Titel:
Dienstunfall, Berufserkrankung, Arbeitstechnische Voraussetzungen
Normenketten:
BayBeamtVG Art. 46 Abs. 3 S. 1
Anlage 1 Nr. 2102 Berufskrankheitenverordnung (BKV)
Schlagworte:
Dienstunfall, Berufserkrankung, Arbeitstechnische Voraussetzungen
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2822
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Anerkennung von Meniskusschäden als Berufserkrankung nach Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV). Er verfügt seit dem … Juli 2018 über einen Grad der Behinderung von 50.
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Der 1967 geborene Kläger ist seit 2001 als Vermessungssekretär beim Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (ADBV) in E. beschäftigt. Dort war er bis Oktober 2016 an circa 110 Tagen im Jahr bei Grenzvermessungen im Außendienst tätig, bis seine nicht mehr vorliegende Außendienstfähigkeit durch den Betriebsärztlichen Dienst des Landesamtes für Finanzen festgestellt und der Kläger nur noch im Innendienst eingesetzt wurde.
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Mit Schreiben vom … Januar 2017 beantragte der Kläger die Anerkennung verschiedenster Berufserkrankungen.
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Mit Schreiben vom ... Dezember 2017 forderte das Landesamt für Finanzen den Kläger zur Abgabe einer Stellungnahme zu dem Antrag auf Anerkennung von Berufserkrankungen auf. Mit Schreiben vom … Mai 2018 nahm der Kläger ausführlich Stellung. Der Kläger legte in diesem Schreiben unter anderem eine ausführliche Tätigkeitsbeschreibung sowie eine Liste mit dienstlich veranlassten gesundheitlichen Vorfällen im Außendienst und verschiedene Befundberichte vor, die unter anderem (degenerative) Innenmeniskusschäden an beiden Knien zeigen.
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Mit Schreiben vom … Dezember 2017 forderte der Beklagte den Dienstvorgesetzen des Klägers zu einer schriftlichen Stellungnahme zum Antrag auf Anerkennung einer Berufserkrankung auf. In einer Stellungnahme des Dienstvorgesetzten vom … Januar 2018 nahm dieser zu den verschiedenen Arten und der Häufigkeit kniebelastender Tätigkeiten im Dienst Stellung. Durchschnittlich helfe der Kläger beim Setzen von drei Grenzsteinen pro Tag mit. Bei den häufig stattfindenden Vermessungen in Siedlungsgebieten würden keine Grabarbeiten anfallen, da eine oberirdische Abmarkung vorgenommen werde. Pro Tag würden circa drei bis vier Meißelzeichen mit dem Winkelschleifer beispielsweise in Randsteinkanten eingeschliffen oder Eisenrohre oder Grenzbolzen in Deckschichten geschlagen. Die Grenzsteine würden in der Regel von Feldgeschworenen mit dem Auto an den Grenzpunkt transportiert. Für das Setzen von Grenzsteinen oder das Aufsuchen von unterirdischen Vermessungspunkten müsse ein Erdloch mit Spitzschaufel und Spaten ausgehoben werden. Ab einer Lochtiefe von circa 30 Zentimetern komme ein sogenannter Handbagger zum Einsatz, durch dessen Verwendung eine gebückte Haltung beim Graben vermieden werden solle. Die Grenzsteine seien nach dem Abstecken der Koordinaten des Grenzpunktes in das Loch zu heben und auszurichten. Der Erdaushub sei dann wieder einzufüllen und zu verdichten, um den Grenzstein fest zu fixieren.
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Nach dem vom Beklagten in Auftrag gegebenen orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten vom … Juli 2019 seien die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufserkrankung nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV gegeben; es fehle jedoch an einem arbeitstechnischen Gutachten zum Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität.
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In einer weiteren Stellungnahme vom … September 2019 führte der Dienstvorgesetzte des Klägers aus, dass die Anteile der Kniebelastung beim Kläger zu gering seien, als dass von einer Kniebelastung im Sinne der Nr. 2102 der Anlage zur BKV ausgegangen werden könnte. Denn die Tätigkeit eines Vermessungstrupps zeichne sich durch eine Variabilität der körperlichen Belastung aus. Dabei seien nur teilweise kniebelastende Tätigkeiten durchzuführen; beispielsweise, wenn Grabarbeiten nötig würden oder Grenzpunkte gesetzt werden müssten.
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Das Gewerbeaufsichtsamt nahm am … Oktober 2019 Stellung. Für die Anerkennung nach Ziffer 2102 der Anlage zur BKV werde eine kniebelastende Tätigkeit von einem Drittel pro Schicht gefordert, die der Kläger nicht erfülle.
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Unter Verweis auf diese Stellungnahmen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom … November 2019 den Antrag des Klägers auf Anerkennung einer Berufserkrankung im Sinne der Nr. 2102 der Anlage zur BKV. Der Kläger könne kniebelastende Tätigkeiten lediglich im Umfang von zwei Stunden pro Außendiensttag nachweisen. Dies entspreche einem Umfang kniebelastender Tätigkeiten von 3.600 Stunden. Es sei jedoch eine Kniebelastung von mindestens 13.000 Stunden im Zuge des Erwerbslebens nachzuweisen. Dieser Grenzwert werde deutlich unterschritten.
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Hiergegen legte der Kläger am .. . Januar 2020 Widerspruch ein, in dem der Kläger unter anderem vortrug, dass die kniebelastenden Tätigkeiten wie das Tragen von Grenzsteinen sowie das Verlegen von Glasfaserkabeln nicht berücksichtigt habe. Auch der Umfang kniebelastender Tätigkeiten sei zu niedrig festgesetzt worden.
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Mit Schreiben vom .. . Mai 2020 nahm der Vorgesetzte erneut Stellung und führte insbesondere aus, dass Grenzsteine in der Regel nicht über weite Strecken getragen werden müssten. Die in den Wintermonaten erbrachten Tätigkeiten seien in der Regel körperlich einfache Arbeiten und würden nicht zu einer massiven Erhöhung der durchschnittlichen Kniebelastung führen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom .. . August 2020 wies das Landesamt für Finanzen den Widerspruch zurück. Der Kläger habe den Nachweis nicht erbracht, im Rahmen des Dienstes über mehrere Jahre eine kniebelastende Tätigkeit von mindestens einem Drittel pro Schicht im Sinne der Berufserkrankung nach Nr. 2102 ausgeübt zu haben. Nach Stellungnahme des Dienstvorgesetzten sei eine durchschnittliche kumulative Belastung von lediglich zwei Stunden pro Außendiensttag realistisch. Denn Vermessungen fänden hauptsächlich (ca. 80%) in Siedlungsgebieten statt. Dort sei die körperliche Belastung für die Mitarbeiter geringer. Denn in der Regel seien Messpunkte vorhanden, für deren Aufdeckung keine Grabarbeiten erforderlich seien. Würden Grenzsteine gebraucht, seien diese nur wenige Meter zu transportieren. Nur etwa einmal jährlich müssten Grenzsteine mit höherem Gewicht gesetzt oder über weitere Strecken getragen werden.
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Hiergegen erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 14. September 2020 Klage. Zur Begründung wird auf den Vortrag im Verwaltungsverfahren Bezug genommen und ergänzend vorgetragen, dass der Beklagte die tatsächlichen Verhältnisse der Arbeit des Klägers nicht vollumfänglich gewürdigt habe. Insbesondere könne die Darstellung der Dauer der kniebelastenden Tätigkeiten durch den Dienstvorgesetzten nicht überzeugen. Der Einschätzung, der Kläger übe lediglich zwei Stunden pro Außendiensttag kniebelastende Tätigkeiten aus, könne nicht gefolgt werden.
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Die Klagepartei hat beantragt,
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den Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom .. . August 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, beim Kläger das Vorliegen der Berufserkrankung nach der Nr. 2102 der Anlage der Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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Es sei davon auszugehen, dass die Angaben des Vorgesetzten zum zeitlichen Umfang kniebelastender Tätigkeiten des Klägers der Wahrheit entsprächen. Der Kläger habe einen höheren Zeitanteil kniebelastender Tätigkeiten nicht nachgewiesen.
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Das Gericht hat mit Beweisbeschluss vom 10. September 2024 Beweis erhoben zu der Frage, ob für die dienstliche Tätigkeit des Klägers im Zeitraum von 2001 bis November 2016 die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer Berufserkrankung nach der Nr. 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung vorlagen, insbesondere unter Berücksichtigung der Bandscheibenvorschädigung aus dem Jahr 2005, durch Einholung einer technischen Stellungnahme von Baurat Z. von der Bayerischen Landesunfallkasse.
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In der daraufhin erstellten Stellungnahme vom … Oktober 2024 kam dieser zu dem Ergebnis, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufserkrankung nicht gegeben seien. Für den Kläger sei eine dreißigminütige arbeitstägliche Meniskusbelastung ermittelt worden, die einem Wert von 6,3% entspreche. Dieser Wert liege sehr an der oberen Grenze und deutlich unter den Werten, die für Risikoberufe im Sinne der Berufskrankheit 2102 im Anhang 18 des IFA Reports 2/2012 angegeben werden. Die Tätigkeiten des Klägers seien sehr abwechslungsreich und primär im Gehen und Stehen zu verrichten. Damit hätten die Menisken immer wieder Zeit sich zwischendurch zu erholen.
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Die Klagepartei hat mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2024 vorgetragen, dass nicht nachvollziehbar sei, wie die Einschätzung einer dreißigminütigen arbeitstäglichen Meniskusbelastung zustande gekommen sei, besonders, da der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers von einer zweistündigen kniebelastenden Tätigkeit ausgegangen sei. Die Angaben des Klägers, wonach er für jede Grenzsteinsetzung kniebelastende Tätigkeiten im zeitlichen Umfang von drei bis zwanzig Minuten ausgeübt habe, seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Aus der Stellungnahme gehe nicht hervor, von welcher Häufigkeit der jeweiligen Tätigkeiten pro Arbeitsschicht im Zeitraum von über 15 Jahren ausgegangen werde und mit welcher Dauer die fünf verschiedenen meniskusbelastenden Tätigkeiten jeweils angesetzt würden.
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Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung am 5. Februar 2025 Beweis erhoben über den Inhalt und das Zustandekommen der Stellungnahme Arbeitsplatzexploration Meniskusschaden vom … Oktober 2024 durch die Einvernahme von Baurat Z. als sachverständigen Zeugen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten Bezug sowie insbesondere für das Ergebnis der Beweisaufnahme auf die Verhandlungsprotokolle vom 20. Juni 2023 und 5. Februar 2025 genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch Anerkennung des Vorliegens der Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2102 der Berufskrankheiten-Verordnung (v. 31.10.1997, BGBl. I S. 2623, zuletzt geändert durch Art. 1 Fünfte VO zur Änd. der Berufskrankheiten-VO vom 29.6.2021, BGBl. I S. 2245; im Folgenden: BKV) i.V.m. Art. 46 Abs. 3 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes/BayBeamtVG. Die Ablehnung der Anerkennung ist damit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
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1. Ein Anspruch auf Anerkennung des Vorliegens einer Berufserkrankung nach Nr. 2102 der BKV besteht nicht. Denn die hierfür erforderlichen arbeitstechnischen Voraussetzungen liegen nach Überzeugung der Kammer nicht vor.
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a) Nach Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG gilt als Dienstunfall auch die Erkrankung an einer in Anlage 1 der BKV vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheit, wenn der Beamte oder die Beamtin nach der Art seiner oder ihrer dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt war, es sei denn, dass der Beamte oder die Beamtin sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat.
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Vorliegend betrifft der Rechtsstreit die Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV und damit Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten.
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Die Feststellung dieser Berufskrankheit setzt einerseits das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne der Einwirkungskausalität, andererseits der medizinischen Voraussetzungen im Sinne der haftungsbegründenden Kausalität voraus, das heißt es muss das typische Krankheitsbild der Berufskrankheit vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sein (vgl. BayLSG, U.v. 13.9.2012 – L 18 U 349/09 – juris Rn. 32; OVG NW, U.v. 7.5.2020 – 1 A 1205/18 – juris Rn. 66 ff.).
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Für das Vorliegen einer nach der Berufskrankheiten-Verordnung genannten Erkrankung und für die besondere Erkrankungsgefahr trägt der Beamte die Beweislast. Lässt sich bei Vorliegen dieser Voraussetzungen lediglich nicht aufklären, ob sich der Beamte die Erkrankung innerhalb oder außerhalb des Dienstes zugezogen hat, so trägt der Dienstherr hinsichtlich dieser Voraussetzungen das Risiko der Unaufklärbarkeit (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – Buchholz 240 § 31 BBesG Nr. 1, juris Rn. 13).
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b) Die Kammer ist nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger durch seine dienstliche Tätigkeit einer besonderen Erkrankungsgefahr ausgesetzt war, auf der die medizinisch nachgewiesenen Meniskusschäden beruhen.
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aa) Die BK 2102 setzt Meniskusschäden nach mehrjährig andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten voraus. Der Verordnungstext benennt keine quantitative Einwirkungsgröße, setzt also seinem Wortlaut nach keine prozentuale Mindestbelastung voraus. Nach dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK 2102 (Bek. des BMA vom 11.10.1989, BArbBl. 2/1990, S. 135), auf das ergänzend abzustellen ist (LSG NW, U.v. 11.9.2018 – L 15 U 292/16 – juris Rn. 35 m.w.N.), muss mit einer überdurchschnittlichen Kniebelastung im Berufsleben beispielsweise gerechnet werden im Bergbau unter Tage, bei Ofenmaurern, Fliesen- und Parkettlegern, bei Rangierarbeitern, bei Berufssportlern und bei Tätigkeiten unter beengten Raumverhältnissen.
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Ausweislich dieses Merkblatts ist eine die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende Tätigkeit biomechanisch gebunden an eine Dauerzwangshaltung, insbesondere bei Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung oder häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchungen, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage, da nur unter diesen Umständen die Menisken in verstärktem Maße belastet werden. Bezogen auf die nach dem Berufsbild des Klägers in Betracht zu ziehenden Dauerzwangshaltungen sind relevant daher nur Arbeiten im Hocken und Fersensitz mit erzwungener maximaler Knieanwinkelung und gleichzeitiger Kraftanwendung. Nicht meniskusbelastend sind hingegen kniende Positionen in rechtwinkeliger Beugung des Kniegelenkes, so dass „kniebelastende“ Tätigkeiten nicht mit meniskusbelastenden Tätigkeiten gleichgesetzt werden können.
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Die Einwirkung muss nicht nur ihrer Art nach, sondern auch nach ihrer Dauer und Intensität zur Verursachung der Krankheit geeignet sein, wobei insoweit maßgeblich auf den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand abzustellen ist (vgl. Brandenburg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., Stand 19.1.2022, § 9 Rn. 45). „Andauernd oder häufig wiederkehrend“ sind meniskusbelastende Tätigkeiten dann, wenn sie den Menisken keine außerordentliche Zeit zur Erholung belassen. Dies ist dann der Fall, wenn das Erscheinungsbild der Tätigkeit durch überdurchschnittliche Meniskusbelastungen geprägt ist, wobei keine prozentuale Mindestbelastung zu fordern ist (vgl. LSG NW, U.v. 11.9.2018 – L 15 U 292/16 – juris Rn. 35; LSG Saarl, U.v. 13.1.2021 – L 7 U 20/20 – juris Rn. 58). Es muss sich um eine mindestens zweijährige Tätigkeit mit einer Exposition, die weder acht Stunden täglich, noch zu einem Drittel der (Regel-)Arbeitszeit verrichtet worden sein muss, handeln (BayLSG, U.v. 16.6.2021 – L 17 U 365/18 – juris Rn. 43 m.w.N.).
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bb) Unter Anwendung dieses Maßstabs vermochte die Kammer bezogen auf die Tätigkeiten des Klägers in Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls nicht zu der Überzeugung gelangen, dass das Erscheinungsbild der dienstlichen Tätigkeiten des Klägers in einem Zeitraum von 15,4 Jahren durch eine überdurchschnittliche Meniskusbelastung geprägt war.
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Bereits in der Stellungnahme des unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers (Leiter des Vermessungsamtes) Vermessungsdirektor R. vom … September 2019 hat dieser angegeben, dass die Tätigkeiten des Klägers durch eine Variabilität der körperlichen Belastung gekennzeichnet seien. Die Tätigkeiten würden, wie auch in der Stellungnahme des sachverständigen Zeugen B2. Z. vom … Oktober 2024 bestätigt wird, primär im Stehen und Gehen verrichtet, sodass die Menisken ausreichend Zeit hätten, sich von den meniskusbelastenden Tätigkeiten zu erholen. Dass es sich bei den Tätigkeiten des Klägers um (körperlich) abwechslungsreiche Tätigkeiten handelt, ergibt sich auch aus den Beschreibungen der Tätigkeiten mit Schreiben des Klägers vom … Dezember 2017.
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Da es nach der neueren Rechtsprechung nicht mehr erforderlich ist, dass die Exposition zu einem Drittel der Regelarbeitszeit verrichtet worden sein muss (vgl. BayLSG, U.v. 16.6.2021 – L 17 U 365/18 – juris Rn. 43 m.w.N.), kann der Stellungnahme des Gewerbeaufsichtsamtes vom .. . Oktober 2019 nicht ohne weiteres gefolgt werden.
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Hinsichtlich der ermittelten meniskusbelastenden Expositionszeit folgt das Gericht den überzeugenden und in sich schlüssigen Ausführungen des sachverständigen Zeugen B2. Z. in seiner schriftlichen Stellungnahme vom … Oktober 2024, die er den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung näher erläutert hat. Danach genügten die im maßgeblichen Zeitraum ausgeübten Tätigkeiten des Klägers nicht, um eine ausreichende Belastung im Sinne der Berufskrankheitenverordnung anzunehmen. Die individuelle Exposition des Klägers liege bei dreißig Minuten arbeitstäglich, was einem Wert von 6,3% entspreche. Diese reine Meniskusbelastung (sog. Netto-Zeit) liege deutlich unter der Exposition, die für Risikoberufe wie beispielsweise Bodenleger, Dachdecker, Estrichleger angegeben werde; diese betrage bei Risikoberufen ca. 20% bzw. bis zu 65% pro Arbeitsschicht (vgl. Dirk Ditchen, Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, IFA Report 2/2012 – Erfassung arbeitsbedingter Kniebelastungen in ausgewählten Berufen, Mai 2012, Anhang 18: Prozentuale Schichtanteile mit „endgradiger“ Kniebelastung). Diese Ausführungen des sachverständigen Zeugen sind schlüssig und nachvollziehbar.
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Bereits die schriftliche Stellungnahme überzeugt nach Methodik und Durchführung der Erhebungen. Insbesondere hat der sachverständige Zeuge angegeben, zur Erhebung von Daten alle ihm zur Verfügung stehenden Quellen einbezogen zu haben. Auch sind der Kläger sowie dessen unmittelbarer Vorgesetzter angehört worden. Daneben ist ein Kollege des sachverständigen Zeugen, der ausgebildeter Vermessungstechniker ist, beteiligt worden ebenso wie ein Spezialist der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, der speziell zu Kniebelastungen in verschiedenen Berufen promoviert hat.
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Der sachverständige Zeuge hat in der mündlichen Verhandlung schlüssig und nachvollziehbar erläutert, wie er für den Kläger eine dreißigminütige arbeitstägliche Meniskusbelastung ermittelt hat. Zuerst identifizierte er unter Auswertung der vom Amtsleiter des Klägers und vom Kläger übermittelten Angaben meniskusbelastende Tätigkeiten und ordnete diesen in einem zweiten Schritt zeitliche Werte zu. Diese Tätigkeiten kategorisierte er in regelmäßig wiederkehrende Tätigkeiten wie das Freilegen von bestehenden Festpunkten oder Grenzzeichen (unter Umständen auch einige Minuten in kniender Position) und die Durchführung von Abmarkungen oder dem Setzen von Festpunkten (manchmal für einige Minuten in kniender Position) sowie projektspezifische, nur vorübergehend ausgeübten Tätigkeiten wie die Durchführung von Verlegearbeiten von Glasfaserkabeln in Bodenschächten im Amtsgebäude von Mitte Dezember 2009 bis März 2010 (häufiger im Knien, aber auch in Abwechslung mit aufrechter Körperhaltung), die Mithilfe bei Innenausbauarbeiten von Dienstwägen (teilweise Tätigkeiten im Knien im Minutenbereich) und die Mithilfe beim Aufbau eines Carports (Kniebelastung beim Eindecken eines Dachs). Jeder dieser Tätigkeiten ordnete der sachverständige Zeuge – unter Berücksichtigung von Angaben des Amtsleiters des Vermessungsamtes des Klägers sowie von Angaben auch des stellvertretenden Amtsleiters eines anderen Vermessungsamtes – eine Zeitdauer im Sinne eines plausiblen Mittelwerts zu und berücksichtigte dabei auch eigene Erfahrungswerte. Auf die in dieser Weise errechnete Brutto-Kniezeit legte er in einem dritten Schritt den Faktor 40% an, um auf die maßgebliche Netto-Zeit meniskusbelastender Tätigkeiten zu gelangen. Hierzu führte er aus, dass in der Regel ein Faktor von 20% angelegt werde; dies sei ein Erfahrungswert, den er aus verschiedenen Gesprächen und Eindrücken gewonnen habe. Beim Kläger habe er es als erforderlich angesehen, diesen Faktor aufgrund der Bandscheibenvorschädigung zu verdoppeln. Denn diese führe dazu, dass zur Schmerz- und Belastungsvermeidung eine möglichst aufrechte Position eingenommen werde, sodass häufiger gekniet werden müsse. Diese Ausführungen des sachverständigen Zeugen sind nachvollziehbar und in sich schlüssig.
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Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bei den Berechnungen des sachverständigen Zeugen eine höhere Anzahl für das tägliche Setzen von Grenzsteinen und sonstigen Grenzpunkten (u.a. Meißelzeichen) berücksichtigt wurde als die, die der Leiter des Vermessungsamtes Vermessungsdirektor R. in seiner Stellungnahme vom … Januar 2018 angegeben hat.
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Die Ausführungen des sachverständigen Zeugen werden auch nicht durch die Einlassung der Klagepartei in Frage gestellt.
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Sofern die Klagepartei gegen die Schlüssigkeit der Angaben des sachverständigen Zeugen einwendet, dass der Amtsleiter Vermessungsdirektor R. in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2023 von einer (arbeitstäglich) zweistündigen kniebelastenden Tätigkeit ausgegangen sei, so handelte es sich hierbei zum einen um eine reine Schätzung. Zum anderen hat der Amtsleiter hierzu angegeben, dass dies „eher wohlwollend nach oben gerundet“ sei. Daneben hat der sachverständige Zeuge bereits in seiner schriftlichen Stellungnahme vom … Oktober 2024 ausgeführt, dass dieser Wert nach Ansicht des Präventionsdienstes zu hoch geschätzt sei, insbesondere, da „kniebelastend“ nicht mit „meniskusbelastend“ gleichgesetzt werden könne. Diese Ausführungen stehen in Einklang mit den herangezogenen Regelwerken und sind für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar.
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Wenn die Klagepartei einwendet, dass der Kläger – insbesondere aufgrund seiner Bandscheibenvorschädigung – bei allen Tätigkeiten immer habe knien müssen, so hat der sachverständige Zeuge nachvollziehbar erläutert, dass die Tätigkeiten eines Vermessungsgehilfen vielfältig und neben dem Knien auch viele Tätigkeiten im Gehen oder Stehen einschlägig seien. Bei diesen Tätigkeiten bleibe den Menisken dann entsprechend Zeit zur Erholung. Daneben hat der sachverständige Zeuge angegeben, dass es außergewöhnlich sei, Tätigkeiten wie das Schaufeln oder Lockern der Erde mit einem Stoßeisen im Knien vorzunehmen, da diese Tätigkeiten im Stehen ausgeführt werden könnten. Aufgrund der Festigkeit des Materials und der physikalischen Führung der Schaufel sei ein Schaufeln im Knien schwer vorstellbar. Diese Ausführungen sind schlüssig und nachvollziehbar.
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Sofern die Klagepartei einzelne der ermittelten Durchschnittszeiten für die verschiedenen Tätigkeiten wie das Freilegen von Festpunkten und Grenzzeichen und die Durchführung von Abmarkungen oder das Setzen von Festpunkten als im Falle des Klägers für zu niedrig bemessen hält, so hat der sachverständige Zeuge bestätigt, dass es sich hierbei um Durchschnitts- bzw. Schätzungswerte handele. Er hat jedoch überzeugend dargelegt, dass selbst eine Verdoppelung der Zeiten, beispielsweise des Freilegens von Vermessungszeichen, keine andere Bewertung bedingen würde, da diese Tätigkeit im Umfang relativ gering sei. Selbst wenn einzelne der Zeitdauern beim Kläger individuell etwas höher anzusetzen gewesen wären, so sei der Kläger weit entfernt von einer arbeitstäglichen meniskusbelastenden Tätigkeit von 1,6 Stunden, sodass sich dies nicht auswirken könne. Diese Ausführungen sind für das Gericht überzeugend und nachvollziehbar. Daneben ist zu berücksichtigen, dass der sachverständige Zeuge die Auswirkungen der Bandscheibenvorschädigung bereits bei der Verdopplung des Faktors (40% statt 20%) bei der Berechnung der netto-meniskusbelastenden Zeit berücksichtigt hat.
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Sofern die Klagepartei bemängelt, dass Tätigkeiten wie der Transport von Grenzsteinen nicht mitberücksichtigt worden seien, so hat der sachverständige Zeuge plausibel dargelegt, dass diese nach den Maßstäben des Merkblatts der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin die Menisken nicht belasten würden. Diese seien deshalb folgerichtig nicht als meniskusbelastende Zeiten berücksichtigt worden. Diese Ausführungen sind plausibel und nachvollziehbar.
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Wenn die Klagepartei ferner beanstandet, dass der sachverständige Zeuge von 110 Außendiensttagen im Jahr ausgegangen sei, obwohl der Amtsleiter des Vermessungsamtes in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2023 noch einen Wert von 120 bis 140 Außendiensttagen genannt habe, so hat der sachverständige Zeuge nachvollziehbar dargelegt, dass es sich bei den angesetzten 110 Außendiensttagen um Erfahrungswerte des Amtsleiters handele, die dieser ihm im persönlichen Gespräch mitgeteilt habe. Es ist auch nachvollziehbar, wenn der sachverständige Zeuge hierzu angibt, dass die konkrete Zahl an Außendiensttagen je nach Auftragslage Schwankungen unterliege. Die Anzahl von 110 Außendiensttagen entspricht jedenfalls der Mindestanzahl der Außendiensttage, wie der Amtsleiter Vermessungsdirektor R. in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2023 bestätigt hat. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der sachverständige Zeuge diesen Wert für die Berechnung heranzieht.
48
Nach alldem konnte das Gericht die erforderliche, d.h. vernünftige Zweifel ausschließende Überzeugungsgewissheit für die besondere Erkrankungsgefahr des Klägers nicht gewinnen. Da der Beamte die materielle Beweislast für die besondere Erkrankungsgefahr trägt (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – juris Rn. 13), geht dies zu seinen Lasten.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
50
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.