Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 04.09.2025 – 203 StObWs 239/25
Titel:

Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, Rechtsbeschwerdefrist, Einlegung der Rechtsbeschwerde, Antragsgegner, Verpflichtungsantrag, Hilfsantrag, Anstaltsverpflegung, Feststellungsantrag, Antragstellers, Kostenentscheidung, Fortsetzungsfeststellungsantrag, Strafvollstreckungskammer, Lebensmittel, Strafgefangener, Gegenstandswert, Selbstverpflegung, Selbstbeschaffung, Beschlüsse, Ermessensentscheidung, Weiterer Bevollmächtigter

Leitsätze:
1. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der Anstaltsverpflegung die religiösen und die moralisch-ethischen Überzeugungen der Strafgefangenen zu berücksichtigten. Es besteht aber keine Verpflichtung, sämtliche Verbote und Gebote aller Glaubensgemeinschaften sowie weltanschaulicher Überzeugungen umzusetzen.
2. Ob eine Justizvollzugsanstalt innerhalb der Anstaltsverpflegung veganes Essen anbietet, ist einer Ermessensentscheidung mit Blick auf die Zahl der dort zu verköstigenden inhaftierten Personen, die Ausstattung der Küche der Anstalt und die Zahl der für die Essensversorgung der Gefangenen verfügbaren Mitarbeiter vorbehalten.
3. Die Anstalt ist aber gehalten, den betroffenen Gefangenen eine ihren Vorschriften entsprechende Ernährung dadurch zu ermöglichen, dass sich die Gefangenen einzelne Speisen und Lebensmittel auf eigene Rechnung selbst beschaffen können.
4. Nach der im Einzelfall vorgenommenen Abwägung konnte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf vegetarische, laktosefreie Kost und den ergänzenden Eigenerwerb veganer Lebensmittel verweisen.
Schlagworte:
Veganismus, Persönlichkeitsrecht, Ernährungsform in Haft, Weltanschauungsfreiheit, Gerichtsentscheidung, Wirtschaftlichkeit
Fundstelle:
BeckRS 2025, 28018

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers ist erledigt.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten Rechtsanwältin B. vom 29.01.2025 beantragte der Rechtsbeschwerdeführer, der sich zum damaligen Zeitpunkt in der Justizvollzugsanstalt K. zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten befand, ihn mit veganer Kost zu versorgen und wendete sich gegen die insoweit ablehnende Entscheidung vom 28.01.2025. Die Aufnahme von Nahrung betreffe den Kernbereich seines Persönlichkeitsrechts, die Ablehnung veganer Kost stelle einen Eingriff in seine selbstbestimmte Lebensführung dar. Der Antragsteller sei gezwungen, nicht vegane Ernährung zu sich zu nehmen, was an Folter grenze und zu gesundheitlichen Problemen bei ihm führe. Sein Antrag auf vegane Ernährung beruhe auf ethischen Überlegungen zum Tierwohl und zur Nachhaltigkeit und sei durch die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und weltanschaulicher Überzeugungen gemäß Art. 4 GG gewährleistet. Sodann sichere das Recht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 GG eine gesunde angemessene Ernährung zu. Die Vorteile veganer Ernährung seien wissenschaftlich belegt. Ein Recht auf eine lebensgerechte Ernährung habe der Antragsteller auch innerhalb der Haftanstalt.
2
Die Antragsgegnerin führte in ihrer Stellungnahme vom 18.02.2025 aus, dass der Antragsteller am Tag seines Strafantritts, dem 16.12.2024, vegane Kost beantragt habe und dass er durch die Justizvollzugsanstalt am 18.12.2024 auf vegetarische Kost verwiesen worden sei. Es sei in der Folgezeit durch den medizinischen Dienst deren grundsätzliche Verträglichkeit für den Antragsteller festgestellt worden. Ergänzend sei laktosefreie Kost verordnet worden. Die Kostformen in der Anstalt würden ärztlich erstellt und überwacht gemäß Art. 23 S. 1 BayStVollzG. Bei medizinischer Indikation erfolgten individuelle Anpassungen des Kostplans beziehungsweise der dargereichten Kost (Art. 23 S. 2 BayStVollzG). Sodann könnten Gefangene weitere Lebensmittel über das reichhaltige Sortiment des Anstaltskaufmanns erwerben. Der Anteil von Menschen, die sich ausschließlich vegan ernährten, betrage nach zwei Untersuchungen nur 1% oder 2% an der Gesamtbevölkerung. Dass eine vegane Ernährung gesundheitliche Vorteile aufweise, werde bestritten. Vielmehr sei durch Studien nachgewiesen worden, dass vegane Ernährung tendenziell zu Mangelerscheinungen führe. In der Sache sei der Antrag des Gefangenen unbegründet, weil die Antragsgegnerin ihrer Verpflichtung, dem Antragsteller eine vollwertige Ernährung nach den Erkenntnissen der modernen Ernährungslehre zu gewährleisten, nachgekommen sei (Art. 58 i.V.m. Art. 23 BayStVollzG). Individuelle gesundheitliche Aspekte seien berücksichtigt worden. Sonderernährungsformen, insbesondere bei religiöser Überzeugung seien gemäß Art. 23 S. 3 BayStVollzG grundsätzlich zu berücksichtigen. Hieraus folge jedoch keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, sämtliche Verbote und Gebote aller Glaubensgemeinschaften zu beachten und entsprechende Speisen selbst anzubieten, da dies vor dem Hintergrund der Vielzahl an Glaubensgemeinschaften nicht praktikabel wäre. Die Anstalt sei stattdessen berechtigt, den Gefangenen darauf zu verweisen, einzelne Speisen und Lebensmittel durch andere, von ihm selbst zu beschaffende Lebensmittel zu ersetzen. Dies sei für den Antragsteller auch zumutbar. Insgesamt habe die Anstalt eine ermessensgerechte Ablehnungsentscheidung getroffen, da die grundsätzlich berücksichtigungsfähigen ethischen Überzeugungen des Antragstellers gegenüber den Interessen der Antragsgegnerin (Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit, begrenzte Ressourcen) zurückzutreten hätten.
3
Mit Schreiben zweier weiterer Bevollmächtigter des Antragstellers – Rechtsanwalt H. und Rechtsanwältin D. – vom 04.03.2025 stellte dieser neben seinem Verpflichtungsantrag auf Zurverfügungstellung veganer Kost den ersten Hilfsantrag, die Antragstellerin zu verpflichten, ihm die Zubereitung veganer Speisen zu ermöglichen und ihm die hierfür erforderlichen Lebensmittel auf Kosten der Justizvollzugsanstalt zur Verfügung zu stellen und den weiteren Hilfsantrag, ihm die Empfangnahme bestimmter veganer Lebensmittel durch Angehörige zu gestatten. Der Antragsteller lebe unfreiwillig vegetarisch. Aufgrund von Vermischung und mangelnder Deklarierung sei es ihm nicht möglich, tierische Zutaten zu vermeiden. Die Preise für vegane Produkte beim Anstaltskaufmann seien überhöht, es mangele dem Antragsteller als Grundsicherungsempfänger und Häftling an ausreichendem Einkommen. Die gewissensmäßige Not, die der Antragsteller erleide, nachdem er vegetarisches Essen zu sich nehmen müsse, könnten Nichtveganer oft nicht wahrnehmen. Die Haltungsbedingungen in der Milch- und Eierindustrie zählten zu den grausamsten Praktiken gegenüber Nutztieren, so dass es für den Antragsteller äußerst belastend sei, in der Haft vegetarisches Essen einnehmen zu müssen. Sodann sei vegane Ernährung keine Mangelernährung, die Ernährungsgesellschaften hätten ihre Standpunkte zu veganer Ernährung geändert. Supplementierung sei Ausdruck einer gut geplanten Ernährung, auch Nichtveganer litten unter Mangelerscheinungen. Ferner beuge vegane Ernährung schweren Volkskrankheiten vor. Auf die Zahl der Veganer käme es nicht an, da Minderheitenschutz auf Grundlage von Art. 4 GG nicht davon abhänge, wie groß die Minderheit sei. Der Hinweis auf den geringen Bevölkerungsanteil sei eine unzulässige Diskriminierung. Vegane Grundnahrungsmittel seien in Kempten in jedem Supermarkt erhältlich, die Einführung veganer Optionen in der Gemeinschaftsverpflegung sei kostengünstig. Hilfsweise könne der Antragsteller in der Küche mitarbeiten. Auch würde der Antragsteller als weltanschaulich motivierter Veganer beispielsweise gegenüber Mitgliedern der Glaubensgemeinschaft der Jain benachteiligt, da diese vegane Kost in der Justizvollzugsanstalt erhalten würden. Nicht relevant sei die Frage der medizinischen Unverträglichkeit.
4
Im Einzelnen stehe weltanschaulich vegane Ernährung religiösem Speisegebot nach Art. 4 GG gleich. Beim Antragsteller liege ein solches weltanschauliches Bekenntnis vor. Er betrachte alle Tiere, auch sogenannte Nutztiere, als gleichberechtigte Mitgeschöpfe. Seine Einstellung präge sein gesamtes Verhalten nach den als verbindlich empfundenen Grundsätzen seiner Weltanschauung. Diese vegane Weltanschauung sei auch nach Art. 9 EMRK geschützt. Im Anschluss daran seien § 21 StVollzG und Art. 23 BayStVollzG grundrechts- und EMRKkonform auszulegen. Hieraus ergebe sich ein Anspruch auf vollwertige vegane Ernährung, nicht nur auf kostenpflichtige Selbstverpflegung. Vegane Ernährung sei auch einfach umsetzbar und günstiger als klassische oder vegetarische Küche. Vegane Ernährung würde in einigen Justizvollzugsanstalten in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich und in der Schweiz bereits angeboten. Die Rechtsprechung zur Selbstverpflegung sei nicht anwendbar, weil vegane Ernährung keine bloße Diät sei. Der Verweis auf Selbstverpflegung sei unverhältnismäßig, da die milderen Mittel der Selbstzubereitung und der Empfangnahme veganer Zutaten durch Angehörige bestünden. Insgesamt sei das Vorgehen der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 3 GG nicht zulässig und es verstoße gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, religiöse Speisevorschriften in die Anstaltsverpflegung zu integrieren und dies Häftlingen, die aus ethisch weltanschaulicher Überzeugung vegan lebten, zu versagen.
5
Mit Beschluss vom 14.03.2025 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kempten den Antrag des Strafgefangenen auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin sei nur verpflichtet, dem Antragsteller eine seinen Bedürfnissen entsprechende Selbstverpflegung zu ermöglichen, es bestehe hingegen keine Beschaffungspflicht. Dies sei auch von der Verfassungsrechtslage gedeckt. Die Zurückweisung erfasste auch die beiden Hilfsanträge.
6
Der Beschluss wurde am 20.03.2025 an den Antragsteller und am 27.03.2025 an die Bevollmächtigte des Antragstellers Rechtsanwältin B. zugestellt. In ihrem Empfangsbekenntnis hat die Rechtsanwältin ausdrücklich versichert, zur Entgegennahme legitimiert zu sein.
7
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 22.04.2025, eingegangen am selben Tage, hat der Antragsteller Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Kempten eingelegt. Der Rechtsbeschwerdeführer stellte den Verpflichtungsantrag, ihm im Rahmen der Anstaltsverpflegung vollwertige vegane Kost zur Verfügung zu stellen, den Hilfsantrag, die Antragstellerin zu verpflichten, dem Antragsteller die Zubereitung veganer Speisen zu ermöglichen und ihm hierfür die erforderlichen Lebensmittel auf Kosten der Justizvollzugsanstalt zur Verfügung zu stellen und den weiteren Hilfsantrag, festzustellen, dass es rechtswidrig gewesen sei, dem Antragsteller während seiner Haftzeit keine vollwertige vegane Verpflegung zur Verfügung zu stellen (Ziffer 3.). Der Antragsteller wiederholte zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde die Ausführungen aus dem Schriftsatz vom 04.03.2025. Zum Feststellungsantrag führte er aus, dass ein Feststellungsinteresse aufgrund konkreter Wiederholungsgefahr bestehe, da drohe, dass der Antragsteller erneut eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt K. verbüßen werde müssen.
8
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte im Vorlageschreiben vom 13.05.2025 die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen. Es sei mangels Vollmacht nicht auf die Zustellung an Rechtsanwältin B. vom 27.03.2025 abzustellen, sondern auf die vorangegangene Zustellung an den Antragsteller. Aufgrund dieser Zustellung am 20.03.2025 sei die Rechtsbeschwerdefrist am 21.04.2025 abgelaufen, so dass die Einlegung am 22.04.2025 verspätet sei. Sodann sei die Überprüfung der Entscheidung nach § 116 Abs. 1 StVollzG nicht geboten. Im Übrigen wäre die Rechtsbeschwerde auch unbegründet, da die angefochtene Entscheidung keinen Rechtsfehler erkennen lasse.
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Am 26.05.2025 reichte die Vertreterin des Antragstellers die am 15.12.2024 erteilte Vollmacht nach, die ausdrücklich auch die Entgegennahme von Zustellungen aller Art umfasst. Mit Schreiben vom 05.06.2025 wendete sich die Bevollmächtigte dagegen, die Frist versäumt zu haben. Auch stellte sie einen Wiedereinsetzungsantrag.
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Mit weiterem Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 23.06.2025 erklärte der Antragsteller, dass er nur noch den Feststellungsantrag Ziffer 3. aus der Rechtsbeschwerde stelle, da er aus der Haft entlassen worden sei.
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Am 30.06.2025 reichte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kempten Unterlagen nach, welche von der Justizvollzugsanstalt K. eingegangen waren.
12
Hierzu hat sich der Beschwerdeführer mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 29.08.2025 geäußert.
II.
13
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers hat sich hinsichtlich seiner Anfechtungs- und Verpflichtungsanträge durch dessen Entlassung aus der Strafhaft erledigt. Es ist daher nur noch die Erledigung auszusprechen und eine Kostenentscheidung zu treffen (Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 121 Abs. 2 S. 2 StVollzG). Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen, nachdem seine Rechtsbeschwerde voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte. Die Stellung des Fortsetzungsfeststellungsantrags vom 23.06.2025 war im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr möglich.
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1. Die gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 116 Abs. 1 StVollzG statthafte Rechtsbeschwerde wurde nach Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 118 Abs. 1, Abs. 3 StVollzG form- und fristgerecht eingelegt.
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Die Frist ist auch dann gewahrt, wenn auf die Zustellung des Beschlusses an den Strafgefangenen selbst am 20.03.2025 abgestellt wird. Nachdem der 20.04.2025 auf einen Sonntag und der 21.04.2025 auf einen Feiertag (Ostermontag) fielen, war die am 22.04.2025 eingegangene Rechtsbeschwerde fristgerecht. Auf die Wirksamkeit der Zustellung an die Rechtsanwältin des Antragstellers am 27.03.2025 (vgl. dazu BayObLG, Beschluss vom 14.01.2004 – 2St RR 188/2003, juris, Rn. 4 ff; BGH, Beschluss vom 18.02.1997 – 1 StR 772/96, juris) und den von ihr gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt es daher nicht an.
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2. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 116 Abs. 1 StVollzG waren im Blick auf die Fortbildung des Rechts (vgl. Arloth in: Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl., § 116 Rn. 3 m.w.N.; Laubenthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl., 12. Kap., Abschnitt J. Rechtsbeschwerde, § 116 Rn. 4 m.w.N.; KG Berlin, Beschluss vom 13.08.2007 – 2 Ws 401/07 Vollz, juris, Rn. 5) gegeben.
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3. Mit der Entlassung des Antragstellers am 15.05.2025 aus der Strafhaft haben sich die am 29.01.2025 und 04.03.2025 gestellten Anfechtungs- und Verpflichtungsanträge erledigt.
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Bei dem vom Beschwerdeführer am 29.01.2025 gestellten Antrag handelt es sich um einen kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag, da er sich gegen die ablehnende Entscheidung der Antragsgegnerin wendete, den Antragsteller mit veganer Kost zu versorgen, und seine Verpflegung mit veganer Kost durch die Anstalt erreichen wollte. Weitere Hilfsverpflichtungsanträge hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 04.03.2025 gestellt. Mit diesen wollte er erreichen, ihm die Zubereitung veganer Speisen zu ermöglichen und ihm die dafür erforderlichen Lebensmittel auf Kosten der Justizvollzugsanstalt zur Verfügung zu stellen und weiter hilfsweise, ihm die Empfangnahme bestimmter veganer Lebensmittel durch Angehörige zu gestatten. Sämtliche Anträge sind durch die Entlassung des Antragstellers am 15.05.2025 aus der Strafhaft prozessual überholt.
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4. a) Tritt die Erledigung – wie hier – nach Einlegung der Rechtsbeschwerde (22.04.2025) ein, hat das Gericht nur noch die Erledigung auszusprechen und gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 121 Abs. 2 S. 2 StVollzG nach billigem Ermessen über die gesamten Kosten des Verfahrens zu entscheiden (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 18.11.2024 – 203 StObWs 550/24, juris, Rn. 2 und Rn. 5 ff.; BayObLG Beschluss vom 17.06.2025 – 204 StObWs 195/25, nicht veröffentlicht; BVerfG, Kammerbeschluss vom 29.12.2009 – 2 BvR 244/08, juris, Rn. 8 mit umfangreichen weiteren Nachweisen zur Rspr.; Bachmann in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier, StVollzG, 13. Aufl., Kap. P Rn. 78 und 141).
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b) Der mit Schriftsatz vom 23.06.2025 erfolgte Übergang zum Fortsetzungsfeststellungsantrag kommt, wenn die Erledigung – wie hier – erst nach dem Ergehen der Entscheidung der ersten Instanz eingetreten ist, nicht in Betracht (vgl. Senat, Beschluss vom 18.11.2024 – 203 StObWs 550/24, juris, Rn. 3; KG, Beschluss vom 07.06.2022 – 5 Ws 199/21, juris, Rn. 7; Thüringer OLG, Beschluss vom 12.07.2004 – 1 Ws 135/04, juris, Rn. 7). Ein Ausnahmefall eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs, der es rechtfertigen könnte, das Verfahren an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen oder in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 19.12.2012 – 2 BvR 166/11, BVerfGK 20, 177, juris, Rn. 20 ff.; BVerfG, Beschluss vom 05.12.2001 – 2 BvR 527/99, juris, Rn. 35 ff.; OLG Hamm, Beschluss vom 22.11.2017 – 1 Vollz (Ws) 64/17, juris, Rn. 10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.01.2004 – 1 Ws 27/03, juris, Rn. 4; Laubenthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl., 12. Kap. J § 116 Rn. 11; Arloth in: Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl., § 116 StVollzG Rn. 2), ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Beeinträchtigung des Beschwerdeführers, sich vorübergehend nicht vegan ernähren zu können, ist dadurch abgemildert worden, dass ihm die Justizvollzugsanstalt vegetarische bzw. laktosefreie Kost zur Verfügung gestellt hat und er beim Anstaltskaufmann vegane Lebensmittel erwerben konnte.
21
c) Dem am 22.04.2025 hilfsweise gestellten primären Feststellungsantrag stand bereits dessen Subsidiarität gegenüber dem Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag (Bachmann in: Laubenthal/ Nestler/Neubacher/Verrel/Baier, Strafvollzugsgesetze, 13. Aufl., Kap. P § 109 StVollzG Rn. 31) entgegen.
22
5. Die Kostenentscheidung trifft der Senat dahingehend, dass der Beschwerdeführer die Kosten zu tragen hat, denn ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses hätte seine Rechtsbeschwerde voraussichtlich keinen Erfolg gehabt. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller als Anstaltsverpflegung laktosefreies vegetarisches Essen zur Verfügung zu stellen in Verbindung mit der Möglichkeit für den Antragsteller, beim Anstaltskaufmann vegane Lebensmittel zu erwerben und diese gegen nicht vegane Lebensmittel des Kostplans austauschen zu können, ist nicht zu beanstanden und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
23
a) Die Antragsgegnerin hat ihren Erwägungen mit der Heranziehung von Art. 23 S. 3 BayStVollzG die zutreffende Vorschrift zugrunde gelegt. Die Antragsgegnerin hat die moralisch-ethischen Überzeugungen des Antragstellers akzeptiert und hat diese im Ergebnis mit religiösen Überzeugungen gleichgestellt. Im Gleichlauf mit der Verfahrensweise bei Religionsgemeinschaften, auch bei Minderheitsreligionen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 08.12.1993 – 3 Ws 591/93, NStZ 1994, 207), ist die Antragsgegnerin sodann von dem nicht zu beanstandenden Ausgangspunkt ausgegangen, dass keine Verpflichtung besteht, im Rahmen der Anstaltsverpflegung sämtliche Verbote und Gebote aller Glaubensgemeinschaften umzusetzen. Vielmehr ist die Anstalt lediglich gehalten, den betroffenen Gefangenen eine ihren Vorschriften entsprechende Ernährung dadurch zu ermöglichen, dass sich die Gefangenen einzelne Speisen und Lebensmittel selbst beschaffen können. Dies entspricht der einhelligen Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (KG Berlin, Beschluss vom 25.09.2019 – 5 Ws 121/19, juris, Rn. 15; und Beschluss vom 14.07.2011 – 2 Ws 248/11, juris, Rn. 7; OLG Stuttgart, Beschluss vom 27.01.1997 – 4 VAs 23/96, juris, Rn. 5; OLG Koblenz, Beschluss vom 02.12.1993 – 3 Ws 286/93, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 04.12.1982 – 7 Vollz (Ws) 140/83, MDR 1984, 427 nach juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.12.1978 – 1 Ws 424/78, juris; vgl. auch BT-Drs. 7/3998 S. 13), der sich auch der Senat anschließt (vgl. auch Laubenthal/Baier in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier, Strafvollzugsgesetze, 13. Aufl., Kap. H Gesundheit und Soziales, Kleidung Verpflegung, Rn. 152, 153). Art. 23 S. 3 BayStVollzG, der § 21 S. 3 StVollzG im Wortlaut entspricht, gewährt nur ein Recht auf Selbstverpflegung der Strafgefangenen, welche diese auch selbst finanzieren müssen. Die gebotene weltanschauliche Neutralitätspflicht des Staates steht einer Finanzierung dieser Lebensmittel entgegen, selbst wenn manche Gefangene nicht über ausreichende Eigenmittel verfügen sollten (KG Berlin vom 25.09.2019, a.a.O., Rn. 16; Setton in: BeckOK Strafvollzug Bund StVollzG § 21 Rn. 5).
24
b) Nicht zu beanstanden ist sodann die von der Antragsgegnerin im vorliegenden Einzelfall getroffene Ermessensentscheidung. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Abwägungsentscheidung einerseits das von der Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) getragene Interesse des Antragstellers, vegane Ernährung zu erhalten und alle Produkte tierischen Ursprungs zu vermeiden, eingestellt. Andererseits hat die Antragsgegnerin zutreffend darauf hingewiesen, dass für sie die Gebote der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gelten. Jede zusätzliche Kostform bedeute Mehrkosten beim Erwerb der Rohstoffe und Aufwand durch die Herstellung zusätzlicher Speisen. Die Antragsgegnerin hat auch zu Recht auf den nur geringen Anteil von Veganern an der Gesamtbevölkerung und die hieraus resultierende geringe Nachfrage nach veganer Kost hingewiesen. Nach dieser Abwägung konnte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf vegetarische, laktosefreie Kost und den ergänzenden Eigenerwerb veganer Lebensmittel verweisen. Das Abstellen auf den nur geringen Bevölkerungsanteil stellt hierbei keine Diskriminierung dar, sondern ist taugliches Abwägungskriterium im Rahmen der Wirtschaftlichkeit, an welcher sich die Antragsgegnerin auszurichten hat. Es spielt auch keine Rolle, ob der Anteil sich vegan Ernährender nur 1% oder 2% an der Gesamtbevölkerung, wovon die Antragsgegnerin ausgeht, oder 3% beträgt, was der Antragsteller vorträgt.
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c) Kein maßgebliches Entscheidungskriterium sind die aufgeworfenen Fragen, ob es sich bei veganer Ernährung um eine Mangelernährung handelt oder ob vegane Ernährung anderen Ernährungsformen sogar überlegen ist. Hierauf kommt es im Rahmen von Art. 23 S. 3 BayStVollzG nicht an.
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d) Ebenso wenig stellt die Tabelle mit dem Kostenvergleich aus der Studie eines privaten Forschungsinstituts die Entscheidung der Antragsgegnerin in Frage. Die Wirtschaftlichkeitsüberlegungen der Antragsgegnerin beruhen auf dem nachvollziehbaren Effekt, große Mengen mit Preisvorteil einkaufen zu können und auf dem organisatorischen und personellen Mehraufwand für die Herstellung einer zusätzlichen Speiselinie in der Anstaltsküche. Auch ist nicht ersichtlich, ob sich der Tabelleninhalt auf Kosten für privaten Verbrauch oder auf Großküchen bezieht.
27
e) Die Entscheidung der Antragsgegnerin hält auch einer Verhältnismäßigkeitsprüfung stand. Die Einwendungen hierzu, welche auf den am 04.03.2025 gestellten Hilfsanträgen basieren, sind nicht tragfähig. So hat der Senat keine Hinweise darauf, dass der Antragsteller mit dem Anliegen der Selbstzubereitung der Speisen (erster Hilfsantrag) und dem Erhalt von Lebensmitteln von Angehörigen (zweiter Hilfsantrag) überhaupt an die Justizvollzugsanstalt herangetreten ist. Nur wenn der Antragsteller zuvor die Maßnahme vergeblich von der Anstalt erbeten hat, kann er auf ein Bedürfnis nach gerichtlichem Rechtsschutz verweisen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 01.07.1998 – 2 BvR 1758/97, juris, Rn. 10). Auch würde die Übersendung von Lebensmitteln dem Paketempfang nach Art. 36 BayStVollzG unterfallen. Art. 36 Abs. 1 S. 3 BayStVollzG wiederum schließt Pakete mit Nahrungs- und Genussmitteln vom Empfang aus.
28
f) Der Sachvortrag des Antragstellers zu den Angehörigen der Religionsgemeinschaft der Jain ist nur fiktiv. Der Antragsteller trägt nicht vor, dass ein Angehöriger dieser Glaubensrichtung tatsächlich Haft in der Justizvollzugsanstalt K. verbüßt und hierbei vegane Nahrung erhalten hat. Die Ausführungen stellen die Entscheidung der Antragsgegnerin daher auch nicht in Frage. Es ist naheliegend, dass ein Inhaftierter dieser Glaubensrichtung – ebenso wie der Antragsteller – auf eine vegetarische Anstaltskost, ergänzt durch Eigenverpflegung, verwiesen worden wäre, nachdem die Justizvollzugsanstalt K. keinen Unterschied zwischen Nahrungswünschen aus religiösen und aus weltanschaulichen Gründen macht. Eine Ungleichbehandlung nach Art. 3 GG oder ein Verstoß gegen Art. 4 GG beziehungsweise Art. 9 EMRK sind damit nicht ersichtlich.
29
g) Keine Rolle spielt schließlich, ob andere Justizvollzugsanstalten oder Großküchen vegane Essen anbieten. Diese Entscheidung bleibt nach Art. 23 BayStVollzG jeder einzelnen Justizvollzugsanstalt im Blick auf die Zahl der dort zu verköstigenden inhaftierten Personen, die Ausstattung der Küche der jeweiligen Anstalt und die Zahl der für die Essensversorgung der Gefangenen verfügbaren Mitarbeiter vorbehalten.
30
6. Die Unterlagen, welche mit Schreiben des Landgerichts Kempten vom 30.06.2025 hier eingegangen sind, benötigt der Senat für seine Entscheidung nicht.
III.
31
Die Entscheidung über den Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens folgt aus §§ 1 Abs. 1 Nr. 8, 52 Abs. 1, 60, 65 GKG.