Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 01.10.2025 – 204 StObWs 355/25
Titel:

Voraussetzungen der regelhaften Kontrolle ausgehender Gefangenenpost

Normenketten:
BayStVollzG Art. 12, Art. 32
GG Art. 10
Leitsätze:
1. Ausgehende Briefe einschließlich Gerichtspost dürfen in Anstalten, die nicht zu einer besonders hohen oder zur höchsten Sicherheitsstufe gehören, nicht regelhaft kontrolliert werden. Eine entsprechende Anordnung der Justizvollzugsanstalt muss sich auf konkrete Anhaltspunkte für Behandlungs-, Sicherheits- oder Ordnungsgründe stützen. (Rn. 13 – 18)
2. Allein der Umstand, dass Freiheitsstrafen im geschlossenen Vollzug, also der in Bayern geltenden Regelvollzugsform vollzogen werden, genügt zur Begründung von Missbrauchsbefürchtungen nicht. (Rn. 18)
Schlagworte:
Strafvollzug, geschlossener Vollzug, Sicherheitsstufe, Gefangenenpost, Briefkontrolle, Missbrauchsgefahr
Fundstellen:
BeckRS 2025, 28019
FDStrafR 2025, 028019

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Strafgefangenen R. werden
a) die Anordnung der Justizvollzugsanstalt K. vom 08.04.2025, ausgehende Briefe in unverschlossenem Zustand aufzugeben, und
b) der Beschluss der Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kempten vom 01.07.2025 aufgehoben.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen und die dem Strafgefangenen darin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
3. Der Gegenstandswert für das erstinstanzliche Verfahren und für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden auf 500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin ist seit 21.02.2025 in der Justizvollzugsanstalt K. zum Vollzug einer Freiheitsstrafe untergebracht.
2
Mit Schreiben vom 08.05.2025 wandte sie sich gegen die mündliche Anordnung der Justizvollzugsanstalt K. vom 08.04.2025, sämtliche ausgehenden Briefe in unverschlossenem Zustand aufzugeben. Eine nachfolgende Kontrolle ihrer abgehenden Schreiben sei nicht gerechtfertigt, da gegen sie keine Sicherheitsverfügung bestehe.
3
Die Justizvollzugsanstalt K. nahm hierzu mit Schreiben vom 23.05.2025 Stellung und verwies darauf, dass es sich bei der angegriffenen Anordnung um eine im Rahmen des Art. 32 Abs. 3 BayStVollzG i. V. m. Nr. 4 Abs. 2 VV zu Art. 32 BayStVollzG zulässige Vorgehensweise zur Sicherstellung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt handeln würde. Auch wenn bei der Antragstellerin kein individueller Sicherheitsvermerk vorliege, bestehe ein legitimes Interesse der Anstalt, Kontrollen der ein- und ausgehenden Post vorzunehmen, um Missbrauch vorzubeugen und sicherheitsrelevante Informationen frühzeitig zu erkennen. Auch Post an Gerichte und Behörden dürfe im Rahmen einer Sichtkontrolle zur Prüfung auf unzulässige Beilagen überprüft werden.
4
Mit Beschluss vom 01.07.2025 wies die Kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kempten den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 08.05.2025 als unbegründet zurück. In der Begründung schloss sich die Strafvollstreckungskammer der Argumentation der Justizvollzugsanstalt an.
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Gegen diesen ihr am 08.07.2025 zugestellten Beschluss legte die Strafgefangene am 08.08.2025 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts Kempten Rechtsbeschwerde ein, rügte die Verletzung formellen und materiellen Rechts und beantragt, den Beschluss vom 01.07.2025 aufzuheben und antragsgemäß zu entscheiden. Mit weiterem Schreiben vom 08.08.2025 beantragt sie im Hinblick auf die versäumte Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
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Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Schreiben vom 21.08.2025 die kostenfällige Verwerfung der Rechtsbeschwerde als unbegründet beantragt.
7
Eine Stellungnahme hierzu erfolgte seitens der Strafgefangenen nicht mehr.
II.
8
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie wurde gemäß § 118 Abs. 1, Abs. 3 StVollzG i. V. m. Art. 208 BayStVollzG frist- und formgerecht eingelegt und begründet. Einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedarf es mangels Fristversäumnis nicht. Auch die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG i. V. m. Art. 208 BayStVollzG sind gegeben, da die Nachprüfung der gerichtlichen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.
III.
9
Die Rechtsbeschwerde hat auch Erfolg und führt, da das Verfahren spruchreif ist, nicht nur zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, sondern auch zur Aufhebung der von der Beschwerdeführerin angefochtenen Anordnung der Justizvollzugsanstalt K. vom 08.04.2025, alle ausgehende Briefe in unverschlossenem Zustand aufzugeben (§ 115 Abs. 2 Satz 1 StVollzG i. V. m. Art. 208 BayStVollzG).
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1. Die von der Antragstellerin erhobene Rüge der Verletzung formellen Rechts bleibt erfolglos. Die Antragstellerin hat ihre allgemein erhobene Verfahrensrüge entgegen § 118 Abs. 2 S. 2 StVollzG nicht weiter ausgeführt.
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2. Die Strafgefangene wendet sich vorliegend gegen die Anordnung der Justizvollzugsanstalt K. vom 08.04.2025, ausgehende Briefe, einschließlich der an das Justizzentrum K. adressierten Gerichtspost, unverschlossen zur Beförderung aufzugeben. Der Antrag vom 08.05.2025, der zwar als Feststellungsantrag formuliert ist, ist im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung jedoch als Anfechtungsantrag zu behandeln. Mit einer Beseitigung der Anordnung vom 08.04.2025 wäre dem Interesse der Antragstellerin, Briefe wieder verschlossen aufzugeben, Genüge getan. Die Gerichte sind insoweit verpflichtet, bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten und auslegungsfähige Anträge nicht daran scheitern zu lassen, dass die Rechtslage unübersichtlich ist, und die Anträge sachdienlich auszulegen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 04.01.2021 – 2 BvR 673/20 –, juris Rn. 26).
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3. Die Anordnung der Justizvollzugsanstalt K. vom 08.04.2025, ausgehende Briefe, einschließlich der an das Justizzentrum K. adressierten Gerichtspost, unverschlossen zur Beförderung aufzugeben, war vorliegend rechtswidrig.
13
a) Art. 32 Abs. 3 BayStVollzG lässt die Überwachung des Schriftwechsels des Gefangenen mit Dritten, sofern nicht die Ausnahmefälle des Art. 32 Abs. 1 und 2 BayStVollzG vorliegen, ohne Anwesenheit des Gefangenen zu, soweit dies aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist. Überwachung bedeutet die optische Kontrolle auf verbotene Gegenstände (Sichtkontrolle) und die Wahrnehmung des Inhalts (Textkontrolle; vgl. BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 22. Ed. 01.04.2025, BayStVollzG Art. 32 Rn. 2). Hierzu haben die Gefangenen gemäß Nr. 4 Abs. 2 der VV zu Art. 32 BayStVollzG ihre Schreiben in offenem Umschlag in der Anstalt abzugeben.
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b) Hierbei handelt es sich um eine gemäß Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG zulässige gesetzliche Einschränkung des grundrechtlich geschützten Brief- und Postgeheimnisses gemäß Art. 10 Abs. 1 GG hinsichtlich des gesamten Schriftverkehrs des Gefangenen (vgl. zu § 29 Abs. 3 StVollzG BVerfG, Kammerbeschluss vom 22.10.2003 – 2 BvR 345/03 –, BVerfGK 2, 78, juris Rn. 4; OLG Hamm, Beschluss vom 26.07.2006 – 1 Vollz (Ws) 481/06 –, juris Rn. 12). Die Norm muss allerdings ihrerseits im Lichte der besonderen Bedeutung des Brief- und Postgeheimnisses unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausgelegt und angewendet werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22.10.2003 – 2 BvR 345/03 –, BVerfGK 2, 78 = NStZ 2004, 225, juris Rn. 4). Voraussetzung einer Überwachung des Schriftverkehrs nach Art. 32 Abs. 3 BayStVollzG ist somit regelmäßig, dass tatsächliche Anhaltspunkte für Behandlungs-, Sicherheits- oder Ordnungsgründe vorliegen (BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 22. Ed. 01.04.2025, BayStVollzG Art. 32 Rn. 4 m.w.N.; Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 29 Rn. 4; Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier/Laubenthal/Baier, 13. Aufl. 2024, Kap. E Rn. 71).
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c) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es nicht, eine Überwachung des Schriftwechsels davon abhängig zu machen, dass besondere Gründe für eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt gerade in der Person des jeweils betroffenen Gefangenen festgestellt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22.10.2003 – 2 BvR 345/03 –, BVerfGK 2, 78, juris Rn. 5). Denn wenn zum Schutz gewichtiger Belange, die Eingriffe in ein Grundrecht rechtfertigen können, Einschränkungen auf der Grundlage einer jeweils einzelfallbezogenen Prognose und Abwägung nicht geeignet sind, kann auch eine regelhafte Einschränkung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22.10.2003 – 2 BvR 345/03 –, BVerfGK 2, 78, juris Rn. 6). Deshalb können auch anstaltsbezogene Gründe, wie z. B. ein besonderes Sicherheitsbedürfnis der Anstalt, eine generelle Postkontrolle rechtfertigen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22.10.2003 – 2 BvR 345/03 –, BVerfGK 2, 78, juris Rn. 7; Senat, Beschlüsse vom 28.07.2023 – 204 StObWs 84/23 –, juris Rn. 25, und vom 31.08.2021 – 204 StObWs 122/21 –, juris Rn. 15; KG, Beschluss vom 31.07.2013 – 2 Ws 300/13 Vollz –, juris Rn. 12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.01.1978 – 3 Ws 653/77 StVollz –, NJW 1979, 2525; OLG Hamm, Beschluss vom 26.02.1981 – 7 Vollz (Ws) 49/81 –, NStZ 1981, 368; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 07.01.1991 – 3 Vollz (Ws) 60/90 –, ZfStrVo 1991, 185, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.09.2003 – 1 Ws 210/03 –, NStZ 2004, 517; OLG Hamm, Beschluss vom 26.07.2006 – 1 Vollz (Ws) 481/06 –, juris Rn. 13 f.; KG Berlin, Beschluss vom 31.07.2013 – 2 Ws 300/13 Vollz –, juris Rn. 12; OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.2014 – III-1 Vollz (Ws) 337/13 –, juris Rn. 14; OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.05.2018 – 2 Ws 276/18 –, juris Rn. 17 f.; BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 22. Ed. 01.04.2025, BayStVollzG Art. 32 Rn. 4; Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 29 Rn. 4; offen gelassen von Dessecker/Schwind in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 7. Aufl., 9. Kap., Abschn. C Rn. 25; ablehnend Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier/Laubenthal/Baier, 13. Aufl. 2024, Kap. E Rn. 71; Feest / Lesting / Lindemann, Strafvollzugsgesetze, 8. Auflage 2022, Teil II LandesR § 33 Rn. 6, § 34 Rn. 9).
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d) So verhält es sich in Anstalten mit besonders hoher oder der höchsten Sicherheitsstufe, die zu einem großen Teil mit Langzeitgefangenen und Straftätern, die wegen Gewaltdelikten verurteilt worden sind, belegt sind (vgl. Senat, Beschlüsse vom 28.07.2023 – 204 StObWs 84/23 –, juris Rn. 25, und vom 31.08.2021 – 204 StObWs 122/21 –, juris Rn. 15; KG, Beschluss vom 31.07.2013 – 2 Ws 300/13 Vollz –, juris Rn. 12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.01.1978 – 3 Ws 653/77 StVollz –, NJW 1979, 2525; OLG Hamm, NStZ 1981, 368; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 07.01.1991 – 3 Vollz (Ws) 60/90 –, ZfStrVo 1991, 185, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.09.2003 – 1 Ws 210/03 –, NStZ 2004, 517; OLG Hamm, Beschluss vom 26.07.2006 – 1 Vollz (Ws) 481/06 –, juris Rn. 13 f.; KG Berlin, Beschluss vom 31.07.2013 – 2 Ws 300/13 Vollz –, juris Rn. 12; OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.2014 – III-1 Vollz (Ws) 337/13 –, juris Rn. 14; OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.05.2018 – 2 Ws 276/18 –, juris Rn. 17 f.). In solchen Anstalten können Maßnahmen zur Postkontrolle getroffen werden, die sich unabhängig von individuell begründeten Missbrauchsbefürchtungen auf alle Gefangene erstrecken. Zum einen ist es schon nicht möglich, den Kreis der potentiell gefährlichen Gefangenen exakt zu bestimmen. Zum anderen besteht bei den vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten in der Justizvollzugsanstalt die Gefahr, dass in Anstalten, in denen viele besonders gefährliche Gefangene untergebracht sind, im Falle einer nur für einzelne Gefangene angeordneten Überwachung des Schriftwechsels gefährliche Gefangene nicht überwachte Mitgefangene mit verschiedensten Mitteln beeinflussen und unter Druck setzen können, um mit Hilfe von deren ein- und ausgehender Post sicherheitsgefährdende Kontakte nach außen herzustellen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22.10.2003 – 2 BvR 345/03 –, BVerfGK 2, 78, juris Rn. 5 und 7; Senat, Beschlüsse vom 28.07.2023 – 204 StObWs 84/23 –, juris Rn. 25, und vom 31.08.2021 – 204 StObWs 122/21 –, juris Rn. 15; KG, Beschluss vom 31.07.2013 – 2 Ws 300/13 Vollz –, juris Rn. 12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.01.1978 – 3 Ws 653/77 StVollz –, NJW 1979, 2525; OLG Hamm, NStZ 1981, 368; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 07.01.1991 – 3 Vollz (Ws) 60/90 –, ZfStrVo 1991, 185, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.09.2003 – 1 Ws 210/03 –, NStZ 2004, 517; OLG Hamm, Beschluss vom 26.07.2006 – 1 Vollz (Ws) 481/06 –, juris Rn. 13 f.; KG Berlin, Beschluss vom 31.07.2013 – 2 Ws 300/13 Vollz –, juris Rn. 12; OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.2014 – III-1 Vollz (Ws) 337/13 –, juris Rn. 14; OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.05.2018 – 2 Ws 276/18 –, juris Rn. 17 f.; BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 22. Ed. 01.04.2025, BayStVollzG Art. 32 Rn. 4 m.w.N.; Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 29 Rn. 4).
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Nach der Rechtsprechung des Senats sind Justizvollzugsanstalten des höchsten Sicherheitsgrades auch befugt, Schreiben von Strafgefangenen, die an Gerichte und Behörden, soweit es sich nicht um solche im Sinne des Art. 32 Abs. 2 BayStVollzG handelt, gerichtet sind, jedenfalls einer Sichtkontrolle zu unterziehen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 28.07.2023 – 204 StObWs 84/23 –, juris Rn. 39, und vom 31.08.2021 – 204 StObWs 122/21 –, juris Rn. 27).
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e) In Anstalten geringer Sicherheitsstufe kann dies jedoch nicht gelten, da bei den in diesen Anstalten einsitzenden Strafgefangenen derartige Missbrauchshandlungen nicht zwangsläufig zu erwarten sind. Es handelt sich in der Regel um wenig gefährliche Straftäter mit geringer krimineller Energie, bei denen im Hinblick auf eine baldige Entlassung das Bedürfnis, sicherheitsgefährdende Kontakte nach außen herzustellen, nicht besteht. Allein der Umstand, dass in solchen Anstalten Freiheitsstrafen im geschlossenen Vollzug, bei dem es sich gemäß Art. 12 Abs. 1 BayStVollzG in Bayern um die Regelvollzugsform handelt (Laubenthal/ Nestler/Neubacher/Verrel/Baier/Verrel, 13. Aufl. 2024, Kap. D Rn. 4), vollzogen werden, reicht zur Begründung von Missbrauchsbefürchtungen nicht aus. Soweit in der Gesetzesbegründung zu Art. 32 BayStVollzG davon ausgegangen wird, dass entsprechend der Rechtsprechung zu § 29 Abs. 3 StVollzG im geschlossenen Vollzug auch eine generelle Anordnung der Justizvollzugsanstalt zulässig sei, den Briefverkehr aller Gefangenen zu überwachen (so BayLT-Drs. 15/8101 S. 57), wurde dabei übersehen, dass die insoweit veröffentlichte Rechtsprechung zu § 29 StVollzG ausnahmslos nur Justizvollzugsanstalten mit besonders hoher oder höchster Sicherheitsstufe (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.09.2003 – 1 Ws 210/03 –, NStZ 2004, 517; OLG Hamm, Beschluss vom 01. April 2014 – III-1 Vollz (Ws) 337/13 –, juris Rn. 14; OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.05.2018 – 2 Ws 276/18 –, juris Rn. 17 f.) oder kriminell hochbelastete Anstalten betraf (KG Berlin, Beschluss vom 31.07.2013 – 2 Ws 300/13 Vollz –, juris Rn. 12), bei denen ausbruchswillige oder sonst sicherheitsgefährdende Gefangene (OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.01.1978 – 3 Ws 653/77 StVollz –, NJW 1979, 2525), Langzeitgefangene und Straftäter, die wegen Gewaltdelikten verurteilt worden sind (OLG Hamm, Beschluss vom 26.02.1981 – 7 Vollz (Ws) 49/81 –, NStZ 1981, 368; OLG Hamm, Beschluss vom 26.07.2006 – 1 Vollz (Ws) 481/06 –, juris Rn. 13 f.), oder besonders gefährliche Gefangene untergebracht waren (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 07.01.1991 – 3 Vollz (Ws) 60/90 –, ZfStrVo 1991, 185, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.09.2003 – 1 Ws 210/03 –, NStZ 2004, 517). Soweit das OLG Zweibrücken in seinem Beschluss vom 08.01.1985 – 1 Vollz (Ws) 32/84 – (NStZ 1985, 236), feststellte, dass die Gefahr von Missbräuchen grundsätzlich hinsichtlich aller Gefangenen im geschlossenen Vollzug bestehen würde, betraf dies die heute für Bayern nicht mehr geltende Situation, dass nicht der geschlossene, sondern der offene Vollzug gemäß § 10 Abs. 1 StVollzG die Regelvollzugsform darstellt (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier/Verrel, 13. Aufl. 2024, Kap. D Rn. 4). Der sich aus der früheren gesetzlichen Regelvollzugsform des offenen Vollzugs ergebende Schluss, dass es sich bei den im geschlossenen Vollzug befindlichen Gefangenen um gefährliche handeln würde, ist so zumindest für Bayern nicht mehr zulässig.
19
f) Dies zu Grunde gelegt hält die Anordnung der Justizvollzugsanstalt K. vom 08.04.2025 einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Anordnung, ausgehende Briefe, einschließlich der an das Justizzentrum K. adressierten Gerichtspost, unverschlossen zur Beförderung aufzugeben, wäre nur dann rechtmäßig gewesen, wenn die Justizvollzugsanstalt K. berechtigt wäre, die ausgehende Post der Antragstellerin zu kontrollieren, weil dies aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich gewesen wäre, Art. 32 Abs. 3 BayStVollzG.
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Dass derartige tatsächliche Anhaltspunkte für die von der Justizvollzugsanstalt behauptete Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt vorliegen, ergibt sich aus den Feststellungen der Strafvollstreckungskammer, die sich insoweit auf die Ausführungen im Schreiben der Justizvollzugsanstalt vom 23.05.2025 bezogen hat, nicht. In der Person der Beschwerdeführerin liegen derartige Umstände, worauf auch die Justizvollzugsanstalt hingewiesen hat, nicht vor. Aber auch das Vorliegen anstaltsbezogener Gründe ist nicht dargetan. Insbesondere ergeben sich solche auch nicht aus der Sicherheitsstufe der Anstalt. Nachdem in der Justizvollzugsanstalt K. nach dem derzeit gültigen Vollstreckungsplan des Freistaats Bayern in der Fassung vom 14.05.2025 sowohl im Erst- als auch im Regelvollzug nur Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren vollstreckt werden, lässt sich insoweit nicht allgemein feststellen, dass diese mit Langzeitgefangenen und Straftätern, die wegen Gewaltdelikten verurteilt worden sind, und damit besonders gefährlichen Straftätern belegt ist und somit einer besonders hohen oder der höchsten Sicherheitsstufe angehört.
21
g) Nachdem die Voraussetzungen für eine zulässige Postkontrolle bei der Antragstellerin nicht festgestellt werden können, ist auch die Anordnung, ausgehende Briefe, einschließlich der an das Justizzentrum K. adressierten Gerichtspost, unverschlossen zur Beförderung aufzugeben, rechtswidrig und greift in deren Grundrechte ein. Dementsprechend waren der Beschluss der Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kempten vom 01.07.2025 und die Anordnung der Justizvollzugsanstalt K. vom 08.04.2025 aufzuheben.
22
Diese Entscheidung steht einer erneuten gleichlautenden Entscheidung der Justizvollzugsanstalt K. nicht entgegen, soweit diese durch tatsächliche Anhaltspunkte für Behandlungs-, Sicherheits- oder Ordnungsgründe begründet würde.
III.
23
1. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 1 und 4 StVollzG, § 467 Abs. 1, § 473 Abs. 4 StPO.
24
2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für beide Instanzen beruht auf § 1 Abs. 1 Nr. 8, §§ 65, 60, 52, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.