Inhalt

VGH München, Urteil v. 22.07.2025 – 22 A 23.40033
Titel:

Immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Errichtung und Betrieb einer Klärschlammverbrennungsanlage

Normenketten:
BImSchG § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1a, § 10, § 12 Abs. 1a, § 52 Abs. 1 S. 5
UmwRG § 2, § 4
RL 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik Art. 4, Art. 16
WHG § 27
KSG § 13 Abs. 1 S. 1
17. BImSchV § 3, § 8, § 10, § 18, § 20a
9. BImSchV § 4, § 4a, § 4b, § 4c, § 4e, § 10
Durchführungsbeschluss (EU) 2019/2010 der Kommission vom 12. November 2019 über Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken (BVT) gemäß der RL 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Abfallverbrennung
Richtlinie (EU) 2024/1785 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. April 2024 zur Änderung der RL 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Industrieemissionen u.a.
RL 2008/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik u.a.
TA Luft
BNatSchG § 33, § 34
UVPG § 6
WRRL Art. 16 Abs. 1, Abs. 8
IE-RL 2010 Art. 15
Leitsätze:
1. Die deutschen Genehmigungsbehörden waren bei der Erteilung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen für Abfallverbrennungsanlagen bis zum Ablauf einer Frist von vier Jahren nach Veröffentlichung der Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken (BVT) für die Abfallverbrennung gemäß dem Durchführungsbeschluss (EU) 2019/2010 der Kommission vom 12. November 2019 nicht zu deren Anwendung verpflichtet. (Rn. 145 – 150)
2. Aus der RL 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen folgt keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Emissionsgrenzwerte für den Betrieb von in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden Anlagen unterhalb des oberen Randes der Emissionsbandbreiten festzusetzen, die sich aus den Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken (BVT) für die Abfallverbrennung gemäß dem Durchführungsbeschluss (EU) 2019/2010 der Kommission vom 12. November 2019 ergeben. (Rn. 127)
Schlagworte:
immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Klärschlammverbrennungsanlage, Rügefähigkeit von Verfahrensfehlern, Vollständigkeit der Antragsunterlagen, Prüfprogramm der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, Klimaschutz, beste verfügbare Techniken, Emissionsgrenzwerte für Luftschadstoffe, Emissionsbandbreiten, Überwachung von Emissionen, Umweltmanagementsystem, unmittelbare Anwendbarkeit von BVT-Schlussfolgerungen, unmittelbare Geltung der 17. BImSchV, wasserrechtliches Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot, Messbarkeit von Quecksilbereinträgen, Phasing-Out-Verpflichtung, FFH-Verträglichkeit, Stickstoff- und Säuredepositionen, immissionsschutzrechtliche Genehmigung, Klärschlammverbrennungsanlage, Verfahrensfehler, Stickstoff- und Säuredeposition, BVT-Schlussfolgerung, Abfall, Abwasser, absoluter Verfahrensfehler, Emissionsgrenzwerte
Fundstelle:
BeckRS 2025, 27977

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger, eine nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Klärschlammverbrennungsanlage.
2
1. Mit Antrag vom 2. Dezember 2020 beantragte die Beigeladene bei der Regierung von Schwaben die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Klärschlammverbrennungsanlage auf dem Gelände des Industrieparks in G. Es handelt sich um eine Klärschlammmonoverbrennungsanlage, in der ausschließlich in kommunalen Kläranlagen anfallender Schlamm mit dem Abfallschlüssel nach dem Abfallverzeichnis „19 08 05 Schlämme aus der Behandlung von kommunalem Abwasser“ thermisch verwertet werden soll. Hauptzweck des Anlagenbetriebs ist nach den Antragsunterlagen der Erhalt einer phosphathaltigen Primärasche aus der Klärschlammverbrennung, aus der anschließend – außerhalb des genehmigten Anlagenbetriebs – Phosphat/Phosphorsäure zurückgewonnen und in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden kann (vgl. hierzu die Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung vom 27.9.2017, BGBl I S. 3465).
3
Nach den Antragsunterlagen besteht die Anlage aus den Betriebseinheiten Klärschlammanlieferung, Klärschlammtrocknung (Bandtrockner), Feuerung und Dampferzeugung, Rauchgasreinigung, Brüdenkondensatreinigung. Als Feuerungsart ist eine Wirbelschichtfeuerung mit einer thermischen Leistung (Feuerungswärmeleistung) von 8,8 MW vorgesehen. Beantragt wurde ein ganzjähriger Betrieb bei einer Betriebszeit von 8.000 h/a mit einem maximalen Klärschlammdurchsatz bezogen auf die Trockensubstanz von 27.100 t/a. In Abhängigkeit von dem jeweils unterschiedlichen Trocknungsgrad der Klärschlämme ist eine Anlieferung von maximal 116.800 t/a vorgesehen.
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Das Vorhaben führt zu einem Anfall von behandlungsbedürftigem und nicht behandlungsbedürftigem Abwasser. Das nicht behandlungsbedürftige Abwasser (Kühlwasser) soll in den Lechkanal eingeleitet werden; behandlungsbedürftige Abwässer (Brüdenkondensat, nicht jedoch Abwasser aus der Abgas-Nassreinigung) sollen in der Anlage mittels Aktivkohlefilter vorbehandelt, der betriebseigenen Kläranlage der Beigeladenen zugeleitet und anschließend als biologisch gereinigte Produktionsabwässer in den Lechkanal eingeleitet werden. Hierzu hat die Beigeladene eine Neuerteilung der gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis zur Benutzung des Lechkanals beantragt.
5
In einer Entfernung von ca. 450 m östlich des Vorhabengeländes befindet sich das FFH-Gebiet Höh-, Hörgelau- und Schwarzgraben, Lechbrenne nördlich Augsburg (DE-7531-371).
6
2. Das Genehmigungsverfahren wurde einschließlich einer Umweltverträglichkeitsprüfung sowie einer FFH-Verträglichkeits-Vorprüfung als förmliches Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt. Die Vornahme einer FFH-Verträglichkeitsprüfung wurde nach der Vorprüfung als nicht erforderlich angesehen.
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Mit Bescheid vom 15. Juni 2023 erteilte die Regierung von Schwaben der Beigeladenen die begehrte Genehmigung. Dieser liegen die unter Ziffer A. II. des Tenors aufgeführten Antragsunterlagen zugrunde; sie sind Bestandteil der Genehmigung. Dazu gehört u.a. ein Gutachten zur Luftreinhaltung, Energieeffizienz und Abfallwirtschaft der M. GmbH vom 20. November 2020 (Anlage 44, im Folgenden: Gutachten zur Luftreinhaltung), eine FFH-Vorprüfung der M. GmbH vom 23. November 2020 (Anlage 62, im Folgenden: FFH-Vorprüfung), ein UVP-Bericht der M. GmbH vom 23. November 2020 (Anlage 63, im Folgenden: UVP-Bericht) sowie eine nachträgliche Stellungnahme zum UVP-Bericht, Quecksilbereintrag in den Lechkanal bzw. den Lech der M. GmbH vom 18. Oktober 2021 (Anlage 68, im Folgenden: nachträgliche Stellungnahme zum UVP-Bericht). Die Genehmigung enthält unter Ziffer A. III. des Tenors eine Vielzahl von Nebenbestimmungen, u.a. zur Luftreinhaltung.
8
Die Genehmigung wurde mit Bekanntmachung der Regierung von Schwaben vom 19. Juni 2023 im Amtsblatt der Regierung von Schwaben öffentlich bekannt gemacht und in der Zeit vom 5. Juli bis zum 18. Juli 2023 bei der Regierung von Schwaben sowie mehreren Städten und Gemeinden ausgelegt.
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3. Mit Schriftsatz vom 18. August 2023, am gleichen Tag eingegangen, erhob der Kläger beim Verwaltungsgerichtshof Klage gegen den Bescheid. Er begründete die Klage mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2023, am gleichen Tag beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen, sowie weiteren Schriftsätzen vom 9. August 2024, 27. Januar 2025 und 19. März 2025.
10
Der Kläger rügte zunächst die erstinstanzliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs im Hinblick auf § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwGO. Mit Beschluss vom 25. März 2025 bejahte der Verwaltungsgerichtshof vorab gemäß § 83 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG seine Zuständigkeit.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Regierung von Schwaben vom 15. Juni 2023 für die Errichtung und den Betrieb einer Klärschlammverbrennungsanlage auf dem näher bezeichneten Grundstück der Gemarkung G. durch die Beigeladene aufzuheben,
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hilfsweise, den Bescheid für rechtswidrig zu erklären und außer Vollzug zu setzen.
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3.1 Zur Begründung der Klage macht der Kläger zunächst Mängel der von der Beigeladenen eingereichten Antragsunterlagen geltend.
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3.1.1 Er meint, die Antragsunterlagen hätten nicht den Vorgaben des § 4c Nr. 4 der 9. BImSchV entsprochen, wozu auch Annahmeerklärungen von Entsorgungsunternehmen gehörten.
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3.1.2 Der Kläger rügt weiter, die Antragsunterlagen hätten den Anforderungen des § 4a Abs. 1 Nr. 5 und § 4b Abs. 1 Nr. 2 der 9. BImSchV hinsichtlich Angaben zu Störungen im Verfahrensablauf nicht genügt. Es fehle an einer systematischen Analyse der möglichen Ursachen von Betriebsstörungen. Auftreten könnten diverse weitere nicht beschriebene Störungen wie Rohrreißer im Kesselbereich, Grenzwertüberschreitungen durch den Einsatz unzulässiger Brennstoffe, Grenzwertüberschreitungen durch fehlerhafte Bedienung, Ausfall von Steuerungen und Ausfall von Messinstrumenten, Blockierung der Klärschlammaufgabe, Ausfall der Sorbentienzudosierung, Rohrschäden im Abhitzekessel, Glimmnester im Gewebefilter, fehlerhafte Werte bei Emissionsmessungen. Diesbezüglich sei ein ergänzendes Verfahren durchzuführen.
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3.1.3 Auch entspreche der Antrag nicht den Vorgaben nach § 4a Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 der 9. BImSchV wegen fehlender Angaben zu den möglichen maximalen und minimalen Einsatzmengen und Massenströmen der für die Verbrennung vorgesehenen Abfälle sowie zu den minimalen und maximalen Heizwerten.
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3.1.4 Der Kläger ist weiter der Auffassung, die Genehmigung verstoße gegen § 16 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1, Nr. 4 Buchst. b und c der Anlage 4 zum UVPG i.V.m. § 13 KSG, weil der UVP-Bericht hinsichtlich der Klimafolgen des Vorhabens einschließlich einer Prüfung von Alternativen zu dem Vorhaben unvollständig sei.
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Der Beklagte habe die Ermittlungspflichten hinsichtlich des globalen Klimaschutzes nach § 13 KSG verletzt. Dem UVP-Bericht fehle es an einer konkreten Bezifferung der jährlich durch die Anlage verursachten Treibhausgasemissionen sowie einer Prüfung von Alternativen zu dem Vorhaben. Unter dem Gesichtspunkt der intertemporalen Freiheitssicherung (Verweis auf BVerfG, B.v. 24.3.2021 – 1 BvR 2656/18 – juris) sei die Verwendung von Technologien zu fordern, die es zukünftigen Generationen ermöglichten, außer auf Phosphor auch auf die weiteren biogenen Bestandteile des Klärschlamms zugreifen zu können. § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG sei auf die vorliegende Genehmigung anwendbar, weil anderenfalls der aus verfassungsrechtlicher Sicht erforderlichen Pflicht, auch bei immissionsschutzrechtlichen Anlagen Treibhausgasemissionen zu minimieren, nicht nachgekommen werden könne. Das Festhalten an der Dogmatik „gebundene Entscheidung“ in immissionsschutzrechtlichen Verfahren lasse eine Lücke des Berücksichtigungsgebots aus § 13 KSG entstehen, die geschlossen werden müsse.
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3.2 Der Kläger meint zudem, die Genehmigung verstoße gegen die Betreiberpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 6, Nr. 13 der Anlage zu § 3 Abs. 6 BImSchG. Maßgeblich für die Bestimmung des Standes der Technik seien hier die BVT-Schlussfolgerungen zur Abfallverbrennung gemäß dem Durchführungsbeschluss (EU) 2019/2010 der Kommission vom 12. November 2019 über Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken (BVT) gemäß der RL 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Abfallverbrennung (ABl L 312 S. 55, im Folgenden: BVT-Schlussfolgerungen 2019). Die Beachtung der BVT-Schlussfolgerungen 2019 sei unabhängig von ihrer Umsetzung in der 17. BImSchV im Zeitpunkt des Bescheiderlasses erforderlich gewesen, da die an die Mitgliedstaaten gerichteten Beschlüsse nach Art. 288 Abs. 4 AEUV nicht nur für den nationalen Gesetzgeber, sondern auch für die Behörden und Gerichte verbindlich seien. Dies gelte nicht nur für die Emissionsgrenzwerte, sondern auch für die übrigen Inhalte der BVT-Schlussfolgerungen 2019. Deren Nichtbeachtung sei auch nicht mit Art. 3 Nr. 10 – 13, Art. 11 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1, 3 und Art. 15 Abs. 3 der RL 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Industrieemissionen vom 24. November 2010 (ABl L 334 S. 17, im Folgenden: IE-RL 2010) vereinbar, die für Neuanlagen keine Umsetzungsfrist nach der Annahme von BVT-Schlussfolgerungen vorsehe.
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3.2.1 Soweit es um die Festlegung von Emissionsgrenzwerten gehe, verstoße der Genehmigungsbescheid gegen die BVT 25, 27 – 31 der BVT-Schlussfolgerungen 2019 sowie gegen Art. 3 Nr. 10 – 12, Art. 11 Buchst. b, Art. 14 und 15 IE-RL 2010, indem die Bandbreiten BVTassoziierter Emissionen bei der Festlegung von Emissionsgrenzwerten stets nach oben hin ausgeschöpft würden, obwohl mithilfe der im konkreten Fall eingesetzten Technik deutlich niedrigere Emissionswerte erreichbar wären. Dies betreffe bestimmte, im Einzelnen aufgelistete Emissionsgrenzwerte. Die Richtlinie verlange grundsätzlich, die Emissionswerte nach unten hin auszuschöpfen. Etwaige Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte würden bereits unter dem Aspekt der Verfügbarkeit berücksichtigt. Der Beklagte und die Beigeladene könnten nicht damit argumentieren, dass die Anforderungen der 17. BImSchV die Anlagenbetreiber ohnehin – unabhängig vom Bescheidinhalt – unmittelbar verpflichten würden.
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3.2.2 Darüber hinaus seien im Genehmigungsbescheid die auf das Umweltmanagementsystem und die Überwachung der Emissionen bezogenen BVT-Schlussfolgerungen 2019 nur unzureichend umgesetzt.
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3.2.2.1 Der Genehmigungsbescheid entspreche mangels Verpflichtung zur Durchführung von Langzeitproben zur Überwachung der Emissionen von Dioxinen und Furanen (PCDD/F) sowie dioxinähnlichen PCB nicht der BVT 4, die eine Überwachung mithilfe von Kurzzeitmessungen sowie zusätzlich über Langzeitproben vorsehe. Gemäß Fußnote 7 zur Tabelle in der BVT 4 könne auf Langzeitproben nur verzichtet werden, wenn vorher nachgewiesen werde, dass die Emissionen eine ausreichende Stabilität aufwiesen.
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3.2.2.2 Auch die BVT 5, die sich auf die Überwachung gefasster Emissionen in die Luft aus der Verbrennungsanlage während Betriebszuständen außerhalb des Normalbetriebs (OTNOC = other than normal operating conditions) beziehe, werde im Bescheid nicht ausreichend umgesetzt. Dieser enthalte keine Pflicht zur Vornahme diskontinuierlicher Messungen zur Überwachung des Anfahrbetriebs, in dem es zu erhöhten Dioxin- und Furangehalten komme. In der durch die Richtlinie (EU) 2024/1785 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. April 2024 zur Änderung der RL 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Industrieemissionen u.a. (ABl L 2024/1785, im Folgenden: IE-Änderungs-RL 2024) novellierten Industrieemissions-Richtlinie seien die Anforderungen an die Überwachung strenger gefasst als im BVT-Merkblatt bzw. in der novellierten Siebzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (17. BImSchV vom 2.5.2013, BGBl I S. 1021, 1044, 3754, zuletzt geändert durch Verordnung vom 13.2.2024, BGBl I Nr. 43, im Folgenden: 17. BImSchV 2024).
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3.2.2.3 Nach Auffassung des Klägers wird weiter die BVT 9 Buchst. d nicht vollständig umgesetzt, weil in den Antragsunterlagen Angaben dazu fehlten, von welchen Unternehmen die in der Anlage anfallenden Abfälle entsorgt werden könnten. Der Hinweis auf das Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung (EMAS) genüge insoweit nicht.
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3.2.2.4 Auch würden die Anforderungen an die Abfallannahme nach der BVT 9 Buchst. c und der BVT 11 durch den Bescheid nicht erfüllt, weil eine Probenahme und Analyse des angelieferten Klärschlamms durch die Anlagenbetreiberin selbst nicht vorgesehen seien.
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3.2.2.5 Schließlich genügten die Genehmigungsunterlagen nicht den in der BVT 18 im einzelnen aufgelisteten Anforderungen bezüglich des dort genannten OTNOC-Managementplans.
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3.2.3 In der Genehmigung werde durch die Festlegung eines Orientierungswertes für den Zinkgehalt des angelieferten Abfalls von 4.000 mg/kg Trockensubstanz eine Konzentration von Schwermetallen im Abfallinput genehmigt, die es zulasse, auch Abfälle in der Anlage zu verbrennen, die nach den Technischen Hinweisen zur Einstufung von Abfällen nach ihrer Gefährlichkeit der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (Stand 9.2.2021) als gefährlich anzusehen seien. Zudem sei ein Stoff mit einem Zinkgehalt von über 2.500 mg/kg Originalsubstanz nach der Verordnung EG Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl L 353, im Folgenden: CLP-VO) der Gefahrenkategorie Aquatic Chronic 1 zuzuordnen und die gefahrenrelevante Abfalleigenschaft HP 14 nach Anhang III der RL 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl L 312 S. 3) gegeben.
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3.3 Der Kläger trägt weiter vor, die Genehmigung sei wegen der mit dem Anlagenbetrieb verbundenen Quecksilbereinträge in den Lech und den Lechkanal rechtswidrig, und zwar sowohl mit Blick auf Einträge über den Luftpfad als auch über den Wasserpfad.
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3.3.1 Die Genehmigung verstoße gegen das Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Nr. i sowie Nr. ii und iii der RL 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl L 327 S. 1, im Folgenden: WRRL). Die Umweltqualitätsnorm für Quecksilber in Biota von 20 µg/kg nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der RL 2008/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik u.a. (ABl L 348 S. 84, im Folgenden: UQN-RL), Fußnote 2 zur Tabelle 2 der Anlage 8 zur Verordnung zum Schutz der Oberflächengewässer vom 20. Juni 2016 (BGBl I S. 1373, zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. Dezember 2020, BGBl I S. 2873, im Folgenden: OGewV) werde in Fließgewässern deutschlandweit und auch im Lech erheblich überschritten. Daher sei für die von der Anlage betroffenen Oberflächenwasserkörper von einem schlechten chemischen Zustand auszugehen. Für einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot genüge es, dass die Quecksilberemissionen geeignet seien, den Zustand des betroffenen Wasserkörpers zu verschlechtern. Der allgemeine Wahrscheinlichkeitsmaßstab des deutschen Gefahrenabwehrrechts sei nicht anwendbar. Bereits geringfügige Quecksilberemissionen müssten zu einer Versagung der Genehmigung führen. Es dränge sich eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union mit Blick darauf auf, ob ein Vorhaben zu versagen sei, wenn eine Verschlechterung eines schlechten chemischen Zustandes bzw. eine Gefährdung der Erreichung eines guten chemischen Zustands des Oberflächengewässers nicht sicher ausgeschlossen werden könne.
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3.3.2 Es bestünden Unklarheiten hinsichtlich der Betrachtung des Quecksilbereintrags über den Luftpfad nach dem UVP-Bericht und der nachträglichen Stellungnahme zum UVP-Bericht (Tabelle 3). Das zugrunde gelegte Gutachten zur Luftreinhaltung prognostiziere für die in der Nähe befindlichen Natura-2000-Gebiete eine höchste Schadstoffdeposition von 0,05 µg/(m2 x d). Die in der Tabelle 3 der nachträglichen Stellungnahme zum UVP-Bericht berechnete Gesamtfracht erscheine ausgehend von den Werten für die mittlere Hg-Deposition und den angegebenen Flächengrößen zu niedrig.
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Weiter müssten nicht nur die Quecksilbereinträge berücksichtigt werden, die von versiegelten Flächen ausgingen (15,5% des Rechengebietes), sondern auch Einträge über unbefestigte Flächen (z.B. durch Erosion in Gewässer). Zudem könne bei der Beurteilung von Gewässerbelastungen das Rechengebiet nicht anhand der Vorschriften der TA Luft festgelegt werden, weil diese sich insbesondere auf Belastungen der Luft und des Bodens beziehe. Es sei das gesamte Einzugsgebiet des Lechs zu betrachten, da die Abgasdepositionen durch den Betrieb der Anlage dieses ganze Gebiet beträfen. Soweit der Beklagte im Rahmen der in der Klageerwiderung vorgenommenen Maximalabschätzung zu einer Zusatzbelastung im Gewässer von 0,000051 µg/l Quecksilber bei mittlerem Niedrigwasser und damit zu einem nicht messbaren Eintrag komme, beginne nach der …52 (Bestimmung von Quecksilber, Verfahren mittels Atomabsorptionsspektrometrie (ISO 17852:206)) bereits ab dem 20-fachen dieses Wertes der Nachweisbereich, nämlich ab 1 ng/l. Unter Berücksichtigung des gesamten Einzugsgebiets des Lechs könnten durch den Anlagenbetrieb Zusatzbelastungen im messbaren Bereich entstehen.
33
3.3.3 Der Bescheid werde zudem den Anforderungen zur Reduzierung des Eintrages von Quecksilber nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Nr. iv WRRL (Phasing Out) nicht gerecht.
34
Nach der Rechtsprechung des EuGH entfalte Art. 4 Abs. 1 Buchst. a WRRL insgesamt verbindliche Wirkung (U.v. 1.7.2015 – C-461/13 – juris Rn. 31, 43, 44). Soweit das Phasing Out auf weitere Umsetzungsmaßnahmen angelegt sei, seien diese entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mit dem Vorschlag der Kommission für die Umweltqualitätsnorm-Richtlinie vom 17. Juli 2006 (KOM(2006)398) getroffen worden. Hierfür spreche insbesondere Art. 5 Abs. 5 UQN-RL. Es gebe mit Art. 16 Abs. 6 WRRL auch eine konkret bestimmte Frist für die Umsetzung der Ziele des Phasing Out; danach dürfe der Zeitplan 20 Jahre nicht überschreiten. Diese Frist sei mit Erlass der Umweltqualitätsnorm-Richtlinie als Ergebnis des Vorschlags der Kommission, den Mitgliedstaaten spezifische Maßnahmen zu überlassen, am 16. Dezember 2008 in Gang gesetzt worden.
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Selbst wenn eine Frist zur Erreichung der Ziele des Phasing Out durch den Vorschlag der Kommission und die UQN-RL nicht in Gang gesetzt worden wäre, ergebe sich eine Pflicht zur Beachtung der Ziele des Phasing Out aus Art. 16 Abs. 8 Satz 2 und 3 WRRL. Auch ohne verbindlichen Zeitpunkt für die Zielerreichung sei das in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Nr. iv WRRL formulierte Ziel der Beendigung und schrittweisen Reduktion von Einleitungen prioritärer gefährlicher Stoffe hinreichend konkret, um unmittelbar angewendet zu werden.
36
Es dränge sich eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zu der Frage auf, ob die Frist von 20 Jahren nach Art. 16 Abs. 6 Unterabs. 1 2. Spiegelstrich Satz 2 WRRL am 15. Dezember 2008 in Gang gesetzt worden sei und welche Folgen eine bejahende bzw. eine verneinende Antwort für die Erteilung von Genehmigungen konkreter Vorhaben habe, die mit der Einleitung prioritärer gefährlicher Stoffe verbunden seien.
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3.3.4 Schließlich sei die – überschrittene – Umweltqualitätsnorm für Quecksilber in Biota eine nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG im immissionsschutzrechtlichen Verfahren zu prüfende Vorschrift.
38
3.4 Der Kläger meint weiter, die Genehmigung verstoße gegen § 33 Abs. 1 Satz 1, § 34 Abs. 2 BNatSchG. Auswirkungen des Vorhabens auf die Erhaltungsziele der Lebensraumtypen und Arten des FFH-Gebietes Höh-, Hörgelau- und Schwarzgraben, Lechbrenne nördlich Augsburg (DE-7531-371) könnten nicht ausgeschlossen werden.
39
Die der Genehmigung zugrunde liegende FFH-Voruntersuchung basiere auf dem Konzept der Critical Loads, das mit einer Bagatellfallbetrachtung unvereinbar sei. Der Ansatz zum Abschneidekriterium werde in der Fachöffentlichkeit verworfen; das Kriterium von 0,3 kg N/(ha*a) sei in tatsächlicher Hinsicht falsch (Verweis auf Hacker/Jansen/Krämerkämper/Kremer/Teßmer, NuR 2021, 729 ff.). Das Konzept der Bewertung von Schadstoffeinträgen nach den Immissionswerten der TA Luft sei unter den Bedingungen des Klimawandels nicht mehr ausreichend, um eine erhebliche Beeinträchtigung von Natura 2000-Gebieten sicher auszuschließen. Zudem werde bei der Bewertung der Auswirkungen von Schadstoffeinträgen auf Lebensraumtypen und Arten außer Acht gelassen, dass die Auswirkungen verschiedener Schadstoffe auch kumulierend wirken könnten.
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Die Critical Loads für den FFH-Lebensraumtyp 6210 Kalkmagerrasen und den Prioritären Lebensraum 6210 „Naturnahe Kalk-Trockenrasen und der Verbuschungsstadien (orchideenreiche Bestände)“ in Höhe von 15-25 kg N (ha/a) würden bereits durch die Hintergrundbelastung an diesem Standort fast ausgeschöpft. Es könne nicht mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Abschneidewerte bei der Stickstoff- und Säuredeposition erreicht würden. Die Bestimmung des Abschneidekriteriums sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – juris Rn. 79) exakt vorzunehmen. Die Stickstoffeinträge in das FFH-Gebiet Höh-, Hörgelau- und Schwarzgraben, Lechbrenne nördlich Augsburg lägen knapp an der Grenze zur Irrelevanzschwelle, die Säureeinträge nur knapp unter dem Wert von 32 eq N+S/(ha*a). Ob dieser sicher unterschritten sei, könne nur anhand der AUSTAL-LOG-Dateien nachvollzogen werden, die in der Immissionsprognose und auch in der FFH-Verträglichkeits-Vorprüfung nicht dokumentiert seien.
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Der geplante Einsatz der SNCR-Anlage (selective non catalytic reduction), der die Einhaltung des Grenzwerts der Stickoxidemissionen sicherstellen solle, führe seinerseits zu Ammoniakemissionen. Die SNCR-Anlage solle 2.000 h/a betrieben werden, könne aber auch – ohne Möglichkeit der behördlichen Überwachung – länger betrieben werden, was einerseits zu niedrigeren Stickoxidemissionen und andererseits zu zusätzlichen Ammoniakemissionen führen würde. Bei einer ganzjährigen Ammoniakemission von 10 mg/m³ (Tagesmittelwert nach der Genehmigung) könne das gewählte Abschneidekriterium überschritten werden.
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3.5 Der Kläger ist weiter der Auffassung, die Genehmigung verstoße – auch in materiell-rechtlicher Hinsicht – gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 13 KSG, § 16 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1, Nr. 4 Buchst. b und c der Anlage 4 zum UVPG (s. schon oben 3.1.4).
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4. Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
45
Er hat mit Schriftsätzen vom 11. April 2024 (beigefügt u.a. eine Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Umwelt [LfU] vom 26.2.2024), vom 13. Mai 2024 und vom 30. September 2024 Stellung genommen.
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4.1 Er führt zur Begründung aus, die Anforderungen der 9. BImSchV seien erfüllt. Die Antragsunterlagen enthielten in Kapitel 7 die erforderlichen Angaben zur Abfallwirtschaft; zudem habe die Beigeladene das EMAS eingeführt. Die Angaben in Kapitel 6 der Antragsunterlagen zu Störungen im Verfahrensablauf seien ausreichend. Auch seien die in den Unterlagen angegebenen Massenströme angesichts der Zulassung der Klärschlammverbrennungsanlage nur für kommunale Klärschlämme stabil. Der UVP-Bericht beschäftige sich ausführlich mit Belangen des globalen Klimaschutzes. Eine Verpflichtung zur Prüfung alternativer Techniken ergebe sich aus dem Immissionsschutzrecht nicht, auch nicht im Hinblick auf den Klimaschutz. § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG sei vorliegend nicht anwendbar.
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4.2 Zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses, der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides maßgeblich sei, habe die 17. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der Fassung der Verordnung vom 6. Juli 2021 (BGBl I S. 2514, im Folgenden: 17. BImSchV 2021) gegolten, deren Anforderungen die Genehmigung berücksichtigt habe. Die BVT-Schlussfolgerungen 2019 seien zu diesem Zeitpunkt noch nicht umgesetzt gewesen. Auf die Frage, ob diese unmittelbar anwendbar seien, komme es nicht an, da die im Bescheid festgesetzten Emissionsgrenzwerte sich innerhalb der BVTassoziierten Emissionsbandbreiten bewegten. Unabhängig von den Festsetzungen im Bescheid habe der Anlagenbetreiber nun auch die Emissionsgrenzwerte nach der 17. BImSchV 2024 unmittelbar zu beachten, da diese keines weiteren behördlichen Umsetzungsaktes bedürfe.
48
Hinsichtlich der Überwachung der Emissionen von Dioxinen und Furanen (PCDD/F) sowie dioxinähnlichen PCB genüge der Bescheid den Anforderungen der 17. BImSchV 2021 und 2024. Nach dem Konzept der BVT 4 (Fußnote 7) hänge der Bedarf für Langzeitmessungen und für kontinuierliche Messungen vom Ergebnis der Kurzzeitmessungen ab. Die Überwachung der Emissionen von Dioxinen und Furanen im Anfahrbetrieb werde nunmehr durch § 20a der 17. BImSchV 2024 geregelt; im Übrigen seien die im Bescheid festgelegten Emissionsbegrenzungen auch im Anfahrbetrieb einzuhalten. Hinsichtlich der vom Kläger geforderten Annahmeerklärungen von Abfallentsorgern werde auf Kapitel 7 der Antragsunterlagen verwiesen. Mit dem EMAS verfüge die Beigeladene über ein ausreichendes Umweltmanagementsystem, das auch der 17. BImSchV 2024 genüge. Eigene Analysen des angelieferten Klärschlamms durch die Anlagenbetreiberin seien in der BVT 11 nicht vorgesehen, weil diese nach dem Risiko des eingehenden Abfalls differenziere, ebenso wie § 3 Abs. 3 der 17. BImSchV 2024. Weiterhin setzten sich die Antragsunterlagen ausreichend mit betriebs- und störungsbedingten Belastungen auseinander; ein OTNOC-Managementplan sei Bestandteil des Umweltmanagementsystems. Der Orientierungswert für den Zinkgehalt des angelieferten Klärschlamms im Genehmigungsbescheid sei der Verordnung über die Verwertung von Klärschlamm, Klärschlammgemisch und Klärschlammkompost (AbfKlärV) entnommen. Bei Unterschreitung des dortigen Grenzwertes handele es sich um nicht gefährlichen Abfall.
49
4.3 Durch den Betrieb der Anlage würden keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Hinblick auf das Schutzgut Wasser durch Quecksilberdepositionen hervorgerufen. Der gesamte durch den Anlagenbetrieb verursachte Quecksilbereintrag über den Luftpfad und den Wasserpfad sei zwar rechnerisch ermittelbar, aber messtechnisch nicht nachweisbar bzw. betrage weniger als 1% der jeweiligen Umweltqualitätsnorm für Quecksilber. Die Zusatzbelastung liege nach einer konservativen Maximalabschätzung des LfU bei 0,000024 µg/l bei mittlerem Abfluss und bei 0,000051 µg/l bei mittlerem Niedrigwasser. Ob eine Verschlechterung eintrete, beurteile sich nach dem allgemeinen ordnungsrechtlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Eine Verletzung des Verschlechterungsverbots durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung scheide mangels messtechnischer Nachweisbarkeit des Quecksilbereintrags aus. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der für die Einleitung von Abwasser in den Lech erforderlichen wasserrechtlichen Erlaubnis unüberwindbare Hindernisse entgegenstünden. Hinsichtlich der Verpflichtung zum Phasing Out sei auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 2.11.2017 – 7 C 25.15 – juris) zu verweisen, durch die die vom Kläger aufgeworfenen Fragen geklärt seien.
50
4.4 Die Genehmigung sei im Hinblick auf Stickstoff- und Säuredepositionen mit §§ 33, 34 BNatSchG vereinbar. Der FFH-Vorprüfung liege das Gutachten zur Luftreinhaltung zugrunde, das seinerseits vom LfU anhand des „Stickstoffleitfadens BImSchG-Anlagen“ überprüft worden sei. Dieser stelle die Fachkonvention dar, nach der die Auswirkungen von Stickstoffeinträgen auf FFH-Gebiete zu prüfen seien. Das Konzept der Critical Loads und des Abschneidekriteriums sei in der Rechtsprechung anerkannt; es habe mittlerweile Eingang in die TA Luft 2021 gefunden. Das Abschneidekriterium sowohl für Stickstoff als auch für Säuredepositionen werde im Bereich sämtlicher FFH-Gebiete unterschritten. Eine Verpflichtung zur Berücksichtigung der Folgen des Klimawandels für die Belastung durch Nährstoffeinträge bestehe nicht.
51
5. Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
52
die Klage abzuweisen.
53
Sie hat mit Schriftsätzen vom 12. April 2024, 4. Oktober 2024, 15. Oktober 2024 und 18. Juli 2025 Stellung genommen.
54
5.1 Über die bereits vom Beklagten angesprochenen Gesichtspunkte hinaus trägt sie vor, es sei dem Anlagenbetreiber nicht zumutbar, bereits bei Antragstellung Verträge mit Entsorgungsunternehmen über die Beseitigung künftiger Abfälle vorzulegen. Die vom Kläger behaupteten Mängel des UVP-Berichts stellten nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung keine Verfahrensfehler i.S.v. § 4 Abs. 1 UmwRG dar.
55
5.2 Nur soweit die BVT-Schlussfolgerungen in Deutschland nicht durch das untergesetzliche Regelwerk, insbesondere durch Rechtsverordnungen nach § 7 BImSchG, umgesetzt würden, seien sie gemäß § 12 Abs. 1a und 1b BImSchG unmittelbar in Nebenbestimmungen oder gemäß § 17 Abs. 2a und 2b BImSchG in nachträglichen Anordnungen durchzusetzen. Vorliegend ergebe sich hinsichtlich der BVT-Schlussfolgerungen aus § 7 Abs. 1a Satz 1 BImSchG eine Verpflichtung des Verordnungsgebers zur Anpassung der Verordnung. Solange diese nicht angepasst sei, gelte noch das bisherige untergesetzliche Regelwerk (Verweis auf BT-Drs. 17/10486, S. 40), hier bezogen auf den Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung die 17. BImSchV 2021. Für die Festlegung höherer Anforderungen, insbesondere strengerer Emissionsgrenzwerte als dort vorgesehen, habe keine Rechtsgrundlage bestanden. Zwar erzeugten die BVT-Schlussfolgerungen 2019 mit ihrem Erlass ein sofortiges Umsetzungserfordernis, dem erst mit der Änderung der 17. BImSchV durch Verordnung vom 13. Februar 2024 nachgekommen worden sei. Die BVT-Schlussfolgerungen 2019 seien dennoch nicht unmittelbar anwendbar gewesen, weil die unionsrechtlichen Vorgaben nicht hinreichend bestimmt seien, weil keine festen Emissionsgrenzwerte, sondern Bandbreiten vorgegeben seien. Ohnehin sei den unionsrechtlichen Vorgaben aufgrund des Antrags der Beigeladenen im Bescheid Rechnung getragen worden. Es entspreche, auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten, nicht dem Stand der Technik, geringere Emissionsgrenzwerte festzusetzen als den oberen Wert der Emissionsbandbreiten. Dass die beantragte Anlagentechnik tatsächlich in der Lage sei, wesentlich niedrigere Emissionswerte zu erreichen, werde vom Kläger nicht substantiiert dargetan.
56
Die BVT 4 sei mangels Umsetzung in der 17. BImSchV im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung noch nicht anwendbar gewesen; inzwischen gelte § 18 Abs. 6 und 7 der 17. BImSchV 2024 unmittelbar für die Anlagenbetreiberin. Die Anlage genüge auch den Anforderungen an ein Abfallinventarsystem im Sinne der BVT 9 Buchst. d, weil die Vorschrift sich nicht auf die beim Anlagenbetrieb der Klärschlammverbrennungsanlage anfallenden Abfälle, sondern auf die Einsatzstoffe der Verbrennungsanlage beziehe. Im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung habe keine Rechtsgrundlage bestanden, um von der Beigeladenen einen OTNOC-Managementplan zu fordern; seit dem Inkrafttreten der 17. BImSchV 2024 sei den Anforderungen aber Rechnung getragen. Im Übrigen fordere die BVT 18 eine risikobasierte Betrachtung; aufgrund der Ungefährlichkeit des in der Anlage zu verbrennenden Abfalls seien mit dem An- und Abfahren der Anlage geringe Risiken verbunden.
57
5.3 Die Genehmigung verstoße im Hinblick auf den Quecksilbereintrag in Gewässer nicht gegen wasserrechtliche Vorschriften. Widersprüche zwischen der Berechnung der Zusatzbelastung durch Quecksilber im UVP-Bericht und in der nachträglichen Stellungnahme zum UVP-Bericht bestünden nicht. Der Maßstab für die Verschlechterung des Zustands eines Oberflächengewässers ergebe sich eindeutig aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts.
58
Die Verpflichtung zum Phasing Out nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Nr. iv WRRL sei derzeit nicht in einer vollziehbaren Weise konkretisiert, weil es an einem Vorschlag der Kommission nach Art. 16 Abs. 6 und 8 Satz 1 WRRL fehle; weder der Vorschlag für die Richtlinie über Umweltqualitätsnormen noch die Richtlinie selbst seien ein solcher Vorschlag. Die Genehmigung verstoße auch nicht gegen die subsidiäre Handlungspflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 16 Abs. 8 Satz 2 und 3 WRRL, weil diese Vorschrift wegen ihrer fehlenden Unbedingtheit nicht unmittelbar anwendbar sei. Zudem erfasse Art. 16 Abs. 8 Satz 2 WRRL nur den Wasser-, nicht aber den Luftpfad. Anlass für eine Vorlage an den EuGH bestehe nicht, weil die richtige Auslegung des Unionsrechts offenkundig sei (acte clair). Nur der Vorschlag für Begrenzungen oder die schrittweise Einstellung von Einleitungen prioritärer Stoffe nach Art. 16 Abs. 6 WRRL sei mit einem Zeitplan zu verknüpfen, nicht jedoch der Vorschlag für Umweltqualitätsnormen nach Art. 16 Abs. 7 WRRL.
59
5.4 Die Genehmigung verstoße auch nicht gegen §§ 33, 34 BNatSchG. Soweit der Wert für das Abschneidekriterium für Stickstoff von 0,3 kg N/(ha*a) nach der Klagebegründung „nur knapp am FFH-Gebiet ende“, begründe dies nicht die Notwendigkeit einer FFH-Verträglichkeitsprüfung. Für Säuredepositionen sei in der FFH-Vorprüfung ein Abschneidekriterium von 32 eq (N+S)/(ha*a) zugrunde gelegt worden, das im Bereich sämtlicher FFH-Gebiete unterschritten werde. Nach Anhang 8 zur TA Luft 2021 gelte für die Abgrenzung des Einwirkbereichs von Anlagen das weniger strenge Abschneidekriterium von 0,04 keq (= 40 eq) Säureäquivalente pro Hektar und Jahr. Der Einsatz der SNCR-Anlage sei nur für maximal 2.000 Stunden im Jahr genehmigt.
60
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2025 verwiesen.

Entscheidungsgründe

61
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
A.
62
Die Klage ist zulässig.
63
I. Die Klagebefugnis des Klägers als anerkannter Umweltvereinigung ergibt sich vorliegend aus § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Alt. 1 UmwRG.
64
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, unter den weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UmwRG Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG einlegen.
65
1. Das Gesetz fordert für den Rechtsbehelf einen tauglichen Gegenstand; allein die Möglichkeit dessen Vorliegens genügt nicht (BVerwG, U.v. 27.2.2020 – 7 C 3.19 – juris Rn. 22; U.v. 26.9.2019 – 7 C 5.18 – juris Rn. 19 m.w.N.). Es ist daher schon im Rahmen der Zulässigkeit zu prüfen, ob die angegriffene Entscheidung unter § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG gefasst werden kann. Dies ist hier der Fall.
66
1.1 Bei der streitgegenständlichen Genehmigung handelt es sich um eine Zulassungsentscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG, für die vorliegend die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht nur bestehen kann, sondern besteht.
67
Nach § 6 UVPG i.V.m. Nr. 8.1.1.2 der Anlage 1 zum UVPG besteht für die Verbrennungsanlage im engeren Sinne (Wirbelschichtfeuerung), die nach Nr. A. I. Buchst. b des Tenors des Bescheides eine Durchsatzkapazität von 14,6 t Originalsubstanz (entwässerter Klärschlamm mit 25% Trockensubstanz) pro Stunde, also von 3 t Abfällen oder mehr je Stunde hat, als Kernbestandteil der genehmigten Gesamtanlage die unbedingte Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, weil das Vorhaben in Spalte 1 der Anlage 1 zum UVPG mit dem Buchstaben X gekennzeichnet ist. Zwar bezieht die Genehmigung verschiedene weitere Anlagenteile ein; das Vorhaben ist als Ganzes nicht in Anlage 1 zum UVPG aufgeführt. Die UVP-Pflicht nach § 6 UVPG betrifft dennoch die gesamte Anlage. Die Reichweite der UVP-Pflicht entspricht dabei der Reichweite der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht.
68
1.1.1 Die streitgegenständliche Anlage unterliegt insgesamt der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. der 4. BImSchV. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um eine gemeinsame Anlage im Sinne von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV handelt. Unabhängig davon erstreckt sich das immissionsschutzrechtliche Genehmigungserfordernis auf alle Anlagen(teile), die für sich betrachtet nach dem Anhang 1 zur 4. BImSchV genehmigungsbedürftig sind. Dies gilt hier nach § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2, Nr. 8.1.1.3 Anhang 1 der 4. BImSchV (Verbrennung von 3 t nicht gefährlichen Abfällen oder mehr je Stunde) für die Verbrennungsanlage im engeren Sinne; für die Klärschlammtrocknung und die Klärschlammlagerung ergibt sich dies aus Nr. 8.10.2.1 des Anhangs 1 der 4. BImSchV und Nr. 8.12.2 des Anhangs 1 der 4. BImSchV. Die Genehmigungspflicht der weiteren Anlagenteile folgt aus § 1 Abs. 2 der 4. BImSchV. Danach erstreckt sich das Genehmigungserfordernis auf alle vorgesehenen Anlagenteile und Verfahrensschritte, die zum Betrieb notwendig sind, sowie auf Nebeneinrichtungen, die mit den Anlagenteilen und Verfahrensschritten in einem räumlichen und betriebstechnischen Zusammenhang stehen und die von Bedeutung sein können für das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen, die Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen oder das Entstehen sonstiger Gefahren, erheblicher Nachteile oder erheblicher Belästigungen. Solche Anlagenteile, Verfahrensschritte und Nebeneinrichtungen sind auch dann von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht umfasst, wenn sie für sich betrachtet nicht in Anhang 1 zur 4. BImSchV aufgeführt sind, was aus dem Umkehrschluss zu § 1 Abs. 4 der 4. BImSchV folgt (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.2010 – 7 B 4.10 – juris Rn. 25; Hansmann/ Röckinghausen in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand 1. Januar 2025, § 1 4. BImSchV Rn. 14). Daher ist die gesamte Anlage immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig.
69
1.1.2 Dem Umfang der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht entsprechend erstreckt sich auch die UVP-Pflicht auf die gesamte streitgegenständliche Anlage. Dies wird für gemeinsame Anlagen im Sinne des Immissionsschutzrechtes (§ 1 Abs. 3 der 4. BImSchV), deren Gefahrenpotenzial für die Umwelt sich aus der Gesamtanlage ergibt (vgl. Jarass, BImSchG, 15. Aufl. 2024, § 4 Rn. 27), so angenommen (Beckmann in Beckmann/Kment, UVPG/UmwRG, 6. Aufl. 2023, § 6 UVPG Rn. 16; Tepperwien in Schink/Reidt/Mitschang, UVPG/UmwRG, 2. Aufl. 2023, § 6 UVPG Rn. 3); auf die Regelung zu kumulierenden Vorhaben nach § 10 UVPG kommt es dabei nicht an. Bei einem aus mehreren Einzelkomponenten zusammengesetzten insgesamt immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtigen Vorhaben besteht mit Blick auf das Umweltgefährdungspotenzial der Gesamtanlage dieselbe Interessenlage. Abgesehen davon stellt die Umweltverträglichkeitsprüfung einen unselbstständigen Teil des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens dar (§ 1 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV; zu dessen Anwendbarkeit vgl. § 1 Abs. 4 UVPG, § 1 Abs. 2 Satz 3 der 9. BImSchV), was ebenfalls für einen Gleichlauf der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht und der UVP-Pflicht spricht.
70
1.2 Die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ergibt sich gleichermaßen aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 UmwRG, weil die Verbrennungsanlage in Spalte c der Nr. 8.1.1.3 des Anhangs 1 der 4. BImSchV mit dem Buchstaben G gekennzeichnet ist. Diese Kennzeichnung betrifft zwar nur die Verbrennungsanlage als Anlagenkern, doch bezieht die Genehmigung die genannten weiteren Anlagenteile ein.
71
2. Die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UmwRG liegen vor. Der Kläger macht die Verletzung von Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können (§ 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 UmwRG), sowie geltend, in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich durch die Entscheidung berührt zu sein (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). Auch war der Kläger im Verwaltungsverfahren zur Beteiligung berechtigt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a UmwRG i.V.m. § 10 Abs. 3 Satz 8 BImSchG, § 12 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV).
B.
72
Die Klage ist unbegründet.
73
Rechtsbehelfe nach § 2 Abs. 1 UmwRG gegen Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwRG sind gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwRG begründet, soweit die Entscheidung gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind, und der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert; bei Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG muss zudem eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung im Sinne von § 2 Abs. 10 UVPG bestehen (§ 2 Abs. 4 Satz 2 UmwRG). Werden Verfahrensfehler geltend gemacht, kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b UmwRG – abweichend von § 2 Abs. 4 UmwRG – nur nach Maßgabe von § 4 UmwRG verlangt werden.
74
Für die Beurteilung der Begründetheit der Klage maßgeblich sind die nach § 6 UmwRG, § 67 Abs. 4 VwGO berücksichtigungsfähigen klägerischen Rügen, die in der innerhalb der Klagebegründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG bei Gericht eingegangenen Klagebegründungsschrift vom 27. Oktober 2023 enthalten waren und in den weiteren klägerischen Schriftsätzen vertieft wurden.
75
Der Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 15. Juni 2023 leidet weder an einem Verfahrensfehler, den der Kläger nach § 4 UmwRG mit Erfolg geltend machen könnte (I.), noch verstößt er in materiell-rechtlicher Hinsicht gegen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sind (II.).
76
I.  Aus dem klägerischen Vortrag zur Unvollständigkeit der Antragsunterlagen einschließlich des UVP-Berichts ergibt sich kein Aufhebungsanspruch nach § 4 UmwRG. Auch für die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens (§ 4 Abs. 1b UmwRG) besteht kein Anlass.
77
Die vom Kläger geltend gemachten Verstöße gegen die den Inhalt der Antragsunterlagen einschließlich des UVP-Berichts betreffenden Vorschriften der 9. BImSchV sind, da es sich bei den genannten Vorschriften um Regelungen des Genehmigungsverfahrens handelt, als Rügen bezüglich der formellen Rechtmäßigkeit der Genehmigung zu verstehen (soweit der Kläger ihnen auch einen materiellen Gehalt beimessen will, vgl. unten II.4.).
78
Die klagende Umweltvereinigung kann im gerichtlichen Verfahren Verfahrensfehler der Genehmigung nur nach Maßgabe des § 4 UmwRG rügen. Die Vorschrift bestimmt als partielle Sondervorschrift zu § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO bzw. zu § 2 Abs. 4 UmwRG das gerichtliche Prüfprogramm und damit die Reichweite des Aufhebungsanspruchs (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 4 UmwRG Rn. 1). Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 UmwRG sind die Abs. 1 bis 2 des § 4 UmwRG auf Vereinigungen nach § 3 Abs. 1 UmwRG – wie vorliegend – anwendbar. Anhand des daraus folgenden Maßstabs sind die vom Kläger erhobenen Rügen zu würdigen.
79
§ 4 UmwRG differenziert zwischen sog. absoluten Verfahrensfehlern (§ 4 Abs. 1 UmwRG), die unabhängig von der Ergebniskausalität zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung führen, und sog. relativen Verfahrensfehlern (§ 4 Abs. 1a UmwRG), für die § 46 VwVfG zur Anwendung kommt (§ 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG), jedoch unter der Maßgabe des § 4 Abs. 1a Satz 2 UmwRG, wonach bei mangelnder Aufklärbarkeit der Beeinflussung der Sachentscheidung durch den Verfahrensfehler eine Beeinflussung vermutet wird.
80
1. Ein absoluter Verfahrensfehler nach dem hier allein in Betracht kommenden § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht.
81
§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG setzt voraus, dass ein anderer Verfahrensfehler als nach Nr. 1 (unterbliebene Umweltverträglichkeitsprüfung) oder Nr. 2 (unterbliebene Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 18 UVPG oder § 10 BImSchG) vorliegt, der a) nicht geheilt worden ist, b) nach seiner Art und Schwere mit den in den Nr. 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und c) der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Kläger selbst die Möglichkeit der Beteiligung genommen wurde. § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG, wonach im Fall des Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 die Aufhebung einer Entscheidung nur verlangt werden kann, wenn der Verfahrensfehler dem Beteiligten die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat, bezieht sich nicht auf Rechtsbehelfe von Umweltvereinigungen (BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 9 A 16.16 – juris Rn. 25).
82
1.1 Die Durchführung des Genehmigungsverfahrens einschließlich der Umweltverträglichkeitsprüfung bei nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG genehmigungspflichtigen Vorhaben wie dem vorliegenden richtet sich nach den Vorschriften des § 10 BImSchG und der 9. BImSchV. Maßgeblich sind hier die zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung (Bescheid vom 15. Juni 2023) geltenden Vorschriften, mithin das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) in der Fassung des Gesetzes vom 19. Oktober 2022 (BGBl I S. 1792) sowie die 9. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (9. BImSchV) in der Fassung des Gesetzes vom 22. März 2023 (BGBl I Nr. 88). Das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung kommt demgegenüber nicht zur Anwendung, weil die 9. BImSchV abschließende Regelungen über die in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung enthält (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 3 der 9. BImSchV, § 1 Abs. 4 UVPG; BVerwG, U.v. 28.9.2016 – 7 C 1.15 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 16.12.2024 – 22 CS 24.1314 – juris Rn. 22; OVG LSA, U.v. 19.12.2023 – 2 L 74.19 – juris Rn. 142). Die vom Kläger als verletzt bezeichneten Vorschriften des UVPG sind allerdings inhaltsgleich in der 9. BImSchV enthalten, so dass die klägerische Rüge als auf die entsprechenden Vorschriften bezogen verstanden werden kann.
83
Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 BImSchG, § 4 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV sind dem Genehmigungsantrag die zur Prüfung nach § 6 BImSchG erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Die Unterlagen müssen insbesondere die nach den §§ 4a bis 4d der 9. BImSchV erforderlichen Angaben enthalten, bei UVPpflichtigen Anlagen darüber hinaus zusätzlich einen UVP-Bericht, der die erforderlichen Angaben nach § 4e der 9. BImSchV und der Anlage dazu enthält (§ 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 der 9. BImSchV). Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach § 10 Abs. 2 Satz 1 BImSchG, sind nach der Bekanntmachung des Vorhabens einen Monat zur Einsicht auszulegen (§ 10 Abs. 3 Satz 2 BImSchG); § 10 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV konkretisiert dies dahin, dass nur Unterlagen auszulegen sind, die Angaben über die Auswirkungen der Anlage auf die Nachbarschaft und die Allgemeinheit enthalten (vgl. OVG Saarl, B.v. 4.9.2023 – 2 B 70.23 – juris Rn. 19; OVG LSA, U.v. 19.12.2023 – 2 L 74.19 – juris Rn. 144). Ferner ist bei UVPpflichtigen Anlagen der UVP-Bericht auszulegen (§ 10 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 1 der 9. BImSchV).
84
1.2 Zu den Verfahrensfehlern im Sinne von § 4 UmwRG gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Oberverwaltungsgerichte nur Verstöße gegen Rechtsvorschriften, die die äußere Ordnung des Verfahrens, d.h. den Verfahrensablauf als solchen betreffen. Hierzu zählen etwa Regelungen über den Beginn des Verfahrens, die Beteiligung anderer Behörden und der Öffentlichkeit sowie sonstige Verfahrensschritte, wie etwa die Durchführung einer UVP oder Vorprüfung. Nicht zum äußeren Verfahrensgang in diesem Sinne gehört dagegen der durch materiell-rechtliche Vorgaben gesteuerte Prozess der Willens- und Entscheidungsbildung, der sich regelmäßig auf der Grundlage von Fachgutachten vollzieht (BVerwG, U.v. 28.11.2017 – 7 A 17.12 – juris Rn. 29; B.v. 7.1.2020 – 4 B 74.17 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 30.11.2020 – 22 A 19.40034 u.a. – juris Rn. 130; B.v. 16.12.2024 – 22 CS 24.1314 – juris Rn. 29; VGH BW, U.v. 11.12.2023 – 10 S 1914.22 – juris Rn. 52; OVG NW, B.v. 1.2.2019 – 7 B 1360.18 – juris Rn. 10 ff.; OVG Hamburg, B.v. 30.4.2024 – 1 Es 4/24.P – juris Rn. 40).
85
Zu der ordnungsgemäßen Durchführung der Verfahrensschritte der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 BImSchG sowie der UVP, insbesondere der Auslegung der Unterlagen einschließlich des UVP-Berichts, gehört mit Blick auf das Erfordernis der Gewährung rechtlichen Gehörs durch eine frühzeitige und effektive Öffentlichkeitsbeteiligung, dass die ausgelegten Unterlagen Dritten die Beurteilung ermöglichen, ob und in welchem Maß Auswirkungen der Anlage auf die Allgemeinheit und die Nachbarschaft zu erwarten sind (Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 10 BImSchG Rn. 87; Weiss in Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, 2021, § 10 Rn. 116, 144), mithin dass die Unterlagen die erforderliche Anstoßwirkung entfalten (OVG LSA, U.v. 19.12.2023 – 2 L 74.19 – juris Rn. 145 f.; Weiss in Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, § 10 Rn. 116, 144), was hinsichtlich der UVP in § 4e Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 der 9. BImSchV 2023 zum Ausdruck gebracht wird (zur UVP unter dem Gesichtspunkt des § 4 UmwRG vgl. BVerwG, U.v. 28.11.2017 – 7 A 17.12 – juris Rn. 31; B.v. 26.3.2020 – 3 B 24.19 – juris Rn. 9; B.v. 2.3.2023 – 4 B 16.22 – juris Rn. 21; OVG Hamburg, B.v. 8.1.2020 – 2 Bs 183/19 – juris Rn. 51, zur Auslegung von Unterlagen im Allgemeinen OVG LSA, U.v. 19.12.2023 – 2 L 74.19 – juris Rn. 145 f.; OVG Saarl, B.v. 4.9.2023 – 2 B 70.23 – juris Rn. 19).
86
Die Anstoßwirkung wird regelmäßig nicht bereits dann verfehlt, wenn lediglich einzelne Aspekte nicht mit einer hinreichenden Tiefe ermittelt, einzelne Angaben fehlerhaft, Unterlagen unzureichend oder Bewertungen fragwürdig sind. Die Öffentlichkeitsbeteiligung dient gerade dazu, derartige Fehler oder Unzulänglichkeiten aufzuspüren und gegebenenfalls Einwendungen zu erheben, damit die Defizite behoben werden. Sie wäre nach ihrem Sinn und Zweck entbehrlich, wenn in jeder Hinsicht fehlerfreie Unterlagen Voraussetzung für eine rechtmäßige Öffentlichkeitsbeteiligung wären (BVerwG, B.v. 26.3.2020 – 3 B 24.19 – juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 1.2.2019 – 7 B 1360.18 – juris Rn. 12; OVG Hamburg, B.v. 30.4.2024 – 1 Es 4/24.P – juris Rn. 40; OVG Saarl, B.v. 4.9.2023 – 2 B 70.23 – juris Rn. 19; OVG LSA, U.v. 19.12.2023 – 2 L 74.19 – juris Rn. 145). Die Anstoßfunktion wird vielmehr erst dann verfehlt, wenn die ausgelegten Unterlagen grob unvollständig sind oder schwerwiegende Fehler enthalten, so dass eine frühzeitige und effektive Öffentlichkeitsbeteiligung grundsätzlich in Frage gestellt wäre und Dritte nicht mehr beurteilen können, ob und in welchem Umfang sie von den Umweltauswirkungen des Vorhabens betroffen sein können (BVerwG, B.v. 26.3.2020 – 3 B 24.19 – juris Rn. 9; VGH BW, U.v. 20.12.2023 – 14 S 218.23 – juris Rn. 79; BayVGH, B.v. 16.12.2024 – 22 CS 24.1314 – juris Rn. 30).
87
Dies setzt weiter voraus, dass die als fehlend gerügten Gesichtspunkte für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens erforderlich sind; sie müssen mithin zum Prüfprogramm der Genehmigung gehören. Dementsprechend sind dem Antrag nach § 4 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV nur Unterlagen beizufügen, die zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich sind (vgl. auch § 4a Abs. 1 der 9. BImSchV). Die §§ 4a bis 4e der 9. BImSchV enthalten nähere Angaben über die im einzelnen erforderlichen Unterlagen (Czajka in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand April 2025, § 4a der 9. BImSchV Rn. 8, 14). Hinsichtlich des UVP-Berichts bestimmt § 4e Abs. 2 der 9. BImSchV, dass der Bericht die in der Anlage zu § 4e der 9. BImSchV genannten weiteren Angaben nur enthalten muss, soweit diese für die Entscheidung über die Zulassung des UVPpflichtigen Vorhabens erforderlich sind; ebenso bestimmen sich Inhalt und Umfang des UVP-Berichts gemäß § 4e Abs. 3 Satz 1 der 9. BImSchV nach den Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens maßgebend sind (vgl. auch Nr. 4 Satz 2 der Anlage zu § 4e der 9. BImSchV; zum Ganzen BayVGH, B.v. 16.12.2024 – 22 CS 24.1314 – juris Rn. 58; Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 4e der 9. BImSchV Rn. 27).
88
1.3 Nach diesen Maßgaben führen die klägerischen Rügen nicht auf einen sonstigen absoluten Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG.
89
1.3.1 Der Kläger bemängelt das Fehlen von Annahmeerklärungen von Entsorgungsunternehmen entgegen § 4c Nr. 4 der 9. BImSchV. Nach der Vorschrift müssen die Antragsunterlagen Angaben zu den vorgesehenen Maßnahmen zur Beseitigung nicht zu vermeidender oder zu verwertender Abfälle einschließlich der rechtlichen und tatsächlichen Durchführbarkeit dieser Maßnahmen und der vorgesehenen Entsorgungswege enthalten. Die Vorschrift bezieht sich nach ihrem klaren Wortlaut lediglich auf Abfälle, die nicht verwertet (s. § 3 Abs. 23 KrWG) werden können, sondern beseitigt (s. § 3 Abs. 26 KrWG) werden müssen. Dass solche Abfälle beim Betrieb der Anlage überhaupt in erheblichem Umfang auftreten werden, ergibt sich aus den Antragsunterlagen nicht. Im Genehmigungsantrag sind auf S. 64 zunächst die in der Anlage anfallenden Abfälle aufgelistet, einschließlich einer Angabe zur Häufigkeit des Auftretens. Weiter ist ausgeführt (Genehmigungsantrag S. 65), dass aus der durch die Verbrennung gewonnenen Primärasche Phosphat/Phosphorsäure zurückgewonnen und in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden solle; weiterhin werde angestrebt, die Aktivkohle der Brüdenkondensatreinigung zu regenerieren sowie die entstehende Ammoniumsulfatlösung in der Düngemittelindustrie zu verwenden. Weitere Reststoffe würden einer ordnungsgemäßen Abfallentsorgung zugeführt; für gefährliche Abfälle im Sinne der Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis vom 10. Dezember 2001 (BGBl I S. 3379, zuletzt geändert durch Verordnung vom 30. Juni 2020, BGBl I S. 1533, im Folgenden: AVV) würden vor der ersten Entsorgung Entsorgungsnachweise erstellt. Der Vertreter des LfU hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, es bestünden für die von Klägerseite als nicht verwertbar genannten Abfälle wie Filterstäube, Aktivkohle, Putzmittel und Altöle Verwertungsmöglichkeiten, teils im Bergbau, teils durch thermische Verwertung. Hinsichtlich der Phosphorasche müsse sich noch eine Phosphorkreislaufwirtschaft etablieren; dabei könne nicht ausgeschlossen werden, dass für einen Übergangszeitraum Phosphor zwischengelagert werden müsse, bis eine Möglichkeit der Verwertung bestehe.
90
Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass den Antragsunterlagen bereits Annahmeerklärungen von Entsorgungsunternehmen hätten beigefügt werden müssen, weil diese zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich gewesen wären (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV). Angesichts des Übergangsprozesses hinsichtlich der Verwertung der Klärschlammasche, aus der nach der Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung vom 27. September 2017 (BGBl I S. 3465), in Kraft getreten am 3. Oktober 2017, ab 2029 Phosphor rückgewonnen werden muss, was aber derzeit in technischer Hinsicht noch erprobt wird, stellt sich die Frage nach Annahmeerklärungen von Entsorgungsunternehmen zur Beseitigung der Klärschlammasche derzeit nicht. Auch hinsichtlich der weiteren Reststoffe aus der Anlage wird eine Verwertung jedenfalls angestrebt und ist nach Aussage des LfU auch möglich; eine Festlegung auf eine Beseitigung durch bestimmte Entsorgungsunternehmen einschließlich einer entsprechenden vertraglichen Bindung erscheint daher zum für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigungserteilung (vgl. nur BVerwG, B.v. 28.7.2022 – 7 B 15.21 – juris Ls. 1, Rn. 12 m.w.N. sowie unten II.1.2) nicht nur nicht erforderlich, sondern nicht angemessen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Eingehen vertraglicher Verpflichtungen gegenüber Entsorgungsunternehmen auf der Grundlage von § 4c Nr. 4 der 9. BImSchV 2023 vor der Erteilung der Genehmigung jedenfalls in aller Regel nicht verlangt werden kann (vgl. Czajka in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 4c der 9. BImSchV Rn. 37, 55; Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 4c der 9. BImSchV Rn. 7 zu § 4c Nr. 2). Dem Vortrag des Klägers fehlt es im Übrigen auch an einer Darlegung, zur Prüfung welcher materiell-rechtlichen Genehmigungsvoraussetzung die Vorlage von Annahmeerklärungen von Entsorgungsunternehmen erforderlich gewesen wäre.
91
Unabhängig davon scheidet ein absoluter Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG vorliegend auch deshalb aus, weil nicht ersichtlich ist, inwieweit durch das Fehlen von Annahmeerklärungen von Entsorgungsunternehmen in den Antragsunterlagen die durch die Auslegung der Unterlagen zu erreichende Anstoßwirkung gegenüber der Öffentlichkeit verfehlt worden sein sollte.
92
1.3.2 Ein absoluter Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers zu fehlenden Angaben zur Anlagensicherheit in den Antragsunterlagen.
93
Der insoweit als verletzt gerügte § 4a Abs. 1 Nr. 5 der 9. BImSchV bezieht sich nicht allgemein auf Störungen im Verfahrensablauf, sondern erfasst nur mögliche Freisetzungen oder Reaktionen von Stoffen in solchen Fällen; nur dazu können also Angaben erforderlich sein. Auch § 4b Abs. 1 Nr. 2 der 9. BImSchV stellt auf Störungen des Betriebsablaufes ab, die zu Gefahren, Nachteilen oder erheblichen Belästigungen der Allgemeinheit und der Nachbarschaft führen können. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass alle von ihm aufgelisteten möglichen Störfälle ohne weiteres nachteilige Auswirkungen auf Dritte haben, insbesondere zu Freisetzungen von Stoffen führen können. So dürften etwa der bloße Ausfall von Steuerungen oder von Messinstrumenten sowie fehlerhafte Werte bei Emissionsmessungen solche Auswirkungen nicht ohne weiteres haben.
94
Hinsichtlich der übrigen vom Kläger insbesondere im Schriftsatz vom 9. August 2024 aufgelisteten möglichen Störfälle fehlt es an einer Darlegung, inwieweit diese mit Blick auf den Betrieb der konkreten Anlage so relevant sind, dass Angaben dazu als erforderlich hätten angesehen werden müssen. Der klägerische Vortrag erschöpft sich insoweit in einer Aufzählung von Behauptungen ohne nähere Begründung. Demgegenüber verweisen der Beklagte und die Beigeladene darauf, dass mit Blick auf die konkrete Anlage relevante mögliche Störfälle in der Freisetzung von Klärschlammstaub, Brand und Explosion bestehen könnten. Dem entsprechen die Ausführungen in Kapitel 6 des Genehmigungsantrags, die auf diese Ereignisse eingehen. Insbesondere hat das LfU in seiner der Klageerwiderung des Beklagten beigefügten Stellungnahme vom 26. Februar 2024 ausgeführt (S. 17), dass entwässerter Klärschlamm nicht brenne und allenfalls getrockneter Klärschlamm brennen könne, aber in der Anlage nicht an Stellen vorliege, an denen er temperaturbedingt in Brand geraten könne. Weiter würden in der Anlage keine Stoffe eingesetzt, die für sich reaktiv seien; dies gelte auch für die in der Abgasreinigung erzeugten Stoffe. Weiter werde bei einem Schwarzfall automatisch die Zuführung frischen Brennstoffs verriegelt, so dass ein stundenlanger Abbrand mit erheblichen Emissionen nicht möglich sei. Der Kläger hat dem – unter Berücksichtigung von § 6 UmwRG und § 67 Abs. 4 VwGO (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 u.a. – juris Rn. 12) – auch bei Einbeziehung der nach Ablauf der Klagebegründungsfrist eingegangenen Schriftsätze keinen ausreichend substantiierten Vortrag entgegengesetzt, der für das Gericht hätte Anlass sein müssen, der Frage weiterer Störfälle mit Auswirkungen auf Dritte, insbesondere durch Freisetzung von Stoffen, und eventuell erforderlicher Gegenmaßnahmen nachzugehen. Es fehlt auch eine Darlegung dazu, inwieweit die Antragsunterlagen diesbezüglich (Kapitel 6 des Genehmigungsantrags) die erforderliche Anstoßwirkung verfehlt hätten.
95
1.3.3 Auch mit Blick auf die Anforderungen des § 4a Abs. 3 Nr. 2 und 3 der 9. BImSchV und fehlende Angaben zum Heizwert und zum Abfalldurchsatz der Anlage in den Antragsunterlagen liegt kein Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG vor.
96
Nach § 4a Abs. 3 der 9. BImSchV müssen die Unterlagen für Anlagen, auf die – wie hier – die 17. BImSchV anzuwenden ist, die kleinsten und größten Massenströme der zur Verbrennung vorgesehenen Abfälle, angegeben als stündliche Einsatzmengen (Nr. 2) sowie die kleinsten und größten Heizwerte der zur Verbrennung vorgesehenen Abfälle (Nr. 3) enthalten. Die Vorschriften dienen der Umsetzung des Art. 45 Abs. 2 Buchst. b IE-RL 2010, wonach die Angabe der Massenströme und Heizwerte nur für gefährliche Abfälle erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund ist § 4a Abs. 3 Nr. 2 und 3 der 9. BImSchV einschränkend dahin auszulegen, dass die Angaben nur bei gefährlichen Abfällen im Sinne der AVV erforderlich sind (vgl. Czajka in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 4a der 9. BImSchV Rn. 56 f.; Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 4a der 9. BImSchV Rn. 22). Da es sich bei dem Abfall, der in der streitgegenständlichen Anlage verbrannt werden soll, ausschließlich um kommunalen Klärschlamm mit dem Abfallschlüssel 19 08 05 nach dem Abfallverzeichnis und damit um nicht gefährlichen Abfall handelt, waren Angaben zum Heizwert und zum Abfalldurchsatz hier entbehrlich.
97
1.3.4 Auch soweit der Kläger bemängelt, dass der UVP-Bericht keine hinreichenden Angaben zu Treibhausgasemissionen der Anlage und zu einer Prüfung alternativer Klärschlammverwertungskonzepte enthalte, liegt kein Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG vor.
98
Die Anforderungen an den Inhalt des UVP-Berichts, auch hinsichtlich der Ermittlung der Belange des Klimaschutzes, ergeben sich vorliegend nicht aus dem UVPG, sondern aus § 4e Abs. 2 i.V.m. Nr. 4 Buchst. b und c Doppelbuchst. gg der Anlage zu § 4e der 9. BImSchV, hinsichtlich der vom Kläger geforderten Alternativenprüfung aus § 4e Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 der 9. BImSchV (s. zur Anwendbarkeit der Vorschriften oben 1.1).
99
Eine Verfehlung der Anstoßfunktion und damit ein Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG scheiden vorliegend aus, weil die Prüfung der Auswirkungen des Vorhabens auf das globale Klima einschließlich der Prüfung möglicher Alternativen zu dem Vorhaben materiell-rechtlich nicht zum Prüfprogramm der streitgegenständlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gehört (s. zu dieser Anforderung schon oben 1.2).
100
§ 13 Abs. 1 Satz 1 KSG, wonach die Träger öffentlicher Aufgaben bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck des KSG und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele zu berücksichtigen haben, ist hier nicht anwendbar, weil es der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung an einem von der Norm vorausgesetzten aufgrund gesetzlicher Regelungen bestehenden Entscheidungsspielraum der Verwaltung fehlt. Dieser Entscheidungsspielraum kann ein Abwägungs-, Beurteilungs- oder Ermessensspielraum sein (vgl. BT-Drs. 19/14337 S. 36; BVerwG, U.v. 4.5.2022 – 9 A 7.21 – juris Rn. 61 f.; U.v. 2.6.2023 – 7 A 9.22 – juris Rn. 43; U.v. 25.1.2024 – 7 A 4.23 – juris Rn. 53; Fellenberg in Fellenberg/Guckelberger, Klimaschutzrecht, 2022, § 13 KSG Rn. 16). Bei immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen als gebundenen Entscheidungen besteht ein entsprechender Entscheidungsspielraum nicht (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.2023 – 7 A 9.22 – juris Rn. 36; U.v. 25.1.2024 – 7 A 4.23 – juris Rn. 53; U.v. 14.11.2024 – 7 A 8.23 – juris Rn. 28; BayVGH, B.v. 16.12.2024 – 22 CS 24.1314 – juris Rn. 60; Fellenberg in Fellenberg/Guckelberger, Klimaschutzrecht, 2022, § 13 KSG Rn. 18; Schink in Frenz, Klimaschutzrecht, 3. Aufl. 2025, § 13 KSG Rn. 26; offener Wickel in Säcker/Ludwigs, Berliner Kommentar zum Energierecht, 5. Aufl. 2022, § 13 KSG Rn. 21).
101
Soweit die Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, die Bestimmungen der 9. BImSchV bezüglich der Angaben zu Treibhausgasemissionen im UVP-Bericht liefen aufgrund der vorgenannten Rechtsauffassung ins Leere, ist dem zu entgegnen, dass die 9. BImSchV eine Relativierung der Geltung der Anforderungen nach der Anlage zu § 4e der 9. BImSchV selbst enthält. Im Einleitungssatz zu der Anlage heißt es, dass der UVP-Bericht die Angaben nach der Anlage (nur) enthalten müsse, soweit diese über die Mindestanforderungen nach § 4e Abs. 1 BImSchV hinausgingen und sie für die Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens erforderlich seien. Auch wenn Angaben zu Treibhausgasemissionen bei immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen, die allein in den Anwendungsbereich der 9. BImSchV fallen, aufgrund der vorgenannten Rechtsauffassung zu § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG nie erforderlich sein dürften, kann dies allein nicht entgegen dem Wortlaut von § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG eine Pflicht zur Ermittlung und Berücksichtigung von Klimaschutzbelangen im Rahmen immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen begründen.
102
Für die vom Kläger geforderte Öffnung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens für die Anwendung des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG besteht aus Sicht des Senats nach geltendem Recht kein Raum, nachdem die Vorschrift nach ihrem Wortlaut ausdrücklich einen Entscheidungsspielraum verlangt, der bei der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht besteht. Der Anlagenbetreiber hat bei Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung in der beantragten Form; die Genehmigungsbehörde kann in diesem Fall vom Anlagenbetreiber keine Änderung oder Anpassung des Vorhabens etwa aus Gründen des Klimaschutzes verlangen, so dass entgegen dem Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 9. August 2024 keine Entscheidungsspielräume bestehen. Angesichts des eindeutigen Wortlautes des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG kommt auch eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift, wie sie der Kläger möglicherweise erreichen will, nicht in Betracht. Eine Verfassungswidrigkeit des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG hat der Kläger nicht vorgetragen.
103
Vor diesem Hintergrund war entgegen der Auffassung des Klägers auch die Prüfung von Alternativen zu dem Vorhaben wie etwa von Pyrolyseverfahren oder von Verfahren zur hydrothermalen Karbonisierung zum Zweck der Klärschlammverwertung, die ggf. eine bessere Treibhausgasbilanz aufweisen als die Monoklärschlammverbrennung, nicht erforderlich. Gleiches gilt für die Prüfung der Frage, ob Technologien zu verwenden wären, die nicht nur einen Rückgriff auf den im Klärschlamm enthaltenen Phosphor, sondern auch auf andere biogene Bestandteile des Klärschlamms zuließen.
104
2. Aus dem Vortrag des Klägers zur Unvollständigkeit der Antragsunterlagen einschließlich des UVP-Berichts folgt auch kein relativer Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1a UmwRG. Für ein ergänzendes Verfahren zur Heilung von Verfahrensfehlern nach § 4 Abs. 1b UmwRG besteht daher kein Raum.
105
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellen eventuelle inhaltliche Fehler der öffentlich ausgelegten Unterlagen keine Verfahrensfehler nach § 4 UmwRG dar, sofern die Unterlagen die erforderliche Anstoßwirkung entfalten (s. hierzu oben 1.2). Diese Rechtsprechung bezieht sich nicht nur auf § 4 Abs. 1 UmwRG, sondern auch auf dessen Abs. 1a (BVerwG, U.v. 28.11.2017 – 7 A 17.12 – juris Rn. 28; B.v. 26.3.2020 – 3 B 24.19 – juris Rn. 9; ebenso BayVGH, B.v. 16.12.2024 – 22 CS 24.1314 – juris Rn. 65; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 4 UmwRG Rn. 67). Dies hat den Hintergrund, dass ein Verfahrensfehler – auch nach § 4 Abs. 1a UmwRG – begrifflich bei inhaltlichen Mängeln von Antragsunterlagen – in Abgrenzung von dem materiellen Recht zuzuordnenden Fehlern – nur dann vorliegen kann, wenn sich aus dem inhaltlichen Mangel ein Bezug zum korrekten Ablauf des Genehmigungsverfahrens ergibt; diesen Bezug hat das Bundesverwaltungsgericht in dem Verfehlen der Anstoßwirkung gesehen. Geringfügigere inhaltliche Mängel von Antragsunterlagen, die sich nicht auf das Erreichen der Anstoßwirkung auswirken, können mithin auch keine relativen Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1a UmwRG darstellen. Dies ändert nichts daran, dass auf den Verfahrensablauf UVPpflichtiger Vorhaben bezogene Mängel, die nicht von Abs. 1 erfasst sind, unter § 4 Abs. 1a UmwRG fallen können (vgl. hierzu Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 4 UmwRG Rn. 67).
106
II.  Die Klage ist auch nicht nach § 2 Abs. 4 UmwRG wegen eines materiell-rechtlichen Rechtsverstoßes der Genehmigung begründet.
107
Aus dem klägerischen Vortrag folgt weder ein Verstoß der Genehmigung gegen § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BImSchG und den unionsrechtlichen Regelungen zu den besten verfügbaren Techniken für Abfallverbrennungsanlagen (1.) noch gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 27 Abs. 1 WHG) sowie die Verpflichtung zum Phasing Out (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Nr. iv WRRL) im Hinblick auf Quecksilbereinträge in Gewässer (2.). Auch mit den Anforderungen zur FFH-Verträglichkeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. §§ 33, 34 BNatSchG ist die Genehmigung im Hinblick auf Stickstoff- und Säuredepositionen unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags vereinbar (3.). Schließlich ergibt sich aus dem Vortrag kein Verstoß gegen das Gebot zur Berücksichtigung von Klimaschutzbelangen, § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG (4.).
108
1. Soweit vom Kläger gerügt, ist die Genehmigung mit den anwendbaren, sich aus nationalem Immissionsschutzrecht und aus Unionsrecht ergebenden Anforderungen bezüglich der Begrenzung der Emissionen von Luftschadstoffen, der Überwachung von Emissionen und des Umweltmanagementsystems vereinbar.
109
Der Kläger als anerkannter Umweltverband kann sich (auch) auf das Vorsorgegebot des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG berufen (1.1). Die Rechtmäßigkeit der Genehmigung richtet sich ungeachtet des dynamischen Charakters der Betreiberpflichten nach den zum Zeitpunkt ihres Erlasses geltenden Rechtsvorschriften (1.2). Die hier einschlägigen materiell-rechtlichen Anforderungen folgen zum großen Teil aus der RL 2010/75/EU über Industrieemissionen und ihrer Umsetzung in nationales Immissionsschutzrecht (1.3). Der Vortrag des Klägers begründet mit Blick auf die festgesetzten Emissionsgrenzwerte für Luftschadstoffe weder einen Verstoß der Genehmigung gegen § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BImSchG noch gegen Unionsrecht (1.4). Gleiches gilt bezüglich der Überwachung der Emissionen und des Umweltmanagementsystems (1.5).
110
1.1 Für den Erfolg der Klage kommt es nicht darauf an, ob bzw. inwieweit die vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte der immissionsschutzrechtlichen Schutzpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG oder dem Vorsorgegebot des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG oder keiner der beiden Kategorien zuzuordnen sind.
111
Die in der 17. BImSchV 2021 enthaltenen Regelungen zu Emissionsgrenzwerten für Abfallverbrennungsanlagen (§ 8, § 10 der 17. BImSchV 2021) sowie zu Messungen und Überwachungen (Abschnitt 3 der 17. BImSchV 2021) sind, soweit es nicht bei einzelnen Anforderungen um die Bekämpfung von Brandgefahren gehen sollte (hierzu § 1 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a der 17. BImSchV 2021), nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b der 17. BImSchV 2021 der Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen zuzuordnen (vgl. Ohms in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Vorb. 17. BImSchV Rn. 30; § 1 der 17. BImSchV Rn. 36); die Verordnung enthält Regelungen zur Umsetzung der Schutzpflicht nur, soweit die Bekämpfung von Brandgefahren betroffen ist (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a der 17. BImSchV 2021). Die unionsrechtlichen Regelungen der Industrieemissions-RL 2010 sowie der BVT-Schlussfolgerungen 2019, auf die sich der Kläger unmittelbar beruft, dürften eine eigene Kategorie darstellen (vgl. Kment, VerwArch 2014, 262/264; Jarass, NVwZ 2013, 169/171). Dass Regelungen, die dem Vorsorgegebot nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zuzuordnen sind, gegenüber privaten Dritten grundsätzlich keinen Drittschutz entfalten (BVerwG, U.v. 11.12.2003 – 7 C 19.02 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 25.10.2021 – 22 B 17.855 – juris Rn. 172 m.w.N.), spielt im vorliegenden Verfahren keine Rolle, da der Kläger als Umweltverband nach § 2 UmwRG auch die Verletzung objektiven Umweltrechts rügen kann (vgl. BVerwG, B.v. 27.7.2020 – 4 VR 7.19 u.a. – juris Rn. 10; Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 82; Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 6 BImSchG Rn. 72a).
112
1.2 Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheides ist im Rahmen der vorliegenden Drittanfechtungsklage nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich der Zeitpunkt des Bescheiderlasses (vgl. nur BVerwG, B.v. 28.7.2022 – 7 B 15.21 – juris Ls. 1, Rn. 12 m.w.N.); anders wird dies nur mit Blick auf solche Änderungen gesehen, die sich zugunsten des Anlagenbetreibers auswirken. Denn in einem solchen Fall müsste die Genehmigung bei erneuter Antragstellung bei der Behörde nach Eintritt der Änderung der Rechts- oder Sachlage neu erteilt werden (vgl. BVerwG, B.v. 23.4.1998 – 4 B 40.98 – juris Rn. 3 m.w.N.).
113
Zwar kann der Anlagenbetreiber bei Änderungen der Rechtslage nach Bescheiderlass verpflichtet sein, den Anlagenbetrieb an die geänderten Bedingungen anzupassen, weil die Grundpflichten nach § 5 BImSchG einen dynamischen Charakter besitzen. Zu ihrer Umsetzung dienen die §§ 7, 17, 20 und 21 BImSchG (vgl. BVerwG, U.v. 30.4.2009 – 7 C 14.08 – juris Rn. 24; OVG NW, U.v. 31.5.2024 – 8 B 329.24 – juris Rn. 16). Eine Anpassungspflicht kann sich entweder aus einer nachträglichen Anordnung nach § 17 BImSchG ergeben oder daraus folgen, dass die nach Bescheiderlass geänderte Rechtsvorschrift ohnehin unmittelbar gegenüber dem Anlagenbetreiber gilt (BVerwG, U.v. 30.4.2009 – 7 C 14.08 – juris Rn. 26), was jedenfalls für die 17. BImSchV angenommen wird (s. hierzu im Einzelnen unten 1.5.2.2.2). Durch die dynamische Natur der Betreiberpflichten wird sichergestellt, dass der materielle Standard des Immissionsschutzrechts gewahrt bleibt (BVerwG, U.v. 21.12.2011 – 4 C 12.10 – juris Rn. 18).
114
Die dynamische Natur der Betreiberpflichten ändert jedoch nichts daran, dass eine im Zeitpunkt ihrer Erteilung rechtmäßige Genehmigung auch nach Eintritt einer für die Genehmigung relevanten Rechtsänderung rechtmäßig bleibt, und zwar unabhängig vom Zeitpunkt des Eintritts der Bestandskraft. Dies folgt daraus, dass mit der wirksamen und im Zeitpunkt ihrer Erteilung rechtmäßigen, aber nicht notwendigerweise bestandskräftigen Genehmigung festgestellt wird, dass diese – bezogen auf diesen Zeitpunkt – mit den geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist (BVerwG, U.v. 30.4.2009 – 7 C 14.08 – juris Rn. 22; U.v. 19.12.2023 – 7 C 4.22 – juris Rn. 16; Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 54). Da diese Feststellung aber nur bezogen auf den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung wirkt, sich also nicht auf nachträgliche Rechtsänderungen erstreckt, unterliegt der Anlagenbetreiber nicht nur den Pflichten, die im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung bestanden (BVerwG, U.v. 30.4.2009 – 7 C 14.08 – juris Rn. 22; U.v. 19.12.2023 – 7 C 4.22 – juris Rn. 16; Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 56; Böhm in Führ, GK-BImSchG, 3. Aufl. 2024, § 4 Rn. 22).
115
1.3 Bei der streitgegenständlichen Anlage handelt es sich um eine Anlage, die dem Kapitel II der IE-RL 2010 unterfällt (Art. 2 Abs. 1, Art. 10, Anhang I Nr. 5.2 Buchst. a IE-RL 2010, § 3 Abs. 8 BImSchG, § 3 der 4. BImSchV, Nr. 8.1.1.3 des Anhangs 1 der 4. BImSchV). Die am 4. August 2024 in Kraft getretene Richtlinie (EU) 2024/1785 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. April 2024 zur Änderung der RL 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) u.a. (ABl L 2024/1785, im Folgenden: IE-Änderungs-RL 2024) kommt im vorliegenden Rechtsstreit nicht zur Anwendung, da die Richtlinie erst bis zum 1. Juli 2026 in nationales Recht umzusetzen ist (vgl. Art. 4 Abs. 1 IE-Änderungs-RL 2024) und bisher noch nicht umgesetzt wurde (vgl. allerdings den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1785 zur Änderung der RL 2010/75/EU über Industrieemissionen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Stand: 28.11.2024; abrufbar im Internet unter https://www.bundesumweltministerium.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Glaeserne_Gesetze/20._Lp/ied/Entwurf/ied_gesetz_entwurf_bf.pdf).
116
1.3.1 Nach den Vorschriften des Kapitels II der IE-RL 2010 haben die Anlagenbetreiber beim Betrieb der von der Richtlinie erfassten Anlagen die sog. besten verfügbaren Techniken (BVT; Art. 3 Nr. 10 IE-RL 2010) anzuwenden (Art. 11 Buchst. b IE-RL 2010, s. hierzu auch EuGH, U.v. 25.6.2024 – C-626/22 – juris Rn. 81) und die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass die Genehmigung alle Maßnahmen umfasst, die zur Erfüllung der in Art. 11 IE-RL 2010 genannten Genehmigungsvoraussetzungen notwendig sind (Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 1 IE-RL 2010). Mindestanforderungen an den Inhalt der Genehmigung legt Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 IE-RL 2010 fest (u.a. Emissionsgrenzwerte [Buchst. a], Maßnahmen zur Überwachung der von der Anlage erzeugten Abfälle [Buchst. b], Anforderungen für die Überwachung der Emissionen, u.a. hinsichtlich der Messmethodik, Messhäufigkeit und des Bewertungsverfahrens [Buchst. c Nr. i], Maßnahmen im Hinblick auf von den normalen Betriebsbedingungen abweichende Bedingungen wie das An- und Abfahren [Buchst. f]). Zur Festlegung der besten verfügbaren Techniken sieht die IE-RL 2010 in Art. 13 ein Verfahren des Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten, der Kommission und weiteren Beteiligten vor, in dem sog. BVT-Merkblätter (Art. 3 Nr. 11, Art. 13 Abs. 4 IE-RL 2010) erstellt und im Wege eines gegenüber den Mitgliedstaaten verbindlichen Annahmebeschlusses der Kommission (Art. 13 Abs. 5, 75 Abs. 2 IE-RL 2010, Art. 288 Abs. 4 AEUV), der den Rang eines Durchführungsrechtsaktes i.S.d. Art. 291 Abs. 4 AEUV besitzt (vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 134a; Thiel in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 3 BImSchG Rn. 116; Schulte/Michalk in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand 1.4.2025, § 3 BImSchG Rn. 112), erlassen werden (sog. BVT-Schlussfolgerungen, vgl. Art. 3 Nr. 12 IE-RL 2010, englisch: Best Available Techniques Conclusions, BATC). Die BVT-Schlussfolgerungen werden im Amtsblatt der EU veröffentlicht (Art. 13 Abs. 6 IE-RL 2010). Die über die Beschlussfassung der Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten hergestellte Verbindlichkeit (Art. 288 Abs. 4 AEUV) der besten verfügbaren Techniken, soweit sie in den BVT-Schlussfolgerungen enthalten sind, stellt ein wesentliches Element der IE-RL 2010 und einen Hauptbeweggrund für ihren Erlass dar, nachdem nach der vorhergehenden IVU-Richtlinie eine entsprechende Verbindlichkeit noch nicht bestand (vgl. Röckinghausen, UPR 2012, 161/164; Wasielewski, UPR 2012, 424/425; Keller, UPR 2013, 128; Kment, VerwArch 2014, 262/263).
117
Die BVT-Schlussfolgerungen enthalten u.a. die Beschreibung der besten verfügbaren Techniken sowie Überwachungsmaßnahmen (Art. 3 Nr. 12 IE-RL 2010). Zudem enthalten sie die sog. BVTassoziierten Emissionswerte, einen Bereich von Emissionswerten, die bei Verwendung der BVT erzielt werden (Art. 3 Nr. 13 IE-RL 2010). Die BVT-Schlussfolgerungen dienen gemäß Art. 14 Abs. 3 IE-RL 2010 als Referenzdokument bei der Festlegung von Genehmigungsauflagen. Nach Art. 15 Abs. 3 IE-RL 2010 hat die zuständige Behörde durch die Festlegung von Emissionsgrenzwerten sicherzustellen, dass die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte nach den BVT-Schlussfolgerungen nicht überschreiten.
118
Kapitel II der IE-RL 2010 wurde in Deutschland durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen vom 8. April 2013 (BGBl I S. 374, ber. S. 3753) umgesetzt, u.a. durch eine Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (s. hierzu etwa Jarass, NVwZ 2013, 169 ff.; Betensted/Grandjot/Waskow, ZUR 2013, 395 ff.; Röckinghausen, UPR 2012, 161 ff.; Wasielewski, UPR 2012, 424 ff.).
119
1.3.2 In Bezug auf den streitgegenständlichen Anlagentyp hat die Kommission die besten verfügbaren Techniken in den BVT-Schlussfolgerungen 2019 geregelt (vgl. den Verweis auf Nr. 5.2. des Anhangs I der IE-RL 2010 in den Hinweisen zum Anwendungsbereich der BVT-Schlussfolgerungen 2019). Wesentliche Bestandteile der Schlussfolgerungen sind mit Blick auf Anlagen wie die streitgegenständliche Anforderungen an die Einführung eines Umweltmanagementsystems einschließlich eines Abfallstrommanagements, an die Überwachung der Emissionen sowie die Festlegung der BVTassoziierten Emissionswerte für bestimmte Emissionen, die in aller Regel nicht als bestimmter Wert, sondern als Bandbreite (mit einer Ober- und einer Untergrenze) angegeben werden. Der Durchführungsbeschluss richtet sich an die Mitgliedstaaten und ihre Behörden (Art. 2 des Durchführungsbeschlusses), nicht aber an die Anlagenbetreiber (s.a. Art. 288 Abs. 4 Satz 2 AEUV).
120
Mit Blick auf die Anwendung der BVT-Schlussfolgerungen durch die Mitgliedstaaten geht die Industrieemissions-Richtlinie – wie insbesondere durch Art. 21 Abs. 3 IE-RL 2010 deutlich wird – grundsätzlich von einem administrativen Konzept aus, d.h. von einer unmittelbaren Anwendung der Schlussfolgerungen durch die Behörden im Genehmigungsverfahren, ohne dass es einer Umsetzung der Schlussfolgerungen in nationales Recht bedürfte (vgl. Rebentisch, UPR 2020, 164/166). Alternativ dazu lässt es die Richtlinie aber auch ausdrücklich zu, dass die Mitgliedstaaten Auflagen für bestimmte Kategorien von Anlagen, u.a. Abfallverbrennungsanlagen, in Form von allgemeinen bindenden Vorschriften vorsehen (Art. 6 Unterabs. 1, s. auch Art. 17 IE-RL 2010).
121
Der deutsche Gesetzgeber hat sich für ein Umsetzungskonzept durch allgemeinverbindliche Vorschriften entschieden (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1a, § 48 Abs. 1a BImSchG). Die BVT-Schlussfolgerungen 2019 wurden durch die Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen und zur Änderung der Chemikalien-Verbotsverordnung vom 13. Februar 2024 (BGBl I Nr. 43) und damit nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheides in deutsches Recht umgesetzt.
122
1.3.3 Unter Berücksichtigung des für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkts des Bescheiderlasses ergeben sich die materiell-rechtlichen Anforderungen an den Betrieb der streitgegenständlichen Anlage, soweit es um die vom Kläger gerügten Gesichtspunkte hinsichtlich der besten verfügbaren Techniken geht, grundsätzlich aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung des Gesetzes vom 19. Oktober 2022 (BGBl I S. 1792, s. schon oben 1.1) i.V.m. der 17. BImSchV 2021. In der Änderung der 17. BImSchV 2021 durch Verordnung vom 13. Februar 2024 liegt eine nach Bescheiderlass eingetretene Rechtsänderung (vgl. hierzu Hansmann/Röckinghausen in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 21 BImSchG Rn. 37), die sich – durch eine teilweise Verschärfung der Emissionsgrenzwerte sowie der Regelungen zur Überwachung der Emissionen und zum Umweltmanagement – zu Ungunsten der Anlagenbetreiberin auswirkt und daher bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung im vorliegenden Verfahren prinzipiell außer Betracht bleibt. Eine unmittelbare Anwendung der BVT-Schlussfolgerungen 2019 durch die Genehmigungsbehörde im Zeitpunkt des Bescheiderlasses käme nur in Betracht, wenn Unionsrecht dazu verpflichten würde (hierzu unten 1.5.1.2).
123
1.4 Soweit der Kläger rügt, die Genehmigung sei in Bezug auf die festgesetzten Emissionsgrenzwerte für bestimmte Luftschadstoffe nicht mit § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. den BVT-Schlussfolgerungen Abfallverbrennung 2019 und den Vorschriften der IE-RL 2010 vereinbar, führt sein Vortrag nicht zum Erfolg der Klage.
124
1.4.1 Der Kläger rügt nicht, dass die in der streitgegenständlichen Genehmigung festgesetzten Emissionsgrenzwerte für Luftschadstoffe die – nach den obigen Ausführungen für die Beurteilung maßgebliche – 17. BImSchV 2021 verletzten. Ungeachtet dessen sind die im Bescheid unter Nr. A. III. 9.3.4.6. festgesetzten Grenzwerte (Tagesmittelwerte, Halbstundenmittelwerte, Jahresmittelwerte), soweit klagegegenständlich, mit deren Anforderungen vereinbar.
125
Auf die strengeren Grenzwerte der 17. BImSchV 2024 kommt es nach den obigen Ausführungen (s. 1.2) für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung im vorliegenden Klageverfahren nicht an. Ungeachtet dessen ist die Genehmigung – soweit klagegegenständlich mit Ausnahme des Tagesmittelwerts für Quecksilber – auch mit deren Anforderungen vereinbar. Darüber hinaus entsprechen die festgesetzten Emissionsgrenzwerte, soweit klagegegenständlich, jeweils dem oberen Rand der in den BVT-Schlussfolgerungen festgelegten Emissionsbandbreiten; dies gilt auch für den Tagesmittelwert für Quecksilber. Die Festsetzung dieser – im Vergleich zur 17. BImSchV 2021 strengeren – Werte in der Genehmigung begründet sich dadurch, dass die Beigeladene dies ausdrücklich beantragt hat.
126
1.4.2 Die im Bescheid für die genannten Luftschadstoffe jeweils am oberen Rand der von den BVT-Schlussfolgerungen 2019 vorgegebenen Bandbreiten festgesetzten Emissionsgrenzwerte sind mit der IE-RL 2010 und den BVT-Schlussfolgerungen 2019 vereinbar. Es kann daher hier noch dahinstehen, ob die Genehmigungsbehörde zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung zur Anwendung der BVT-Schlussfolgerungen 2019 verpflichtet war (s. dazu aber unten 1.5.1).
127
Entgegen dem Vortrag des Klägers lässt sich weder der IE-RL 2010 noch den BVT-Schlussfolgerungen 2019 eine Verpflichtung der Behörden der Mitgliedstaaten entnehmen, die Emissionsgrenzwerte stets entsprechend dem unteren Rand der in den BVT-Schlussfolgerungen enthaltenen Bandbreite festzulegen oder jedenfalls den oberen Rand der Bandbreite – gleich in welchem Ausmaß – bei der Festlegung der Grenzwerte zu unterschreiten. Dies gilt gleichermaßen für den Verordnungsgeber, soweit dieser gemäß Art. 6 Unterabs. 1, Art. 17 IE-RL 2010 allgemeine bindende Vorschriften zur Umsetzung der sich aus der Richtlinie und den BVT-Schlussfolgerungen 2019 ergebenden Verpflichtungen erlässt.
128
1.4.2.1 Nach Art. 15 Abs. 3 IE-RL 2010 legt die zuständige Behörde Emissionsgrenzwerte fest, mit denen sichergestellt wird, dass die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, wie sie in den Entscheidungen über die BVT-Schlussfolgerungen festgelegt sind, nicht überschreiten (vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 15 der IE-RL 2010; für die Festlegung durch allgemeinverbindliche Vorschriften s. Art. 6, 17 IE-RL 2010). Der Erwägungsgrund Nr. 15 der IE-RL 2010 betont dabei den den Behörden zu gewährenden ausreichenden Spielraum. Im Erwägungsgrund Nr. 1 der BVT-Schlussfolgerungen wird darauf abgestellt, dass durch die festgesetzten Emissionsgrenzwerte zu gewährleisten ist, dass die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen nicht über den mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerten gemäß den Schlussfolgerungen liegen. Der Wortlaut der Vorschriften spricht mithin dafür, dass es auf die Einhaltung der Bandbreite ankommt, die nach oben hin nicht überschritten werden darf. Dass Grenzwerte nur dann den Anforderungen der IE-RL 2010 entsprechen würden, wenn sie den unteren Rand der BVTassoziierten Emissionswerte, mithin der Bandbreiten, einhalten oder jedenfalls unterhalb des oberen Randes liegen würden, lässt sich dem nicht entnehmen. Von einem Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Emissionsgrenzwerte innerhalb der in den BVT-Schlussfolgerungen enthaltenen Bandbreiten geht auch das Europäische Gericht aus (vgl. EuG, B.v. 13.12.2018 – T-739/17 – BeckRS 2018, 34230 Rn. 97, 103; s. nachfolgend auch EuGH, B.v. 31.1.2020 – C-172/19 – juris; ebenso Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 138; Thiel in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 3 BImSchG Rn. 117; Bickenbach in Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, § 3 Rn. 127; Kment, VerwArch 2014, 262/267).
129
1.4.2.2 Dem kann – anders als der Kläger meint – aus Sicht des Senats nicht entgegengehalten werden, dass mit der genehmigten Anlage geringere Emissionen erreichbar wären, als durch die Grenzwerte im Bescheid festgelegt wurden. Zunächst entzieht es sich der Kenntnis des Senats, ob die genehmigte Anlagentechnik dies tatsächlich zuließe; dem Vortrag des Klägers mangelt es insofern an einer ausreichenden Substantiierung. Selbst wenn der klägerische Vortrag zuträfe, änderte dies aber nichts an der vorstehenden Auslegung der Vorschriften. Dass bei der Entwicklung der besten verfügbaren Techniken nach Art. 3 Nr. 10 Buchst. b IE-RL 2010 das Kosten/Nutzen-Verhältnis zu berücksichtigen ist, bedeutet nicht, dass die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Emissionsgrenzwerte innerhalb der durch die BVT-Schlussfolgerungen vorgegebenen Bandbreiten zu prüfen hätten, welche Grenzwerte mit der eingesetzten Anlagentechnik erreichbar sind, und die Festsetzung daran zu orientieren hätten.
130
1.4.2.2.1 Soweit der Kläger sich zur Begründung seiner Auffassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof auf die Neuregelungen der IE-Änderungs-RL 2024 berufen hat (vgl. die Niederschrift der mündlichen Verhandlung, S. 6 f.), kann er damit nicht durchdringen. Der Kläger verweist insbesondere auf den Erwägungsgrund Nr. 29 Satz 4 der IE-Änderungs-RL 2024, wonach das Erreichen eines hohen Schutzniveaus für die menschliche Gesundheit und die Umwelt insgesamt bisher durch die Praktik gefährdet worden ist, die Emissionsgrenzwerte in Höhe des weniger strengen Endes der BVTassoziierten Emissionswertespannen festzusetzen, ohne das Potenzial einer Anlage zu berücksichtigen, durch die Anwendung der BVT geringere Emissionswerte zu erzielen. Aus Sicht des Klägers handelt es sich dabei um eine Konkretisierung des bereits in der IE-RL 2010 enthaltenen Schutzziels.
131
1.4.2.2.2 Nach Auffassung des Senats liegt demgegenüber in der Änderung der IE-RL 2010 durch die IE-Änderungs-RL 2024, insbesondere des Art. 15 Abs. 3, keine Konkretisierung der bisherigen Regelung, sondern eine Rechtsänderung. Denn nach Art. 15 Abs. 3 IE-RL 2010 ist sicherzustellen, dass die Emissionsgrenzwerte die BVTassoziierten Emissionswerte nicht überschreiten; demgegenüber heißt es in Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 IE-RL in der Fassung der IE-Änderungs-RL 2024 (im Folgenden: IE-RL 2024), die zuständige Behörde lege die strengstmöglichen Emissionsgrenzwerte fest, die unter Berücksichtigung der gesamten Spanne der BVTassoziierten Emissionswerte durch die Anwendung von BVT in der Anlage erreichbar seien, um sicherzustellen, dass die Emissionen die BVTassoziierten Emissionswerte nicht überschreiten. Nach Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 IE-RL 2024 basieren die Emissionsgrenzwerte auf einer Bewertung der gesamten Spanne der BVTassoziierten Emissionswerte seitens des Betreibers, in der analysiert wird, ob die Werte am strengsten Ende der Spanne der BVTassoziierten Emissionswerte erreicht werden können. Gemäß Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 4 Satz 1 IE-RL 2024 sind für den Fall, dass allgemeine bindende Vorschriften erlassen werden, für Anlagenkategorien mit ähnlichen für die Bestimmung der niedrigsten erreichbaren Emissionswerte relevanten Merkmalen die strengsten durch die Anwendung von BVT erreichbaren Emissionsgrenzwerte unter Berücksichtigung der gesamten Spanne der BVTassoziierten Emissionswerte festzulegen. Die Neuregelung stellt damit deutlich den Bezug zur Technik der konkreten Anlage bzw. Anlagenkategorie im Rahmen der Festsetzung der Emissionsgrenzwerte her und verpflichtet die Behörden bzw. Normgeber zur Festlegung der strengstmöglichen Emissionsgrenzwerte. Beides fehlte in der bisherigen Regelung der IE-RL 2010. Soweit der Erwägungsgrund Nr. 29 Satz 4 der IE-Änderungs-RL 2024 hervorhebt, dass die bisherige Praxis, die Emissionsgrenzwerte in Höhe des weniger strengen Endes der BVTassoziierten Emissionswertespannen ohne Berücksichtigung des Potentials einer Anlage festzusetzen, das Erreichen eines hohen Schutzniveaus für die menschliche Gesundheit und die Umwelt gefährde, werden eine bisherige Vorgehensweise bei der Anwendung der BVT-Schlussfolgerungen und ein aus Sicht der Kommission bestehender Änderungsbedarf beschrieben. Dass die Vorgehensweise gemessen an der IE-RL 2010 nach Auffassung der Kommission rechtswidrig wäre bzw. dass schon die bisherige Regelung so hätte ausgelegt werden müssen, wie die neue Regelung formuliert ist, lässt sich dem jedoch nicht entnehmen.
132
Von diesem Verständnis geht auch der deutsche Gesetzgeber aus: Nach § 7 Abs. 1a Satz 1 BImSchG ist nach jeder Veröffentlichung einer BVT-Schlussfolgerung unverzüglich zu gewährleisten, dass für Anlagen nach der IE-RL 2010 bei der Festlegung von Emissionsgrenzwerten die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten. Die Behörden sind demnach gerade nicht zur Festlegung der unter Berücksichtigung der konkreten Anlagentechnik strengstmöglichen Emissionsgrenzwerte verpflichtet. Demgegenüber sieht der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1785 zur Änderung der RL 2010/75/EU über Industrieemissionen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (hierzu auch Kersandt/Schneider, jurisPR-UmwR 4/2025 Anm. 1) vor, § 7 Abs. 1a BImSchG dahin zu ändern, dass nach jeder Veröffentlichung einer BVT-Schlussfolgerung unverzüglich zu gewährleisten ist, dass für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie bei der Festlegung von Emissionsgrenzwerten nicht nur die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschritten, sondern auch unter Berücksichtigung der gesamten Emissionsbandbreiten die strengstmöglichen Emissionsgrenzwerte festgelegt werden, die bei Anwendung der besten verfügbaren Techniken und unter Berücksichtigung möglicher Verlagerungen von nachteiligen Auswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes zur bestmöglichen Gesamtleistung der Anlage insgesamt beitragen (§ 7 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BImSchG-E). Nach der Begründung (S. 48 f. des Referentenentwurfs) dient die vorgesehene Neufassung des § 7 Abs. 1a BImSchG der Umsetzung des Art. 15 Abs. 3 IE-RL 2024, deren System der Festlegung der strengstmöglichen Emissionsgrenzwerte unter Berücksichtigung des jeweiligen Anlagentyps einschließlich der Umsetzung im nationalen Recht im Einzelnen beschrieben wird. Zwar wurde der genannte Gesetzentwurf vom Bundesministerium für Umwelt noch während der 20. Legislaturperiode, mithin vor der Bundestagswahl 2025, erstellt und bisher nicht in den Bundestag eingebracht, so dass abzuwarten bleibt, ob bzw. inwieweit es zu den dort vorgesehenen Änderungen kommen wird. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der geplanten Änderung aus Sicht des deutschen Gesetzgebers lediglich um eine Konkretisierung handeln würde und sich eine Verpflichtung zur Festsetzung der strengstmöglichen Emissionsgrenzwerte schon aus der IE-RL 2010 ergäbe, finden sich dort aber jedenfalls nicht.
133
1.4.2.3 Nachdem die Emissionsbandbreiten bei Bescheiderlass nach oben hin ausgeschöpft werden durften, kommt es auf den Vortrag der Beteiligten zur Bedeutung des Bezugs- bzw. Betriebssauerstoffgehalts der Emissionen im Zusammenhang mit der Frage, ob die Anlage die Emissionsbandbreiten tatsächlich nach oben ausschöpfen wird, nicht an.
134
1.5 Die Klage bleibt weiter ohne Erfolg, soweit der Kläger die Genehmigung in Bezug auf bestimmte Regelungen zur Überwachung der Emissionen der Anlage und zum Umweltmanagementsystem für unvereinbar mit den BVT-Schlussfolgerungen 2019 hält.
135
Die Vereinbarkeit der Genehmigung mit den im Zeitpunkt ihrer Erteilung geltenden Regelungen der 17. BImSchV 2021 hat der Kläger nicht in Frage gestellt.
136
1.5.1 Nach Auffassung des Senats waren die vom Kläger als verletzt gerügten Vorschriften der BVT-Schlussfolgerungen 2019 hinsichtlich der Emissionsmessungen und des Umweltmanagementsystems im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung durch die Genehmigungsbehörde nicht anzuwenden, jedenfalls nicht ohne entsprechenden Antrag des Anlagenbetreibers.
137
Der Durchführungsbeschluss der Kommission zu den BVT-Schlussfolgerungen 2019 richtet sich gemäß seinem Art. 2 an die Mitgliedstaaten; die Schlussfolgerungen verpflichten nicht unmittelbar die Anlagenbetreiber (s.a. Art. 288 Abs. 4 Satz 2 AEUV). Die vom deutschen Gesetzgeber vorgesehene Umsetzung der BVT-Schlussfolgerungen 2019 durch allgemeinverbindliche untergesetzliche Regelungen (s.o. 1.3.2), war im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung noch nicht erfolgt. Eine Pflicht zur Anwendung der BVT-Schlussfolgerungen 2019 zu diesem Zeitpunkt folgt weder aus dem nationalen Recht (1.5.1.1) noch aus Unionsrecht (1.5.1.2).
138
1.5.1.1 Das Bundes-Immissionsschutzgesetz in der im Zeitpunkt des Bescheiderlasses geltenden Fassung enthält keine Rechtsgrundlage zur Erteilung von Genehmigungsauflagen bezüglich der Emissionsüberwachung und des Umweltmanagementsystems von Anlagen unmittelbar auf der Grundlage der BVT-Schlussfolgerungen 2019.
139
1.5.1.1.1 Eine Verpflichtung der Behörden zur Anwendung der BVT-Schlussfolgerungen 2019 bei Erteilung der Genehmigung ergibt sich nicht bereits aus dem vom Kläger ins Spiel gebrachten § 3 Abs. 6 i.V.m. der Anlage zu § 3 Abs. 6 BImSchG, nach der bei der Bestimmung des Standes der Technik unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen möglicher Maßnahmen sowie des Grundsatzes der Vorsorge und der Vorbeugung insbesondere Informationen, die in BVT-Merkblättern enthalten sind, zu berücksichtigen sind. Hier werden nicht die BVT-Schlussfolgerungen, sondern die BVT-Merkblätter in Bezug genommen, denen anders als den BVT-Schlussfolgerungen, die im Verfahren nach Art. 13 Abs. 5 IE-RL 2010 erlassen werden, mangels Durchführungsbeschlusses der Kommission keine rechtliche Verbindlichkeit zukommt. Die Regelung steht im Zusammenhang mit der Umsetzung der Vorgänger-Richtlinie der IE-RL 2010, der IVU-Richtlinie, die eine Verbindlichkeit von BVT-Schlussfolgerungen noch nicht kannte (vgl. oben 1.3.1 sowie Halmschlag, jurisPR-UmwR 1/2018 Anm. 3, A.).
140
1.5.1.1.2 Spezielle Regelungen zur Umsetzung und Anwendung der BVT-Schlussfolgerungen, soweit es um die Emissionsüberwachung und das Umweltmanagementsystem geht, enthält das Bundes-Immissionsschutzgesetz nicht.
141
Zur Umsetzung des Art. 15 Abs. 3 IE-RL 2010 in Bezug auf die BVTassoziierten Emissionswerte, die als am wichtigsten erachteten Bestandteile der BVT-Schlussfolgerungen (vgl. Jarass, NVwZ 2013, 169/171), bestimmt zwar § 7 Abs. 1a Satz 1 BImSchG, dass unverzüglich zu gewährleisten ist, dass nach jeder Veröffentlichung einer BVT-Schlussfolgerung für (neu zu genehmigende) Anlagen nach der IE-RL 2010 bei der Festlegung von Emissionsgrenzwerten die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten, was eine Verpflichtung des untergesetzlichen Normgebers zur Überprüfung des untergesetzlichen Regelwerks beinhaltet (BT-Drs. 17/10486 S. 40). Für im Zeitpunkt der Veröffentlichung der jeweiligen BVT-Schlussfolgerungen bereits bestehende Anlagen bestimmt § 7 Abs. 1a Satz 2 BImSchG eine Pflicht zur Überprüfung und Anpassung der Rechtsverordnung (Nr. 1) sowie zur Sicherstellung der Einhaltung der Emissionsgrenzwerte nach der Rechtsverordnung (Nr. 2).
142
Die vorgenannten Vorschriften sind nach ihrem klaren Wortlaut aber auf die Einhaltung von Emissionsgrenzwerten beschränkt; dem entspricht es, dass der Gesetzgeber sie zum Zweck der Umsetzung des Art. 15 Abs. 3 IE-RL 2010, der sich nur auf diese bezieht, erlassen hat (BT-Drs. 17/10486 S. 39, 40; zur Vierjahresfrist nach § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 BImSchG s. Art. 21 Abs. 3 IE-RL 2010 und BT-Drs. 17/10486 S. 41). Auch § 12 Abs. 1a BImSchG betrifft allein die Festlegung von Emissionsgrenzwerten (zum sehr beschränkten Anwendungsbereich der Vorschrift nur außerhalb der Geltung des untergesetzlichen Regelwerks vgl. BT-Drs. 17/10486 S. 41; Kment, VerwArch 2014, 262/271, 272).
143
1.5.1.1.3 Ungeachtet dessen geht das deutsche Umsetzungskonzept zu den BVT-Schlussfolgerungen davon aus, dass die IE-RL 2010, insbesondere ihr Art. 17 Abs. 3, die Entstehung einer Übergangszeit bis zur Anpassung des untergesetzlichen Regelwerks an neue BVT-Schlussfolgerungen zulässt (vgl. die Begründung zum Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen, BT-Drs. 17/10486 S. 40; so auch Wasielewski, UPR 2012, 424/430; Betensted/Grandjot/Waskow, ZUR 2013, 395/399; Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 135; Rebentisch, UPR 2020, 164/166 f.). Der Gesetzgeber hat vor diesem Hintergrund auf die Schaffung einer Übergangsregelung verzichtet; danach gilt das untergesetzliche Regelwerk für die betroffenen Anlagen, unabhängig davon, ob es an neue BVT-Schlussfolgerungen angepasst ist oder nicht (vgl. BT-Drs. 17/10486 S. 40; s. auch Betensted/Grandjot/Waskow, ZUR 2013, 395/399; Rebentisch, UPR 2020, 164/169).
144
Dies wird auch durch § 52 Abs. 1 Sätze 5 bis 8 BImSchG deutlich, die zur Umsetzung von Art. 21 Abs. 3 IE-RL 2010 in das BImSchG eingefügt wurden (vgl. BT-Drs. 17/10486 S. 43). Nach § 52 Abs. 1 Satz 5 BImSchG ist bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie innerhalb von vier Jahren nach der Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen zur Haupttätigkeit eine Überprüfung und gegebenenfalls Aktualisierung der Genehmigung im Sinne von § 52 Abs. 1 Satz 3 BImSchG vorzunehmen (Nr. 1) und sicherzustellen, dass die betreffende Anlage die Genehmigungsanforderungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und der Nebenbestimmungen nach § 12 BImSchG einhält (Nr. 2). Die Regelung verpflichtet die Behörden zur Überprüfung der Genehmigung hinsichtlich einer möglichen Anpassungspflicht im Hinblick auf nachträgliche Rechtsänderungen und geht mithin über eine bloße Überwachung des Genehmigungsvollzugs hinaus (vgl. Weidemann/Krappel/von Süßkind-Schwendi, DVBl 2012, 1457/1459; unter dem Gesichtspunkt des Art. 21 Abs. 3 IE-RL 2010 auch Röckinghausen, UPR 2012, 161/165). Sie greift nach der Gesetzesbegründung nur, wenn eine Überprüfung der Genehmigung überhaupt erforderlich ist, weil die geänderten Anforderungen nicht in unmittelbar gegenüber dem Anlagenbetreiber geltenden Rechtsverordnungen geregelt sind (BT-Drs. 17/10486 S. 43, hier noch als Satz 4 nummeriert; Kenyeressy in Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, § 52 Rn. 38; zur unmittelbaren Geltung von aufgrund des BImSchG erlassenen Rechtsverordnungen s.u. 1.5.2.5.2). Die Vorschrift bezieht sich auf im Zeitpunkt der Veröffentlichung der jeweiligen BVT-Schlussfolgerungen bereits genehmigte Anlagen (vgl. Weidemann/Krappel/von Süßkind-Schwendi, DVBl 2012, 1457/1459; Betensted/Grandjot/Waskow, ZUR 2013, 395/400); bei nach der Veröffentlichung der BVT-Schlussfolgerungen neu zu erteilenden Genehmigungen kommt eine Überprüfung danach nicht in Betracht.
145
Allerdings gilt nach § 52 Abs. 1 Satz 6 BImSchG Satz 5 auch für Genehmigungen, die nach der Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen auf der Grundlage der bislang geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften erteilt worden sind (vgl. auch BT-Drs. 17/10486 S. 43). Diese Regelung greift die Lücke auf, die – wie im vorliegenden Fall – dadurch entstehen kann, dass nach der Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen, aber vor Anpassung der einschlägigen untergesetzlichen Regelungen eine Genehmigung zu erteilen ist und entsprechend dem oben beschriebenen Umsetzungskonzept noch auf Grundlage des noch nicht angepassten nationalen Rechts erteilt wird. Zwar betrifft Satz 6 – wie Satz 5 – nur solche rechtlichen Anforderungen, die sich nicht aus unmittelbar für den Anlagenbetreiber geltendem Verordnungsrecht ergeben. Unabhängig davon kann aus der Vorschrift abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber es für zulässig erachtet, dass eine Genehmigung an neu veröffentlichte BVT-Schlussfolgerungen, die im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung noch nicht in deutsches Recht umgesetzt waren, erst nach Ablauf von vier Jahren nach deren Veröffentlichung angepasst wird (so auch Jarass, BImSchG, § 52 Rn. 19a; Wasielewski in Führ, GK-BImSchG, § 12 Rn. 40 a.E.; in diese Richtung auch Röckinghausen, UPR 2012, 161/166). In diesem Sinne behandelt der Gesetzgeber eine Genehmigung, die nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen – nach der deutschen Umsetzungskonzeption zu Recht – noch aufgrund des bisherigen Rechts erteilt wurde, wie andere bestehende Genehmigungen, die schon vor Veröffentlichung der BVT-Schlussfolgerungen erteilt wurden; beide sind innerhalb von vier Jahren nach Veröffentlichung der BVT-Schlussfolgerungen an diese anzupassen.
146
Das Bundes-Immissionsschutzgesetz sieht mithin für Genehmigungen, die nach der Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen noch aufgrund der bisher geltenden Rechtsverordnungen erteilt wurden, einen Zeitraum von bis zu vier Jahren für die Anpassung an die BVT-Schlussfolgerungen vor. Jedenfalls bei Erteilung innerhalb dieses Zeitraums sind sie rechtmäßig, wenn sie den im Zeitpunkt ihrer Erteilung geltenden Vorschriften (hier: der 17. BImSchV 2021) entsprechen. Da die streitgegenständliche Genehmigung am 4. Juli 2023 öffentlich bekannt gemacht wurde (Ende des Auslegungszeitraums am 18. Juli 2023) und mithin vor Ablauf von vier Jahren nach Veröffentlichung der BVT-Schlussfolgerungen 2019 am 3. Dezember 2019 erlassen wurde, musste sie – nach den Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – nicht entsprechend den BVT-Schlussfolgerungen 2019 erteilt werden; hierfür bestand, soweit es um die Emissionsmessungen und das Umweltmanagementsystem geht, mangels Antrags der Beigeladenen auch keine Rechtsgrundlage (so auch Kersandt/Spieler, jurisPR-UmwR 2/2023 Anm. 1, V.).
147
Dass der Gesetzgeber möglicherweise beabsichtigt, die Rechtslage dahin zu ändern, dass BVT-Schlussfolgerungen ab ihrer Veröffentlichung unabhängig von der Umsetzung auf Verordnungsebene durch die deutschen Behörden unmittelbar anzuwenden sind (vgl. die vorgeschlagene Änderung des § 12 Abs. 1a BImSchG im Referentenentwurf des BMU vom 28.11.2024 [s.o. 1.3] einschließlich der Begründung auf S. 52 sowie die ebenfalls vorgeschlagene Streichung von § 52 Abs. 1 Satz 6 BImSchG), ändert nichts an der vorbeschriebenen Rechtslage nach dem zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Bundes-Immissionsschutzgesetz.
148
1.5.1.2 Auch unionsrechtlich war die erlassende Behörde im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung nicht dazu verpflichtet, diese entsprechend den Anforderungen der BVT-Schlussfolgerungen 2019 auszugestalten. Eine derartige unmittelbare Anwendbarkeit der durch den Durchführungsbeschluss angenommenen BVT-Schlussfolgerungen 2019 (vgl. zur unmittelbaren Anwendbarkeit von Durchführungsbeschlüssen generell Kment, VerwArch 2014, 262/273 m.w.N.) würde einen Verstoß gegen die unionsrechtliche Verpflichtung zur Beachtung des an die Mitgliedstaaten gerichteten Durchführungsbeschlusses voraussetzen, der hier im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung nicht vorlag. Denn zu diesem Zeitpunkt waren vier Jahre seit Veröffentlichung der BVT-Schlussfolgerungen 2019 am 3. Dezember 2019 noch nicht verstrichen (1.5.1.2.1). Ob die weiteren Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendbarkeit der BVT-Schlussfolgerungen 2019 im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung vorlagen, kann offen bleiben (1.5.1.2.2).
149
1.5.1.2.1 Nach einer Zusammenschau von Art. 17 und Art. 21 IE-RL 2010 und der BVT-Schlussfolgerungen 2019 ist es – jedenfalls im Fall der Umsetzung der BVT-Schlussfolgerungen durch allgemeine verbindliche Vorschriften auf der Grundlage von Art. 6 und 17 IE-RL 2010 – zulässig, dass Genehmigungen erst nach Ablauf von vier Jahren nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen an diese angepasst werden.
150
Der Durchführungsbeschluss zu den BVT-Schlussfolgerungen 2019 selbst enthält keine Frist für die Anwendung der Schlussfolgerungen. Dies dürfte sich dadurch erklären, dass die IE-RL 2010 in erster Linie von dem administrativen Konzept ausgeht (s.o. 1.3.2), nach dem die Behörden die BVT-Schlussfolgerungen grundsätzlich mit ihrer Veröffentlichung anwenden können. Indem die Richtlinie die Möglichkeit der Umsetzung der BVT-Schlussfolgerungen in allgemein verbindlichen Vorschriften eröffnet (Art. 6, 17 IE-RL 2010), lässt sie die Entstehung einer Übergangszeit bis zum Inkrafttreten der nationalen Rechtsvorschriften und damit auch bis zur Anwendung der BVT-Schlussfolgerungen aber jedenfalls zu (s. insbes. Art. 17 Abs. 3 IE-RL 2010 und schon oben 1.5.1.1.3; Wasielewski, UPR 2012, 424/430; a.A. Keller, UPR 2013, 128/129 unter Verweis auf Art. 17 Abs. 1 IE-RL 2010). Aus der fehlenden Frist für die Anwendung der BVT-Schlussfolgerungen 2019 im Durchführungsbeschluss allein kann deshalb kein Erfordernis in dem Sinne abgeleitet werden, dass nationale Rechtsvorschriften zur Umsetzung der BVT-Schlussfolgerungen quasi mit deren Veröffentlichung in Kraft treten und durch die nationalen Behörden anwendbar sein müssten (in diese Richtung aber wohl Kment, VerwArch 2014, 262/274). Die Frage, innerhalb welchen Zeitraums nach der Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen die Vollzugsbehörden diese auf der Grundlage einer Umsetzung in nationales Recht oder ggf. auch ohne Umsetzung beachten müssen, lässt sich nur unter Rückgriff auf die IE-RL 2010 als rechtliche Grundlage der BVT-Schlussfolgerungen beantworten (so in der Sache auch Rebentisch, UPR 2020, 164/166). In Art. 21 Abs. 1, 3 IE-RL 2010 finden sich zeitliche Anforderungen dazu, ab welchem Zeitpunkt Genehmigungen den BVT-Schlussfolgerungen entsprechen und die betroffenen Anlagen die Regelungen einhalten müssen. Auch wenn sich diese Vorschrift – unter der Überschrift „Überprüfung und Aktualisierung der Genehmigungsauflagen durch die zuständige Behörde“ – sicherlich (auch) auf die Überprüfung von Genehmigungen, die bei Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen bereits erteilt waren, beziehen mag (teils bezeichnet als bestehende Anlagen, vgl. Keller, UPR 2013, 128/129; Wasielewski, UPR 2012, 424/425), ist sie nach Auffassung des Senats darauf jedoch nicht beschränkt (a.A. ohne Begründung die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen, BT-Drs. 17/10486 S. 66). Vielmehr erfasst sie – wovon auch § 52 Abs. 1 Satz 6 BImSchG ausgeht – auch Genehmigungen, die nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen erteilt worden sind, diesen aber (noch) nicht entsprechen. Dafür sprechen folgende Überlegungen: Den Begriff „(Genehmigungs-)Auflagen“ verwendet die Richtlinie nach Art. 6 auch für allgemeinverbindliche Regelungen, nicht nur für Nebenbestimmungen eines bereits erlassenen Bescheids. Art. 21 Abs. 3 IE-RL 2010 dürfte insoweit in Zusammenschau mit Art. 17 IE-RL 2010, insbesondere von dessen Abs. 3, zu lesen sein, der seinerseits Art. 21 IE-RL 2010 in Bezug nimmt. Nach Art. 17 Abs. 3 IE-RL 2010 tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass die allgemeinen bindenden Vorschriften aktualisiert werden, um die Entwicklungen bei den besten verfügbaren Techniken zu berücksichtigen und um die Einhaltung von Art. 21 IE-RL 2010 sicherzustellen. Damit dient die Anpassung des nationalen Rechts an neue BVT-Schlussfolgerungen auch der Einhaltung des Art. 21 IE-RL 2010, ganz unabhängig davon, ob es im Einzelfall um bereits erteilte oder erst nach Veröffentlichung der BVT-Schlussfolgerungen zu erteilende Genehmigungen geht. Legt man den von der Richtlinie vornehmlich in den Blick genommenen Fall der Anwendung der BVT-Schlussfolgerungen bei Genehmigungserteilung unmittelbar durch die Behörden (administratives Konzept) zugrunde, so lässt sich ihr hinsichtlich der Pflicht zur Anpassung an neue BVT-Schlussfolgerungen keine Differenzierung zwischen Genehmigungen, die bei Veröffentlichung der BVT-Schlussfolgerungen bereits erteilt waren, und solchen, die erst danach zu erteilen sind, entnehmen. Anhaltspunkte dafür, dass im Fall der Umsetzung von BVT-Schlussfolgerungen durch allgemeinverbindliche Vorschriften unterschiedliche Anpassungsfristen in Bezug auf bestehende und neue Genehmigungen gelten sollen, enthält die Richtlinie nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie es auch in der Konstellation der Umsetzung durch nationale Rechtsvorschriften zulässt, dass Genehmigungen, die nach Veröffentlichung neuer BVT-Schlussfolgerungen erteilt werden, ggf. erst bis zum Ablauf von vier Jahren nach der Veröffentlichung an die BVT-Schlussfolgerungen angepasst werden (für die Erstreckung von Art. 21 Abs. 3 IE-RL 2010 auf Neuanlagen vgl. Wasielewski, UPR 2012, 424/430; s. auch Rebentisch, UPR 2020, 164/166).
151
1.5.1.2.2 Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die weiteren Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendbarkeit der BVT-Schlussfolgerungen 2019, soweit sie hier inmitten stehen, durch die Genehmigungsbehörde im Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorlagen (vgl. hierzu – allerdings jeweils im Schwerpunkt bezogen auf die Emissionsbandbreiten, nicht aber die hier inmitten stehenden Regelungen zur Emissionsüberwachung und zum Umweltmanagement – Kment, VerwArch 2014, 262/274 f.; Wöckel in Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, § 7 Rn. 41; Altenschmidt in Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, § 12 Rn. 70 ff., 76; Wasielewski in Führ, GK-BImSchG, § 12 Rn. 38 ff., 40; Keller, UPR 2013, 128/130; Rebentisch, UPR 2020,164/168 f.; für die Unbestimmtheit der über die Emissionsbandbreiten hinausgehenden Regelungen der BVT-Schlussfolgerungen s. Betenstedt/Grandjot/Waskow, ZUR 2013, 395/400). Käme es darauf an, so wäre jedenfalls zu berücksichtigen, dass die IE-RL 2010 von einem Spielraum der Mitgliedstaaten bei der Anwendung bzw. Umsetzung der BVT-Schlussfolgerungen ausgeht (s. etwa Art. 14 Abs. 3 IE-RL 2010: „Referenzdokument“, Art. 16 Abs. 1 IE-RL 2010: „die Überwachungsauflagen […] stützen sich gegebenenfalls auf die in den BVT-Schlussfolgerungen beschriebenen Überwachungsergebnisse“; s. auch die allgemeinen Erwägungen der BVT-Schlussfolgerungen 2019).
152
1.5.2 Geht man entsprechend den vorstehenden Ausführungen davon aus, dass die BVT-Schlussfolgerungen 2019 im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung durch die Genehmigungsbehörde nicht anzuwenden waren (s.o. 1.5.1), so kommt es auf die Vereinbarkeit der Genehmigung mit den einzelnen vom Kläger gerügten BVT nicht an. Ungeachtet dessen ist die Genehmigung mit den BVT 4, BVT 9 Buchst. d, BVT 9 Buchst. c i.V.m. BVT 11 und BVT 18 vereinbar (1.5.2.1 bis 1.5.2.4). Soweit sie mit der BVT 5 nicht vereinbar sein sollte, kann sich der Kläger darauf nicht berufen, weil die Beigeladene nunmehr – auch ohne ausdrückliche Aufnahme in den Bescheid – an die zwischenzeitlich in Kraft getretenen Vorschriften der 17. BImSchV 2024 gebunden ist (1.5.2.5). Auch bezüglich des Zinkgehalts des in der Anlage zu verbrennenden Klärschlamms bestehen keine Bedenken gegen die Genehmigung (1.5.2.6).
153
1.5.2.1 Entgegen dem klägerischen Vortrag sind die Regelungen des Genehmigungsbescheids zur Überwachung der Emissionen von Dioxinen und Furanen (PCDD/F) sowie dioxinähnlichen PCB mit der BVT 4 vereinbar, weil Langzeitprobenahmen danach nicht zwingend vorgeschrieben werden.
154
Die BVT 4 sieht im Hinblick auf PCDD/F und dioxinähnliche PCB Messungen einmal alle sechs Monate für Kurzzeitproben sowie einmal im Monat für Langzeitproben jeweils nach bestimmten EN-Normen vor. Soweit Langzeitproben vorgesehen sind, findet diese Überwachung nach der Fußnote 7 zu der Tabelle in BVT 4 keine Anwendung, wenn die Emissionswerte eine ausreichende Stabilität aufweisen.
155
Aus der Nebenbestimmung Nr. A. III.9.3.5.4.7. des Genehmigungsbescheids ergibt sich, dass für PCDD/F und dioxinähnliche PCB, die dort nicht erwähnt werden, keine kontinuierlichen Emissionsmessungen vorgeschrieben sind. Stattdessen kommt die Nebenbestimmung Nr. A. III.9.3.5.4.8. zu diskontinuierlichen Emissionsmessungen zur Anwendung, nach deren Buchst. a im Zeitraum von 12 Monaten nach Inbetriebnahme der Anlage alle zwei Monate mindestens an einem Tag und anschließend wiederkehrend halbjährlich an mindestens drei Tagen Messungen durchzuführen sind. Für Dioxine und Furane sowie dioxinähnliche PCB (die in Nr. A. III. 9.3.4.6.4. und 9.3.4.7. erwähnt sind, vgl. die Nebenbestimmung Nr. A. III.9.3.5.4.8. Buchst. a Satz 3) sind mindestens drei einzelne Messungen durchzuführen. Nach Nr. A. III.9.3.5.4.8. Buchst. b hat die Probenahmezeit für Dioxine und Furane einschließlich Benzo(a) pyren mindestens sechs und höchstens acht Stunden zu betragen. Den Anforderungen der BVT 4 im Hinblick auf Kurzzeitproben wird damit Genüge getan; im ersten Jahr nach Inbetriebnahme der Anlage sind sogar häufigere Messungen vorgeschrieben.
156
Dass kontinuierliche Messungen, d.h. nach den Begriffsbestimmungen der BVT-Schlussfolgerungen 2019 Messungen mit einem vor Ort fest installierten automatischen Messsystem, von Dioxinen und Furanen durch das Unionsrecht nicht verpflichtend vorgeschrieben sind, ergibt sich schon aus dem auf die streitgegenständliche Anlage anwendbaren Art. 48 Abs. 5 IE-RL 2010 (zur Anwendbarkeit des Kapitels IV s. Art. 42 IE-RL 2010). Bei den in der BVT 4 erwähnten Kurzzeit- und Langzeitproben von Dioxinen und Furanen sowie von dioxinähnlichen PCB handelt es sich mithin jeweils um diskontinuierliche Messungen, also – nach den Begriffsbestimmungen der BVT-Schlussfolgerungen 2019 – um die manuelle oder automatische Ermittlung einer Messgröße in festgelegten Zeitabständen. Der Unterschied zwischen den Kurzzeit- und Langzeitproben liegt mithin in der Dauer der Probenahme.
157
Entgegen der Auffassung des Klägers sind Langzeitproben, die über die in der Nebenbestimmung Nr. A. III.9.3.5.4.8. Buchst. b vorgesehene Dauer hinausgehen, nach der BVT 4 nicht zwingend erforderlich; insbesondere kann die Fußnote 7 zur Tabelle nicht dahin verstanden werden, dass der dort als Voraussetzung für den Verzicht auf Langzeitproben genannte Nachweis der ausreichenden Stabilität der Emissionswerte allein durch Langzeitproben, nicht aber durch Kurzzeitproben erbracht werden könne. Denn die BVT 4 trifft selbst keinerlei Aussage dazu, auf welche Weise die ausreichende Stabilität der Emissionswerte nachzuweisen ist. Soweit der Kläger meint, der Nachweis könne nur durch Langzeitproben erbracht werden, da die Messzeiträume der Kurzzeitproben hierfür zu kurz seien, weil sich eine einzelne Probenahme in der Regel über einen Zeitraum von nur 6 – 8 Stunden erstrecke, während ein Langzeitprobenahmezeitraum 2 – 4 Wochen betrage, findet sich für diese Auffassung in der BVT 4 keine Stütze. Die BVT 4 lässt vielmehr offen, auf welche Weise der Nachweis der ausreichenden Stabilität der Emissionswerte erbracht wird.
158
Auf den weiteren klägerischen Vortrag, wonach die Umsetzung der BVT 4 in § 18 Abs. 7 der 17. BImSchV 2024 unionsrechtswidrig sei, weil sie den Nachweis der ausreichenden Stabilität der Emissionswerte durch Kurzzeitprobenahmen nach § 18 Abs. 3 der 17. BImSchV 2024 zulasse, kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit nicht an, weil die Genehmigung an den im Zeitpunkt ihrer Erteilung geltenden Rechtsvorschriften, mithin der 17. BImSchV 2021, zu messen ist. Abgesehen davon dürfte der Regelung in § 18 Abs. 3, 6 und 7 der 17. BImSchV 2024 die hier vertretene Auffassung zugrunde liegen, dass zwingende Vorschriften für die Erbringung des Nachweises der ausreichenden Stabilität der Emissionswerte in der BVT 4 nicht enthalten sind und der Nachweis daher auch durch Kurzzeitmessungen erbracht werden kann.
159
1.5.2.2 Ungeachtet der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der BVT-Schlussfolgerungen 2019 ist der Genehmigungsbescheid entgegen dem klägerischen Vortrag mit den Anforderungen der BVT 9 Buchst. d vereinbar; es bedarf insoweit keiner Annahmeerklärungen von Abfallentsorgern für die in der Anlage anfallenden Abfälle.
160
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die BVT 9 nach ihrem Einleitungssatz die Anwendung der in Buchst. d vorgeschriebenen Technik nur „gegebenenfalls“ vorsieht, so dass zwingende Verpflichtungen daraus nicht abgeleitet werden können.
161
Darüber hinaus bezieht sich die BVT 9 entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf Abfälle, die bei dem Betrieb der Anlage anfallen, sondern auf die in der Anlage zum Zweck der Verbrennung angelieferten Abfälle, mithin die Einsatzstoffe der Anlage. BVT 9 sieht zur Verbesserung der allgemeinen Umweltleistung der Verbrennungsanlage die Anwendung eines Abfallstrommanagements nach BVT 1 Satz 2 Nr. xxi vor. Da die Regelungen sich generell auf Abfallverbrennungsanlagen beziehen, spricht von vornherein vieles dafür, dass es bei dem Abfallstrommanagement primär oder jedenfalls auch um die zur Verbrennung angelieferten Abfälle geht. Der Wortlaut von BVT 9 macht deutlich, dass nur die angelieferten Abfälle gemeint sind (s. BVT 9 Buchst. a zur Festlegung der Abfallarten, die verbrannt werden können; BVT 9 Buchst. c zu Abfallannahmeverfahren; BVT 9 Buchst. d zur Vorprüfung von Abfällen [Ankunft der Abfälle in der Anlage, frühere Abfallbesitzer, Annahmeanalyse]; BVT 9 Buchst. e zur getrennten Lagerung und Verbrennung von Abfällen). Mithin können aus BVT 9 Buchst. d keine Anforderungen hinsichtlich der Beseitigung oder Entsorgung von beim Betrieb der Anlage anfallenden Abfällen folgen.
162
Auf die Ausführungen der Beteiligten zum EMAS kommt es daher in diesem Zusammenhang nicht an (hierzu noch unten 1.5.2.4).
163
1.5.2.3 Der Genehmigungsbescheid ist auch mit den Anforderungen der BVT 9 Buchst. c, BVT 11 vereinbar, soweit es um Probenahmen des Abfalls geht.
164
Der Genehmigungsbescheid enthält in den Nebenbestimmungen Nr. A. III.9.2.4. bis 9.2.6. Regelungen zur Abfallannahme. Nach Nr. A. III.9.2.4. muss die Annahmekontrolle eine Mengenermittlung in Gewichtseinheiten oder ggf. Volumeneinheiten, die Feststellung der Abfallart, Sichtkontrollen auf Fremd- bzw. Störstoffe und die Übereinstimmung der Angaben enthalten. Nach Nr. A. III.9.2.6. ist einmal je Kalenderjahr und Erzeugerkläranlage oder auf Verlangen bei der Anlieferung eine Deklarationsanalytik über die Klärschlammzusammensetzung unter Berücksichtigung der Annahmekriterien vorzulegen. Eine eigene Beprobung des angenommenen Klärschlamms durch den Anlagenbetreiber ist mithin nicht vorgesehen. Nach Auffassung des Senats genügen diese Nebenbestimmungen den Anforderungen der BVT-Schlussfolgerungen 2019. So heißt es in der BVT 9 Buchst. c Satz 3, dass die Verfahren zur Abfallannahme Abfallproben, Inspektionen und Analysen umfassen können. Nach Satz 4 sind die Verfahren zur Abfallannahme risikobasiert, wobei beispielsweise die gefährlichen Eigenschaften des Abfalls berücksichtigt werden. Die BVT 11 lässt in ihrem Einleitungssatz bei der Anwendung der in der nachfolgenden Tabelle vorgesehenen Maßnahmen einen Spielraum, indem sie ebenfalls auf das Risiko durch den eingehenden Abfall abstellt. Der Wortlaut der BVT 11 hinsichtlich des Klärschlamms lässt danach offen, ob die dort erwähnten periodischen Probenahmen und Analysen der wichtigsten Eigenschaften des Abfalls zwingend durchzuführen sind; auch bleibt offen, durch wen sie ggf. vorzunehmen wären. Die BVT 11 dürfte insoweit im Lichte der IE-RL 2010 auszulegen sein: Das Anknüpfen an die Gefährlichkeit des Abfalls bei den Anforderungen an die Abfallannahme entspricht Art. 52 Abs. 4 Buchst. b i.V.m. Abs. 3 Buchst. b IE-RL 2010, wonach der Betreiber vor der Annahme gefährlicher Abfälle möglichst vor dem Abladen repräsentative Proben nehmen muss, um durch Kontrollen zu überprüfen, ob die Abfälle den Angaben nach Abs. 3 entsprechen; der Betreiber muss mithin u.a. eine Kontrolle der Zusammensetzung der Abfälle durchführen (Abs. 3 Buchst. b). Dass die BVT 11 diese aus Art. 52 IE-RL 2010 folgenden Anforderungen auf nicht gefährliche Abfälle hätte ausdehnen wollen, kommt in den BVT-Schlussfolgerungen 2019 nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck. Auch der deutsche Verordnungsgeber, der die genannten Regelungen des Art. 52 IE-RL 2010 in § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 der 17. BImSchV – noch in der Fassung vom 2. Mai 2013 (BGBl I S. 1021, 1044, 3754) – umgesetzt hat (s. hierzu Ohms in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 3 der 17. BImSchV Rn. 1), hat bei der durch die Veröffentlichung der BVT-Schlussfolgerungen 2019 veranlassten Änderung der 17. BImSchV im Jahr 2024 diesbezüglich keine Anpassung vorgenommen.
165
1.5.2.4 Die Genehmigung ist schließlich auch mit BVT 18 vereinbar, soweit es um den vom Kläger als fehlend bemängelten OTNOC-Managementplan geht.
166
Der Genehmigungsbescheid genügt den Anforderungen der BVT 18 i.V.m. BVT 1 Satz 2 Nr. xxiv. Nach BVT 1 Satz 2 Nr. xxiv muss für Verbrennungsanlagen das Umweltmanagementsystem im Rahmen der BVT u.a. auch einen OTNOC-Managementplan aufweisen, der die in BVT 18 vorgesehenen Regelungen bezüglich Betriebszuständen außerhalb des Normalbetriebs enthält. Nach der Anmerkung zu BVT 1 stellt allerdings das EMAS ein Beispiel für ein mit dem BVT-Merkblatt in Einklang stehendes Umweltmanagementsystem dar. Es erfüllt damit alle Anforderungen der BVT 1, also auch diejenigen der BVT 18. Die Beigeladene ist laut den Antragsunterlagen, die nach Nr. A. III.1.1. des Bescheids Bestandteil der Genehmigung sind, EMASzertifiziert, hat mithin das EMAS eingeführt. Aus Sicht des Senats ist damit der BVT 1 i.V.m. BVT 18 hinsichtlich des OTNOC-Managementplans Genüge getan; eine Prüfung, ob bestimmte Bestandteile der Antragsunterlagen der BVT 18 entsprechen, ist damit nicht erforderlich. Dafür spricht auch die Umsetzung der unionsrechtlichen Anforderungen in der 17. BImSchV 2024: Nach deren § 4 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Anlage 6 gelten die Anforderungen an die Verbesserung der allgemeinen Umweltleistungen als erfüllt, wenn ein Anlagenbetreiber entweder das EMAS (Nr. 1) oder ein vergleichbares Umweltmanagementsystem (Nr. 2) einführt, das bestimmte, im einzelnen aufgelistete Merkmale enthält. Die weiteren Anforderungen nach Anlage 6 Nr. 2 Satz 2 der 17. BImSchV 2024, hier des Buchst. c hinsichtlich des OTNOC-Managementplans, beziehen sich nach Satz 3 der Anlage 6 nicht auf das EMAS, sondern nur auf ein diesem vergleichbares Umweltmanagementsystem. So wird nach der Begründung zur Verordnung mit Satz 3 klargestellt, dass ein Umweltmanagementsystem von den Behörden nicht auf die Erfüllung der in der Anlage genannten Merkmale zu prüfen ist. Vielmehr ist die Vorlage einer EMAS-Registrierung durch den Betreiber ausreichend (vgl. BT-Drs. 20/8106 S. 41).
167
1.5.2.5 Auch der klägerische Vortrag zur Beachtung der BVT 5 im Genehmigungsbescheid bleibt ohne Erfolg.
168
1.5.2.5.1 Es trifft zwar zu, dass der Genehmigungsbescheid, anders als die BVT 5 vorsieht, keine gesonderte Messverpflichtung für Betriebszustände außerhalb des Normalbetriebs, insbesondere für Anfahrprozesse, beinhaltet.
169
1.5.2.5.2 Die Klage kann deswegen allerdings keinen Erfolg haben. Jedenfalls wäre ein eventueller Mangel der Genehmigung zwischenzeitlich durch Inkrafttreten des § 20a der 17. BImSchV 2024 geheilt. Nach dessen Abs. 1 sind während der An- und Abfahrbetriebe Messungen von PCDD/F-Emissionen durchzuführen, auf deren Grundlage die Emissionen die alle drei Jahre zu bewerten und der zuständigen Behörde zu berichten sind. Aus dem klägerischen Vortrag ergibt sich nicht, das den Anforderungen der BVT 5 damit nicht genügt würde.
170
Die Vorschriften der 17. BImSchV, die die Betreiberpflichten des § 5 Abs. 1 BImSchG konkretisieren, gelten gegenüber dem Anlagenbetreiber unmittelbar und ohne behördlichen Umsetzungsakt, sofern sie hinreichend bestimmte Handlungsanweisungen enthalten und sofern nicht die Verordnung etwas anderes regelt. Dies ergibt sich aus § 7 Abs. 1 und 5 BImSchG und wird verdeutlicht durch § 17 Abs. 3, § 20 Abs. 1 und § 62 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG (vgl. Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 7 BImSchG Rn. 67; Ohms in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Vorbemerkung zur 13. BImSchV Rn. 70; Ohms in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Vorbemerkung zur 17. BImSchV Rn. 24; Jarass, BImSchG, § 7 Rn. 61; Scheidler in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 7 BImSchG Rn. 11; Hentschel/Roßnagel in Führ, GK-BImSchG, § 7 Rn. 2; Wöckel in Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, § 7 Rn. 94). Eine Durchsetzung der entsprechenden Verpflichtung mittels nachträglicher Anordnung nach § 17 BImSchG dürfte vor diesem Hintergrund entbehrlich sein (vgl. Koch/König in Führ, GK-BImSchG, § 17 Rn. 26; Altenschmidt in Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, § 17 Rn. 45; Hansmann/Ohms in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 17 BImSchG Rn. 86). Davon geht in Bezug auf Verpflichtungen aus BVT-Schlussfolgerungen auch die Gesetzesbegründung zu dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen aus, wonach sich die Überprüfungs- und Anpassungspflicht nach § 52 Abs. 1 Satz 5 BImSchG allein auf diejenigen Anforderungen bezieht, die nicht aufgrund von Rechtsverordnungen nach § 7 BImSchG unmittelbar gegenüber Betreibern gelten (BT-Drs. 17/10486 S. 43); dies ist im Rahmen von § 52 Abs. 1 Satz 6 BImSchG ebenso zu beurteilen (s. auch oben 1.5.1.1.3).
171
1.5.2.5.3 Auf die vom Kläger in Bezug genommenen Vorschriften der IE-RL 2024 kommt es nicht an, da die Richtlinie noch nicht in nationales Recht umgesetzt wurde und die Umsetzungsfrist (1. Juli 2026, s. Art. 4 Abs. 1 IE-Änderungs-RL 2024) bisher nicht abgelaufen ist.
172
1.5.2.6 Der Genehmigungsbescheid verstößt auch nicht gegen Rechtsvorschriften, soweit er in der Nebenbestimmung Nr. A. III.9.2.2. für den angenommenen Abfall einen Orientierungswert für Zink von 4.000 mg/kg TS (Trockensubstanz) vorsieht. Der klägerische Vortrag lässt insoweit schon die Angabe einer verletzten Rechtsvorschrift vermissen.
173
Soweit der Kläger meint, durch die genannte Nebenbestimmung werde die Verbrennung gefährlichen Abfalls in der Anlage gestattet, trifft dies nicht zu. Denn die Genehmigung sieht in der Nebenbestimmung Nr. A. III.9.2.1. als zulässigen Einsatzstoff ausschließlich Schlämme aus der Behandlung von kommunalem Abwasser mit dem Abfallschlüssel 19 08 05 gemäß der Anlage zur AVV vor. Bei der genannten Abfallart handelt es sich um nicht gefährlichen Abfall, da er in der Anlage zur AVV nicht mit einem Sternchen versehen ist (s. hierzu § 3 Abs. 1 AVV). Die Schlämme aus der Behandlung von kommunalem Abwasser gehören auch nicht zu den Abfallarten, die nach der Anlage zur AVV sowohl als gefährliche als auch als nicht gefährliche Abfälle auftreten können und daher dort doppelt, d.h. einmal mit und einmal ohne Sternchen, eingetragen sind (sog. Spiegeleinträge, vgl. etwa Nr. 19 08 11 mit Sternchen und 19 08 12 ohne Sternchen). Abfallrechtlich scheidet eine Einstufung des zulässigen Einsatzstoffes als gefährlich daher aus.
174
Anderes ergibt sich nicht aus den vom Kläger zitierten Technischen Hinweisen zur Einstufung von Abfällen nach ihrer Gefährlichkeit der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (aktueller Stand: Februar 2024, abrufbar unter https://www.laga-online.de/documents/240506-endversion-zur-veroeffentlichung-technische-hi…24.pdf). Diese Hinweise können mangels Rechtsnormqualität schon keine Abweichung von der AVV begründen. Zudem beziehen sie sich nach ihrem Vorwort auf Abfallarten mit Spiegeleinträgen nach dem Anhang zur AVV, wozu die Schlämme aus der Behandlung von kommunalem Abwasser nicht gehören. Darüber hinaus stuft die in den Hinweisen enthaltene Tabelle 1 (S. 8), die im Übrigen ebenfalls auf die Spiegeleinträge Bezug nimmt, Abfall mit einem Zinkgehalt von 2.500 mg/kg Originalsubstanz oder mehr als gefährlich ein, wohingegen der Genehmigungsbescheid auf 4.000 mg/kg Trockensubstanz abstellt. Einsatzstoff der Anlage ist aber keine reine Trockensubstanz (s. hierzu die Fußnote zur Tabelle unter Nr. A I. b) der Genehmigung). Läge der Zinkgehalt der in der Anlage eingesetzten Trockensubstanz bei 4.000 mg/kg, so würde er sich bezogen auf den Einsatz von entwässertem Klärschlamm mit 25% Trockensubstanz auf 1.000 mg/kg Originalsubstanz verringern und läge daher unter dem vom Kläger angenommenen Wert (s. hierzu auch die Stellungnahme des LfU vom 26.2.2024, S. 17).
175
Die Argumentation des Klägers mit der CLP-Verordnung, nach der Abfall bei einem Zinkgehalt von über 2.500 mg/kg Originalsubstanz der Gefahrenkategorie Aquatic Chronic 1 zuzuordnen und zudem die gefahrenrelevante Abfalleigenschaft HP 14 nach Anhang III der Abfallrahmenrichtlinie gegeben sei, geht ebenfalls ins Leere. Die genannte Verordnung ist nicht auf Abfall anwendbar (vgl. Art. 1 Abs. 3 CLP-VO). Zudem knüpft auch diese an einen Zinkgehalt von über 2.500 mg/kg Originalsubstanz an (s. Anhang III der CLP-VO, Tabelle 1.3 Gefahrenhinweise für Umweltgefahren, Gefahrenhinweise H 410), der nicht überschritten wird, wenn als Originalsubstanz entwässerter Klärschlamm mit 25% Trockensubstanz verwendet wird, der – bezogen auf die reine Trockensubstanz – einen Zinkgehalt von 4.000 mg/kg nicht überschreitet.
176
2. Die vom Kläger geltend gemachte Unvereinbarkeit der Genehmigung mit wasserrechtlichen Vorschriften infolge des Eintrags von Quecksilber in den Lech und den Lechkanal sowohl über den Luftpfad als auch über den Wasserpfad besteht nicht.
177
Bei Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sind unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit des Vorhabens mit anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) eventuelle schädliche Umwelteinwirkungen auf das Wasser durch vorhabenbedingte Schadstoffeinträge sowohl über den Luftpfad als auch über den Wasserpfad zu prüfen. Die immissionsschutzrechtliche Betreiberpflicht deckt Emissionen von Luftschadstoffen, die über den Luftpfad auf das Schutzgut Wasser einwirken, mit ab; die Emissionen haben auch hinsichtlich dieses Schutzgutes eine medienbezogene abschließende Regelung erfahren (vgl. BVerwG, U.v. 2.11.2017 – 7 C 25.15 – juris Rn. 44). Damit steht im Zusammenhang, dass der Eintrag von Quecksilber in Gewässer über den Luftpfad keine Gewässerbenutzung darstellt und für sich genommen nicht wasserrechtlich genehmigungspflichtig ist (vgl. BVerwG, U.v. 2.11.2017 – 7 C 25.15 – juris Rn. 44).
178
Zudem sind vorhabenbedingte Schadstoffeinträge über den Wasserpfad zu berücksichtigen. Für das vorgesehene Einleiten von Abwasser in den Lechkanal bedarf es zwar einer separaten wasserrechtlichen Erlaubnis nach § 8 i.V.m. § 10 WHG; diese ist von der Konzentrationswirkung nach § 13 BImSchG nicht erfasst. Ungeachtet dessen ist jedoch vor der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zu prüfen, ob der Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis erkennbare Hindernisse entgegenstehen (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 16.12.2024 – 22 CS 24.1314 – juris Rn. 73 m.w.N.).
179
Die Genehmigung verstößt weder gegen das Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 27 Abs. 1 WHG, 2.1) noch die unionsrechtliche Regelung zum Phasing Out (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Nr. iv WRRL, 2.2). Auch die Umweltqualitätsnorm für Quecksilber in Biota (Tabelle 2 Nr. 21 der Anlage 8 zur OGewV) steht der Erteilung der Genehmigung nicht entgegen (2.3).
180
2.1 Der klägerische Vortrag begründet nicht die Unvereinbarkeit der Genehmigung mit dem wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot durch den Eintrag von Quecksilber in Oberflächengewässer über den Luft- und den Wasserpfad (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 27 Abs. 1 WHG). Eine unzulässige Verschlechterung würde angesichts des Ausgangszustands der betroffenen Gewässer eine messtechnisch erfassbare Erhöhung der Schadstoffkonzentration voraussetzen; nur diese begründete auch einen Verstoß gegen das Verbesserungsgebot (2.1.1). An einer messtechnisch erfassbaren Erhöhung der Schadstoffkonzentration fehlt es hier bezogen auf das nach den Vorgaben der TA Luft 2002 zugrundezulegende Beurteilungsgebiet (2.1.2). Auf die weiteren vom Kläger erhobenen Einwände gegen die Ermittlung des Quecksilbereintrags über den Luftpfad im UVP-Bericht und in der nachträglichen Stellungnahme zum UVP-Bericht kommt es daher nicht an; ungeachtet dessen greifen diese auch nicht durch (2.1.3). Es bestehen auch keine erkennbaren Hindernisse gegen die Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis zum Einleiten von Abwasser in den Lechkanal (2.1.4). Für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union besteht kein Anlass (2.1.5).
181
2.1.1 Ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot würde eine vorhabenbedingte Erhöhung der Schadstoffkonzentration voraussetzen, die messtechnisch erfassbar ist.
182
2.1.1.1 Das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Nr. i sowie Nr. ii und iii WRRL und § 27 Abs. 1 WHG verpflichtet die nationalen Behörden, die Genehmigung für ein konkretes Vorhaben zu versagen, wenn es eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann oder wenn es die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers, insbesondere eines guten chemischen Zustands, zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt gefährdet (EuGH, U.v. 1.7.2015 – C-461/13 – juris Ls. 1, Rn. 51; U.v. 21.3.2024 – C-671/22 – juris Rn. 43 f.) oder geeignet ist zu gefährden (EuGH, U.v. 1.7.2015 – C-461/13 – juris Rn. 50; U.v. 28.5.2020 – C-535/18 – juris Rn. 74). Das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot müssen daher bei der Zulassung von Vorhaben strikt beachtet werden (BVerwG, U.v. 9.2.2017 – 7 A 2.15 – juris Ls. 2, Rn. 478; U.v. 30.11.2020 – 9 A 5.20 – juris Rn. 34; U.v. 19.2.2025 – 9 A 9.23 – juris Rn. 170).
183
2.1.1.2 Eine Verschlechterung des (ökologischen) Zustands eines Oberflächenwasserkörpers liegt nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Nr. i WRRL vor, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne des Anhangs V der Richtlinie um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt. Ist jedoch die betreffende Qualitätskomponente im Sinne von Anhang V der WRRL bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser Komponente eine Verschlechterung des Zustands dar (EuGH, U.v. 1.7.2015 – C-461/13 – juris Ls. 3; U.v. 28.5.2020 – C-535/18 – juris Rn. 108, 110). Eine Verschlechterung des hier inmitten stehenden chemischen Zustands eines Oberflächenwasserkörpers – für den nach der Wasserrahmen-Richtlinie und der Oberflächengewässerverordnung anders als in Bezug auf den ökologischen Zustand nur zwei Bewertungsmöglichkeiten („gut“ und „nicht gut“) vorgesehen sind – liegt vor, sobald durch die Maßnahme mindestens eine Umweltqualitätsnorm im Sinne der Anlage 8 zur OGewV überschritten wird; ist eine Umweltqualitätsnorm bereits überschritten, so stellt jede weitere vorhabenbedingte Erhöhung der Schadstoffkonzentration eine unzulässige Verschlechterung dar (BVerwG, U.v. 9.2.2017 – 7 A 2.15 – juris Rn. 578; U.v. 4.6.2020 – 7 A 1.18 – juris Ls. 4, Rn. 106). Vorliegend ist die Qualitätskomponente Quecksilber in Biota (20 µg/kg Frischgewicht) in dem betroffenen Flusswasserkörper nach Tabelle 2 Nr. 21 der Anlage 8 zur OGewV bereits im Ist-Zustand überschritten (vgl. den UVP-Bericht, S. 129) und damit der chemische Zustand des Gewässers als nicht gut einzustufen (§ 6 Satz 3 OGewV), so dass jede Verschlechterung dieser Komponente eine Verschlechterung im Sinne des Verschlechterungsverbots bewirken würde.
184
2.1.1.3 Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall, dass der chemische Zustand des Gewässers bereits als nicht gut eingeordnet ist, den Eintritt einer Verschlechterung davon abhängig gemacht, ob die vorhabenbedingten Auswirkungen die Grenze der praktischen Messbarkeit bzw. Nachweisbarkeit überschreiten (BVerwG, U.v. 10.11.2016 – 9 A 18.15 – juris Rn. 109 f.; U.v. 9.2.2017 – 7 A 2.15 – juris Ls. 9, Rn. 578, 580). Danach kann es auf eine nur rechnerisch ableitbare, gegebenenfalls minimale Erhöhung nicht ankommen, sondern rechnerisch nachweisbare Vorgänge sind nur dann rechtlich beachtlich, wenn sie im Tatsächlichen einen Niederschlag finden (BVerwG, U.v. 4.6.2020 – 7 A 1.18 – juris Rn. 110; ebenso BayVGH, U.v. 19.12.2023 – 8 A 19.40024 – juris Rn. 125). Nur rechnerisch ermittelte Konzentrationserhöhungen von Schadstoffen führen deshalb nicht zu einer Verschlechterung einer Qualitätskomponente im Sinne des Verschlechterungsverbots (BVerwG, U.v. 4.6.2020 – 7 A 1.18 – juris Rn. 110; BayVGH, U.v. 19.12.2023 – 8 A 19.40024 – juris Rn. 125). Der Europäische Gerichtshof hat diesen Bezug auf die Messbarkeit, der von den durch die verfügbaren naturwissenschaftlichen Methoden bedingten Grenzen der empirischen Erkennbarkeit einer Veränderung ausgeht, in seinem auf einen Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts hin ergangenen Urteil vom 28. Mai 2020 – C-535/18 (juris Rn. 119) trotz ausdrücklicher Erwähnung im Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 9 A 16.16 – juris Vorlagefrage 3) nicht beanstandet; vielmehr geht er ersichtlich ebenfalls von diesem Verständnis aus (BVerwG, U.v. 4.6.2020 – 7 A 1.18 – juris Rn. 110; bestätigt durch U.v. 19.2.2025 – 9 A 9.23 – juris Rn. 182; BayVGH, U.v. 19.12.2023 – 8 A 19.40024 – juris Rn. 125, 126).
185
2.1.1.4 Die Frage, ob ein Vorhaben eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers im vorbeschriebenen Sinne bewirken kann, beurteilt sich nach dem allgemeinen ordnungsrechtlichen Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Eine Verschlechterung muss daher nicht ausgeschlossen, aber auch nicht sicher zu erwarten sein (BVerwG, U.v. 9.2.2017 – 7 A 2.15 – juris Rn. 480; U.v. 19.2.2025 – 9 A 9.23 – juris Rn. 184). Der Senat sieht trotz des klägerischen Vortrags, wonach eine Verschlechterung sicher ausgeschlossen sein müsse und es für eine Verschlechterung ausreiche, dass eine Maßnahme geeignet sei, eine Gefahr hervorzurufen (s. auch den Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof, Niederschrift S. 13), keinen Anlass, diese – vom Bundesverwaltungsgericht aktuell bestätigte (U.v. 19.2.2025 – 9 A 9.23 – juris Rn. 184) – Rechtsprechung in Frage zu stellen (zu der vom Kläger angeregten Vorlage an den EuGH s. unten 2.1.5).
186
2.1.1.5 Soweit der Kläger sich zudem auf das Verbesserungsgebot nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WHG beruft, ist das Erfordernis der messtechnischen Nachweisbarkeit auch hierfür von Bedeutung. Nach dem auch mit Blick auf das Verbesserungsgebot maßgeblichen allgemeinen ordnungsrechtlichen Maßstab hinreichender Wahrscheinlichkeit reicht es für eine Verletzung dieses Gebotes weder aus, dass das Bewirtschaftungsziel eines guten Zustands möglicherweise verspätet erreicht wird, noch muss die Zielverfehlung gewiss sein (BVerwG, U.v. 9.2.2017 – 7 A 2.15 – juris Rn. 582; U.v. 19.2.2025 – 9 A 9.23 – juris Rn. 186). Kann eine rechnerisch prognostizierte Erhöhung einer Schadstoffkonzentration messtechnisch nicht erfasst werden, ist das Ziel eines guten Zustands nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit gefährdet (BVerwG, U.v. 19.2.2025 – 9 A 9.23 – juris Rn. 186).
187
2.1.2 Der vorhabenbedingte Quecksilbereintrag in den Lech und den Lechkanal über den Luftpfad und den Wasserpfad liegt bezogen auf das im Gutachten zur Luftreinhaltung zugrundegelegte Rechengebiet im nicht messbaren Bereich.
188
2.1.2.1 Der Senat geht davon aus, dass es entsprechend den Ausführungen in der Klageerwiderung des Beklagten (Schriftsatz vom 11.4.2024, S. 40 ff. unter Zugrundelegung der Stellungnahme des LfU vom 26.2.2024, S. 25 f.; s. hierzu auch die Klageerwiderung der Beigeladenen vom 12.4.2024, S. 78 ff.) bei einer sehr konservativen Betrachtung unter Berücksichtigung von Einträgen über den Luftpfad und den Wasserpfad nach einer Durchmischungsrechnung unter Berücksichtigung des Abflussvolumens des Lechs maximal zu einer (Gesamt-)Zusatzbelastung durch Quecksilber im Gewässer von ca. 0,000024 µg/l bei mittlerem Abfluss und ca. 0,000051 µg/l bei mittlerem Niedrigwasser kommen wird. Dieses Ergebnis ist vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof – bezogen auf das der Berechnung zugrundegelegte Beurteilungsgebiet entsprechend den Vorgaben der TA Luft 2002 – ausdrücklich für richtig befunden worden (vgl. die Niederschrift S. 11).
189
2.1.2.2 Entgegen der Auffassung des Klägers musste bei der Berechnung der Zusatzbelastung durch Quecksilber über den Luftpfad auf das sich aus den Vorschriften der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft vom 24. Juli 2002 (GMBl S. 511, im Folgenden: TA Luft 2002) ergebende Beurteilungsgebiet abgestellt werden.
190
Auf das Vorhaben ist noch die TA Luft 2002 anzuwenden. Zwar trat am 1. Dezember 2021 und damit vor Erlass des Genehmigungsbescheids die Neufassung der TA Luft vom 18. August 2021 in Kraft (GMBl S. 1050). Nach deren Nr. 8 sollen aber Genehmigungsverfahren nach den Vorgaben der TA Luft 2002 zu Ende geführt werden, wenn vom Vorhabenträger vor dem 1. Dezember 2021 ein vollständiger Genehmigungsantrag gestellt wurde, wovon hier auszugehen ist.
191
Die Grundlage für die Ermittlung des Schadstoffeintrags in den Lech und den Lechkanal über den Luftpfad bilden die prognostizierten Schadstoffdepositionen des Gutachtens zur Luftreinhaltung. Das Gutachten legt das Beurteilungsgebiet nach Nr. 4.6.2.5 Abs. 1, Anhang 3 Nr. 7 der TA Luft 2002 zugrunde, mithin das Innere eines Kreises um den Schornstein der Anlage, dessen Radius das 50fache der Schornsteinbauhöhe beträgt. Vorliegend beträgt die Schornsteinbauhöhe nach dem Gutachten 45,5 m, woraus sich ein Beurteilungsgebiet mit einem Radius von 2,275 km um den Schornstein ergibt (s. Gutachten zur Luftreinhaltung, S. 48).
192
Das Beurteilungsgebiet nach der TA Luft 2002 war nicht nur hinsichtlich der Luftreinhaltung, sondern auch der über den Luftpfad bewirkten Schadstoffeinträge in die Oberflächengewässer heranzuziehen. Entgegen dem klägerischen Vortrag war nicht das gesamte Einzugsgebiet des Lechs zu berücksichtigen. Da die über den Luftpfad bewirkten Emissionen der streitgegenständlichen Anlage auch hinsichtlich des Schutzgutes Wasser eine abschließende Regelung im Immissionsschutzrecht erfahren haben (BVerwG, U.v. 2.11.2017 – 7 C 25.15 – juris Rn. 44; s.o. 2.), gelten hierfür auch ausschließlich die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen für Luftverunreinigungen; für die Bestimmung des Beurteilungsgebietes der Emissionen der Anlage ist dies die genannte Vorschrift der TA Luft 2002. Diese auf der Grundlage von § 48 BImSchG ergangene Verwaltungsvorschrift entfaltet angesichts ihrer Funktion, bundeseinheitlich einen gleichmäßigen Gesetzesvollzug sicherzustellen, eine auch im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung (vgl. BVerwG, U.v. 21.6.2001 – 7 C 21.00 – juris Rn. 11; U.v. 29.8.2007 – 4 C 2.07 – juris Rn. 12 zur TA Lärm). Die vom Kläger gegen die Beschränkung des Beurteilungsgebiets vorgebrachten fachlichen Gesichtspunkte, die der Senat mangels eigener Sachkenntnis ohnehin nicht selbst überprüfen kann, bleiben daher außer Betracht.
193
2.1.2.3 Die vom Beklagten ermittelte und vom Kläger nicht beanstandete Zusatzbelastung der Oberflächengewässer durch Quecksilber über den Luft- und den Wasserpfad liegt mit 0,000024 µg/l bei mittlerem Abfluss und 0,000051 µg/l bei mittlerem Niedrigwasser nach übereinstimmender Auffassung des Klägers und des Beklagten unterhalb der Grenze der messtechnischen Nachweisbarkeit. Zwar stimmen die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof durch den Kläger und den Beklagten getätigten Aussagen zur Grenze der Messbarkeit von Quecksilber in Wasser nicht überein; nach Angaben des Vertreters des LfU ist Quecksilber bei einer Routineuntersuchung ab einem Wert von 5 ng/l bestimmbar, wohingegen der Kläger die Nachweisgrenze bei 1 ng/l sieht (vgl. die Niederschrift S. 12). Auch wenn die messtechnische Nachweisbarkeit vom angewandten Messverfahren abhängt, kommt es auf die Divergenz dieser Angaben nicht an, da die für die Zusatzbelastung durch Quecksilber ermittelten Werte unterhalb der vom Kläger angenommenen niedrigeren Nachweisgrenze von 1 ng/l (= 0,001 µg/l) liegen und daher davon ausgegangen werden kann, dass die Zusatzbelastung nicht messbar ist.
194
Der Beklagte und die Beigeladene haben die Auffassung, wonach die angegebene vorhabenbedingte Zusatzbelastung durch Quecksilber nicht das Verschlechterungsverbot verletze, zugleich auf die Annahme gestützt, die Zusatzbelastung sei irrelevant, weil sie unterhalb von 1% des maßgeblichen Beurteilungswertes für den Quecksilbergehalt von Oberflächengewässern liege. Dies entspreche einer in Fachkreisen entwickelten Regel (s. die Niederschrift der mündlichen Verhandlung, S. 12; vgl. auch den UVP-Bericht, S. 218). Hierfür wurde u.a. der sich aus Nr. 21 der Tabelle 2 der Anlage 8 zur OGewV ergebende Wert der zulässigen Höchstkonzentration von Quecksilber in oberirdischen Gewässern ohne Übergangsgewässer von 0,07 µg/l zugrunde gelegt (vgl. den UVP-Bericht, S. 214, Tabelle 110; S. 217, Tabelle 114; s. auch die Klageerwiderung des Beklagten vom 11.4.2024, S. 42); die ermittelte Zusatzbelastung durch Quecksilber beträgt weniger als 1% dieses Wertes, nämlich weniger als 0,0007 µg/l. Inwieweit diese Argumentation den o.g. zum Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot entwickelten rechtlichen Maßstäben entspricht, kann offenbleiben, da es schon an der messtechnischen Nachweisbarkeit des Quecksilbereintrags fehlt.
195
2.1.3 Auf die weiteren vom Kläger schriftsätzlich erhobenen Einwände gegen die Ermittlung der Quecksilberdeposition im Gewässer kommt es nicht an; sie greifen ungeachtet dessen nicht durch.
196
Die Einwände betreffen direkte und indirekte Quecksilbereinträge in die Oberflächengewässer Lech und Lechkanal über den Luftpfad als Folge der Emissionen von Luftschadstoffen und Stäuben, die beim Betrieb der Anlage entstehen (vgl. hierzu den UVP-Bericht, S. 213 ff., sowie die nachträgliche Stellungnahme zum UVP-Bericht, S. 7 ff.). Mit direkten Einträgen sind solche Depositionen gemeint, die sich nicht zunächst auf dem Boden, sondern unmittelbar auf der Wasseroberfläche niederschlagen; bei indirekten Einträgen gelangen die emittierten Luftschadstoffe zunächst auf den Boden und werden von dort aus ins Wasser eingetragen.
197
2.1.3.1 Der vom Kläger geltend gemachte Widerspruch zwischen den Angaben zur über den Luftpfand direkt ins Gewässer eingetragenen Quecksilber-Fracht im UVP-Bericht und in der nachträglichen Stellungnahme zum UVP-Bericht besteht nicht. Die unterschiedlichen Angaben erklären sich wie folgt: Im UVP-Bericht (S. 215) wurde im Rahmen einer konservativen Betrachtung angenommen, die nach dem Gutachten zur Luftreinhaltung (S. 75 Tabelle 15) prognostizierten Schadstoffdepositionen von 0,09 µg/(m2 x d) würden auf die gesamte Gewässeroberfläche von 109,25 ha eingetragen. Dies bedeutet sinngemäß, dass ein Wasservolumensegment von 1 m³, das im Süden in das Rechengebiet eintritt und dieses in Richtung Norden durchwandert, ständig eine Schadstoffdeposition von 0,09 µg/(m2 x d) aufnimmt, woraus am nördlichen Ende des Rechengebietes eine Schadstoffmasse von 1,138 µg/s resultiert (s. die Erläuterung in der nachträglichen Stellungnahme zum UVP-Bericht, S. 7 f.). Schon im UVP-Bericht wird darauf hingewiesen, dass dies in der Realität so nicht der Fall sei, da aufgrund des Ausbreitungsverhaltens von Luftschadstoffen im Bereich der Gewässerflächen die Depositionen deutlich unterhalb der maximalen Deposition lägen. In der nachträglichen Stellungnahme zum UVP-Bericht wurde im Wege einer realitätsnäheren Betrachtung (S. 7 unter 3.1.1.1.1) angenommen (s. Erläuterung S. 8), dass ein Wasservolumensegment unter Berücksichtigung der räumlichen Verteilung der Schadstoffdepositionen in über 99% der Fälle eine deutlich geringere Schadstoffmasse aufnehme. Dafür wurde der Depositionswert für jede Rasterzelle der Ausbreitungsrechnung, die den Lech und/oder Lechkanal umfasst, ausgewertet. Danach liegt bezogen auf diese Fläche eine mittlere Schadstoffdeposition von 0,0144 µg/(m2 x d) bzw. ein Quecksilber-Eintrag von 0,0422 µg/s vor. Zur Berechnung des Quecksilbereintrags wurde nicht von dem Mittelwert von 0,0144 µg/(m2 x d) ausgegangen, sondern die für die einzelnen Rasterzellen ermittelten Depositionswerte wurden addiert.
198
2.1.3.2 Soweit der Kläger die Angaben zu der durch indirekte Einträge über den Luftpfad auftretenden mittleren Quecksilber-Deposition im Industriepark und im Rechengebiet in Tabelle 3 (S. 12) der nachträglichen Stellungnahme zum UVP-Bericht in Zweifel zieht, handelt es sich dabei nach unwidersprochen gebliebenen Angaben des Beklagten und der Beigeladenen um Durchschnittswerte, die sich daraus ergeben, dass die Schadstoffdeposition im Untersuchungsgebiet nicht gleichmäßig verteilt ist; dabei weisen die Parzellen im Außenbereich des Rechengebiets unterschiedliche Größen auf (Abbildung 10 im Gutachten zur Luftreinhaltung, S. 48 und Erläuterung S. 49; die Wahl der unterschiedlichen Größen der Parzellen/Rasterflächen ergibt sich aus Ziffer 7 des Anhangs 3 der TA Luft 2002). Dieser Wert zur mittleren Deposition kann, wie der Beklagte und die Beigeladene zu Recht ausführen, nicht mit der in Tabelle 111 des UVP-Berichts (S. 215) angegebenen maximalen Deposition verglichen werden. Auch wenn sich die klägerische Kritik wohl nicht auf den UVP-Bericht, sondern auf den Anhang D zum Gutachten zur Luftreinhaltung (S. 9) beziehen dürfte, wo von einer höchsten Schadstoffdeposition in Natura 2000-Gebieten von 0,05 µg/(m² x d) ausgegangen wird, ändert dies nichts daran, dass die maximale Schadstoffdeposition nicht mit der mittleren Deposition verglichen werden kann.
199
2.1.3.3 Der Kritik des Klägers an der in Tabelle 3 S. 12 Zeile 4 der nachträglichen Stellungnahme zum UVP-Bericht angegebenen „Summe Hg“ als zu niedrig unter Zugrundelegung der in Zeile 3 angegebenen mittleren Hg-Deposition hat der Beklagte in der Klageerwiderung vom 11. April 2024 eine neue Berechnung im Sinne einer konservativen Maximalabschätzung entgegengesetzt, die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof als zutreffend befunden wurde (s.o. 2.1.2.1), so dass sich nähere Erörterungen hierzu erübrigen. Dadurch ist auch dem Einwand des Klägers, es hätten bei den indirekten Quecksilbereinträgen nicht nur Einträge über versiegelte, sondern auch über unversiegelte Flächen berücksichtigt werden müssen, die Grundlage entzogen worden, weil der neuen Berechnung der indirekten Quecksilbereinträge die gesamte (Boden-) Fläche des Rechengebietes zugrunde gelegt wurde (s. die Berechnung des Quecksilbereintrags bezogen auf das „Rechengebiet“ auf S. 25 unten der Stellungnahme des LfU vom 26.2.2024, wo die „Summe Hg“ anhand einer Fläche des Rechengebiets von 14.604.000 m2 errechnet wird; demgegenüber wird nach Tabelle 3, S. 12, der nachträglichen Stellungnahme zum UVP-Bericht der Anteil Quecksilber, der in den Lechkanal eingetragen wird, bezogen auf einen Flächenanteil von 15,5% [versiegelte Fläche] des Rechengebiets von insgesamt 14.604.000 m2 ermittelt).
200
2.1.4 Angesichts der Mitberücksichtigung der Quecksilbereinträge in den Lech/Lechkanal über den Wasserpfad in der vom Beklagten mit der Klageerwiderung vorgelegten Berechnung bestehen auch gegen die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis für die vorgesehene Einleitung von Abwasser in den Lechkanal keine erkennbaren Hindernisse.
201
2.1.5 Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV mit Blick auf den Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der bei der Prüfung des Verschlechterungsverbots und Verbesserungsgebots anzuwenden ist, bedarf es nicht. Dem Kläger geht es nach dem Kern seines Vortrags darum, dass jeglicher Schadstoffeintrag in Gewässer das Verschlechterungsverbot/Verbesserungsgebot verletze, wenn die darauf bezogene Umweltqualitätsnorm bereits überschritten und der chemische Zustand daher nicht gut sei. Er wendet sich mithin gegen die Annahme, dass nur messbare, nicht aber rein rechnerische Konzentrationserhöhungen gegen das Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot verstoßen können. Es bestehen jedoch nach den oben stehenden Ausführungen (2.1.1) keine Zweifel daran, dass Art. 4 Abs. 1 WRRL als acte clair so auszulegen ist, dass eine Verletzung des Verschlechterungsverbots und Verbesserungsgebots die Messbarkeit einer vorhabenbedingten Zusatzbelastung voraussetzt (BVerwG, U.v. 19.2.2025 – 9 A 9.23 – juris Rn. 191).
202
2.2 Die Genehmigung verstößt zudem nicht gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Nr. iv WRRL. Eine Verpflichtung, im Rahmen immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen Vorkehrungen zur schrittweisen Reduzierung der Einleitungen prioritärer gefährlicher Stoffe zu treffen, besteht derzeit noch nicht. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union erübrigt sich.
203
2.2.1 Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Nr. iv WRRL treffen die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur schrittweisen Reduzierung der Verschmutzung durch prioritäre Stoffe und zur Beendigung von Einleitungen, Emissionen und Verlusten prioritärer gefährlicher Stoffe, zu denen auch Quecksilber zählt (Art. 2 Nr. 30 i.V.m. Anhang X Nr. 21 WRRL; § 2 Nr. 4, Tabelle 1 Nr. 21, Spalte 8 und 10 der Anlage 8 zur OGewV) (sog. Phasing-Out). Die Mitgliedstaaten werden durch die Vorschrift zur Durchführung der notwendigen Maßnahmen nach Maßgabe des Art. 16 Abs. 1 und 8 WRRL verpflichtet. Nach Art. 16 Abs. 6 WRRL legt die Kommission für prioritäre Stoffe Vorschläge für Begrenzungen zur schrittweisen Verringerung von Einleitungen, Emissionen und Verlusten der betreffenden Stoffe einschließlich eines entsprechenden Zeitplans vor, u.a. bezogen auf Punktquellen der Stoffe. Der Zeitplan darf 20 Jahre ab dem Zeitpunkt, zu dem diese Vorschläge vom Europäischen Parlament und vom Rat angenommen werden, nicht überschreiten. Gemäß Art. 16 Abs. 8 Satz 1 WRRL unterbreitet die Kommission die Vorschläge gemäß Art. 16 Abs. 6 und 7 WRRL zumindest für die Emissionsbegrenzung von Punktquellen binnen zwei Jahren nach Aufnahme des betreffenden Stoffs in die Liste prioritärer Stoffe (vgl. BVerwG, U.v. 2.11.2017 – 7 C 25.15 – juris Rn. 52).
204
2.2.2 Bisher fehlt es für die Emissionsbegrenzung von Punktquellen an einem den Anforderungen des Art. 16 Abs. 6 WRRL genügenden Vorschlag der Kommission sowie einer Einigung auf Unionsebene. Mangels Regelung einer schrittweisen Reduzierung oder Einstellung von Einleitungen und Festlegung eines konkreten Zeitplans ist die Phasing-Out-Verpflichtung derzeit nicht in einer vollziehbaren Weise konkretisiert, so dass zwingende Vorgaben zur schrittweisen Verringerung und Einstellung aller Quecksilbereinträge nicht bestehen (BVerwG, U.v. 2.11.2017 – 7 C 25.15 – juris Rn. 53 m.w.N.). Vielmehr hat sich der Richtliniengeber mit der Umweltqualitätsnorm-Richtlinie und der dazu ergangenen Änderungsrichtlinie 2013/39/EU (ABl L 226 S. 1) auf eine Definition und Überarbeitung der Umweltqualitätsnormen i.S.d. Art. 16 Abs. 7 WRRL beschränkt und bewusst auf eine weitergehende Festlegung von Maßnahmen zur Begrenzung von Emissionen prioritärer Stoffe einschließlich eines Zeitplanes auf Unionsebene im Sinne des Art. 16 Abs. 6 WRRL verzichtet (BVerwG, U.v. 2.11.2017 – 7 C 25.15 – juris Rn. 53). Dies ergibt sich aus dem 6., 7., 8., 10. und 20. Erwägungsgrund der Umweltqualitätsnorm-Richtlinie sowie dem Vorschlag der Kommission dafür (KOM (2006) 397 endg., S. 3 und 5 f.) (BVerwG, U.v. 2.11.2017 – 7 C 25.15 – juris Rn. 53). Den genannten Erwägungsgründen ist zu entnehmen, dass die Kommission mit der Richtlinie nicht beabsichtigte, selbst Vorschläge für Emissionsbegrenzungen sowie Produkt- und Verfahrensbeschränkungen zu machen, sondern diese Aufgabe zunächst bei den Mitgliedstaaten sah. Auch Art. 1 UQN-RL spricht für eine Beschränkung auf die Festlegung von Umweltqualitätsnormen durch diese Richtlinie. Erst recht deutlich wird dies aus dem Vorschlag der Kommission für die Umweltqualitätsnorm-Richtlinie, wo es heißt (S. 3 oben), dass der Verpflichtung der Kommission zur Festlegung von Umweltqualitätsnormen nach Art. 16 Abs. 7 sowie zur Festlegung von Emissionsbegrenzungen nach Art. 16 Abs. 6 und 8 WRRL nachgekommen werde, allerdings mit der Einschränkung, dass keine zusätzlichen Emissionsbegrenzungen eingeführt würden. Zusätzliche spezifische Maßnahmen zur Verminderung der Verschmutzung sollten den Mitgliedstaaten überlassen werden (S. 5 f. und 7 des Vorschlags der Kommission; s. in diesem Sinne auch den 9. Erwägungsgrund). Dass sich an diesen Umständen seit Unterbreitung des Richtlinienvorschlags etwas geändert hätte, hat der Kläger nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.
205
2.2.3 Anderes folgt entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus Art. 16 Abs. 8 Satz 2 und 3 WRRL. Nach Satz 2 legen die Mitgliedstaaten für den Fall, dass bei Stoffen, die in die erste Liste prioritärer Stoffe aufgenommen worden sind, 6 Jahre nach Inkrafttreten der Wasserrahmenrichtlinie keine Einigung auf Gemeinschaftsebene zustande kommt, für alle Oberflächengewässer, die von Einleitungen dieser Stoffe betroffen sind, Umweltqualitätsnormen und Begrenzungsmaßnahmen für die Hauptquellen dieser Einleitungen fest. Satz 3, der sich auf Stoffe bezieht, die später in die Liste prioritärer Stoffe aufgenommen werden, ist hier ohne Bedeutung, da Quecksilber in die erste Liste prioritärer Stoffe aufgenommen wurde, nämlich durch die Entscheidung Nr. 2455/2001/EG vom 20. November 2001 zur Festlegung der Liste prioritärer Stoffe im Bereich der Wasserpolitik (ABl L 331 S. 1, inzwischen Anhang X WRRL).
206
2.2.3.1 Aus den Erwägungsgründen 8 und 9 der UQN-RL ergibt sich, dass Art. 16 Abs. 8 Satz 2 WRRL eine subsidiäre Handlungspflicht der Mitgliedstaaten für den Fall enthält, dass auf Unionsebene Maßnahmen zur Begrenzung der Emissionen prioritärer Stoffe nicht fristgerecht festgelegt werden. Die Voraussetzungen dieser mitgliedstaatlichen Verpflichtung sind nicht nur dann gegeben, wenn es an einer Einigung auf Unionsebene fehlt, weil ein Vorschlag der Kommission nach Art. 16 Abs. 6 WRRL nicht angenommen worden ist, sondern auch dann, wenn es an einem Vorschlag der Kommission gänzlich fehlt (BVerwG, U.v. 2.11.2017 – 7 C 25.15 – juris Rn. 55). Obwohl die in Art. 16 Abs. 8 Satz 2 WRRL vorgesehene Frist zwischenzeitlich abgelaufen ist, sieht das nationale Recht keine Maßnahmen zur Begrenzung der Emissionen prioritärer Stoffe vor; im nationalen Recht wurden nur – durch die Oberflächengewässerverordnung – Umweltqualitätsnormen für Oberflächengewässer festgelegt (BVerwG, U.v. 2.11.2017 – 7 C 25.15 – juris Rn. 54).
207
Entgegen der Auffassung des Klägers hat Art. 16 Abs. 8 Satz 2 WRRL keinen im Erlaubnisverfahren unmittelbar anwendbaren Regelungsgehalt, weil es der Bestimmung an der erforderlichen Unbedingtheit fehlt. Diese besteht nur, wenn eine Bestimmung weder unter einem Vorbehalt steht noch mit einer Bedingung versehen ist und ihrem Wesen nach keiner weiteren Maßnahmen des Mitgliedstaates bedarf. Letzteres ist regelmäßig zu verneinen, wenn und soweit eine Regelung dem Mitgliedstaat ausdrücklich einen gestalterischen Spielraum einräumt, ohne hierbei eine zwingende Mindestvorgabe zu machen (BVerwG, U.v. 2.11.2017 – 7 C 25.15 – juris Rn. 56). Nach Art. 16 Abs. 8 Satz 2 WRRL können Emissionsbegrenzungen sowohl allgemeinverbindlich durch Beschränkung technischer Verfahren oder die Festlegung von Grenzwerten als auch einzelfallbezogen geregelt werden; die Vorschrift ist damit auf eine weitere Umsetzung angelegt. Zudem ist der der Kommission in Art. 16 Abs. 6 WRRL eingeräumte Gestaltungsspielraum bei der Festlegung von Emissionsbegrenzungsmaßnahmen auch den Mitgliedstaaten bei ihrer subsidiären Verpflichtung aus Art. 16 Abs. 8 Satz 2 WRRL zuzugestehen. Daher stellen sich nicht nur die zur Zielerreichung erforderlichen Maßnahmen, sondern auch das Ziel selbst als bedingt dar (BVerwG, U.v. 2.11.2017 – 7 C 25.15 – juris Rn. 56). Die Bestimmung bedarf einer weiteren Konkretisierung durch eine schadstoffbezogene Definition des angestrebten Ziels und eine Festlegung der hierzu als erforderlich angesehenen spezifischen Maßnahmen. Damit fehlt es auch an der hinreichenden Bestimmtheit für eine unmittelbare Anwendung (BVerwG, U.v. 2.11.2017 – 7 C 25.15 – juris Rn. 56).
208
Dabei ist davon auszugehen, dass diese nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auf ein Verfahren zur Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis bezogenen Überlegungen ebenso im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens Anwendung finden.
209
Angesichts dessen kann dahinstehen, ob – wie die Beigeladene meint – Art. 16 Abs. 8 Satz 2 WRRL nur Schadstoffeinträge über den Wasser-, nicht aber über den – hier im Vordergrund stehenden – Luftpfad erfasst.
210
2.2.3.2 Den vorstehenden Ausführungen kann auch nicht, wie der Kläger meint, pauschal entgegengehalten werden, Art. 4 Abs. 1 Buchst. a WRRL besitze nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 1.7.2015 – C-461/13 – juris Rn. 31, 43, 44) insgesamt verbindlichen Charakter. Die genannte Entscheidung befasst sich – entsprechend den vom Bundesverwaltungsgericht gestellten Vorlagefragen – ausschließlich mit dem Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Nr. i sowie Nr. ii und iii WRRL; zu der Verpflichtung zum Phasing Out nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Nr. iv WRRL trifft sie dagegen keine Aussage.
211
2.2.3.3 Vor diesem Hintergrund erübrigt sich eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union. Wie die Beigeladene zutreffend ausgeführt hat, besteht für einen vernünftigen Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts – gerade auch angesichts der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – kein Raum (acte clair). Dass die Frist von 20 Jahren nach Art. 16 Abs. 6 Unterabs. 1 2. Spiegelstrich WRRL nicht durch den Vorschlag zur UQN-RL oder die UQN-RL selbst ausgelöst wurde, ergibt sich eindeutig daraus, dass die UQN-RL sich auf Art. 16 Abs. 7 WRRL bezieht, der seinerseits keine Fristsetzung enthält; zwischen Emissionsbegrenzungen (Art. 16 Abs. 6 WRRL) und Umweltqualitätsnormen (Art. 16 Abs. 7 WRRL) besteht nach den Begriffsbestimmungen des Art. 2 Nr. 41 und Nr. 35 WRRL ein klarer Unterschied.
212
2.3 Da die Umweltqualitätsnorm für Quecksilber in Biota nach der Oberflächengewässerverordnung nur ein Parameter zur Bestimmung der Qualität von Oberflächengewässern darstellt, ist ihre Einhaltung keine Genehmigungsvoraussetzung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG.
213
Die Umweltqualitätsnorm für Quecksilber in Biota beträgt nach Tabelle 2 Nr. 21 der Anlage 8 zur OGewV 20 µg/kg Nassgewicht, bezogen auf Fische (s. Fußnote 2 Satz 1 zur Tabelle 2 der Anlage 8 zur OGewV). Sie ist relevant für die Beurteilung des chemischen Zustandes des Gewässers (s.o. 2.1.1.2).
214
Eine unmittelbare Einhaltung dieser Umweltqualitätsnorm kann von einem Anlagenbetreiber im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren aber nicht verlangt werden; diese bezieht sich auf den (Gesamt-) Zustand des Gewässers, der von vielen Faktoren, nicht nur vom Betrieb der zu genehmigenden Anlage, abhängt. Zwar ist nach § 6 OGewV der chemische Zustand eines Oberflächenwasserkörpers anhand der in Tabelle 2 Anlage 8 zur OGewV aufgeführten Umweltqualitätsnormen einzustufen sowie nach § 10 OGewV zu überwachen (s. hierzu auch die Anlage 8 Nr. 1 bis 3 zur OGewV). Eine Verpflichtung zur Vermeidung einer Verschlechterung des chemischen Zustandes bzw. zu dessen Verbesserung kann aber aus der Umweltqualitätsnorm allein nicht hergeleitet werden.
215
3. Unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags verstößt die Genehmigung nicht gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 33 Abs. 1 Satz 1, § 34 Abs. 2 BNatSchG im Hinblick auf Stickstoff- und Säureeinträge in das in der Nähe des Vorhabenstandortes liegende FFH-Gebiet Höh-, Hörgelau- und Schwarzgraben, Lechbrenne nördlich Augsburg (DE-7531-371).
216
3.1 Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat auf der Grundlage verschiedener Fachkonventionen, insbesondere eines Berichts der Bundesanstalt für Straßenwesen vom November 2013 (Balla u.a., Untersuchung und Bewertung von straßenverkehrsbedingten Nährstoffeinträgen in empfindliche Biotope, Bericht zum FE-Vorhaben 84.0102/2009 der Bundesanstalt für Straßenwesen, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik) sowie der Hinweise zur Prüfung von Stickstoffeinträgen in der FFH-Verträglichkeitsprüfung für Straßen 2019 (im Folgenden: Stickstoffleitfaden Straße) Maßstäbe für die Bewertung vorhabenbedingter Einwirkungen durch Stickstoff in FFH-Gebiete herausgearbeitet (vgl. hierzu etwa BVerwG, U.v. 15.5.2019 – 7 C 27.17 – juris Rn. 32 ff.; U.v. 12.6.2019 – 9 A 2.18 – juris Rn. 64 ff., 69 ff.). Danach wird im Rahmen des Konzepts der Critical Loads, die naturwissenschaftlich begründete Belastungsgrenzen für Vegetationstypen oder andere Schutzgüter im Hinblick auf Luftschadstoffdepositionen beschreiben, für Stickstoffeinträge ein vorhabenbezogenes Abschneidekriterium von 0,3 kg N/(ha*a) angewendet, das die Grenze der unbedenklichen Immissionen markiert (BVerwG, U.v. 23.4.2014 – 9 A 25.12 – juris Rn. 35; U.v. 12.6.2019 – 9 A 2.18 – juris Rn. 69). Das Abschneidekriterium dient vor allem der Ermittlung des Einwirkungsbereichs und des Untersuchungsraums in der FFH-Prüfung. Es kennzeichnet die Höhe der Stickstoffdeposition, ab der diese nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft einer bestimmten Quelle oder einem bestimmten Vorhaben valide zugeordnet werden kann (BVerwG, U.v. 12.6.2019 – 9 A 2.18 – juris Rn. 70). Der StickstoffleitfadenStraße spiegelt – auch hinsichtlich des Abschneidekriteriums von 0,3 kg N/(ha*a) – den aktuell besten Kenntnisstand wider und darf von den Gerichten ihren Entscheidungen zugrunde gelegt werden, weil die Grenzen der gerichtlich möglichen und gebotenen Aufklärung und Kontrolle insoweit erreicht sind (BVerwG, U.v. 12.6.2019 – 9 A 2.18 – juris Rn. 64 unter Verweis auf BVerfG, B.v. 23.10.2018 – 1 BvR 2523/13 u.a. – juris Rn. 28 f.; U.v. 21.1.2021 – 7 C 9.19 – juris Rn. 23).
217
Zwischenzeitlich ist das Abschneidekriterium von 0,3 kg N/(ha*a) für Stickstoffdepositionen in FFH-Gebieten auch in Anhang 8 der TA Luft 2021 aufgenommen worden. Der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand wird damit in der für die Begrenzung der Immissionen von Luftschadstoffen maßgeblichen Verwaltungsvorschrift verbindlich abgebildet, auch wenn diese hier nicht anzuwenden ist, da das Vorhaben aufgrund des Zeitpunkts der Antragstellung noch nach der TA Luft 2002 zu genehmigen war (s.o. 2.1.2.2). Die Anwendung des genannten Abschneidekriteriums entspricht darüber hinaus auch den hier zur Prüfung herangezogenen „Hinweisen zur Prüfung von Stickstoffeinträgen in der FFH-Verträglichkeitsprüfung für Vorhaben nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz – Stickstoffleitfaden BImSchG-Anlagen“ der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) und der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung (LANA) vom 19. Februar 2019, Nr. 1.4.1 (abrufbar unter https://www.lai-immissionsschutz.de/documents/stickstoffleitfaden_2019…08.pdf; s. hierzu auch das vom Beklagten als Anlage 6 zur Klageerwiderung vom 11.4.2024 vorgelegte Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 17.8.2021).
218
3.2 Vor diesem Hintergrund bestehen aus Sicht des Senats keinerlei Zweifel daran, dass das genannte Abschneidekriterium für Stickstoffeinträge der FFH-Verträglichkeits-Vorprüfung zugrundegelegt werden durfte. Mit dem bloßen Verweis auf Kritik in der Literatur hat der Kläger weder die Anwendbarkeit des Abschneidekritierums als solche noch dessen Höhe in Zweifel gezogen.
219
Soweit der Kläger sich zudem gegen eine Bagatellfall-Betrachtung wendet, wurde eine solche hier nicht durchgeführt; sie ist nach dem Konzept der Critical Loads der Anwendung des Abschneidekriteriums nachgelagert (BVerwG, U.v. 15.5.2019 – 7 C 27.17 – juris Rn. 33; U.v. 21.1.2021 – 7 C 9.19 – juris Rn. 29) und kam hier mangels Überschreitung des Abschneidekriteriums nicht zur Anwendung.
220
Bezüglich des Vortrags des Klägers, die Auswirkungen von Schadstoffeinträgen auf Lebensraumtypen und Arten müssten auch kumulierend betrachtet werden, erübrigt sich eine nähere Würdigung; die Behauptung entbehrt eines konkreten Bezugs zum zur Entscheidung stehenden Sachverhalt. Gleiches gilt für die Annahme, die Bewertung von Schadstoffeinträgen nach den Immissionswerten der TA Luft sei unter den Bedingungen des Klimawandels nicht ausreichend.
221
3.3 Soweit der Kläger beanstandet, die Werte für das Abschneidekriterium „endeten“ nach der FFH-Vorprüfung „nur knapp am FFH-Gebiet“, bezieht er sich wohl darauf, dass nach Abbildung 11 der FFH-Vorprüfung (S. 63) für das der Anlage nächstgelegene FFH-Gebiet eine Stickstoffdeposition von zwischen 0,1 und 0,3 kg N/(ha*a) angenommen wird. Eine Überschreitung des Abschneidekriteriums von 0,3 kg N/(ha*a) ergibt sich daraus jedoch nicht, auch nicht daraus, dass aus klägerischer Sicht das Abschneidekriterium „exakt“ angewandt werden müsse.
222
Gleiches gilt in Bezug auf die klägerischen Ausführungen zur Einhaltung des für vorhabenbedingte Säuredepositionen im genannten FFH-Gebiet angewandten Abschneidekriteriums. In der FFH-Vorprüfung wurde ein Abschneidekriterium von 32 eq N+S/(ha*a) zugrunde gelegt (FFH-Vorprüfung S. 64), das noch strenger ist als das zwischenzeitlich in Anhang 8 der TA Luft 2021 aufgenommene Kriterium von 0,4 keq (=40 eq). Gegen das Kriterium als solches wendet sich der Kläger nicht; dass dieses nicht eingehalten sei, ergibt sich entgegen seinem Vortrag nicht daraus, dass nach Abbildung 12 der FFH-Vorprüfung (S. 64) der Bereich, in dem das Kriterium von 32 eq N+S/(ha*a) überschritten wird, nahe an das FFH-Gebiet heranreicht. Die klägerische Behauptung, aus den zugrunde liegenden AUSTAL-LOG-Dateien könne sich möglicherweise ergeben, dass der Wert von 32 eq N+S/(ha*a) auch noch innerhalb des FFH-Gebietes überschritten werde, ist durch nichts belegt.
223
3.4 Die dem Bescheid zugrunde liegenden Annahmen der FFH-Vorprüfung zur Höhe der Zusatzbelastung durch Stickstoff- und durch Säureeinträge in das FFH-Gebiet Höh-, Hörgelau- und Schwarzgraben, Lechbrenne nördlich Augsburg sind auch in Bezug auf den geplanten Einsatz der SNCR-Anlage nicht zu beanstanden. Diese Anlage dient dazu, die Stickoxidemissionen der Klärschlammverbrennungsanlage zu reduzieren (s. Genehmigungsantrag S. 11), führt aber ihrerseits zu Ammoniakemissionen (sog. Ammoniakschlupf), die auf 10 mg/m³ begrenzt sind (s. Gutachten zur Luftreinhaltung, S. 22, 76 sowie Anhang D S. 1; zum Emissionsgrenzwert [Tagesmittelwert] s. Nr. A. III. 9.3.4.6.1. Buchst. i des Genehmigungsbescheids). Die Ammoniakemissionen können Stickstoffsowie Säuredepositionen hervorrufen (Gutachten zur Luftreinhaltung, Anhang D S. 1). Der Betrieb der SNCR-Anlage ist für 2.000 Stunden pro Jahr beantragt (s. Genehmigungsantrag S. 11).
224
Der Kläger meint offenbar, die Genehmigung lasse offen, ob der Emissionsgrenzwert für Stickoxid ohne den Betrieb der SNCR-Anlage eingehalten werden könne, und im Fall eines über 2.000 Stunden pro Jahr hinausgehenden Betriebs der SNCR-Anlage könne es zu höheren Ammoniakemissionen kommen, die wiederum die Stickstoff- und Säureeinträge im FFH-Gebiet erhöhen könnten, bis hin zu einer eventuellen Überschreitung der Abschneidekriterien. Beides führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Genehmigung. Denn der Emissionsgrenzwert für Stickoxid (Tagesmittelwert, Nr. A. III. 9.3.4.6.1. Buchst. f der Genehmigung) ist verbindlich einzuhalten; eine Überschreitung lässt die Genehmigung nicht zu. Wäre die Einhaltung des Grenzwerts aus technischen Gründen nicht möglich, so müsste die Anlagentechnik entsprechend angepasst werden. Die Dauer des Betriebs der SNCR-Anlage ist auf maximal 2.000 Stunden pro Jahr begrenzt. Dies ergibt sich daraus, dass der Genehmigungsantrag Bestandteil der Genehmigung ist (Nr. A. III.1.1. des Bescheids). Ein darüber hinausgehender Betrieb der SNCR-Anlage, der mit weiteren Ammoniakemissionen verbunden wäre, ist damit nicht zulässig. Inwieweit die Einhaltung der Betriebsdauer der SNCR-Anlage überwacht werden kann, ist eine Frage des Vollzugs der Genehmigung.
225
4. Soweit der Kläger seinem Vortrag zu § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG auch materiellen Gehalt beimisst, ist ihm zu entgegnen, dass das Berücksichtigungsgebot nicht zum Prüfprogramm der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gehört (s.o. I.1.3.4). Die weiteren geltend gemachten Verstöße gegen die Vorschriften der 9. BImSchV haben als solche keine materiellen Gehalt.
226
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO), da sie einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
227
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
228
Die Revision war nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, soweit es darum geht, ob die Behörde bei Erteilung der streitgegenständlichen Genehmigung verpflichtet war, die BVT-Schlussfolgerungen 2019 anzuwenden, und ob die Genehmigung den Anforderungen der BVT-Schlussfolgerungen 2019 im Hinblick auf die festgesetzten Emissionsgrenzwerte entspricht.