Inhalt

VGH München, Beschluss v. 14.10.2025 – 15 CS 25.963
Titel:

Nachbarklage gegen Baugenehmigung für Café mit Außenbetrieb und Wohnung, Gebot der Rücksichtnahme, Lärmimmissionen, seltene Ereignisse, Abstandsflächen

Normenkette:
§ 34 BauGB.
Schlagworte:
Nachbarklage gegen Baugenehmigung für Café mit Außenbetrieb und Wohnung, Gebot der Rücksichtnahme, Lärmimmissionen, seltene Ereignisse, Abstandsflächen
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 02.05.2025 – RN 6 S 25.726
Fundstelle:
BeckRS 2025, 27762

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
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Die Antragstellerin wendet sich als Nachbarin gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 19. Januar 2024 in der Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 20. März 2024 für die Instandsetzung des Traidkastens (Getreidespeichers) mit Betrieb eines Cafés und Wohnung im Obergeschoss eines ehemaligen Pfarrhofs mit 20 Sitzplätzen im Innenbereich und 40 Sitzplätzen im Außenbereich. Entsprechend den Auflagen des technischen Umweltschutzes ist u.a. der Betrieb des Cafés auf den Zeitraum von 9:00 Uhr bis 20:00 Uhr beschränkt. An bis zu 10 Tagen in einem Kalenderjahr ist ausnahmsweise ein Betrieb bis 24:00 Uhr zulässig; dabei ist sicherzustellen, dass sich nach 22:00 Uhr keine Gäste mehr auf der Freischankfläche aufhalten.
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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der entsprechenden Klage (Az. RN 6 K 24.330), über die noch nicht entschieden ist, abgelehnt. Zwar sei offen, ob die vom Vorhaben ausgehenden, zu erwartenden Lärmbelastungen einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot begründen, jedoch gehe die Interessenabwägung zulasten der Antragstellerin aus, da keine nicht wiedergutzumachenden Rechtsverletzungen für diese zu erwarten seien.
3
Mit der eingelegten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie macht im Wesentlichen geltend, die Bescheide seien unbestimmt. Es sei keine einheitliche Lärmbetrachtung des Museums und des Cafés erfolgt und die Nachtstunden seien bei der Lärmberechnung nicht berücksichtigt worden. Die Abstandsflächen würden nicht eingehalten, da der Anbau (Schuppen) als Lagerraum für das Café diene.
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Die Antragstellerin hat beantragt,
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1. den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 2. Mai 2025 aufzuheben und
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2. die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Genehmigungsbescheid des Antragsgegners vom 19. Januar 2024 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 20. März 2024 anzuordnen.
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Der Antragsgegner – Landesanwaltschaft Bayern – hat beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen,
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und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss. Die Antragstellerin sei nicht von unzumutbaren Lärmimmissionen betroffen. Der Anbau sei abstandsflächenrechtlich privilegiert zulässig.
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Der Beigeladene äußerte sich im Beschwerdeverfahren nicht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der vorgelegten Behördenakten, über deren Eingang in Papierform die Beteiligten unterrichtet wurden, verwiesen.
II.
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Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (§ 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 VwGO) im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Erfolgsaussichten der Klage offen sind, die Interessensabwägung allerdings zu Lasten der Antragstellerin ausfällt. Aufgrund der vom Technischen Umweltschutz unter dem 12. Juni 2025 abgegebenen Stellungnahme (vgl. die am 9. Juli 2025 übermittelten, nicht nummerierten Papierakten) zu den von der Antragstellerin vorgebrachten immissionsschutzrechtlichen Einwendungen spricht jedoch inzwischen Überwiegendes dafür, dass ihre Klage erfolglos bleiben dürfte. Die vom Senat anzustellende Interessensabwägung führt daher ebenfalls dazu, dass diese zu Lasten der Antragstellerin ausgeht.
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1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Baugenehmigung jedenfalls nicht, wie die Antragstellerin meint, in nachbarrechtsverletzender Weise unbestimmt ist. Vielmehr seien aufgrund der Betriebsbeschreibung und den festgesetzten Auflagen ausreichend Anhaltspunkte bezüglich des zu erwartenden regulären Cafébetriebs sowie der zu erwartenden Veranstaltungen zu entnehmen und allein aufgrund dessen keine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes zu erwarten (BA S. 15 f.).
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Mit der ausführlichen Begründung des Verwaltungsgerichts setzt sich die Antragstellerin nicht substantiiert auseinander, sondern behauptet lediglich das Gegenteil. Sie legt insbesondere nicht dar, weshalb die Art der Verköstigung zu einem Entweichen von Abluft in unzumutbarem Umfang und eine Selbstbedienung per se zu einem höheren Besucheraufkommen mit einer höheren Lärmbelastung führen sollen. Das Verwaltungsgericht hat zudem ausgeführt, dass besondere Anlieferungen oder Verkehr nicht von der angefochtenen Baugenehmigung erfasst sind, zumal aufgrund der genehmigten Betriebszeiten ein An- und Abfahrtsverkehr zu Nachtzeiten nicht zu erwarten ist. Dem tritt die Antragstellerin nicht entgegen.
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2. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist das Verwaltungsgericht auch zu Recht davon ausgegangen, dass eine Verletzung des Abstandsflächenrechts zulasten der Antragstellerin nicht ersichtlich und der Lagerraum für das Café aufgrund seiner Maße sowie der genehmigten Nutzung in den Abstandsflächen nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO privilegiert zulässig ist (BA S. 21 f.). In den Abstandsflächen sowie ohne eigene Abstandsflächen, auch wenn sie nicht an der Grundstücksgrenze errichtet werden, sind Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m zulässig, wobei die Höhe von Dächern mit einer Neigung von mehr als 45 Grad zu einem Drittel, mit einer Neigung von mehr als 70 Grad voll der Wandhöhe hinzugerechnet wird; Giebelflächen bleiben bei einer Dachneigung bis zu 45 Grad unberücksichtigt (Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO). Demnach kommt es auf die Zweckbestimmung nicht an (vgl. Molodovsky in Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand 7/2025, Art. 6 Rn. 299a).
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3. Die von der Antragstellerin vorgebrachten immissionsschutzrechtlichen Einwendungen führen unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Technischen Umweltschutzes vom 12. Juni 2025 nicht zum Erfolg. Vielmehr ergibt sich hieraus, dass insbesondere die von der Antragstellerin geforderte Gesamtbetrachtung der durch das Museum und das Café verursachten Lärmimmissionen auch unter Berücksichtigung des Nachtzeitraums durchgeführt wurde und am Immissionsort der Antragstellerin mit keinen unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen zu rechnen ist. Es spricht daher viel dafür, dass die Klage der Antragstellerin keine Erfolgsaussichten haben dürfte.
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Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, da auch im Falle offener Erfolgsaussichten die vom Senat anzustellende Interessensabwägung dazu führt, dass kein Anlass besteht, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin anzuordnen. Dies ergibt sich aus dem genehmigten Betriebskonzept, insbesondere im Hinblick auf die beauflagten Betriebszeiten, und der Stellungnahme des technischen Umweltschutzes vom 12. Juni 2025. Lärmbeeinträchtigungen an der Grenze zur Gesundheitsbeeinträchtigung sind im Übrigen weder dargelegt noch ersichtlich. Daher spricht vieles dafür, dass die Antragstellerin keinen unzumutbaren Lärmimmissionen ausgesetzt ist, weshalb die Interessen des Beigeladenen an der sofortigen Vollziehbarkeit der Baugenehmigung überwiegen.
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da der Beigeladene im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt und damit auch kein Kostenrisiko übernommen hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass dieser seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2015 – 15 C 14.508 – juris Rn. 5). Sie entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).