Inhalt

VGH München, Beschluss v. 02.10.2025 – 7 C 24.1595
Titel:

Streitwert betreffend den Berufszugang eröffnender abschließender Staatsprüfung

Normenkette:
GKG § 52 Abs. 1, § 66, § 68
Leitsätze:
1. In einem Rechtsstreit um das Bestehen einer den Berufszugang eröffnenden abschließenden Staatsprüfung ist der Streitwert mit 15.000 EUR zu bewerten. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein zu erwartender Durchschnittsverdienst eines Notfallsanitäters ist angesichts der beruflichen Möglichkeiten und Tätigkeitsfelder, möglicher Arbeitgeber und Beschäftigungsverhältnisse demgegenüber kein geeigneter Maßstab zur Bestimmung des Streitwerts. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufszugang, Streitwert, Streitwertfestsetzung, Staatsprüfung, Notfallsanitäter, Durchschnittsverdienst
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 13.06.2024 – M 27 K 22.4815
Fundstelle:
BeckRS 2025, 28005

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers wendet sich gegen die Festsetzung des Streitwerts auf 15.000 Euro in Ziff. IV des Einstellungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 13. Juni 2024. Sie bringt vor, dass nach der hier einschlägigen Ziff. 36.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit für den Berufszugang eröffnende abschließende (Staats) Prüfungen, abschließende ärztliche oder pharmazeutische Prüfungen bzw. sonstige berufseröffnende Prüfungen der Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Verdienstes, mindestens 15.000 Euro, anzusetzen seien. Bei der angefochtenen Prüfung handele es sich um eine staatliche Prüfung nach der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter (NotSan-APrV). Der Streitwert betrage hier mindestens 37.340,40 Euro, da das Einstiegsgehalt als Notfallsanitäter die Entgeltgruppe R8 Stufe 2 sei. Zur Glaubhaftmachung wurden Auszüge aus den jeweiligen Tarifverträgen vorgelegt.
II.
2
Die von der Prozessbevollmächtigten des Klägers nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafterweise im eigenen Namen erhobene und auch ansonsten zulässige Beschwerde, über die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 GKG im Umkehrschluss der Senat in voller Besetzung entscheidet, hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert zutreffend auf 15.000 Euro festgesetzt.
3
In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand bei Abschluss des Verfahrens keine genügenden Anhaltspunkte für diese Bestimmung, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG vom Auffangstreitwert auszugehen. Eine anschließende weitere Sachaufklärung zur Ermittlung des wirtschaftlichen Interesses des jeweiligen Klägers lässt das Gesetz nicht zu (vgl. BVerwG, B.v. 19.11.2018 – 8 KSt 2.18 – juris Rn. 2 m.w.N.). Weitere gerichtliche Nachforschungen zum wirtschaftlichen Interesse des jeweiligen Klägers am Erfolg seiner konkreten Klage sind daher ebenso wenig erforderlich wie eine Anhörung zu einer (vom Antrag abweichenden) Streitwertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht.
4
Eine Orientierungshilfe, welcher Wert, soweit nichts anderes bestimmt ist, angemessen i.S.v. § 52 Abs. 1 GKG ist, bieten die Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, denen zur Gewährleistung von Rechtssicherheit und einer weitestmöglichen Gleichbehandlung besonderes Gewicht zukommt (vgl. BVerwG, B.v. 15.9.2015 – 9 KSt 2.15 u.a. – juris Rn. 4; BVerfG, B.v. 8.12.2011 – 1 BvR 1393/10 – juris Rn. 6). Nach Nr. 36.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der hier maßgeblichen Fassung aus dem Jahr 2013 wird bei den Berufszugang eröffnenden abschließenden Staatsprüfungen, wozu auch die Staatliche Prüfung für Notfallsanitäter gehört (vgl. BVerwG, B.v. 21.11.2023 – 6 B 11.23 – juris Rn. 17), als Streitwert der Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Verdienstes, mindestens 15.000 Euro empfohlen.
5
In Ausübung seines Ermessens bewertet der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt B.v. 29.9.2025 – 7 C 24.1644; B.v. 1.7.2025 – 7 ZB 25.282; B.v. 6.2.2025 – 7 ZB 25.615; B.v. 3.4.2025 – 7 ZB 24.2067; B.v. 19.11.2024 – 7 ZB 23.1834 – jeweils juris) unter Berücksichtigung von Nr. 36.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 den Streitwert eines Rechtsstreits um das Bestehen einer den Berufszugang eröffnenden abschließenden Staatsprüfung mit 15.000 Euro (so beispielsweise auch: BVerwG, B.v. 21.11.2023 – 6 B 11.23 – juris Rn. 17; OVG Hamburg, B.v. 25.7.2025 – 4 Bf 74/25.Z – juris Rn. 30; SächsOVG, B.v. 28.12.2021 – 5 E 72/21 – juris Rn. 3; OVG Berlin-BBg, B.v. 18.1.2016 – 10 L 35.15 – juris Rn. 4). Dem entspricht die Festsetzung des Verwaltungsgerichts. Anlass, von dieser Praxis abzuweichen, besteht nicht. Soweit der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 bei der Bewertung des Streitwerts auf den Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Verdienstes verweist, handelt es sich hierbei lediglich um eine Empfehlung, die für die Ermessensausübung des Gerichts nicht bindend ist.
6
Es ist vorliegend nicht sachgerecht, die Bedeutung der Klage des Klägers bezüglich der den Berufszugang eröffnenden abschließenden Staatsprüfung vom erwarteten Verdienst im Falle des Bestehens der Prüfung abhängig zu machen. Der zu erwartende Durchschnittsverdienst eines Notfallsanitäters, auf den die Bevollmächtigte des Klägers abhebt, ist angesichts der beruflichen Möglichkeiten und Tätigkeitsfelder, möglicher Arbeitgeber und Beschäftigungsverhältnisse bereits kein geeigneter Maßstab hierfür (vgl. OVG Berlin-BBg, B.v. 18.1.2016 – 10 L 35.15 – juris Rn. 4). Auch ein unter Berücksichtigung des Mindestlohns bezifferter Bruttoverdienst bietet keine ausreichende Grundlage für eine Bezifferung des wirtschaftlichen Interesses für den jeweiligen Kläger am Erfolg seiner konkreten Klage. Gegen das Abstellen auf den zu erwartenden Jahresverdienst spricht im Übrigen, dass das Bestehen einer berufseröffnenden Prüfung nicht zwangsläufig bedeutet, in dem durch die Prüfung eröffneten Berufsfeld eine Anstellung zu finden und eine verdienstbringende Tätigkeit auszuüben (OVG Berlin-BBg, B.v. 18.1.2016 – 10 L 35.15 – juris Rn. 4; NdsOVG, B.v. 6.5.2020 – 2 OA 205/20 – juris Rn. 3). Ferner muss sich die Streitwertfestsetzung in Verfahren um das Bestehen einer den Berufszugang eröffnenden abschließenden Staatsprüfung auch in angemessenem Verhältnis zu sonstigen hochschul- und prüfungsrechtlichen Verfahren halten (OVG Berlin-BBg, B.v. 18.1.2016 – 10 L 35.15 – juris Rn. 4; NdsOVG, B.v. 6.5.2020 – 2 OA 205/20 – juris Rn. 3). Bei einem Streitwert in Höhe von 15.000 Euro für den Berufszugang eröffnende abschließende Staatsprüfungen ist das der Fall; denn dieser Betrag entspricht einerseits dem im Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 vorgeschlagenen Wert für vergleichbare Streitigkeiten über berufseröffnende andere Prüfungen wie die Diplomprüfung, Graduierung, Masterprüfung oder Promotion (Nr. 18.5 und 18.7), über die Facharztbezeichnung (Nr. 16.2), aber auch über die (nichtakademische) Meisterprüfung (Nr. 54.3.2), andererseits unterscheidet er sich deutlich und sachgerecht von den noch nicht den Berufszugang eröffnenden Staatsprüfungen und sonstigen Prüfungen, für die der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 einen Wert in Höhe von 7.500 Euro (Nr. 36.1) bzw. den Auffangwert in Höhe von 5.000 Euro (Nr. 36.4) vorsieht. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass die Bedeutung, aufgrund einer Prüfung einen bestimmten Beruf ausüben zu können, auch im Immateriellen der beruflichen Persönlichkeitsentfaltung liegt und weit mehr und anderes umfasst, als Geld zu verdienen (OVG NW, B.v. 11.3.2015 – 14 E 214/15 – juris Rn. 1). Auch vor diesem Hintergrund erscheint ein Streitwert in Höhe von 15.000 Euro bei Streitigkeiten um den Berufszugang eröffnende Staatsprüfungen regelmäßig sachgerecht.
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3. Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet. (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG). Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).