Inhalt

VG München, Beschluss v. 07.02.2025 – M 11 M 23.3326
Titel:

Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss (erfolglos), Wahrung der Schriftform durch Übermittlung von eingescannten unterschiebenen Schriftsätzen per einfacher E-Mail (verneint)

Normenketten:
VwGO § 164
VwGO § 165
VwGO § 151
Schlagworte:
Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss (erfolglos), Wahrung der Schriftform durch Übermittlung von eingescannten unterschiebenen Schriftsätzen per einfacher E-Mail (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2809

Tenor

I. Die Kostenerinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. April 2023 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller haben die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin je zur Hälfte zu tragen. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller wenden sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 5. April 2023.
2
Die Antragsteller waren als Kläger, die Antragsgegnerin als Beklagte Beteiligte im Klageverfahren M 11 K 21.5720. Nach Klagerücknahme wurde das Verfahren durch Beschluss eingestellt und den Antragstellern die Kosten des Verfahrens auferlegt.
3
Auf Antrag der Antragsgegnerin setzte die Urkundsbeamtin mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. April 2023 die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin fest.
4
Ein Abdruck des Beschlusses wurde der Antragstellerin zu 2. am 8. April 2023, dem Antragsteller zu 1. am 11. April 2023 jeweils gegen Postzustellungsurkunde durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt.
5
Mit E-Mail vom 25. April 2023 haben die Antragsteller zwei mit der Unterschrift des jeweiligen Antragstellers versehene Schreiben als elektronische Dokumente übersandt und gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss „sämtliche mögliche Rechtsmittel“ eingelegt.
6
Unter dem 7. Juni 2023 wies die Urkundsbeamtin die Antragsteller jeweils darauf hin, dass der Rechtsbehelf gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss nicht formgerecht eingegangen sei.
7
Hierauf antworteten die Antragsteller gemeinsam mit am 21. Juni 2023 per Fax übermitteltem Schreiben und baten um Informationen zur Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei durch die Antragsgegnerin.
8
Die Urkundsbeamtin hat den Anträgen nicht abgeholfen und diese am 4. Juli 2023 dem Gericht vorgelegt.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte – auch des Klageverfahrens M 11 K 21.5720 – verwiesen.
II.
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1. Das Gericht legt den Antrag gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO i.V.m. §§ 133, 157 BGB als Kostenerinnerung nach § 165 VwGO aus. Diese ist das statthafte Rechtsmittel gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss.
11
Funktionell zuständig für die Entscheidung über die Kostenerinnerung ist der Berichterstatter. Das Gericht entscheidet über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten in der Besetzung, in der die zu Grunde liegende Kostengrundentscheidung getroffen wurde. Ist die Kostengrundentscheidung in einer Entscheidung enthalten, für die der Berichterstatter zuständig war, ist dieser auch im Erinnerungsverfahren funktionell zuständig (BVerwG, B.v. 14.2.1996 – 11 VR 40.95 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845 – juris Rn. 10; B.v. 19.10.2023 – 14 C 23.745 – juris Rn. 20). Hier wurde die Kostengrundentscheidung durch die dafür gemäß § 87a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 5 VwGO zuständige Berichterstatterin in Ziffer II. des Beschlusses vom 28. September 2022 getroffen.
12
2. Die Kostenerinnerungen sind unzulässig.
13
a) Der Antrag der Antragstellerin zu 2. ist ungeachtet der Frage der Formwirksamkeit unzulässig, da er nicht innerhalb zweiwöchigen Frist nach §§ 165 Satz 2, 151 Satz 1 VwGO eingereicht worden ist.
14
Für die Antragstellerin zu 2. begann die Rechtsmittelfrist – eine Ereignisfrist – gemäß § 57 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB an dem auf die Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses folgenden Tag zu laufen, also am Sonntag, dem 9. April 2023. Sie endete gemäß § 57 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages, der durch seine Benennung dem Tage entspricht, in den das fristauslösende Ereignis – hier: die Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses – fällt. Da der Kostenfestsetzungsbeschluss am Samstag, dem 8. April 2023 zugestellt wurde, fällt das Fristende rechnerisch auf Samstag, den 22. April 2023. Fällt das Ende einer Frist – wie hier – auf einen Sonnabend (in Süddeutschland: Samstag), so endet die Frist gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 VwGO mit Ablauf des nächsten Werktags, hier mit Ablauf des Montags, dem 24. April 2023. Die E-Mail der Antragsteller mit dem auf den 25. April 2023 datierten Schreiben der Antragstellerin zu 2. ging erst am Abend des 25. April 2023 und damit nach Ablauf der maßgeblichen Rechtsmittelfrist ein.
15
b) Der Antrag des Antragstellers zu 1. ist unzulässig, da er nicht fristgerecht in der nach §§ 165 Satz 1, 151 Satz 2 VwGO erforderlichen Form eingelegt worden ist. Die E-Mail mit dem Schreiben des Antragsellers zu 2. wahrt zwar die Frist nach §§ 165 Satz 2, 151 Satz 1 VwGO, da sie am 25. April 2023 um 21:19 Uhr, mithin am letzten Tag der durch die Zustellung des an ihn gerichteten Kostenfestsetzungsbeschlusses am 11. April 2023 in Lauf gesetzten Frist bei Gericht einging. Fristwahrend ist jedoch nur der Eingang eines Antrages, der das in §§ 165 Satz 2, 151 Satz 1 VwGO normierte Schriftformerfordernis wahrt. Ein eingescanntes Schreiben, das per einfacher E-Mail in einer PDF-Datei übermittelt wird, wahrt die Schriftform nicht. Es kann dahinstehen, ob die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts, wonach die Schriftform nach § 130 ZPO gewahrt ist, wenn ein im Original eigenhändig unterzeichneter Schriftsatz in eine PDF-Datei eingescannt und diese nach vorheriger Rücksprache mit der Geschäftsstelle per E-Mail an das Gericht übersandt und dort ausgedruckt worden ist (BGH, B.v. 4.2.2020 – X ZB 11/18 – juris Rn. 16; B.v. 18.3.2015 – XII ZB 424/14 – juris Rn. 16; B.v. 15.7.2008 – X ZB 8/08 – juris Rn. 6 ff.; BAG, B.v. 11.7.2013 – 2 AZB 6/13 – juris Rn. 12), im hier eröffneten Anwendungsbereich des § 55a VwGO Anwendung finden kann (ablehnend z.B. SächsOVG, B.v. 19.10.2015 – 5 D 55/14 – juris Rn. 6 ff.; OVG Hamburg, B.v. 15.7.2024 – 5 So 50/24 – jurs Rn. 7 ff.; kritisch Müller, AnwBl 2016, 27 ff.; offen gelassen von HessVGH, B.v. 18.7.2018 – 1 B 2029/17 – juris Rn. 29). Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird das Schriftformerfordernis erst mit dem Ausdruck des per E-Mail übermittelten Dokuments erfüllt; das ausgedruckte Dokument muss dem Gericht noch innerhalb der Frist in ausgedruckter Form vorliegen (BGH, U.v. 4.2.2020 – X ZB 11/18 – juris Rn. 18 ff; B.v. 8.5.2019 – XII ZB 8/19 – juris Rn. 14 ff.; BAG, B.v. 11.7.2013 – 2 AZB 6/13 – juris Rn. 12). Im vorliegenden Fall ging die E-Mail der Antragsteller am 25. April 2023 um 21:19 Uhr bei Gericht ein, also am letzten Tag der Frist außerhalb der Geschäftszeiten der Poststelle und der Geschäftsstellen. Der Ausdruck konnte somit erst am nächsten Arbeitstag und damit außerhalb der maßgeblichen Frist erfolgen.
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c) Keiner der Antragsteller hat auf den Hinweis auf die Nichteinhaltung der Formvorschriften, der durch die Urkundsbeamtin mit Schreiben vom 7. Juni 2023 erfolgte, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO gestellt. Das am 21. Juni 2023 per Fax übermittelte Schreiben der Antragsteller lässt sich nicht als Wiedereinsetzungsantrag auslegen. Darin führten die Antragsteller lediglich aus, dass es für die Begründung ihres „Widerspruchs“ notwendig sei, die Auftragserteilung/Bevollmächtigung (Art und Umfang) der von der Antragsgegnerin beauftragten Anwaltskanzlei zu erhalten. Ein Wiedereinsetzungsantrag wäre mittlerweile gemäß § 60 Abs. 3 VwGO ausgeschlossen.
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3. Einer Entscheidung über Gerichtskosten und einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil das Erinnerungsverfahren gerichtsgebührenfrei ist (vgl. BVerwG, B.v. 27.4.2022 – 9 KSt 10.21 – juris Rn. 10). Eine Festsetzung des Gegenstandswerts nach § 33 RVG ist nicht beantragt worden. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO.