022 – 11 CS 22.860 – BA 2022, 516 = juris Rn. 23; Derpa in Hentschel/König, § 11 FeV Rn. 53). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
42
f) Im Hinblick auf den hohen Rang der zu schützenden Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit und der sonstigen Sicherheit der Fahrgäste können auch weder die berufliche Angewiesenheit des Antragstellers auf die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung und die Fahrerlaubnis der Klasse D noch dessen wirtschaftliche Situation zu einem Absehen von der gesetzlich vorgesehenen Maßnahme führen. Bei einem Fehlen der charakterlichen Eignung ist die daran anknüpfende Entziehung der Fahrerlaubnis verhältnismäßig (vgl. BayVGH, B.v. 7.9.2020 – 11 CS 20.1436 – juris Rn. 32; OVG NW, B.v. 5.3.2004 – 19 A 832/04 – juris Rn. 3; s. auch BVerfG, B.v. 19.7.2007 – 1 BvR 305/07 – juris Rn. 6; B.v. 15.10.1998 – 2 BvQ 32/98 – DAR 1998, 466 = juris Rn. 5, zu einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO).
43
4. Davon ausgehend überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügungen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Der Schutz der Allgemeinheit vor der Teilnahme ungeeigneter Kraftfahrer am Straßenverkehr hat besondere Bedeutung und rechtfertigt in der Regel auch die Anordnung oder Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung einer Fahrerlaubnisvollziehung (vgl. BVerfG, B.v. 19.7.2007 a.a.O.; BVerwG, B.v. 5.11.2018 – 3 VR 1/18 u.a. – zfs 2019, 115 = juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 17.11.2021 – 11 CS 21.2318 – juris Rn. 24).
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5. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.6 und 46.10 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
45
6. Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, sich der medizinisch-psychologischen Begutachtung zu stellen. Solange über den Widerspruch nicht entschieden ist, wäre ein positives Gutachten bereits im Entziehungsverfahren zu berücksichtigen (vgl. Derpa in Hentschel/König, § 11 FeV Rn. 54), andernfalls im Verfahren zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klasse D bzw. der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung.
46
7. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).