Titel:
Anordnung zur Beseitigung von Abfallbehältern auf einer gewidmeten öffentlichen Verkehrsfläche
Normenketten:
VwGO § 60 Abs. 1, § 80 Abs. 5, § 146 Abs. 1, § 147 Abs. 1 S. 1
ZPO § 182, § 418
BayVwZVG Art. 3
Leitsätze:
1. Allein mit dem Vortrag, das Schriftstück sei unberechtigterweise einem anderen Hausbewohner übergeben worden, wird kein Beweis für die Unrichtigkeit der Angaben in der Postzustellungsurkunde nach § 418 Abs. 2 ZPO erbracht. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein rechtshängiges Klage- und Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO führt zu einer erhöhten Sorgfaltspflicht, im Falle gerichtlicher Zustellungen fristwahrende Handlungen vornehmen zu können. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde im vorläufigen Rechtsschutz, Versäumung der Beschwerdefrist, Zustellung mittels Postzustellungsurkunde, Antrag auf Wiedereinsetzung, Beseitgung, Abfallbehälter, Anordnung, vorläufiger Rechtsschutz, Beschwerde, Zustellung, Postzustellungsurkunde, Unrichtigkeit, Angaben, Beweis, Beschwerdefrist, Wiedereinsetzung
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 15.08.2025 – AN 10 S 25.1314
Fundstelle:
BeckRS 2025, 27964
Tenor
I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Anordnung zur Beseitigung von Abfallbehältern auf einer gewidmeten öffentlichen Verkehrsfläche vor ihrem Anwesen.
2
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … Gemarkung N* … in der S* … *. Die von den Mietern des Anwesens genutzten Abfalltonnen werden auf der öffentlichen Verkehrsfläche vor dem Grundstück gelagert.
3
Nach zunächst formlosem Appel zur Beseitigung der Abfallbehälter von der öffentlichen Verkehrsfläche forderte die Antragsgegnerin die Antragsstellerin mit Bescheid vom 6. Mai 2025 auf, drei blaue Abfallbehälter für Papier, drei gelbe Tonnen und eine große Restmülltonne dauerhaft und vollständig von der öffentlichen Verkehrsfläche vor dem Anwesen S* … * Ecke K* …-Straße in N* … zu entfernen (Nr. 1 des Bescheides). Zudem erklärte sie die Anordnung für sofort vollziehbar (Nr. 2 des Bescheides) und drohte für den Fall der Nichterfüllung der Verpflichtung bis zum 19. Mai 2025 ein Zwangsgeld in Höhe von 500 € an (Nr. 3 des Bescheides).
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Mit Schreiben vom 12. Mai 2025 erhob die Antragstellerin Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach (Az.: AN 10 K 25.1315) und beantragte gleichzeitig, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherzustellen. Mit Beschluss vom 15. August 2025 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Der Beschluss wurde der anwaltlich nicht vertretenen Antragstellerin mittels Postzustellungsurkunde am 22. August 2025 zugestellt. Über die Klage ist noch nicht entschieden.
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Gegen den Beschluss legte der Bevollmächtigte der Antragstellerin am 8. September 2025 Beschwerde ein und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist. Den Beschluss habe in ihrer Urlaubsabwesenheit ein nicht beauftragter Hausbewohner am 22. August 2025 entgegengenommen. Sie habe von dem Brief erst nach ihrer Rückkehr am 26. August 2025 Kenntnis erlangt.
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1. Die Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht fristgerecht eingelegt wurde.
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Nach § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen.
8
Der mit einer zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrungversehene Beschluss vom 15. August 2025 wurde der Klägerin ausweislich der Postzustellungsurkunde am 22. August 2025 zugestellt (vgl. VG-Akte Bl. 126). Da die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung der Antragstellerin nicht möglich war, wurde die Zustellung ausweislich der Angaben in der Postzustellungsurkunde durch Einlegung des Schriftstücks in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung bewirkt (vgl. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VwZVG i.V.m. § 178 Abs. 1 Nr. 1, § 180 Satz 1 und 2 ZPO). Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VwZVG, § 182 Abs. 1 Satz 2, § 418 ZPO erbringt die Postzustellungsurkunde den vollen Beweis der darin bezeichneten Tatsachen. Allein mit ihrem Vortrag, das Schriftstück sei unberechtigterweise einem anderen Hausbewohner übergeben worden, hat die Antragstellerin keinen Beweis für die Unrichtigkeit der Angaben in der Postzustellungsurkunde nach § 418 Abs. 2 ZPO erbracht (vgl. auch BVerwG, B.v. 22.1.1997 – 6 B 55.96 – juris Rn. 8). Die Beschwerdefrist begann daher am 23. August 2025 und ist am 5. September 2025, 24 Uhr abgelaufen (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Die am 8. September 2025 beim Verwaltungsgericht eingegangene Beschwerde ist daher verfristet.
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2. Der am 8. September 2025 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist unbegründet.
10
Gemäß § 60 Abs. 1 VwGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Verschulden liegt vor, wenn der Beteiligte diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.2021 – 9 B 19.21 – juris Rn. 12; B.v. 19.12.2023 – 8 B 26.23 – juris Rn. 6; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 60 Rn. 9). Nach diesem Maßstab war die Antragstellerin nicht unverschuldet an der rechtzeitigen Einlegung der Beschwerde verhindert. Ausweislich ihres Vortrags kamen die Antragstellerin und ihr Ehemann am 26. August 2025 aus dem Urlaub zurück. Aus welchen Gründen es ihr nicht möglich gewesen sein sollte, innerhalb der noch bis 5. September 2025 laufenden Beschwerdefrist Beschwerde einzulegen, hat die Antragstellerin weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Im Übrigen traf die Antragstellerin vorliegend eine erhöhte Sorgfaltspflicht, da sie während des rechtshängigen Klage- und Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO stets mit der alsbaldigen Zustellung eines Schriftstücks rechnen musste. Es wäre ihre Obliegenheit gewesen, Vorsorge dafür zu treffen, dass im Falle von gerichtlichen Zustellungen fristwahrende Handlungen vorgenommen werden können (vgl. BVerwG, U.v. 1.9.1988 – 6 C 56.87 – juris Rn. 11; Kluckert/Vogt in Sodan/Ziekow, VwGO, 6. Aufl. 2025, § 60 Rn. 51 m.w.N.).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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4. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2025.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).