Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 21.10.2025 – 206 StRR 289/25
Titel:

Voraussetzungen der Untreue und der Unterschlagung bei mißbräuchlicher Nutzung einer überlassenen Bankkarte 

Normenkette:
StGB § 246 Abs. 1, § 266 Abs. 1
Leitsätze:
1. Eine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht iSd § 266 Abs. 1 StGB durch Aushändigung von Karte und PIN für ein Bankkonto zur Nutzung auch im Interesse der geschädigten Auftraggeberin liegt jedenfalls dann vor, wenn dem ein jahrzehntelanges Vertrauensverhältnis zu Grunde lag und der Beauftragten genug Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen verblieb. Ob eine derartige durch Aushändigung von Karte und PIN erfolgte Autorisierung der Angeklagten durch die Vertragsbedingungen der Banken nicht gestattet ist, ist für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses zwischen der Geschädigten und der Angeklagten ohne Bedeutung. (Rn. 12 – 19) (red. LS Alexander Kalomiris)
2. Die Frage, wie sich ein Eigentumsübergang an Geldscheinen vollzieht, die durch einen Bankautomaten nach Verwendung einer mit Willen des berechtigten Kontoinhabers überlassenen Bankkarte und der dazugehörigen Geheimzahl ausgegeben werden, ist weder in der höchstrichterlichen straf- und zivilrechtlichen Rechtsprechung, noch in der Literatur der bezeichneten Rechtsgebiete abschließend geklärt. Sie bedarf wegen der Subsidiarität des § 246 StGB auch vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. (Rn. 24 – 33) (red. LS Alexander Kalomiris)
Schlagworte:
Untreue, Unterschlagung, Vermögensbetreuungspflicht, qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht, Bankkarte, PIN, Bankvollmacht, Geldautomat, Eigentumsübergang, Eigentumsübergang an Geldscheinen, Subsidiarität, mißbräuchliche Nutzung
Vorinstanz:
AG München, Urteil vom 10.02.2025 – 852 Ds 273 Js 151328/24
Fundstelle:
BeckRS 2025, 27923

Tenor

I. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 10. Februar 2025 mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafabteilung des Amtsgerichts München zurückverwiesen.

Gründe

I.
1
Das Amtsgericht München hat die Angeklagte mit Urteil vom 10. Februar 2025 der Unterschlagung in 126 Fällen schuldig gesprochen und sie deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Dem Schuldspruch liegen folgende Feststellungen zugrunde:
„Die Angeklagte war seit mehreren Jahrzehnten als Putzkraft bei der Geschädigten J.S. beschäftigt. Da die im Jahr 1937 geborene Geschädigte bereits seit etwa 10 Jahren ihre Wohnung aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht mehr verlassen konnte, übernahm die Angeklagte für die Geschädigte mehrmals monatlich Einkäufe sowie Bargeldabhebungen an Geldautomaten. Für Letzteres überließ die Geschädigte der Angeklagten bereits vor mehreren Jahren ihre Debitkarte der Kreissparkasse München S-E (Kontonummer XY) und teilte ihr die für die Abhebungen an Geldautomaten notwendige PIN-Nummer mit.
Gemäß der Absprache zwischen der Geschädigten und der Angeklagten sollte die Angeklagte mit der Bankkarte dabei jeweils lediglich Beträge in Höhe von maximal 250,00 EUR abheben, von denen die Angeklagte jeweils einen Teilbetrag in Höhe von 100,00 EUR an die Geschädigte hätte übergeben sollen und den übrigen Teilbetrag in Höhe von 150,00 EUR nicht ausschließbar jeweils für sich hätte behalten dürfen.
Aufgrund eines jeweils neu gefassten Tatentschlusses hob die Angeklagte sodann zwischen dem 04.01.2020 und dem 19.09.2023 im Rahmen von 126 Abhebevorgängen jeweils mehr Bargeld vom Konto ab, als mit der Geschädigten vereinbart war. Den Differenzbetrag zwischen der vereinbarten Abhebung in Höhe von 250,00 EUR – ein Teilbetrag in Höhe von 100,00 EUR für die Geschädigte und nicht ausschließbar ein Teilbetrag in Höhe von 150,00 EUR für die Angeklagte […] behielt die Angeklagte jeweils abredewidrig für sich, obwohl sie wusste, dass sie hierauf keinen Anspruch hatte.
Folgen Daten und Beträge der Abhebungen sowie die Summe der absprachewidrig behaltenen Beträge von 17.150 EUR.“
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit der Sprungrevision, die mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts begründet wird. Die Revision führt aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Unterschlagung nicht vorlägen. Die im Geldautomaten befindlichen Geldscheine seien der Angeklagten, nachdem sie unter Verwendung der ihr überlassenen Debitkarte und Eingabe der ebenfalls ihr von der Berechtigten mitgeteilten PIN deren Ausgabe bewirkt habe, von der Bank übereignet worden. Sie habe sich diese mithin nicht rechtswidrig zugeeignet.
4
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt in ihrer Stellungnahme vom 05. August 2025, die Revision als unbegründet zu verwerfen.
II.
5
Das als Sprungrevision gemäß §§ 335 Abs. 1, 312 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel muss bereits deshalb zur Aufhebung des Urteils führen, weil, wie der Senat von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen hatte, das Urteil den ihm mit der Anklageschrift unterbreiteten Prozessgegenstand nicht ausgeschöpft hat. Darin liegt ein Verstoß gegen die richterliche Kognitionspflicht. Darüber hinaus liegt ein unauflösbarer Widerspruch zwischen der Anzahl der in den Schuldspruch aufgenommenen Einzeltaten (126 Fälle) mit den im Urteil einzelnen aufgezählten Vorgängen, deren Summe sich auf lediglich 122 beläuft, vor.
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Das angegriffene Urteil schöpft zunächst unter Verstoß gegen die richterliche Kognitionspflicht die durch Eröffnungsbeschluss zugelassene Anklageschrift nicht aus.
7
a) Der Urteilsspruch muss den durch Anklageschrift und Eröffnungsbeschluss gemäß § 264 Abs. 1 StPO bestimmten Prozessgegenstand erschöpfend erledigen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. Juni 1993, 3 StR 304/93, NStZ 1993, 551, 552; Schmitt/Köhler, StPO, 68. Aufl. 2025, § 260 Rn. 9, 10).
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b) Dieser Anforderung genügt das angegriffene Urteil nicht. In der Anklageschrift vom 24. Juni 2024, unverändert zugelassen durch Eröffnungsbeschluss vom 18.November 2024, sind 176 einzelne Vorgänge, bei denen die Angeklagte am Geldautomaten Bargeldbeträge unter Verwendung der Debitkarte und der PIN der Geschädigten abgehoben hat, aufgezählt, und in rechtlicher Hinsicht als 176 Fälle der Unterschlagung gewertet worden. Im Termin zur Hauptverhandlung vom 31. Januar 2025 hat das Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft 39 Fälle nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, bezeichnet nach den in der Anklageschrift verwendeten Ordnungsnummern (Fälle 3, 6, 9, 12, 17, 19, 23, 46, 51, 54, 56, 59, 60, 62, 67, 73, 80, 81, 83, 84, 90, 99, 108, 110, 111, 112, 113, 117, 119, 120, 123, 129, 131, 135, 151, 155, 170 173, und 176). Demnach verblieben 137 Einzelfälle, die der Kognition des Gerichts unterlagen und abschließend hätten abgehandelt werden müssen. Im Tenor des angegriffenen Urteils ist es zu einem Schuldspruch wegen 126 Fällen gekommen. Hinsichtlich der Differenz von 11 Einzelfällen finden sich im Urteil keine Ausführungen. Der Senat kann nicht nachvollziehen, ob insoweit das Gericht jeweils von einem fehlenden Nachweis ausgegangen ist, was zu entsprechenden Teilfreisprüchen hätte führen müssen, oder ob es mehrere als selbstständige Handlungen angeklagte Taten in rechtlicher Hinsicht als lediglich eine Handlung gewürdigt hat. Hierzu fehlt jede Erörterung. Es lässt sich, da das Amtsgericht andere Ordnungsziffern verwendet hat als die Anklageschrift, auch nicht zweifelsfrei feststellen, welche der angeklagten Taten zu einem Schuldspruch geführt haben und welche nicht.
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c) Hinzu kommt, dass die Anzahl der in den Schuldspruch aufgenommenen Einzeltaten sich nicht mit den in den Feststellungen geschilderten Abhebungsvorgängen in Einklang bringen lässt. In den Feststellungen sind lediglich 122 Fälle dargetan (Summe der in UA S. 4-7 aufgeführten Fälle; in den vom Gericht verwendeten Ordnungszahlen fehlen Nrn. 74, 78, 90 und 93). Einer bloßen Berichtigung des Tenors ist der Fehler nicht zugänglich, weil sich nicht sicher erschließen lässt, ob dem Gericht lediglich ein Zählfehler unterlaufen ist, oder es versehentlich die Feststellung weiterer Taten, die es in den Schuldspruch aufgenommen hat, unterlassen hat.
II.
10
Das Urteil leidet auch in materiellrechtlicher Hinsicht an durchgreifenden Rechtsfehlern, § 353 Abs. 1 StPO. Das Amtsgericht hat die von ihm getroffenen Feststellungen in rechtlicher Hinsicht unzureichend gewürdigt. Ein Freispruch aus rechtlichen Gründen, wie von der Revision beantragt, kommt hingegen nicht in Betracht.
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Zutreffend hat das Gericht zunächst im Einklang mit der inzwischen einhelligen Rechtsprechung ausgeführt, dass ein Computerbetrug nach § 263 a StGB in einem Fall wie dem vorliegenden ausscheidet, in welchem der berechtigte Inhaber einer Debitkarte diese einem anderen nebst der zugehörigen Geheimzahl freiwillig überlässt, und dieser die Karte abredewidrig nutzt (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 12. August 2025, 5 StR 262/25, noch nicht veröffentlicht; Beschluss vom 9. Oktober 2024, 5 StR 409/24, NStZ-RR 2024, 374, juris Rn. 8; überholt daher der anderslautende Beschluss des BGH vom 23. November 2016, 4 StR 464/16, BeckRS 2016, 113217). Ebenso wenig kommt, ohne dass dies weiterer Erörterung bedürfte, eine Strafbarkeit nach § 266b StGB in Betracht, wie das Amtsgericht auch richtig ausgeführt hat.
12
Die Urteilsgründe erwiesen sich indessen insoweit als rechtsfehlerhaft, als sie es unterlassen, eine sich aufgrund der festgestellten Tatumstände aufdrängende Strafbarkeit nach § 266 StGB ernsthaft in Betracht zu ziehen und substanzvoll zu erörtern, obgleich eine Strafbarkeit nach § 266 StGB die Anwendung des lediglich subsidiär geltenden § 246 StGB ausschließen würde, § 246 Abs. 1 2. HS StGB.
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a) Die Urteilsgründe führen hierzu lediglich kursorisch aus, eine Strafbarkeit nach § 266 StGB liege nicht vor, da es der als Putzkraft beschäftigten Angeklagten an einer qualifizierten Vermögensbetreuungspflicht fehle (UA S. 9). An einer nachvollziehbaren Erörterung der Tatbestandsmerkmale auf der Grundlage sorgfältiger Würdigung des konkreten Sachverhalts fehlt es. Die ohne nachvollziehbare Begründung statuierte Nichtanwendbarkeit des § 266 StGB ist auf der Grundlage der vom Amtsgericht selbst getroffenen Feststellungen nicht haltbar.
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b) Der Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB weist zwei Tatbestandsalternativen auf, nämlich den Missbrauchstatbestand (1. Alternative des § 266 Abs. 1 StGB, Missbrauch einer eingeräumten Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder eine andere Person zu verpflichten) und den sog. Treubruchstatbestand (2. Alternative, Vorliegen einer tatsächlichen Einwirkungsmacht auf fremdes Vermögen). Beide Alternativen setzen, wie das Amtsgericht im Ausgangspunkt zutreffend gesehen hat, voraus, dass den Täter eine besonders hervorgehobene Pflicht trifft, die Vermögensinteressen eines anderen zu betreuen. Allgemeine schuldrechtliche Verpflichtungen, wie sich aus Austauschverträgen gegebenenfalls ergebende Rücksichtnahme- und Sorgfaltspflichten, reichen nicht aus (Fischer, StGB, 72. Aufl. 2025, § 266 Rn. 36a m.v.w.N.). Die Vermögensbetreuungspflicht muss sich als zumindest mitbestimmende und nicht nur „beiläufige“ Pflicht darstellen, die über die für jedermann geltenden Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten und die allgemeine Pflicht, auf die Vermögensinteressen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen, hinausgeht. Hinzukommen muss, dass dem Täter Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen bleibt und ihm eine gewisse Selbstständigkeit belassen wird (Fischer, a.a.O.; st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Januar 2023, 6 StR 383/22, NStZ 2023, 351; s. auch Senat, Urteil vom 28. September 2022, 206 StRR 157/22, NJW 2022, 3522 Rn. 13 f.).
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c) Die vom Amtsgericht festgestellten Tatumstände belegen das Bestehen einer Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Geschädigten im dargestellten Sinn.
16
aa) Ein Rechtssatz des Inhalts, wie ihn das Amtsgericht aufstellt, dass es einer Person, die als „Putzkraft“ angestellt ist, (stets) an einer qualifizierten Vermögensbetreuungspflicht fehle (UA S. 9), besteht nicht. Es kommt vielmehr auf die Umstände des konkreten Einzelfalls an. Das Amtsgericht lässt namentlich außer Acht, dass es im vorliegenden Fall für die Frage nach einem strafbaren Verhalten der Angeklagten nicht auf ihre Tätigkeit im Haushalt der Geschädigten als Putzkraft im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ankommt, sondern um die sie treffenden Befugnisse und Pflichten, die daraus erwachsen sind, dass ihr die Geschädigte die auf ihr Konto bei der Sparkasse bezogene Debitkarte nebst zugehöriger PIN überlassen hat, sowie um die Umstände, die hierzu geführt haben und die Absprachen, die zur Nutzung der Karte getroffen wurden.
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bb) Die Aushändigung von Karte und PIN, beides personalisierte Zahlungsautorisierungsinstrumente, hat es der Angeklagten mit Willen der Geschädigten ermöglicht, auf deren Guthaben bei der betreffenden Bank, unter anderem durch Barabhebungen, zuzugreifen. Dadurch hat sie die Angeklagte jemandem gleichgestellt, dem Bankvollmacht erteilt ist (OLG Hamm, Beschluss vom 6. Juni 2003, 2 Ss 367/03, NStZ-RR 2004, 111). Die Überlassung erfolgte zudem nicht (lediglich) zur eigennützigen Verwendung durch die Angeklagte (zu einem solchen Fall vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12. März 2015, 1 RVs 15/15, NStZ-RR 2015, 213), sondern es oblag dieser vielmehr, im Interesse der Geschädigten mit dem abgehobenen Bargeld Einkäufe zu tätigen und der Geschädigten Bargeldbeträge auszuhändigen. Ob eine derartige durch Aushändigung von Karte und PIN erfolgte Autorisierung der Angeklagten durch die Vertragsbedingungen der Banken nicht gestattet ist, wie das Amtsgericht an anderer Stelle der Urteilsgründe meint (UA S. 17 ff.), ist für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses zwischen der Geschädigten und der Angeklagten ohne Bedeutung.
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cc) Bereits der Missbrauch einer (fremdnützig) erteilten Bankvollmacht durch Abhebung von Beträgen, die dem Bevollmächtigten nicht zustehen, wird in der Rechtsprechung als Verstoß gegen eine durch Rechtsgeschäft begründeten Treuepflicht, § 266 Abs. 1 StGB, angesehen (BGH, Beschluss vom 29. August 2011, 5 StR 247/11, juris Rn. 7; OLG Hamm NStZ-RR 2004, 111; vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2024, 5 StR 409/24, NStZ-RR 2024, 374 und OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Januar 1998, 2 Ss 437/97 – 123/97 II, NStZ-RR 1998, 137, juris Rn. 7, jeweils nach Aufhebung der Vorentscheidung wegen fehlerhaften Schuldspruchs aus § 263a StGB, wobei die Zurückverweisung jeweils zur Prüfung von § 266 StGB [ohne Erwähnung von § 246 StGB] erfolgte; s. auch BeckOK StGB/Schmidt, 66. Ed., Stand 01.08.2025, § 263a Rn. 27 sowie Tübinger Kommentar-StGB/Perron, 31. Aufl. 2025, § 263a Rn. 12, die für die gegenständliche Fallkonstellation ebenfalls lediglich auf eine etwaige Strafbarkeit nach § 266 StGB hinweisen).
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dd) Der Senat muss nicht entscheiden, ob ein durch Bankvollmacht oder Kartenüberlassung ermöglichter Zugriff auf das jeweilige Konto, wenn er abredewidrig erfolgt, stets und ohne weitere Voraussetzungen an die im Einzelfall getroffenen Absprachen den Treubruchtatbestand des § 266 StGB verwirklicht (weitere, nicht konkret bezeichnete Anforderungen stellt z.B. OLG Köln, Urteil vom 9. Juli 1991, Ss 624/90, NJW 1992, 125, 126). Jedenfalls die weiteren besonderen Umstände, die das Amtsgericht im vorliegenden Fall festgestellt hat, rechtfertigen den Schluss auf das Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses und einer Vermögensbetreuungspflicht. Die Angeklagte war bereits seit mehreren Jahrzehnten bei der Geschädigten (als Putzkraft) beschäftigt. Die hochbetagte, im Jahr 1937 geborene Geschädigte konnte bereits seit etwa zehn Jahren aufgrund körperlicher Einschränkungen ihre Wohnung nicht mehr verlassen, woraus zu schließen ist, dass sie weder selbst Einkäufe tätigen noch sich selbständig durch einen Gang zur Bank oder zu geeigneten Geldautomaten mit Bargeld versorgen konnte. Der Angeklagten waren diese gleichsam existenziell wichtigen Aufgaben von der in den genannten Punkten zur Eigenversorgung nicht mehr fähigen Geschädigten rechtsgeschäftlich übertragen worden, was weit über ihre Tätigkeit als Putzkraft im Wortsinne und über die in diesem Vertragskontext bestehenden Fürsorge- und Sorgfaltspflichten hinausging. Dass die Ermöglichung des Zugriffs auf das Geldvermögen der Geschädigten nur auf der Grundlage eines besonderen Vertrauens, wohl gegründet auf das bereits seit Jahrzehnten bestehende Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis geschah, drängt sich auf. Zudem hatte die Angeklagte, wie von der Rechtsprechung für die Annahme einer qualifizierten Vermögensbetreuungspflicht gefordert, ausreichend Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen, betreffend die Höhe der abzuhebenden Beträge, für die ihr die Geschädigte lediglich eine Obergrenze gesetzt hatte, und damit auch für die Beträge, die die Angeklagte für sich behalten durfte. Das Amtsgericht übersieht, dass es an einem solchen Entscheidungsspielraum in dem Fall fehlte, welcher der vom Amtsgericht zwar teilweise ablehnend zitierten Entscheidung des OLG München (Urteil vom 16. März 2017, 5 OLG 13 Ss 637/16, n.v.), auf deren Gründe es seine Auffassung, eine Putzkraft könne keine Untreue verwirklichen, aber ersichtlich stützt (Beschlussgründe S. 4, wortgleich UA S. 9). Im dort zugrunde liegenden Fall war einem als Putzkraft beschäftigten Arbeitnehmer eine Bankkarte ausschließlich zum Zweck des Tankens ausgehändigt worden; ebenso OLG Celle für einen Fall, in welchem einem Kraftfahrer eine Tankkarte zum Zweck der Betankung des geführten Lastkraftwagens überlassen war (Beschluss vom 5. November 2010, 1 Ws 277/10, NStZ 2011, 218, juris Rn. 6; für die einem Auslieferungsfahrer ausgehändigte Tankkarte auch OLG Koblenz, Urteil vom 2. Februar 2015, 2 OLG 3 Ss 170/14, juris Rn. 22).
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Dem Senat ist es – auch unabhängig von den Unklarheiten bezüglich der Anzahl und Konkretisierung der zur Aburteilung gekommenen Taten – versagt, den Schuldspruch wegen Straftaten der Unterschlagung in einen solchen wegen Untreue zu ändern. Solches ist zwar grundsätzlich dann möglich, wenn das angegriffene Urteil vollständige und tragfähige Urteilsfeststellungen enthält, was vorliegend der Fall ist. Auch das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO stünde einer Auswechslung durch den angesichts der höheren Strafdrohung schwereren Schuldvorwurf des § 266 StGB nicht entgegen.
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Es kann jedoch deshalb nicht in der beschriebenen Weise verfahren werden, weil der Senat nicht gänzlich ausschließen kann, dass sich die Angeklagte anders als geschehen hätte verteidigen können, wenn ihr die Möglichkeit eines Schuldspruchs nach § 266 StGB vor Augen geführt worden wäre. Daran fehlt es nämlich. Bereits in der Anklageschrift vom 24. Juni 2024 wird eine Strafbarkeit nach § 266 StGB so kategorisch ausgeschlossen, dass die Angeklagte nicht mit der Möglichkeit seiner Anwendung rechnen musste. Ein späterer Hinweis nach § 265 StPO ist ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht erfolgt.
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Für die Annahme, dass sich die Angeklagte möglicherweise anders verteidigt hätte, stellt der Senat maßgeblich darauf ab, dass die – äußerst knappe – Beweiswürdigung des Urteils lediglich auf das „vollumfängliche Geständnis“ der Angeklagten verweist (UA S. 8). Soweit ergänzend darauf hingewiesen wird, die Aussage der inzwischen verstorbenen Geschädigten sei verlesen worden, können hieraus keine Erkenntnisse gewonnen werden, denn der Inhalt der Vernehmung wird nicht, auch nicht auszugsweise, mitgeteilt. Das Geständnis der Angeklagten wiederum erfolgte vor dem Hintergrund, dass sie sich allein mit einem Tatvorwurf nach § 246 Abs. 1 StGB konfrontiert sah, den sie, auch unter Berücksichtigung der bereits in der Anklageschrift aufgezeigten rechtlichen Streitfragen, nicht ausschließbar aus rechtlichen Gründen für nicht anwendbar erachtete.
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Die Feststellungen des Amtsgerichts kann der Senat mithin nicht zur Grundlage einer Schuldspruchänderung machen. Er kann nicht ausschließen, dass das neue Tatgericht, je nach Einlassung der Angeklagten, noch ergänzende oder abweichende Feststellungen wird treffen können.
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Der Senat ist, abgesehen von den Unklarheiten über die Anzahl der Taten, auch gehindert, den Schuldspruch wegen Unterschlagung als den gegenüber der Untreue „milderen“ Schuldspruch zum Vorteil der Angeklagten aufrecht zu erhalten. Dies wäre allenfalls dann möglich, wenn auf der Grundlage der Feststellungen die Tatbestandmerkmale des § 246 Abs. 1 StGB zweifelsfrei erfüllt wären und die Norm lediglich aus Gründen der Subsidiarität zurücktreten müsste. Dies ist aber nicht der Fall.
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a) Die Verwirklichung einer Unterschlagung würde voraussetzen, dass die Angeklagte durch die Entnahme der jeweils vom Bankautomaten ausgegebenen Geldscheine nicht deren Eigentümerin geworden wäre, sondern sich ein Eigentumsübergang nach § 929 BGB auf die Kontoinhaberin vollzogen hätte oder das Eigentum bei der ausgebenden Bank verblieben wäre. In diesem Fall könnte sich die Angeklagte die Geldscheine zumindest insoweit widerrechtlich zugeignet haben, als sie sie in einem die „erlaubte“ Höhe übersteigenden Umfang für eigene Zwecke verwendet hat, statt sie für Einkäufe für die Geschädigte einzusetzen oder dieser die Valuta auszuhändigen.
26
b) Die Frage, wie sich ein Eigentumsübergang an Geldscheinen vollzieht, die durch einen Bankautomaten nach Verwendung einer mit Willen des berechtigten Kontoinhabers überlassenen Bankkarte und der dazugehörigen Geheimzahl ausgegeben werden, ist weder in der höchstrichterlichen straf- und zivilrechtlichen, namentlich zum Bankenrecht ergangenen, Rechtsprechung, noch in der Literatur der bezeichneten Rechtsgebiete abschließend geklärt. Die Rechtsausführungen des angegriffenen Urteils, die ausführlich aus diversen Entscheidungen anderer Gerichte zitieren, zeigen einen Teil der hierzu vertretenen Rechtspositionen auf.
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c) Für den vorliegenden Fall, in welchem sich jedenfalls nach den bisher getroffenen Feststellungen die Angeklagte nach § 266 StGB strafbar gemacht hat, hinter den § 246 StGB bei einer etwaigen tatbestandlichen Verwirklichung zurücktreten würde, sieht der Senat keinen Anlass, die im Zusammenhang mit der Übereignung von Geldscheinen am Geldautomaten entstehenden Rechtsprobleme – nicht entscheidungserheblich – abzuhandeln.
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Er sieht lediglich folgende Hinweise zur Begründung für angezeigt, aus welchen Gründen er jedenfalls an einer Aufrechterhaltung der Verurteilung wegen Unterschlagung unter dem Gesichtspunkt, dass dies für die Angeklagte günstiger wäre als eine Verurteilung wegen Untreue, gehindert ist.
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aa) Das Amtsgericht vertritt die Rechtsauffassung, die Übereignung von am Geldautomaten ausgegeben Geldscheinen erfolge stets nur an den berechtigten Kontoinhaber; damit verneint es gleichzeitig eine wirksame Übereignung an einen, nach freiwilliger Überlassung der Karte, berechtigten Karteninhaber. Die Banken gäben mit der Geldausgabe ein Angebot auf Eigentumsübertragung gemäß § 929 BGB nur gegenüber dem Kontoberechtigten ab. Für den vorliegenden Fall würde aus dieser Auffassung folgen, dass durch die von der Geschädigten immerhin (zumindest überwiegend) autorisierten Vorgänge am Geldautomaten sie selbst das Eigentum an der Geldscheinen erworben hätte, dies aber nur dann, wenn festgestellt wäre – was das Amtsgericht indes unterlassen hat –, dass ihr ein wirksames Übereignungsangebot zugegangen wäre, welches sie wirksam angenommen hätte, und dass sie den Besitz an den Geldscheinen erlangt hätte (was hier auszuschließen ist), oder ein die Übergabe ersetzendes Surrogat (welches?) eingetreten wäre. Im Zusammenhang mit der Abgabe und Entgegennahme der genannten Willenserklärungen wäre die Frage zu klären gewesen, ob die Angeklagte insoweit Vertreterin oder Botin der Geschäftsherrin war, hinsichtlich des Besitzübergangs käme es auf ein wirksames Besitzkonstitut an. Fehlte es an einer der Voraussetzungen, wäre nach der Rechtsauffassung des Amtsgerichts die Bank Eigentümerin der Geldscheine geblieben. Nicht die Kontoinhaberin, sondern die Bank bzw., falls der Automat nicht von der kontoführenden Bank betrieben wurde, ggf. ein Dritter, wären bei dieser Betrachtung durch die Unterschlagung verletzt, was die Folgefrage aufwürfe, ob dies für den vollen Betrag gelten würde oder nur für denjenigen, der über den im Innenverhältnis zwischen der Angeklagten und der Kontoinhaberin vereinbarten Höchstbetrag hinausginge. Es müsste sich die Frage anschließen, ob eine solche Differenzierung nicht gekünstelt wäre.
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Die Urteilsgründe des angegriffenen Urteils enthalten keine Ausführungen dazu, von wessen Eigentum das Gericht zum Zeitpunkt der Unterschlagung (durch absprachewidrige Verwendung der Gelder für sich selbst, UA S. 4) ausgegangen ist, und auf welchen Tatsachen und Wertungen für den konkreten Einzelfall dies beruhte.
31
bb) Das Amtsgericht stellt zur Begründung seiner Rechtsauffassung, in Einklang mit einzelnen Stimmen aus der zivilrechtlichen Literatur, maßgeblich darauf ab, dass nach den Vertragsbedingungen der Banken die Weitergabe der Karte und der zugehörigen persönlichen PIN nicht gestattet sei, und deshalb die Bank kein Interesse daran haben könne, eine Übereignung der Geldscheine an eine andere Person als den Kontoinhaber vorzunehmen (UA S. 19 ff.).
32
Selbst wenn man – was der Senat ausdrücklich offen lässt – diese abstrakt und allgemein formulierte Auffassung für tatsächlich und rechtlich zutreffend hielte, man also den Bedingungen aus dem internen Vertragsverhältnis zwischen der kontoführenden Bank und dem Kontoinhaber eine solche nach außen wirkende Bedeutung zuzumessen wollte, wäre das Gericht bei der Prüfung eines strafbaren Verhaltens nicht davon entbunden, die im jeweiligen konkreten Fall geltenden vertraglichen Beziehungen zwischen der Kontoinhaberin und der Bank, hier einer konkret bezeichneten Sparkasse, zu prüfen. Es ist nicht festgestellt, wann die (hochbetagte) Kontoinhaberin das Konto eröffnet hat, womöglich bereits vor Jahrzehnten, welche Vertragsklauseln zu diesem Zeitpunkt galten, und ob etwaige nachträgliche Bedingungen zu einem späteren Zeitpunkt Vertragsbestandteil geworden sind. In der Regel dürfte die Vereinbarung der allgemein üblichen Bank-AGBs zwar zu vermuten sein, darauf kann sich eine strafrechtliche Verurteilung aber dann nicht stützen, wenn es wie hier Anhaltspunkte für ein „Altkonto“ mit einem möglicherweise abweichenden Vertragsinhalt gibt. Zu klären wäre zudem auch die Beurteilung interner Vertragsabreden mit der Bank für den Fall, dass die Geldabhebung nicht an einem Geldautomaten der kontoführenden Bank erfolgt sein sollte (hierzu fehlen Feststellungen).
33
Hinzuweisen ist ferner noch darauf, dass im zivilrechtlichen Schrifttum die Auffassung vertreten wird, dass Klauseln, die die Weitergabe von Karten oder anderen personalisierten Sicherheitsmerkmalen untersagen, wie auch ein damit verbundener partieller Ausschluss der Stellvertretung mit dem Inkrafttreten des § 48 ZAG (Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz) zum 14. September 2019 insoweit obsolet geworden seien, als der Zahlungsdienstleister nunmehr gesetzlich verpflichtet sei, einem vom Zahler mit der Auslösung und Autorisierung seines Zahlungsauftrags betrauten Zahlungsauslösedienstleister den vertretungsweisen oder jedenfalls botenschaftlichen Zugriff auf das Zahlerkonto zu gestatten (BeckOGK/Köndgen, BGB, Stand 15.01.2025, § 675j Rn. 18). Ferner wird vertreten, der Ausschluss jeder Stellvertretung in Bank-AGBs, auch so weit die Überlassung von Karte und PIN generell ausgeschlossen werde, halte einer Prüfung nach § 305c Abs. 1 und § 307 Abs. 2 Satz 2 BGB möglichweise nicht stand (BeckOK BGB/Schmalenbach, Stand 01.08.2025, § 675j Rn. 3, dort letztlich aber offengelassen). Diese zuletzt genannten Auffassungen könnten der Annahme, eine Bank wolle ausnahmslos nur an den berechtigten Kontoinhaber übereignen, entgegenstehen, und dürften, wenn man der Rechtsauffassung des Amtsgerichts grundsätzlich folgen wollte, als Vorfrage bei der Beurteilung des Eigentumsübergangs von Geldscheinen durch Benutzung einer Karte mit Geheimzahl am Automaten zu klären sein.
34
cc) Lediglich ergänzend stellt der Senat noch klar, dass, soweit ersichtlich, von keiner Seite in Frage gestellt wird, dass derjenige Benutzer einer Geldkarte nebst PIN, der sich diese – was vorliegend auszuschließen ist – durch eine Straftat oder durch verbotene Eigenmacht verschafft hat, mangels Übereignungswillens der Bank kein Eigentum an den Geldscheinen erwirbt. Wegen der Anwendbarkeit des § 263a StGB auf derartige Fälle stellt sich die Frage, ob auch § 246 StGB verwirklicht ist, in diesen Fällen aber nicht (s. nur OLG Hamm, Beschluss vom 19. Januar 2023, RVs 39/22, juris; vor Inkrafttreten des § 263a StGB wurde hingegen bei der unberechtigten Geldabhebung am Automaten nach Entwendung und Benutzung der „eurocheque-Karte“ das Vorliegen einer Unterschlagung angenommen; eine Übereignung an denjenigen, der sich unbefugt in den Besitz von Scheckkarte und Geheimnummer gesetzt habe, sei nicht erfolgt, BGH, Beschluss vom 16. Dezember 1987, 3 StR 209/87, NJW 1988, 979). Diese unstrittige Auffassung führt dazu, dass in den entsprechenden strafgerichtlichen Entscheidungen nicht selten formuliert wird, der „unberechtigte Karteninhaber“ mache sich strafbar, damit aber regelmäßig nur derjenige Karteninhaber gemeint ist, der sich diese durch eine Straftat oder verbotene Eigenmacht verschafft hat, und somit keine Rückschlüsse für den vorliegenden Fall erlaubt, in welchem eine allein auf einer internen Vertragsabrede „nicht-so-berechtigte“ Benutzung strafrechtlicher Prüfung zu unterziehen ist.
III.
35
Das Urteil kann aus vorstehenden Gründen keinen Bestand haben. Der Senat hebt es gemäß § 353 StPO mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafabteilung des Amtsgerichts München zurück.
36
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
37
Das Verbot der Schlechterstellung infolge der allein durch die Angeklagte eingelegten Revision, § 358 Abs. 2 StGB, steht einem Schuldspruch gemäß § 266 StGB zwar, wenn sich das neue Tatgericht von den Voraussetzungen hierfür überzeugen kann, nicht entgegen.
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Bei der dann vorzunehmenden Rechtsfolgenbestimmung wird jedoch zu beachten sein, dass zum einen weder die Einzelstrafen noch die Gesamtstrafe erhöht werden dürfen, und zum anderen wegen des Verbots der Schlechterstellung auch der höhere Strafrahmen des § 266 StGB nicht zu Lasten der Angeklagten berücksichtigt werden darf (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2009, 2 StR 462/09, NStZ-RR 2010, 118; Senatsurteil vom 28. September 2022, 206 StRR 157/22, BeckRS 2022, 26627 Rn. 37; Karlsruher Kommentar StPO/Paul, 9. Aufl. 2023, § 331 Rn. 2a; Schmitt/Köhler a.a.O. § 358 Rn. 11, § 331 Rn. 8.)