Titel:
Kostenerinnerung, Unwirksame Erhebung zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle, Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt), Rechtsanwaltsgebühren
Normenketten:
VwGO § 165, § 151
VwGO § 55d
VwGO § 162
Schlagworte:
Kostenerinnerung, Unwirksame Erhebung zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle, Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt), Rechtsanwaltsgebühren
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2820
Tenor
I. Die Erinnerung des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. Dezember 2024 (M 31 K 23.3611) wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. Dezember 2024.
2
Nachdem der Antragsteller die Klage in der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2024 auf richterlichen Hinweis zurückgenommen hatte, hat das erkennende Gericht das Verfahren eingestellt und dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auferlegt.
3
Mit bei Gericht am 25. Oktober 2024 eingegangenen Kostenfestsetzungsantrag beantragten die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin für das Klageverfahren die Festsetzung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG, einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG, der Post- und Telekommunikationsdienstleistungsentgelte nach Nr.7002 VV-RVG und der Umsatzsteuer auf die Vergütung nach Nr. 7008 VV-RVG i.H.v. insgesamt 2.314,55 EUR nebst Zinsen.
4
Mit streitbefangenem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11. Dezember 2024, dem Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am gleichen Tag, setzte die Urkundsbeamtin die Kosten antragsgemäß fest.
5
Hiergegen beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers am 23. Dezember 2024 zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle
6
die Entscheidung des Gerichts.
7
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der Antragsteller nicht nachvollziehen könne, warum er die Anwaltskosten der Gegenseite zu tragen habe.
8
Die Urkundsbeamtin hat dem Antrag nicht abgeholfen und ihn unter dem 13. Februar 2025 dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren M 31 K 23.3611 verwiesen.
10
1. Das Gericht entscheidet über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss in der Besetzung, in der die zugrundeliegende Kostengrundentscheidung getroffen wurde (vgl. statt vieler BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845 – juris Rn. 9 ff.). In der die streitige Kostenfestsetzung auslösenden Verwaltungsstreitsache M 31 K 23.3611 hat die Berichterstatterin als Einzelrichterin (vgl. Übertragungsbeschluss vom 13. Februar 2024) das Verfahren nach Klagerücknahme mit Beschluss vom 10. April 2024 eingestellt und die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller auferlegt. Folglich ist sie als Einzelrichterin auch im vorliegenden Erinnerungsverfahren zur Entscheidung berufen.
11
2. Die Kostenerinnerung (§§ 165, 151 Satz 1 VwGO) des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. Dezember 2024 bleibt ohne Erfolg.
12
2.1. Sie ist bereits unzulässig, da die am 23. Dezember 2024 zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle beantragte Erinnerung nicht innerhalb der maßgeblichen Zweiwochenfrist (§§ 165 Satz 2, 151 Satz 1 VwGO) in der gemäß §§ 165 Satz 2, 151 Satz 2, 55d Satz 1 und 2 VwGO zu beachtenden Form erhoben wurde (vgl. zur elektronischen Übermittlungspflicht nach § 55d VwGO im Falle der Erinnerung nach § 165 VwGO VG München, B.v. 11.11.2024 – M 31 M 24.6110 – juris Rn. 11 f). Insbesondere liegt auch keine wirksame Ersatzeinreichung durch Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle vor. Gemäß § 55d Satz 3 VwGO bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn dem nutzungsverpflichteten Einreicher eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat entgegen § 55d Satz 4 Hs. 1 VwGO weder bei der Ersatzeinreichung noch unverzüglich danach glaubhaft gemacht, dass eine technische Störung vorgelegen hat. Sein Vortrag allein, dass er immer wieder Probleme mit der technischen Kommunikation habe und die Rechtsantragsstelle nutze, um Rechtsmittel für seinen Mandanten einzulegen, genügt hierfür nicht ansatzweise.
13
2.2. Im Übrigen wäre die Kostenerinnerung auch unbegründet. Die von der Antragsgegnerin mit Kostenfestsetzungsantrag ihrer Bevollmächtigten vom 25. Oktober 2024 geltend gemachte Rechtsanwaltsvergütung ist von der Urkundsbeamtin im streitbefangenen Kostenfestsetzungsbeschluss dem Grunde wie der Höhe nach zutreffend als erstattungsfähig anerkannt worden.
14
2.2.1. Nach § 162 Abs. 1 VwGO gehören außer den Gerichtskosten auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu den erstattungsfähigen Kosten. In Ergänzung hierzu bestimmt § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO, dass die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig sind. Dies gilt auch zugunsten von Körperschaften des öffentlichen Rechts wie hier der Beklagten. Eine Ausnahme wird nur dann anerkannt, wenn die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch einen Beklagten, der sich durch eigene Juristen vertreten lassen kann, gegen Treu und Glauben verstößt, weil sie offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, dem Gegner Kosten zu verursachen (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2016 – 10 C 15.474, 10 C 15.477 –, juris Rn. 17 m.w.N.).
15
Anhaltspunkte dafür, dass die Beauftragung der Bevollmächtigten der Beklagten vorliegend als rechtsmissbräuchlich anzusehen wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere folgt ein Verstoß gegen die Kostenminderungspflicht bzw. den Grundsatz von Treu und Glauben nicht aus dem Umstand, dass im zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren die Gewährung von Corona-Hilfen verfahrensgegenständlich waren. Allein der Umstand, dass eine (erstinstanzliche) Klage die Gewährung von Corona-Hilfen zum Gegenstand hat, führt nicht dazu, dass die Kosten eines von der Behörde unmittelbar nach Rechtshängigkeit beauftragten Rechtsanwalts nicht nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO erstattungsfähig sind, selbst wenn die Klage zunächst nur fristwahrend erhoben und noch vor Klagebegründung zurückgenommen wird (vgl. BayVGH, B.v. 1.9.2022 – 22 C 22.1221 – juris Rn. 11 f). Wirtschaftliche Schwierigkeiten eines Betroffenen dürfen zwar sein Recht auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht beeinträchtigen; sie rechtfertigen umgekehrt aber auch nicht bzw. jedenfalls nicht aus sich heraus die Einschränkung der Verfahrensrechte eines anderen Beteiligten (selbst wenn sich dieser mangels Grundrechtsträgerschaft nicht auf Art. 19 Abs. 4 GG berufen kann). Denn dafür, d.h. um Nachteilen für einen Beteiligten infolge seiner „wirtschaftlichen Schwierigkeiten“ zu begegnen, stellen die VwGO, beispielsweise in Form der Gewährung von Prozesskostenhilfe (§ 166 VwGO) als auch andere Regelungen (etwa im Kostenrecht) geeignete, speziellere und damit vorrangige Instrumentarien zur Verfügung (vgl. BayVGH, B.v. 1.9.2022 – 22 C 22.1221 – juris Rn. 19). Gemessen hieran sind Anhaltspunkte für ein (bewusst) rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten vorliegend nicht ansatzweise ersichtlich. Der Kläger hatte seine Klage erst in der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2024 zurückgenommen.
16
2.2.2. Auch wurde die Kostenfestsetzung von der Antragstellerseite in ihrer gebührenrechtlichen Begründung weder tatbestandlich noch rechnerisch beanstandet noch sind für das Gericht insoweit Mängel erkennbar.
17
2.2.3. Schließlich wird darauf hingewiesen, dass Gegenstand des Erinnerungsverfahrens allein der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11. Dezember 2024, nicht aber die Kostengrundentscheidung des Einstellungsbeschlusses vom 10. April 2024 ist. Urkundsbeamtin und Gericht sind im Rahmen der Kostenfestsetzung vielmehr an diese Kostengrundentscheidung gebunden (vgl. z.B. Olbertz in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand 44. EL März 2023, § 165 VwGO Rn 11; Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 165 Rn. 5). Die Kostengrundentscheidung ist also Maßstab, nicht aber Gegenstand des Erinnerungsverfahrens (Wysk aaO, Vor § 154 Rn. 19, 25). Unabhängig hiervon ist die im Einstellungsbeschluss getroffene Kostengrundentscheidung in der Sache aber auch nicht zu beanstanden. Im Falle einer Klagerücknahme hat der Kläger aufgrund der sich aus dem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen (vgl. § 155 Abs. 2 VwGO) zwingend die Kosten des Verfahrens zu tragen.
18
Sonach war die Erinnerung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen; das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.