Inhalt

VG München, Urteil v. 06.02.2025 – M 5 K 20.4475
Titel:

Probezeitbeurteilung, Lehrerin, Beurteilungsspielraum, Einschätzung während der Probezeit

Normenkette:
LlbG Art. 54 ff.
Schlagworte:
Probezeitbeurteilung, Lehrerin, Beurteilungsspielraum, Einschätzung während der Probezeit
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2824

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die 1970 geborene Klägerin steht seit … September 2001 als Beamtin auf Probe in Diensten des Beklagten. Sie ist als Lehrerin (Besoldungsgruppe A 12) an einer Grundschule eingesetzt.
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Für den Zeitraum vom … September 2001 bis … Juli 2019 erhielt sie eine Probezeitbeurteilung mit dem Ergebnis „noch nicht geeignet“ für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Für den Zeitraum bis einschließlich … Juli 2017 wurde ihr Elternzeit gewährt. Seit dem … August 2019 befindet sich die Klägerin erneut in Elternzeit.
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Für den Zeitraum vom … September 2001 bis ... August 2018 erhielt die Klägerin eine Einschätzung während der Probezeit mit dem Ergebnis „voraussichtlich geeignet“ für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit.
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Mit Schreiben vom … September 2019 hat die Klägerin Einwendung gegen die Probezeitbeurteilung erhoben, welche mit Schreiben des Beklagten vom … Dezember 2019 zurückgewiesen wurden. Die Beamtin erhob mit Schriftsatz vom … Juni 2020 Widerspruch gegen die Probezeitbeurteilung.
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Die Klägerin erhob am 18. September 2020 – nachdem kein Widerspruchsbescheid erlassen worden ist – Klage und stellte folgende Anträge:
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1. Die dienstliche Probezeitbeurteilung der Klägerin vom ... August 2019 über den Probezeitraum … September 2001 bis … Juli 2019 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, für den Probezeitraum eine neue dienstliche Beurteilung zu erstellen.
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2. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
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Hierzu verwies sie auf ihre Einwendungen gegen die Probezeitbeurteilung. Insbesondere habe die Klägerin drei Punkte der Zielvereinbarung erfüllt, wie es in der Zielvereinbarung vorgesehen gewesen sei. Weiter sei die Probezeitbeurteilung bereits am … Mai 2019 fertig gewesen und spätere Änderungen hätten nicht mehr berücksichtigt werden können. Auch sei es widersprüchlich, wenn die Klägerin bei der Einschätzung während der Probezeit mit dem Ergebnis „voraussichtlich geeignet“ beurteilt werde, in der Probezeitbeurteilung selbst aber mit „noch nicht geeignet“ für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Der Sinn und Zweck der Einschätzung während der Probezeit – der Beamtin noch vorhandene Mängel aufzuzeigen – sei so nicht erfüllt gewesen.
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Die Regierung von Oberbayern hat für den Beklagten beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Mit Beschluss vom 11. Oktober 2024 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter übertragen.
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In der mündlichen Verhandlung am 31. Januar 2025 wurde Beweis erhoben über Inhalt und Zustandekommen der Beurteilung der Klägerin vom ... August 2019 für den Beurteilungszeitraum … September 2001 bis … Juli 2019 durch Einvernahme der Beurteilerin B. und der unmittelbaren Vorgesetzten A. als Zeuginnen.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahmen auf das Protokoll vom 31. Januar 2025 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Leistungsklage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Probezeitbeurteilung vom … August 2019 und Erstellung einer erneuten Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, da die Beurteilung rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO analog, da eine dienstliche Beurteilung keinen Verwaltungsakt darstellt).
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1. Dienstliche Beurteilungen, zu denen auch Probezeitbeurteilungen gehören, sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt nachprüfbar sind (BVerwG, U.v. 13.5.1965 – 2 C 146.62 – BVerwGE 21, 127/129; U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78 – BVerwGE 60, 245 – ständige Rechtsprechung).
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Nach dem erkennbaren Sinn der Regelungen über die dienstliche Beurteilung soll nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde Beurteiler ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwiefern die Beamtin den vom Dienstherrn zu bestimmenden zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu. Demgegenüber hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung der Beamtin durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (BVerwG, U.v. 26.6.1980, a.a.O.). Innerhalb des durch die Art. 54 ff. des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaubahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz – LlbG) vom 5. August 2010 (GVBl S. 410), zuletzt geändert durch Gesetz zur Anpassung der Bezüge 2012 vom 30. März 2012 (GVBl S. 94) gezogenen Rahmens unterliegt es grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, wie er die ihm aufgegebene, für zukünftige Personalentscheidungen verwertbare Aussage zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen gestalten und begründen und worauf er im einzelnen sein Gesamturteil stützen will (BVerwG, U.v. 17.12.1981 – 2 C 69/81 – BayVBl 1982, 348). Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen (BVerwG, U.v. vom 16.10.1967 – VI C 44.64 – Buchholz 232, § 15 BBG Nr. 1; U.v. 26.6.1980, a.a.O.). Der Dienstherr kann einerseits einzelne Tatsachen oder Vorkommnisse im Beurteilungszeitraum aufgreifen und aus ihnen wertende Schlussfolgerungen ziehen, wenn er sie etwa zur Charakterisierung der Beamtin für besonders typisch hält oder für eine überzeugende Aussage zu einzelnen Beurteilungsmerkmalen für wesentlich erachtet. Er kann sich andererseits aber auch auf die Angabe zusammenfassender Werturteile aufgrund einer unbestimmten Vielzahl nicht benannter Einzeleindrücke beschränken. Schließlich kann er die aufgezeigten verschiedenen Möglichkeiten, über die Eignung und Leistung der Beamtin ein aussagekräftiges, auch für Dritte verständliches Urteil abzugeben, in abgestufter Form miteinander verwenden bzw. miteinander verbinden. Alle diese Gestaltungsformen einer dienstlichen Beurteilung halten sich in dem von den Laufbahnvorschriften vorgezeichneten rechtlichen Rahmen (vgl. BayVGH, U.v. 23.5.1990 – 3 B 89.02832 m.w.N.; vgl. zum Ganzen auch: VG München, U.v. 7.12.1999 – M 5 K 99.2303).
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Für die dienstliche Beurteilung der Klägerin gelten neben den Art. 54 ff. des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und Fachlaufbahn der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz/LlbG) die Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (VV-BeamtR), Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 18. November 2010 (FMBl. S. 264), Abschnitt 3: Dienstliche Beurteilung – allgemeine Beurteilungsrichtlinien, und die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 7. September 2011 (KWMBL 2011, 306) – Richtlinien für die dienstliche Beurteilung und die Leistungsfeststellung der staatlichen Lehrkräfte an Schulen in Bayern. Maßgebend ist, welches Beurteilungssystem und welche Regelungen zum Beurteilungsstichtag (hier: 1.8.2019) gegolten haben (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2000 – 2 C 7/99 – NVwZ-RR 2000, 621 unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 14.2.1990 – 1 WB 181/88 – BVerwGE 86, 240).
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2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die angefochtene dienstliche Beurteilung vom ... August 2019 rechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Die Probezeitbeurteilung ist formal-rechtlich nicht zu beanstanden. Sie umfasst die gesamte Probezeit der Beamtin und baut auf der Einschätzung während der Probezeit vom ... August 2018 auf. Auch wurde die Zielvereinbarung im Rahmen der Erstellung der Probezeit gewürdigt und ist somit Gegenstand der Beurteilung im Sinne der Ziffer 4.1.4 der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung und die Leistungsfeststellung der staatlichen Lehrkräfte an Schulen in Bayern geworden.
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b) Es sind keine Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit der Beurteilerin ersichtlich.
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Eine Voreingenommenheit des Beurteilers unterscheidet sich von der Besorgnis der Befangenheit dadurch, dass die mangelnde Objektivität und Unvoreingenommenheit nicht aus subjektiver Sicht der Beamtin, sondern aus der Perspektive eines objektiven Dritten festzustellen ist. Die Feststellung einer tatsächlichen Voreingenommenheit des Beurteilers kann sich aus der Beurteilung selbst, aber auch aus dem sonstigen Verhalten des Beurteilers in Angelegenheiten der zu Beurteilenden im Beurteilungszeitraum oder im Beurteilungsverfahren ergeben. Tatsächliche Voreingenommenheit liegt vor, wenn der Beurteiler nicht Willens oder in der Lage ist, die Beamtin sachlich und gerecht zu beurteilen. (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.1998 – 2 C 16.97 – BVerwGE 106, 318, juris Rn. 13 ff.; BayVGH, B.v. 13.8.2014 – 3 ZB 13.631 – juris Rn. 14).
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c) Auch im Übrigen sind keine Rechtsfehler der Probezeitbeurteilung ersichtlich.
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Die als Zeugin einvernommene Beurteilerin – an deren Glaubwürdigkeit das Gericht keinen Anlass zu Zweifeln sieht – hat in der mündlichen Verhandlung ihre Vorgehensweise bei der Erstellung der Beurteilung der Klägerin dargestellt. Ihre Angaben plausibilisieren das Urteil „noch nicht geeignet“ für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Sie hat insbesondere überzeugend und nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin bis Ende des Beurteilungszeitraumes Defizite im kompetenzorientierte Unterricht gezeigt habe. Der Unterricht sei unstrukturiert abgehalten worden. Der Klägerin sei es nicht daran gelegen gewesen, mit den Kindern ins Gespräch zu kommen. Sie sei auf Fragen oder Kommentare der Schüler nicht eingegangen und habe das eigenständige Lernen der Kinder nicht gefördert. Die Klägerin habe den Unterrichtsstoff nicht zusammengefasst oder mit den Schülern reflektiert. Es habe keine Moderation durch die Klägerin gegeben, sodass der Unterricht für die Kinder auch höchst anstrengend gewesen sei.
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Weiter führt die Zeugin B. aus, dass sie positiv berücksichtigt habe, dass die Klägerin Punkte aus der geschlossenen Zielvereinbarung erfüllt habe. Allerdings sei bei den nächsten Unterrichtsbesuchen am … Mai 2019 (Schwimmunterricht) sowie am ... Juni 2019 (Religionsunterricht) keine Besserung des Unterrichts erkennbar gewesen. Durch die Zielvereinbarung und die einzelnen Punkte sollte der Unterricht der Klägerin verbessert werden, was so nicht zu beobachten gewesen sei.
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Auch legten die Zeuginnen plausibel dar, warum der Klägerin in der Einschätzung während der Probezeit das Urteil „voraussichtlich geeignet“ für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit attestiert worden ist, in der Probezeitbeurteilung selbst jedoch nicht. Die Zeugin B. wie auch die Zeugin A. führten nachvollziehbar aus, dass bei der Klägerin von Anfang an Defizite bestanden. Trotz der vorhandenen Defizite bei der Klägerin seien die Zeuginnen davon ausgegangen, dass die Klägerin diese im zweiten Jahr abstellen werde. Es sei berücksichtigt worden, dass die Klägerin über einen sehr langen Zeitraum keinen Unterricht gehalten hat und sie durch die Unterstützungsangebote die Defizite abstellen könne. Dies sei Sinn und Zweck der Probezeit.
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Beide Zeuginnen führten schlüssig, nachvollziehbar und plausibel aus, dass der Klägerin von Beginn der Probezeit an mehrmals mitgeteilt worden sei, dass ihr Unterricht defizitär sei. Ihr seien zahlreiche Unterstützungsangebote gemacht worden.
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Auch aus dem Fließtext der Einschätzung während der Probezeit ergibt sich an vielen Stellen, dass die Klägerin Defizite gehabt hat. Trotz der Einschätzung während der Probezeit mit dem Urteil „voraussichtlich geeignet“ für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit war der Klägerin von Anfang an bewusst, dass sie ihre Leistungen steigern müsse. Der Sinn und Zweck der Einschätzung während der Probezeit, dem Beamten noch vorhanden Mängel aufzuzeigen wurde somit nach Auffassung des Gerichts gewahrt.
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Auch stellte die Beurteilerin sicher, dass etwaige Leistungssteigerungen gegen Ende des Beurteilungszeitraumes insbesondere nach Erstellung des Ersten Entwurfes der Beurteilung erkannt worden wären und die die Beurteilung eingeflossen wären. Die Zeugin B. führt diesbezüglich aus, dass sie nach ihrem Besuch am ... Juni noch vorhatte, einen Unterricht der Klägerin zu besuchen, um etwaige Leistungssteigerungen bzw. Verbesserungen des Unterrichts bei der Klägerin zu sehen. Leider sei die Klägerin am vorgesehenen Termin erkrankt. Die Zeugin B. sei jedoch in Kontakt mit der Zeugin A. gewesen, welche ihrerseits täglichen Kontakt mit der Klägerin hatte und Leistungssteigerung mitbekommen hätte, welche sie weitergegeben hätte. Es hätten bis zuletzt Gespräche stattgefunden.
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Die Zeugin A. hat dem Gericht plausibel dargelegt, dass auf Grund ihrer vielen Beobachtungen der Klägerin nach einer Gesamteinschätzung die Klägerin noch nicht geeignet sei für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Die Klägerin habe viel Zeit und Raum gebraucht, um insbesondere die Methodik und Didaktik so umzusetzen, dass die Kinder etwas lernen. Es sei bis zuletzt keine wesentliche Besserung erkennbar gewesen.
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3. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Feststellung gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war, erübrigt sich daher. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.